VwGH 83/03/0189

VwGH83/03/01891.2.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Baumgartner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schwaighofer, über die Beschwerde des PH in L, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer, Rechtsanwalt in Linz, Hauptplatz 23, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 11. Mai 1983, Zl. VerkR-9495/6-1983-II/Kp, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 14. Mai 1981 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 26. Dezember 1980 um 14.50 Uhr in Steyr, auf der Ennser Straße Nr. 16 einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw gelenkt und dabei an der Straße gelegene Sachen (Radargerät) durch überhöhte Geschwindigkeit beschmutzt; er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wurde eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe drei Tage) verhängt. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei zur Tatzeit von Dornach kommend mit einer Geschwindigkeit von zirka 50 km/h mit einem Lkw gefahren und habe vor dem Radargerät sein Fahrzeug auf das Straßenbankett gelenkt, um in die vor dem Radargerät befindliche zirka 2 m2 große Wasserlache zu fahren, offensichtlich in der Absicht, das Radargerät zu beschmutzen. Nach dem Durchfahren der Wasserlache sei der Beschwerdeführer wieder auf die Fahrbahn zurückgefahren und habe seine Fahrt in Richtung stadteinwärts fortgesetzt. Durch die starke Beschmutzung des Radargerätes sei eine Messung nicht mehr möglich gewesen; das Gerät habe erst wieder nach Reinigung in Betrieb genommen werden können. Nach zirka 10 Minuten sei der Beschwerdeführer mit demselben Fahrzeug in umgekehrter Richtung wieder am Meldungsleger vorbeigefahren und habe dabei höhnisch aus dem Fahrzeug gelacht. Der Meldungsleger sei zum Sachverhalt als Zeuge einvernommen worden und habe dabei seine Angaben in der Anzeige bestätigt. Der Beschwerdeführer sei, nachdem eine Strafverfügung wegen rechtzeitigen Einspruches außer Kraft getreten sei, als Beschuldigter geladen worden, er habe der Ladung keine Folge geleistet. An den Angaben des Meldungslegers bestünde kein Zweifel, dieser stünde unter Wahrheitspflicht, der Beschwerdeführer hingegen nicht. Es folgen Erwägungen zur Strafbemessung.

Der Beschwerdeführer erhob gegen dieses Straferkenntnis Berufung, die Angaben des Meldungslegers seien unrichtig, es lägen Widersprüche in der Zeugenaussage vor. Der Sohn des Beschwerdeführers möge als Zeuge vernommen werden.

Die Berufungsbehörde veranlaßte die zweimalige ergänzende Vernehmung des Meldungslegers als Zeuge und ließ von diesem zwei Skizzen anfertigen; ferner wurde der Sohn des Beschwerdeführers als Zeuge vernommen, ferner wurde das Gutachten eines Amtssachverständigen darüber eingeholt, ob am Tatort zur Tatzeit eine Wasserlache vorhanden gewesen sein könne und ob durch das Durchfahren dieser Wasserlache eine Beschmutzung des Radargerätes habe eintreten können. Dem Beschwerdeführer wurde jeweils Parteiengehör gewährt, er erstattete mehrere Schriftsätze.

Mit Bescheid vom 11. Mai 1983 wies die Oberösterreichische Landesregierung die Berufung ab und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch hinsichtlich der verhängten Strafe. In der Begründung wurde nach Darstellung des Ganges des Verwaltungsstrafverfahrens ausgeführt, auch für die Berufungsbehörde stünde eindeutig fest, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Übertretung begangen habe. Der Amtssachverständige Dipl.Ing. F habe nämlich unter anderem folgendes festgestellt:

"Auf Grund der örtlichen Verhältnisse konnte am Tage des Ereignisses durchwegs eine zusammenhängende Wasserlache vorhanden gewesen sein, deren Länge etwa 8 m betrug.

Nachdem die Fahrbahn der Ennser Straße nach der Mannlicherstraße hin geneigt ist, konnte sich auf der Fahrbahn der Ennser Straße kein Wasser ansammeln, die in Rede stehende Wasserlache sich demnach nicht auf die Fahrbahn ausdehnen.

Es erscheint jedenfalls als erwiesen, daß der Beschuldigte sein Kraftfahrzeug von der Fahrbahn der Ennser Straße auf das Bankett lenkte und beim Durchfahren der neben der Fahrbahn befindlichen Wasserlache das in Rede stehende Radargerät beschmutzte.

Auf Grund der dem Beschuldigten bekannten Position des Radargerätes sollte es diesem jedenfalls möglich gewesen sein, die Fahrgeschwindigkeit rechtzeitig und entsprechend zu verringern, so daß die Beschmutzung des Radargerätes vermieden worden wäre.

Vom Beschuldigten sollte auf Grund der flächenmäßigen Ausdehnung der Wasserlache zweifellos erkannt worden sein, daß eine Beschmutzung des Radargerätes nicht zu vermeiden sei, wenn die Wasserlache nicht mit lediglich geringer Geschwindigkeit durchfahren wird."

Der Meldungsleger habe den Vorfall sehr ausführlich, glaubwürdig und lebensnah geschildert. Darnach habe der Beschwerdeführer seinen rechten (befestigten) Fahrstreifen vor der Wasserlache offensichtlich in Beschmutzungsabsicht verlassen, die nur am Straßenbankett befindliche Wasserlache durchfahren und sei anschließend wieder auf den Fahrstreifen zurückgekehrt, wobei er seine Fahrgeschwindigkeit nicht verringert habe. Am Tatort sei zur Tatzeit eine Wasserlache, allenfalls auch noch mehrere, vorhanden gewesen, welche vom Beschwerdeführer in einer Art und Weise bzw. mit einer solchen Geschwindigkeit durchquert worden seien, daß daraus die Beschmutzung des in der Nähe des Straßenrandes aufgestellten Radargerätes resultierte. Diese Tatsache gehe sogar einigermaßen implizit auch aus der Aussage des Sohnes des Beschwerdeführers hervor, welcher die Möglichkeit habe einräumen müssen, daß sein Vater in eine der mehreren größeren Wasserlachen hineingefahren sein könne. Für den Beschwerdeführer sei nichts dadurch gewonnen, daß er ständig auf bedeutungslose Nebensächlichkeiten und relativ unerhebliche Sachverhaltselemente hinweise, die seiner Ansicht nach am Tatbestand Zweifel aufkommen lassen könnten. Beim Durchfahren der (wo immer genau auch befindlichen) Wasserlache mit einem bestimmten Tempo (jedenfalls größer als Schrittgeschwindigkeit) sei eine Beschmutzung von Sachen eben nicht zu vermeiden gewesen. Dies widerspräche dem Gebot des § 20 Abs. 1, zweiter Satz StVO. Daher sei der Berufung nicht Folge zu geben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Er darf auch nicht so schnell fahren, daß er andere Straßenbenützer oder an der Straße gelegene Sachen beschmutzt oder Vieh verletzt, wenn dies vermeidbar ist. Er darf auch nicht ohne zwingenden Grund so langsam fahren, daß er den übrigen Verkehr behindert.

Die Rechtsrüge dahin, der Spruch eines wegen Übertretung des § 20 Abs. 1 StVO erlassenen Straferkenntnisses müsse zahlenmäßig dartun, mit welcher überhöhter Geschwindigkeit der Lenker gefahren sei, ist unbegründet. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. April 1978, Zl. 1629/77, hinsichtlich der Übertretung nach § 9 Abs. 2 StVO dargetan hat, liegt keine Verletzung der Vorschrift des § 44 a lit. a VStG 1950 vor, wenn das Verhalten des Beschuldigten sinngemäß mit den Worten umschrieben wird, daß er sich am Tatort zur Tatzeit dem gegenständlichen Schutzweg nicht mit einer solchen Geschwindigkeit genähert habe, daß einem auf diesem befindlichen Fußgänger das ungehinderte und ungefährdete Überqueren desselben möglich gewesen sei. Die ziffernmäßige Festsetzung der vom Beschuldigten eingehaltenen Geschwindigkeit sei demnach nicht erforderlich.

Ähnliche Überlegungen gelten auch für die Tatumschreibung hinsichtlich des Verbotes nach § 20 Abs. 1 zweiter Satz StVO.

Die weitere Rechtsrüge, es sei nicht im Bescheid festgelegt, daß die vom Beschwerdeführer gewählte Geschwindigkeit deswegen überhöht gewesen sei, weil sie vermeidbar gewesen sei, ist ebenfalls verfehlt, weil der Nebensatz "wenn dies vermeidbar ist" sich nicht auf eine bestimmte eingehaltene Geschwindigkeit, sondern die Beschmutzung anderer Straßenbenützer oder an der Straße gelegener Sachen oder die Verletzung von Vieh an sich, betrifft. Daß nun aber am Tatort ein Vorbeifahren am Radargerät schlechthin unmöglich gewesen sei, ohne daß das Radargerät beschmutzt werden mußte, wurde nie behauptet und geht auch aus dem Sachverhalt nicht hervor.

Zur Verfahrensrüge ist folgendes zu bemerken:

Gemäß § 45 Abs. 2 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) hat die Behörde, sofern es sich nicht um offenkundige Tatsachen oder um solche handelt, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, daß der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt.

Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG 1950 hat nur zur Folge, daß die Würdigung der Beweise keiner anderen gesetzlichen Regelung unterworfen ist. Diese Regelung schließt keinesfalls eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind aber solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen. (Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N. F. Nr. 8619/A.)

Ob eine vorgenommene Beweiswürdigung richtig in dem Sinn ist, daß z.B. die Version des Meldungslegers und nicht die Version des Beschwerdeführers den Tatsachen entspricht, ist aber eine solche Frage der Beweiswürdigung, die der Verwaltungsgerichtshof nicht nachzuprüfen vermag. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es auf Grund seiner Organisationsnormen verwehrt, in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde die von den Behörden vorgenommene Beweiswürdigung durch Wiederholung der Beweise daraufhin zu überprüfen, ob nicht der gegenteilige Schluß aus den Beweisen zu ziehen wäre. (Vgl. die Erkenntnisse vom 12. November 1980, Zl. 1705/80; vom 11. Februar 1981, Zl. 1557/80; vom 25. Februar 1981, Zl. 03/3137/80; vom 4. Februar 1983, Zl. 81/02/0001 u.a.)

Von diesen rechtlichen Überlegungen ausgehend, erweist sich die Verfahrensrüge der Beschwerde als nicht begründet:

Sowohl das Gutachten des Amtssachverständigen als auch die beiden Skizzen wurden von der belangten Behörde zur Überprüfung der Angaben des Meldungslegers, sei es in der Anzeige, sei es in seinen wiederholten Zeugenaussagen, herangezogen. Daß nun die beiden erstgenahnten Beweismittel in einem solchen Widerspruch zu den Angaben des Meldungslegers stünden, daß diese schlechthin als den Denkgesetzen oder dem menschlichen Erfahrungsgut widersprechend anzusehen seien, konnte die Beschwerde nicht dartun. Die belangte Behörde wies mit Recht darauf hin, daß es nicht auf die nach Zentimetern genaue Lage der Wasserlache am Tatort zur Tatzeit ankam, sondern auf den Umstand, daß der Beschwerdeführer sein Fahrzeug durch die Wasserlache lenkte und daß dadurch das Radargerät beschmutzt wurde. Dies geschah nach dem Straferkenntnis erster Instanz mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h. Diese gewählte Geschwindigkeit war aber, wie die festgestellten Folgen des Durchfahrens der Wasserlache zeigten, zu hoch.

Es kommt im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob das Radargerät gemäß seinen Verwendungsvorschriften aufgestellt war, weil es ja nicht um die Richtigkeit einer vorgenommenen Messung geht. Die belangte Behörde hat klar dargetan, daß das Radargerät in einem solchen Abstand vom Fahrbahnrand stand, daß es durch das Befahren einer am Straßenbankett befindlichen Lache beschmutzt werden konnte und auch beschmutzt wurde.

Da es somit der Beschwerde nicht gelungen ist, die von ihr behaupteten Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 lit. b, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 1. Februar 1984

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