VwGH 83/13/0054

VwGH83/13/00543.10.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Traumüller, über die Beschwerde der A-AG in W, vertreten durch Dr. Karl Muzik, Rechtsanwalt in Wien IV, Graf Starhemberggasse 39/17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. März 1983, Zl. GA 5-1714/10/82, betreffend Lohnsteuernachforderung, zu Recht erkannt:

Normen

AbgRallg;
EStG 1972 §68 Abs1;
EStG 1972 §68 Abs3;
EStG 1972 §68;
AbgRallg;
EStG 1972 §68 Abs1;
EStG 1972 §68 Abs3;
EStG 1972 §68;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 27. Jänner 1982, Zl. 13/1786/80, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den vom Beschwerdeführer angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Mai 1980, Zl. GA 5-1852/2/80, betreffend Lohnsteuernachforderung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. In für das weitere Verfahren maßgebender Weise legte der Gerichtshof dar, zu der Annahme der belangten Behörde, es mangle vorliegendenfalls an einem wirksamen Überstundenpauschalübereinkommen, "weil mit den betreffenden Dienstnehmern keine Vereinbarung über die Anzahl der in der Gesamtstundenleistung enthaltenen zu leistenden Überstunden getroffen wurde", fehle es an ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen. Die Beschwerdeführerin folge nach § 6 Abs. 3 Angestelltengesetz dem einzelnen Angestellten eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Dienstvertrag (Dienstzettel) aus. Da ein und demselben Angestellten nicht nur ein einziger Dienstzettel übergeben worden sei, sondern zumindest zwei einander ergänzende Dienstzettel, sei es nicht möglich, mangels einer in den beiden Dienstzetteln wiedergegebenen Vereinbarung über die Anzahl der zu leistenden Überstunden, die in der Gesamtstundenleistung enthalten sein sollten, ohne weiteres und zuverlässig auf das Fehlen einer solchen Vereinbarung zu schließen. Im Abgabenakt lägen "Errechnungen der steuerfreien Zuschläge für Überstundenpauschale". Da diese "Errechnungen" je Arbeitnehmer eine individuelle Anzahl von Überstunden auswiesen, werde insbesondere die Grundlage zu klären sein, auf der sie erstellt worden seien.

Im fortgesetzten Verfahren beauftragte die belangte Behörde das zuständige Finanzamt die im Sinne der Ausführungen in dem oben zitierten hg. Erkenntnis notwendigen ergänzenden Erhebungen durchzuführen. Hiebei wurde anläßlich der Einsichtnahme in die Personalakten der in Rede stehenden Angestellten festgestellt, daß bei Dienstantritt des jeweiligen Arbeitnehmers diesem von der Beschwerdeführerin ein Dienstzettel ausgehändigt werde, in welchem seine Rechte und Pflichten aufgezeichnet seien. In der Folge werde bei jeder Änderung der Einstufung oder des Bezuges des Bediensteten diesem ein weiterer Dienstzettel übermittelt. Auf diesem scheine jeweils die Klausel auf, daß mit diesem Bezug jede Mehrarbeit abgegolten sei. Eine weitere spezielle Überstundenvereinbarung bestehe nicht. Als Grundlage für die Überstundenberechnungen dienten die Überzahlungen über die Kollektivvertragsgehaltsansätze.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen und begründend im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Vorliegendenfalls läge, wie sich aus den ergänzend durchgeführten Ermittlungen ergäbe, eine entsprechende Vereinbarung über die Anzahl der zu leistenden Überstunden, die in der Gesamtstundenanzahl des einzelnen Angestellten enthalten sein sollten, nicht vor. Die Beschwerdeführerin habe nämlich denselben nach § 6 Abs. 3 Angestelltengesetz "eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Dienstvertrag (Dienstzettel)" ausgefolgt. In der Folge seien diesen Angestellten zwar weitere ergänzende Dienstzettel übergeben worden, keiner derselben habe aber eine Vereinbarung über die Anzahl der zu leistenden Überstunden, die in der Gesamtstundenanzahl hätten enthalten sein sollen, beinhaltet. "Allein das Herausschälen von Überstundenzuschlägen auf Grund von Zahlungen über den Kollektivvertrag hinaus" reiche nicht aus, "eine Begünstigung im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG 1972 in Anspruch zu nehmen". Außer der schon erwähnten Anmerkung, daß mit dem jeweiligen Bezug jede Mehrarbeit abgegolten sei, "konnte keinerlei Vereinbarung über Mehrarbeit vorgelegt werden".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1972 beträgt die Lohnsteuer, wenn der Arbeitnehmer Schmutz, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, in Überstundenentlohnungen enthaltene Zuschläge für Mehrarbeit und Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhält, soweit diese Zulagen und Zuschläge insgesamt den Freibetrag von S 5.070,--

monatlich (S 1.170,-- wöchentlich, S 195,-- täglich) übersteigen, 15 v.H. Als Überstunde gilt gemäß § 68 Abs. 3 leg. cit. jede über die Normalarbeitszeit hinaus geleistete Überstunde, wobei der hier maßgebende Begriff der Normalarbeitszeit dahin bestimmt ist, daß darunter jene Arbeitszeit fällt, die in den in den Ziffern 1 bis 4 des § 68 Abs. 3 aufgezeigten Normen festgelegt ist. Daraus folgt, daß Überstunden, die lediglich die sich aus einem Einzelvertrag ergebende Normalarbeitszeit übersteigen, der steuerlichen Begünstigung des § 68 Abs. 1 EStG 1972 nicht teilhaftig werden (vgl. hg. Erkenntnis vom 13. September 1977, Zl. 671/77). Gemäß § 5 Abs. 12 des Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie hat, wenn aus Zweckmäßigkeitsgründen ein Überstundenpauschale in Geld vereinbart wird, für die Berechnung der monatlichen Pauschalsumme der Grundsatz zu gelten, daß sie der durchschnittlich geleisteten Überstundenanzahl entspricht, wobei die Überstundenzuschläge ebenfalls einzurechnen sind.

Die Steuerbegünstigung für in Überstundenentlohnungen enthaltene Zuschläge für Mehrarbeit kommt nur in Betracht, wenn die genaue Anzahl und zeitliche Lagerung tatsächlich geleisteter Überstunden sowie die genaue Höhe der dafür über das sonstige Arbeitsentgelt hinaus bezahlten Zuschläge feststehen. Vom ersten dieser beiden Erfordernisse kann nur abgesehen werden, wenn eine klare, nach der Sachlage wirtschaftlich fundierte und daher für den Bereich des Abgabenrechtes anzuerkennende Vereinbarung über eine Pauschalabgeltung der Überstundenleistungen in bestimmter Höhe getroffen ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1978, Zl. 2488/77).

Sind Überstundenpauschalvergütungen in der kollektivvertraglichen Regelung vorgesehen oder ermächtigt die kollektivvertragliche Regelung, im einzelnen Betrieb Überstundenpauschalvergütungen zu vereinbaren, ist Mindesterfordernis für die Begünstigung nach § 68 Abs. 1 EStG 1972 der Nachweis der Anzahl der durchschnittlich im Lohnzahlungszeitraum unter der Voraussetzung gleichbleibender Verhältnisse zu leistenden Überstunden und, daß das Pauschale (Grundlohn und Mehrarbeitszuschlag) der Zahl der durchschnittlich geleisteten Überstunden entspricht (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 68 EStG 1972, Tz 8 und die dort angeführte hg. Judikatur).

Wie der Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. hg. Erkenntnis vom 9. März 1979, Zlen. 2850, 3004, 3005/78) ist die Frage, ob ein Arbeitnehmer, für den die Begünstigung des § 68 Abs. 1 EStG 1972 in Anspruch genommen wird, ein leitender Angestellter ist oder nicht, nach dem Inhalt des Gesetzes nicht rechtserheblich.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde in dem Bescheid vom 12. Mai 1980, GA 5-1852/2/80, die Steuerfreiheit der in Rede stehenden Überstundenzuschläge verneint, weil einerseits die betroffenen Arbeitnehmer keine leitenden Angestellten gewesen seien und andererseits ein wirksames Überstundenpauschalübereinkommen nicht vorgelegen sei, weil es an der Vereinbarung über die Anzahl der in der Gesamtstundenleistung enthaltenen zu leistenden Überstunden gefehlt hat.

Was zunächst das erste Argument anlangt, so erweist es sich schon deshalb als nicht tragfähig, weil, wie bereits oben ausgeführt, die Frage, ob der Arbeitnehmer, für den die Begünstigung des § 68 Abs. 1 EStG 1972 in Anspruch genommen wird, ein leitender Angestellter ist oder nicht, nach dem Inhalt des Gesetzes nicht rechtserheblich ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß auch die in der vorliegenden Beschwerde enthaltenen weitwendigen Ausführungen zu diesem Punkt für die Erledigung des Streitfalles ohne Relevanz sind.

Zu dem zweiten, von der belangten Behörde in ihrem oben angeführten Bescheid verwendeten Begründungselement jedoch, nämlich zu der Annahme es mangle an einem wirksamen Überstundenpauschalübereinkommen hat der Gerichtshof in dem Erkenntnis vom 27. Jänner 1982, Zl. 13/1786/80, lediglich zum Ausdruck gebracht, daß es diesbezüglich an ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen fehle. Insbesondere sei auch, da im Abgabenakt "Errechnungen der steuerfreien Zuschläge für Überstundenpauschale" liegen würden, die Grundlage zu klären, auf der dieselben erstellt worden seien.

Es ist nun zu prüfen, ob die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren die noch fehlenden Sachverhaltsermittlungen durchgeführt hat oder nicht. Ergibt sich aus diesen weiteren Feststellungen, daß die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, daß "mit den betreffenden Dienstnehmern keine Vereinbarung über die Anzahl der in der Gesamtstundenleistung enthaltenen zu leistenden Überstunden getroffen wurde", dann kann ihr auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Streitfall die Steuerfreiheit der betreffenden Überstundenzuschläge verneint.

In Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin, welche in ihrer Replik vom 27. Juni 1983 im gegenständlichen Zusammenhang nicht in Abrede stellt, daß die von ihr "angelegten Unterlagen für den Nachweis einer abgeschlossenen Vereinbarung nach § 5 Abs. 12 des Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie nicht ausreichen", hat auch die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren im Wege der Einsichtnahme in die Personalakten der betreffenden Angestellten durch das zuständige Finanzamt festgestellt, daß Vereinbarungen über die Anzahl der zu leistenden Überstunden, die in der Gesamtstundenleistung enthalten sein sollen, nicht existieren. Die Berechnung der Überstundengrundlöhne und Überstundenzuschläge erfolgt durch das "Herausschälen" derselben aus dem die Kollektivvertragsansätze übersteigenden Teil der Entlohnung der einzelnen Angestellten.

Der Gerichtshof teilt auf Grund dieses Sachverhaltes die Ansicht der belangten Behörde, daß im Streitfall ein wirksames Überstundenpauschalübereinkommen nicht vorlag, weil es an einer Vereinbarung über die Anzahl der in der Gesamtstundenleistung enthaltenen und zu leistenden Überstunden fehlte. Mit Recht vertritt sie auch die Auffassung, daß in der Klausel in den einzelnen Dienstzetteln, wonach mit diesem Bezug "jede Mehrarbeit abgegolten" ist, eine entsprechende derartige Vereinbarung nicht erblickt werden kann.

Aber auch aus den Hinweisen der Beschwerdeführerin auf verschiedene, allesamt nicht im Bundesgesetzblatt kundgemachte Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen vermag die Beschwerdeführerin, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zu Recht sinngemäß anmerkt, für ihr Vorbringen nichts zu gewinnen; denn wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, können aus derartigen Erlässen den Parteien weder subjektive, vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbare Rechte erwachsen noch ihnen Pflichten auferlegt werden (vgl. z. B. hg. Erkenntnis vom 23. März 1982, Zl. 81/14/0085).

Da demnach die belangte Behörde unbedenklich zu dem Schluß gelangen durfte, daß die begehrte Steuerfreiheit für Überstundenzuschläge zu verneinen war, erwies sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet, weshalb sie - unter Absehung von der beantragten Verhandlung nach § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache insbesondere der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht erwarten läßt, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abgewiesen werden mußte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht durchgeführt wurde.

Wien, am 3. Oktober 1984

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