VwGH 83/05/0049

VwGH83/05/004917.1.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des GD in W, vertreten durch Dr. KM, Rechtsanwalt in W, gegen die Bauoberbehörde für Wien, betreffend die Verletzung der Entscheidungspflicht in einem Baubewilligungsverfahren, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §134 Abs3 idF vor 1976/018
BauO Wr §6 Abs8 idF 1976/018
BauO Wr §69 lita idF 1976/018
BauO Wr §70 Abs2 idF idF 1976/018
BauRallg implizit

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983050049.X00

 

Spruch:

Gemäß § 42 Abs. 5 VwGG 1965, in der Passung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976, in Verbindung mit § 73 AVG 1950 wird gemäß §§ 70 und 69 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976, die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von Zubauten, Umbauten und weiteren baulichen Maßnahmen auf der Liegenschaft Wien, O Straße 41, unter Zugrundelegung des vorgelegten Bauplanes erteilt.

Die Einwendung der Stadt Wien als Nachbarin, „das Bauvorhaben würde trotz allem eine Beeinträchtigung der Bewohner des Hauses ON Nr. 39 herbeiführen“, wird als unbegründet abgewiesen. Die Einwendung der Eigentümerin der Liegenschaft Wien, O Straße 42, es wäre eine größere Lärmbelästigung, ausgelöst durch Gäste des zu eröffnenden Betriebes sowie im Hinblick auf die damit zusammenhängende zusätzliche Verparkung der O Straße, zu befürchten, wird als unzulässig zurückgewiesen.

Vorgeschrieben wird: 1.) Vor Baubeginn ist im Sinne des § 124 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) der Baubehörde der Bauführer namhaft zu machen. Dieser hat gemäß § 65 BO die genehmigten Unterlagen zu unterfertigen.

2.) Gemäß § 127 Abs. 8 BO ist auf der Baustelle ab Baubeginn bis zur Vollendung des Baues eine vom Wiener Magistrat noch auszufertigende Bestätigung darüber, daß es sich um eine befugte Bauführung handelt, so aufzuhängen, daß sie von der Verkehrsfläche aus deutlich sichtbar und lesbar ist.

3.) Die Hauskanalanlage ist nach den Bestimmungen der ÖNorm B 2501 und B 5101 auszuführen.

4.) Nach Fertigstellung der Bauarbeiten ist gemäß § 128 BO unter Vorlage eines Rauchfang- und eines Kanalbefundes sowie der Gehsteigkonstatierung der MA 28 bei der Baubehörde um die Benützungsbewilligung anzusuchen.

5.) Gemäß § 118 BO wird folgendes vorgeschrieben:

a) Zweiflügelige Türen in Fluchtwegen sind mit geeigneten Verschlüssen zu versehen.

b) Türdrücker von Türen in Fluchtwegen sind so auszugestalten, daß ein Hängenbleiben wirksam verhindert wird.

c) Alle Stiegenläufe im Zuge von Fluchtwegen der Besucher sind beidseitig mit Anhaltestangen bzw. Geländern ohne freie Enden auszuführen.

d) Die feuerhemmende Schiebetüre im Windfang darf im geöffneten Zustand feststellbar sein, wenn die Feststellvorrichtung so ausgebildet ist, daß sich die Türe bei Rauchentwicklung selbsttätig schließt. Das Schließen muß jedoch auch von Hand aus an Ort und Stelle möglich sein. Die Feststellvorrichtung muß vom öffentlichen Stromnetz unabhängig sein, sofern sie nicht nach dem Ruhestromprinzip arbeitet, sodaß der Stromausfall die Türe ebenfalls selbst schließt.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 4.552,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1982, Zl. 81/05/0145, zu verweisen. Damals hatte der Verwaltungsgerichtshof bei Bejahung der Verletzung der Entscheidungspflicht der Bauoberbehörde für Wien nach dem im Akt erliegenden Gutachten ein Ausnahmefall vorliege und daher auch ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Ausnahme bestehe. Der Beschwerdeführer beantragte, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und ihm sodann die Baubewilligung gemäß seinem gestellten Antrag vom 16. Jänner 1979 (richtig: 1980) zu erteilen.

Auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers leitete der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 12. April 1983 gemäß § 35 VwGG 1965 das Vorverfahren ein. Gemäß § 36 Abs. 1 VwGG 1965 wurde die belangte Behörde aufgefordert, binnen acht Wochen eine Gegenschrift einzubringen und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Gemäß § 36 Abs. 2 VwGG 1965 wurde der belangten Behörde freigestellt, innerhalb derselben Frist den versäumten. Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides vorzulegen. Mit Schreiben vom 9. Juni 1983 legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof holte in der Folge ein Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen des Magistrates der Stadt Wien ‑ Magistratsabteilung 15 ein. In seinem Gutachten vom 27. Oktober 1983 führte der Amtssachverständige nach Erstellung des Befundes und einem Hinweis auf die im Akt erliegende Äußerung eines medizinischen Amtssachverständigen im wesentlichen aus, durch das Errichten der im Projekt vorgesehenen Lärmschutzwand und durch andere bereits vorgeschlagene, lärmdämmende Maßnahmen ließen sich Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft durch Geräusche und Lärm, die im Objekt selbst verursacht würden, weitestgehend vermeiden. Ebenso sei bei Errichten einer entsprechend hohen Trennmauer zwischen den Objekten O Straße 39 und 41 das Auftreten von unzumutbaren Belästigungen und Gefahren durch Abgase der im Hof abgestellten Kraftfahrzeuge für die Nachbarschaft nicht zu erwarten. Um eine Störung der Gäste zu verhindern, würden diese Abstellplätze wahrscheinlich nur im beschränkten Maße genützt werden. Zur Frage, ob durch Rauch, Ruß, Staub, schädliche oder üble Dünste, Niederschläge aus Dämpfen und durch Wärme Gefahren oder unzumutbare den Antrag des Beschwerdeführers auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über sein Bauansuchen an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 abgewiesen, weil im Hinblick auf Modifizierungen seines Bauvorhabens der Gerichtshof davon ausging, daß die im § 73 Abs. 1 AVG 1950 bestimmte Frist erst mit Wiedervorlage des abgeänderten Bauplanes neuerlich zu laufen begann und sohin im Zeitpunkt der Antragstellung bei der Oberbehörde nicht über sechs Monate ein ausschließliches Verschulden der Behörde an der Verzögerung vorgelegen hatte.

Die Baubehörde erster Instanz hat nach Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes das Verfahren dahin ergänzt, daß sowohl ein technischer Amtssachverständiger als auch ein medizinischer Amtssachverständiger zur Frage der Bewilligungsfähigkeit des vorliegenden Bauvorhabens Stellung genommen haben. Beide Amtssachverständigen kamen zur Auffassung, daß sich das Bauvorhaben des Beschwerdeführers als bewilligungsfähig erweist. Da die Baubehörde erster Instanz abermals über den Antrag des Beschwerdeführers nicht entschied, stellte er mit Schreiben vom 30. September 1982 neuerlich einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG 1950 an die Bauoberbehörde für Wien. Da in der Folge auch die Bauoberbehörde für Wien über den Antrag des Beschwerdeführers nicht entschied, erhob dieser am 5. April 1983 die Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. In dieser Säumnisbeschwerde wies der Beschwerdeführer darauf hin, aus eingeholten Gutachten gehe hervor, daß der die Baulinie überschreitende Altbestand im Hinblick auf den Charakter des örtlichen Stadtbildes in der künftigen Schutzzone O erhalten bleiben solle, sodaß ein öffentliches Interesse daran bestehe, wenn das Gebäude nicht an die derzeit im Bebauungsplan noch festgelegte Baulinie zurückrücke. Es liege daher ein sachlich gerechtfertigter Ausnahmefall im Sinne des § 69 lit. a der Bauordnung für Wien vor. Die hiefür nach dem Gesetz erforderliche Zustimmung der örtlich zuständigen Bezirksvertretung habe sowohl die Baubehörde erster Instanz als auch die Baubehörde zweiter Instanz bereits beantragt gehabt, über diesen Antrag sei jedoch nicht entschieden worden. Die neuerliche Säumnis der Bauoberbehörde für Wien wirke umso schwerer, als Belästigungen für die Nachbarschaft herbeigeführt werden könnten, sei festzustellen, daß eine Gasheizung vorgesehen sei, deren Abgase über Dach des Hintergebäudes abgeleitet würden. Derzeit sei lediglich ein Ofen vorhanden. Unter diesen Voraussetzungen könnte es nur ausnahmsweise zu einer Belästigung der Nachbarschaft kommen. Für die Entlüftung der Küche und der Gasträume sei eine zentrale Anlage geplant, die das Ableiten der Abluft über dem Hinterhaus, östlich vom Küchenkamin, ermögliche. Unter diesen Voraussetzungen könnte es nur gelegentlich und bei sehr ungünstigen Witterungsverhältnissen zu unzumutbaren Belästigungen durch üble Dünste, Gerüche und Niederschläge aus Dämpfen kommen. Während sich durch geeignete bauliche Maßnahmen die innerhalb der Liegenschaft O Straße 41 erzeugten, die Nachbarschaft betreffenden Störfaktoren sehr reduzieren ließen, sei mit einer nicht zu unterschätzenden Belästigung der Nachbarschaft durch den außerhalb des Lokales erzeugten betriebsbezogenen Lärm zu rechnen. Die Lärmentwicklung auf der Straße werde durch lautes Sprechen und Rufen, durch das zuschlagen der Autotüren, Startvorgänge, Ein- und Ausparken und durch das Laufenlassen des Motors verursacht. Der dadurch erzeugte Lärm könne einerseits zu unzumutbaren Belästigungen der Nachbarschaft und andererseits durch das Aufwecken von Personen aus dem Tiefschlaf, der der Einschlafphase folge, zu Gefahren für die Gesundheit führen. Dieser Umstand gewinne umso mehr an Bedeutung, da die O Straße in der unmittelbaren Nähe des Projektes nur geringe Parkmöglichkeiten aufweise und die zu erwartenden Gäste die Nebengassen zum Parken benützen würden. Es sei anzunehmen, daß der geplante Bau vorwiegend von Gästen aus anderen Stadtgebieten Wiens mit dem eigenen Pkw oder einem Taxi werde aufgesucht werden. Der Amtssachverständige sei sich der Tatsache bewußt, daß sich im Bereich von O mehrere Heurigenlokale und auch einzelne Wirtshäuser befänden und daß dieses Stadtgebiet von der Wiener Bevölkerung als Heurigenort angesehen werde. Wegen der zu befürchtenden betriebsbezogenen Lärmentwicklung auf der Straße, die zu unzumutbaren Belästigungen und Gefahren für die Gesundheit der Nachbarn Anlaß sein könnte, werde vorgeschlagen, nach dem erfolgten Umbau zunächst einen zeitbeschränkten Probebetrieb zu gestatten; die Sperrstunde sollte vorerst mit 22.00 Uhr festgesetzt werden.

Zu diesem Gutachten nahm die Stadt Wien als Eigentümerin der anrainenden Liegenschaft O Straße 41 in ihrer Äußerung vom 2. Dezember 1983 im wesentlichen dahin Stellung, daß nicht nur die vom medizinischen Amtssachverständigen angenommene Lärmentwicklung zu befürchten sei, sondern vor allem auch eine Lärmentwicklung durch die Unterbringung von weiteren 60 Gästen im Hof der Liegenschaft und die Garagierung von 6 Fahrzeugen auf engstem Raum, wodurch sich zwangsläufig eine erhebliche Lärmbelästigung ergebe. Gerade in derartigen Heurigenbetrieben werde bis spät in die Nacht laut gesungen und musiziert und die Erfahrungen würden zeigen, daß Einrichtungen, wie Errichtung einer Mauer und einer mit Schallschluckeigenschaften ausgestalteten Pergola, nicht ausreichend und zielführend seien. Eine unzumutbare Lärmbelästigung sei bei den vorliegenden Gegebenheiten nicht auszuschließen. Schon auf Grund der bisherigen Erfahrungen mit dem zeitweiligen und beschränkten Umfang des Heurigenbetriebes müsse sich die Nachbarin gegen die beabsichtigte Vergrößerung des Betriebes als unzumutbar aussprechen.

Im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurde auch den bisher nicht gehörten Eigentümern der Liegenschaften O Straße 38 und O Straße 42 die Möglichkeit eröffnet, sich mit dem Bauvorhaben des Beschwerdeführers vertraut zu machen und Einwendungen zu erheben. Die Eigentümer der Liegenschaft O Straße 38 leisteten einer diesbezüglichen Einladung des Verwaltungsgerichtshofes keine Folge, wohl aber die Eigentümerin der Liegenschaft O Straße 42, welche gegen das Bauvorhaben des Beschwerdeführers einwendete, daß eine größere Lärmbelästigung zu befürchten wäre, ausgelöst durch Gäste des zu eröffnenden Betriebes sowie im Hinblick auf die damit zusätzliche Verparkung der O Straße. Weitere Einwendungen wurden nicht erhoben.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens hatten, wie der Beschwerdeführer zu Recht ausführt, sowohl die Baubehörde erster Instanz als auch die Baubehörde zweiter Instanz die Absicht, die vom Beschwerdeführer angestrebte baubehördliche Bewilligung zu erteilen. Der Aktenlage nach wurde die baubehördliche Bewilligung deswegen bisher nicht erteilt, weil im Hinblick darauf, daß das bestehende Vordergebäude die Baulinie überschreitet, für das Bauvorhaben die Zustimmung der örtlich zuständigen Bezirksvertretung nach § 69 lit. a BO erforderlich gewesen wäre. Nach der genannten Gesetzesstelle sind in sachlich gerechtfertigten Ausnahmefällen für das einzelne Bauvorhaben mit Zustimmung der örtlich zuständigen Bezirksvertretung folgende Abweichungen von den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu bewilligen, wenn der Umfang einer unwesentlichen Abänderung des Bebauungsplanes (§ 1) nicht überschritten wird, öffentliche Rücksichten nicht entgegenstehen oder öffentliche Interessen für die Abweichung sprechen und die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des Nachbarn nicht vermindert wird:

„a) Abweichungen von den festgesetzten Fluchtlinien oder Höhenlagen bei Umbauten, Zubauten, Errichtung von Nebengebäuden oder fundierten Einfriedungen, wobei die Beurteilung auf den gesamten nach § 70 bewilligten Baubestand abzustellen ist;“

Sowohl die Baubehörde erster Instanz als auch die Baubehörde zweiter Instanz gingen vom Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Ausnahmefalles aus, wie ihre im Akt erliegenden Anträge an die örtlich zuständige Bezirksvertretung erkennen lassen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung im Hinblick darauf, daß der Altbestand nach den im Akt erliegenden gutächtlichen Stellungnahmen im Interesse des Ortsbildes erhalten bleiben soll, sodaß der Abweichung von der Baulinie öffentliche Rücksichten nicht nur nicht entgegenstehen, sondern öffentliche Interessen sogar für die Abweichung sprechen. Da auch der Umfang einer unwesentlichen Abänderung des Bebauungsplanes nicht überschritten wird und die Bebaubarkeit von Nachbargrundflächen nicht vermindert wird, hat der Beschwerdeführer zu Recht darauf verwiesen, daß die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 69 lit. a BO vorliegen. Für das nunmehr verwaltungsgerichtliche Verfahren war daher entscheidend die Rechtsfrage, ob der Verwaltungsgerichtshof in gleicher Weise wie die Baubehörden für die von ihm zu treffende Entscheidung der Zustimmung der örtlich zuständigen Bezirksvertretung im Falle der Gewährung einer Ausnahme bedarf. Der Gerichtshof hat bereits in ähnlich gelagerten Fällen wiederholt ausgesprochen (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 15. März 1983, Zl. 81/05/0164; auf die Bestimmungen des Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, wird hingewiesen), daß eine derartige, für die Verwaltungsbehörde bestehende Bindung, hier an die Zustimmung der örtlich zuständigen Bezirksvertretung, für den Verwaltungsgerichtshof nicht besteht, wäre doch eine solche Bindung mit der Einrichtung des Verwaltungsgerichtshofes als eines unabhängigen, die Verwaltung überprüfenden Höchstgerichtes im Sinne der österreichischen Bundesverfassung unvereinbar. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher die Zustimmung der örtlich zuständigen Bezirksvertretung nicht einzuholen wohl aber hatte er das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 69 lit. a BO; wie dargetan, zu prüfen und sieht die Voraussetzungen als gegeben an.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte weiter zu prüfen, ob der projektierte gastgewerbliche Betrieb zu der im Flächenwidmungsplan für die Liegenschaft des Beschwerdeführers festgesetzten Widmung „gemischtes Baugebiet“ in Widerspruch steht. Nach § 6 Abs. 8 BO dürfen in gemischten Baugebieten keine Gebäude oder Anlagen errichtet werden, die geeignet sind, durch Rauch, Staub, schädliche oder üble Dünste, Niederschläge aus Dämpfen oder Abgasen, Geräusche, Wärme, Erschütterungen oder sonstige Einwirkungen, Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen ist die Errichtung von Gase, Beherbergungs- und Vergnügungsstätten nach § 6 Abs. 6 BO sogar in Wohngebieten zulässig. Es kann daher kein Zweifel darüber bestehen, daß der gegenständliche Betrieb seinem Typus nach im gemischten Baugebiet nicht von vornherein unzulässig ist. Die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten gutächtlichen Stellungnahmen haben bereits die Bewilligungsfähigkeit des vorliegenden Bauvorhabens angenommen. In dem im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingeholten Gutachten vom 27. Oktober 1983 erachtete der medizinische Amtssachverständige gleichfalls das Bauvorhaben als zu § 6 Abs. 8 BO nicht in Widerspruch stehend und die mit dem Betrieb des Gastgewerbes unmittelbar verbundenen Immissionen als zumutbar. Der Amtssachverständige vertrat jedoch sodann die Auffassung, daß die Lärmentwicklung auf der Straße durch lautes Sprechen und Rufen, durch das Zuschlagen der Autotüren, Startvorgänge usw. zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn führen könnte. Mit diesen Überlegungen verkannte der Amtssachverständige jedoch die Rechtslage. Zum Unterschied vom gewerberechtlichen Betriebsanlagen-verfahren sind nämlich nicht der Betrieb als solcher und insbesondere nicht die einzelnen Betriebsabläufe Gegenstand der baubehördlichen Bewilligung, vielmehr hat die Baubehörde zu prüfen, ob das Vorhaben mit der vorgeschriebenen Flächenwidmung vereinbar ist und angesichts der Betriebstype als solcher keine Gefahren oder unzumutbaren Belästigungen für die Nachbarschaft zu erwarten sind. Die Lärmentwicklung auf der Straße selbst, wie sie der Amtssachverständige aufzeigte, hängt nicht unmittelbar mit der konsensgemäßen Benützung der Baulichkeit zusammen, mag sie auch vom Betrieb ausgelöst worden sein, und ist daher nicht Gegenstand des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens. Insoweit konnte der Verwaltungsgerichtshof daher das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen. Soweit daher die Eigentümerin der Liegenschaft O Straße 42 eine Lärmbelästigung durch Gäste des zu eröffnenden Betriebes sowie im Hinblick auf die damit zusammenhängende zusätzliche allfällige Verparkung der O Straße befürchtet, erweist sich ihre Einwendung im baubehördlichen Bewilligungsverfahren als unzulässig. Die im Spruch wiedergegebenen Einwendungen der Stadt Wien als Eigentümerin der Liegenschaft O Straße 39 erweisen sich dagegen als unbegründet. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß die Stadt Wien zunächst im Verfahren vor der Baubehörde erster Instanz überhaupt keine Einwendungen erhoben hat und erst anläßlich der Verhandlung am 16. Oktober 1981 im Rahmen des Devolutionsverfahrens vor der Bauoberbehörde für Wien nach Besprechung einer Projektsänderung betreffend Schallschutzmaßnahmen erklärt hatte, „das Bauvorhaben würde trotz allem eine Beeinträchtigung der Bewohner des Hauses ON 39 herbeiführen“. Der Verwaltungsgerichtshof ist nun der Meinung, daß die zuletzt genannte Einwendung nicht als unzulässig zu beurteilen ist, vielmehr damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß weiterhin eine unzumutbare Belästigung der Nachbarschaft im Sinne des § 6 Abs. 8 BO zu befürchten sei. Soweit die Stadt Wien in ihrer Stellungnahme vom 2. Dezember 1983 weitergehende Einwendungen erhob, wären diese im Sinne des § 42 AVG 1950 präkludiert, sie könnten also nur als weitere Ausführungen zur behaupteten Unvereinbarkeit des Vorhabens des Beschwerdeführers mit § 6 Abs. 8 leg. cit. berücksichtigt werden. Auf Grund der eingeholten Gutachten erweist sich nun die am 16. Oktober 1981 erhobene Einwendung als unbegründet, weil der medizinische Amtssachverständige, wie schon dargetan, das Vorhaben des Beschwerdeführers selbst schlüssig dahin beurteilte, daß Gefahren oder unzumutbare Belästigungen im Sinne des § 6 Abs. 8 BO nicht herbeigeführt werden. Eine nur in Ausnahmefällen eintretende übermäßige Belästigung, wie sie der Sachverständige als möglich bezeichnete, kann nicht als Versagungsgrund angesehen werden, weil sie, als nur vereinzelt auftretend, als zumutbar zu qualifizieren ist. Fragen des Betriebes selbst sind aber, wie gleichfalls schon erwähnt, nicht Gegenstand des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens.

Zusammenfassend geht der Verwaltungsgerichtshof daher davon aus, daß das Bauvorhaben des Beschwerdeführers im gemischten Baugebiet der Vorschrift des § 6 Abs. 8 BO nicht widerspricht.

Sohin war auf Grund der gegebenen Sach- und Rechtslage die baubehördliche Bewilligung zu erteilen. Die das Bauvorhaben betreffenden Vorschreibungen, welche vom technischen Amtssachverständigen beantragt worden waren und denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, finden in den genannten gesetzlichen Bestimmungen ihre Deckung.

Festgestellt wird noch, daß das Bauvorhaben hinsichtlich der Schaffung von Pflichtstellplätzen den Bestimmungen der §§ 36 ff WGG entspricht. Die Vorschreibung einer Kanaleinmündungsgebühr wird durch die Baubehörde erster Rechtsstufe zu erfolgen haben. Hingewiesen wird weiter auf die unmittelbar sich aus dem Gesetz ergebenden Verpflichtungen, insbesondere auf die Bestimmungen des § 127 BO über die der Baubehörde während der Bauführung vorzulegenden Unterlagen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, da eine entsprechende Vorschrift für das Verfahren über Säumnisbeschwerden nach § 39 VwGG 1965 nicht besteht (vgl. Erkenntnis vom 23. Februar 1966, Zl. 1161/65).

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie der Verordnung BGBl. Nr. 221/1921 im Rahmen des gestellten Antrages.

Wien, am 17. Jänner 1984

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte