Normen
EStG 1972 §37 Abs1;
EStG 1972 §37 Abs2 Z1;
EStG 1972 §67;
EStG 1972 §37 Abs1;
EStG 1972 §37 Abs2 Z1;
EStG 1972 §67;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war im Jahre 1980 Arbeitnehmer der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich. Neben seiner sonstigen Tätigkeit (Haupttätigkeit) für diese Kammer bereitete er in den Jahren 1979 und 1980 die Handelskammerwahl 1980 vor, wofür ihm die Kammer im Jahre 1980 eine einmalige Sonderentlohnung (Wahlgratifikation) von S 91.736,-- gewährte.
In der Einkommensteuererklärung für 1980 wies der Beschwerdeführer neben den von der Kammer bezogenen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (einschließlich der Wahlgratifikation) auch noch Kapitaleinkünfte im Sinne des § 41 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 und eine davon einbehaltene Kapitalertragsteuer von S 80,-- aus. Bezüglich der Wahlgratifikation führte der Beschwerdeführer in einer Beilage zur Einkommensteuererklärung aus, daß diese von der Kammer mit einem Betrag von S 83.110,34 nach dem "Normaltarif" versteuert worden sei. Es handle sich dabei um eine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit, weshalb der Beschwerdeführer dafür die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 37 EStG 1972 beantrage.
Diesem Antrag trug das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid für 1980 jedoch mit der Begründung nicht Rechnung, daß die steuerliche Behandlung sonstiger Bezüge von Lohnsteuerpflichtigen im § 67 EStG 1972 abschließend geregelt sei.
Dem hielt der Beschwerdeführer mit Berufung entgegen, daß erst das Abgabenänderungsgesetz 1981, BGBl. Nr. 620 (AbgÄG 1981), ab Veranlagung 1982 eine dem Standpunkt des Finanzamtes entsprechende, allerdings verfassungsrechtlich bedenkliche, Rechtslage geschaffen habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge, wobei sie es dahingestellt ließ, ob eine Tätigkeit vorlag, die sich im Sinne des § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 über mehrere Jahre erstreckte. Als wesentlich erachtete es die belangte Behörde, daß die steuerliche Behandlung sonstiger Bezüge von Lohnsteuerpflichtigen im § 67 EStG 1972 abschließend geregelt sei. Sonstige Bezüge, die mit einem festen Steuersatz besteuert werden, würden bei der Veranlagung zur Einkommensteuer gemäß § 41 Abs. 4 EStG 1972 überhaupt ausscheiden. Sonstige Bezüge, die wie ein laufender Bezug nach dem Lohnsteuertarif besteuert werden, würden zwar nicht bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ausscheiden, sie könnten aber nicht nach § 37 Abs. 1 EStG 1972 besteuert werden, da - wie erwähnt - die steuerliche Begünstigung der sonstigen Bezüge im § 67 leg. cit. abschließend geregelt sei und es überdies bei gegenteiliger Auslegung vom zufälligen Vorliegen eines Veranlagungsgrundes abhinge, ob der ermäßigte Steuersatz zum Zug komme oder nicht. Eine solche Auslegung des § 37 EStG 1972 wäre aber nicht verfassungskonform.
Mit dem Abgabenänderungsgesetz 1981 sei dem § 37 Abs. 1 EStG 1972 die ab der Veranlagung 1982 gültige Bestimmung hinzugefügt worden, wonach auf Einkünfte, die unter § 67 EStG 1972 fielen, der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden sei. Ein etwaiger Umkehrschluß für die Veranlagungsjahre bis einschließlich 1981 entbehre - gemessen an den obigen Ausführungen - jeglicher Grundlage.
Den in der Berufung geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Neuregelung durch das Abgabenänderungsgesetz 1981 hielt die belangte Behörde das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 1971, B 84/71, entgegen.
Zum Sachverhalt verwies der angefochtene Bescheid noch auf eine Aussage des Beschwerdeführers, wonach er neben der Vorbereitung der Handelskammerwahlen 1980 für die alle fünf Jahre stattfindenden Handelskammerwahlen unter anderem die Karteien der Mitglieder in Evidenz gehalten habe.
Vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In Streit gezogen ist vor dem Verwaltungsgerichtshof allein die Frage, ob bei der Veranlagung des Jahres 1980 Einkünfte im Sinne des § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 auch dann gemäß Abs. 1 der Gesetzesstelle als außerordentliche Einkünfte begünstigt werden konnten, wenn sie sonstige Bezüge im Sinne des § 67 EStG 1972 darstellten.
Zu den nach § 37 Abs. 1 EStG 1972 begünstigten außerordentlichen Einkünften gehören nach Abs. 2 Z. 1 der Gesetzesstelle "Einkünfte, welche die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt". Das Wort "Entlohnung" zeigt, daß der Gesetzgeber mit § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 jedenfalls auch dem Tatbestand entsprechende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Auge hatte (Hofstätter-Reichel, Kommentar zum EStG 1972, § 37 Tz 9, sowie das vom Beschwerdeführer zitierte hg. Erkenntnis vom 9. November 1977, Zl. 1521/77). Wollte man nun nichtselbständig erzielte Einkünfte im Sinne des § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 deshalb von der Tarifbegünstigung für außerordentliche Einkünfte ausschließen, weil sie sonstige Bezüge im Sinne des § 67 EStG 1972 darstellen, so wäre der erstgenannten Bestimmung ein Anwendungsbereich genommen, für den sie nach ihrem Wortlaut jedenfalls gedacht ist; denn in nichtselbständiger Arbeit erzielte Einkünfte, welche die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt, sind zugleich wesensmäßig sonstige Bezüge im Sinne des § 67 EStG 1972. Im Wege der Auslegung läßt sich ein solches Ergebnis nicht rechtfertigen. Auf die Änderung des Gesetzes aber wird der Gerichtshof in weiterer Folge eingehen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch die Auffassung der belangten Behörde nicht zu teilen, die steuerliche Behandlung sonstiger Bezüge sei im § 67 EStG 1972 abschließend geregelt. § 67 findet sich im V. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 1972, betreffend den Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer).
§ 67 leg. cit. hat dementsprechend die lohnsteuerliche Behandlung sonstiger Bezüge zum Inhalt. Abschließend regelt er aber die steuerliche Behandlung sonstiger Bezüge nur insoweit, als diese nicht in eine Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen sind (siehe § 41 Abs. 4 und § 67 Abs. 9 EStG 1972). Sind aber sonstige Bezüge in eine Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen, dann regeln insoweit erst die für die Veranlagung geltenden Vorschriften abschließend die steuerliche Behandlung sonstiger Bezüge. Läßt eine wie § 37 EStG 1972 bei der Veranlagung anzuwendende Bestimmung im Rahmen der Veranlagung eine Begünstigung sonstiger Bezüge zu, so ist sie, wenn alle Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, zu gewähren.
Sind im Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist gemäß § 37 Abs. 1 leg. cit. auf Antrag die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Der ermäßigte Steuersatz beträgt die Hälfte des Prozentsatzes, der sich bei Anwendung des Einkommensteuertarifes (§ 33) auf das gesamte zu versteuernde Einkommen ergibt. Auf das übrige Einkommen ist der Einkommensteuertarif (§ 33) anzuwenden.
Dieser Gesetzesstelle fügte Abschn. I Art. I Z. 29 AbgÄG 1981, BGBl. Nr. 620, folgenden Satz an:
"Auf Einkünfte, die unter die Bestimmung des § 67 fallen, ist der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden."
Auf Grund vorstehender Erwägungen vermag der Gerichtshof in dieser Ergänzung des Gesetzes nicht bloß eine "Klarstellung" über eine Rechtslage zu erblicken, wie sie schon vor der Ergänzung bestanden haben soll. Es wäre auch, wenn es sich wirklich nur um eine solche Klarstellung gehandelt hätte, die Anordnung unverständlich, daß Abschn. I Art. I Z. 29 AbgÄG 1981 erst ab der Veranlagung für 1982 gelten soll (Abschn. I Art. III Z. 1 leg. cit.).
Daß eine Begünstigung für veranlagte Einkünfte nur zum Zug kommt, wenn eine Veranlagung durchzuführen ist, macht die Begünstigung noch nicht verfassungsrechtlich bedenklich. Die frühere Rechtslage, wonach bestimmte Bezüge nach § 37 und nach § 67 EStG 1972 begünstigt sein konnten, mag allerdings rechtspolitisch nicht befriedigt haben. Dies war offenkundig der Grund für die Gesetzesänderung durch das Abgabenänderungsgesetz 1981, die aber entgegen der Auffassung der belangten Behörde erst ab der Veranlagung für 1982 anzuwenden ist.
Die belangte Behörde hat sohin die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 6. März 1984
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