VwGH 83/13/0030

VwGH83/13/003011.5.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Sperlich, über die Beschwerde des PW in W, vertreten durch Dr. Hans Lesigang, Rechtsanwalt in Wien I., Wollzeile 36, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. Juni 1982, Zl. GZ 6/1-1292/82, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1974 bis 1977, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §162;
BAO §167 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Versicherungsvertreter und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG 1972. In den Streitjahren machte er als Betriebsausgaben weitergegebene Subprovisionen in der Höhe von S 144.900,-- (1974), S 130.800,-- (1975), S 138.800,--

(1976) und S 92.550,-- (1977) geltend. In einer im Jahre 1980 durchgeführten, die Jahre 1974 bis 1976 umfassenden Betriebsprüfung stellte der Betriebsprüfer fest, daß die geltend gemachten Subprovisionen im Jahre 1974 54 %, 1959 51 % und 1976 50 % der erklärten Erlöse ausgemacht hätten. Der Prüfer stellte ferner das Vorliegen und die Einzelheiten von vom Beschwerdeführer mit den einzelnen Provisionsempfängern (ca. 20 p.a.) getroffenen schriftlichen Vereinbarungen fest, die jeweils von beiden Teilen unterfertigt worden seien, und gelangte schließlich in seinem Bericht zu folgenden Schlüssen:

"Bei Überprüfung des vorhandenen Belegmaterials wurde durch die Bp. festgestellt, daß wohl für jede in Ausgabe gestellte Subprovision ein vom Empfänger unterfertigter Beleg über den Erhalt des jeweiligen Betrages vorliegt, jedoch keine Aufzeichnungen über

a) die Buchung der Höhe der Provision mit dem Anspruch des Subprovisionsempfängers

  1. b) die namentliche Erfassung der vermittelten Geschäftspartner
  2. c) die Fälligkeit der Subprovisionsansprüche nach Eingang der korrespondierenden Provisionen beim Stpfl.

    Da sich die Notwendigkeit der Führung solcher Aufzeichnungen schon aus geschäftlichen Interessen - um eine korrekte Durchführung der mit den Subprovisionsempfängern abgeschlossenen Vereinbarungen zu gewährleisten - ergibt, hat die Bp. diesbezügliche Aufzeichnungen ausdrücklich, jedoch ohne Erfolg abverlangt.

    Im Ermittlungsverfahren bei der Veranlagung 1974 wurden alle Subprovisionsempfänger aufgefordert gem. § 143 BAO bezüglich der getätigten Vermittlungen schriftlich Auskunft zu erteilen. In vielen Fällen konnten die erhaltenen Provisionen nur in ungefährem Ausmaß angegeben werden. In ca. 20 % der Fälle waren den befragten Personen die vermittelten Interessenten nicht mehr erinnerlich. In den übrigen Fällen konnten höchstens 3-4 Personen mit Name und Adresse genannt werden. In keinem Fall jedoch war der Bezug zwischen erhaltener Provision und vermittelter Person zu ersehen.

    Die Bp. mußte daher obigen Ausführungen zufolge unterstellen, daß es sich seitens der von den Empfängern ausgestellten Bestätigungen über erhaltene Subprovisionen weitgehend um Gefälligkeitsbestätigungen handelt und hat die dieserart belegten als Betriebsausgaben geltend gemachte Aufwendungen nur im Ausmaß von 10 % von den erklärten Umsätzen anerkannt."

    Auf die Durchführung einer Schlußbesprechung im Zuge der Betriebsprüfung verzichtete der Beschwerdeführer mit dem schriftlichen Hinweis, daß "offenbar eine Einigung nicht erzielt werden" könne.

    Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und verfügte für die Jahre 1974 und 1975 die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer und Gewerbesteuer und erließ neue Sachbescheide; ferner wurden - ebenfalls unter Anerkennung der geltend gemachten Subprovisionen im Ausmaß von nur 10 % der erklärten Erlöse - Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1976 und 1977 erlassen.

    Der Beschwerdeführer erhob gegen die Steuerbescheide 1974, 1975, 1976 und 1977 hinsichtlich der Gewerbesteuer und der Einkommensteuer Berufung und führte darin aus, daß zusätzliche Aufzeichnungen, wie sie von der Betriebsprüfung gefordert worden seien, vom Gesetzgeber nicht verlangt würden. Ferner machte der Beschwerdeführer in seiner Berufung nähere Angaben darüber, wie seine Geschäftsbeziehungen zu den namhaft gemachten Subprovisionsempfängern im einzelnen abgewickelt worden seien. Eine lückenlose Rekonstruktion dieser Zusammenhänge sei aber mit Rücksicht auf die weitgehend mündlich erfolgten Abmachungen nicht möglich.

    Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - unter Abstandnahme von der vom Beschwerdeführer nach Ablauf der Berufungsfrist beantragten mündlichen Verhandlung und ohne eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens - die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, mit der gemäß § 162 BAO vorgenommenen Namhaftmachung von Subprovisionsempfängern sei der Abzug von Ausgaben noch nicht gesichert. Wenn maßgebliche Gründe die Vermutung rechtfertigten, daß die benannten Personen nicht die Empfänger der abgesetzten Beträge seien, könne die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung den Abzug trotzdem versagen. Die von der Betriebsprüfung festgestellten Mängel der Aufzeichnung, insbesondere die fehlende namentliche Erfassung der vermittelten Geschäftspartner, ließen den Schluß zu, daß die vom Beschwerdeführer vorgelegten Provisionsbestätigungen lediglich Gefälligkeitsbestätigungen darstellten. Unrichtig sei, daß der Gesetzgeber zusätzliche Aufzeichnungen nicht verlange, gegen diese Auffassung des Beschwerdeführers sei auf die §§ 132 Abs. 1 und 166 BAO zu verweisen. Im übrigen habe der vom Beschwerdeführer in der Berufung dargelegte Sachverhalt den von der Betriebsprüfung angenommenen Sachverhalt nicht widerlegen können, weil er sich als unüberprüfbar erweise. Der Zweck von Aufzeichnungen liege in der Beweissicherung; da der Beschwerdeführer nur Gründe anführe, die eine solche Beweissicherung für unnötig befänden, könne dem Berufungsbegehren nicht weiter gefolgt werden. Darüber hinaus erscheine es dem Berufungssenat auch unglaubwürdig, daß rund die Hälfte der Erlöse für Subprovisionsnehmer ausgegeben worden sei.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht zwar das Unterbleiben einer mündlichen Berufungsverhandlung im Rahmen seiner Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, räumt jedoch selbst in Übereinstimmung mit § 284 Abs. 1 BAO ein, daß im Hinblick auf die verspätete Antragstellung "kein Rechtsanspruch besteht". Eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Gesetzesverletzung kann daher darin, daß eine mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde nicht stattgefunden hat, nicht erblickt werden.

Damit ist aber noch nicht gesagt, daß der angefochtene Bescheid in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren ergangen wäre.

Gemäß § 162 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde dann, wenn der Abgabepflichtige beantragt, daß Schulden, andere Lasten oder Aufwendungen abgesetzt werden, verlangen, daß der Abgabepflichtige die Gläubiger oder die Empfänger der abgesetzten Beträge genau bezeichnet. Dies hat der Beschwerdeführer hinsichtlich sämtlicher in den Streitjahren abgesetzter Subprovisionen getan, sodaß eine Nichtanerkennung der beantragten Absetzung infolge Verweigerung der geforderten Angaben gemäß § 162 Abs. 2 BAO jedenfalls nicht in Betracht kam.

Die belangte Behörde hat als Begründung dafür, warum sie trotzdem weitgehend zur Nichtanerkennung der geltend gemachten Subprovisionen gelangte, einerseits Mängel der Aufzeichnungen des Beschwerdeführers und andererseits das Ergebnis ihrer freien Beweiswürdigung ins Treffen geführt. Im ersten Punkt ist dem Beschwerdeführer Recht zu geben, wenn er darauf hinweist, daß das Gesetz - auch in den von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmungen - die von der belangten Behörde vermißten Aufzeichnungen nicht vorschreibt, sodaß ihr Fehlen dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Diese Regelung der freien Beweiswürdigung schließt jedoch keinesfalls eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit2, auf S 457 f angeführten Entscheidungen).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung ausschließlich auf die bei der Betriebsprüfung erzielten Ergebnisse gestützt, wobei sie es trotz der in der Berufung aufgestellten Tatsachenbehauptungen für entbehrlich erachtete, das Ermittlungsverfahren in irgendeiner Richtung zu ergänzen.

Im oben wörtlich wiedergegebenen Betriebsprüfungsbericht wurde dem Beschwerdeführer zugestanden, daß für jede in Ausgabe gestellte Subprovision ein vom Empfänger unterfertigter Beleg über den Erhalt des jeweiligen Betrages vorliege und daß darüber hinaus im Ermittlungsverfahren bei der Veranlagung 1974 (vor der Wiederaufnahme) alle Subprovisionsempfänger schriftliche Auskünfte gemäß § 143 BAO erteilt hätten. Nicht ausdrücklich im Betriebsprüfungsbericht erwähnt, wohl aber aktenkundig ist dazu, daß damals keiner der Subprovisionsempfänger den Erhalt solcher Beträge dem Grunde nach in Abrede gestellt hat. Für die weiteren der Betriebsprüfung unterlegenen Jahre 1975 und 1976 wurden Erhebungen in diesem Sinne weder im Rahmen der Betriebsprüfung noch im sonstigen Abgabenverfahren gepflogen; für das ebenfalls vom angefochtenen Bescheid umfaßte Jahr 1977 liegen nicht einmal Ergebnisse einer Betriebsprüfung vor.

Bei dieser Aktenlage vermag die Argumentation der belangten Behörde nicht zu überzeugen, der vom Beschwerdeführer dargelegte Sachverhalt habe sich als unüberprüfbar erwiesen. Mit dieser Feststellung tut die belangte Behörde insbesondere nicht überzeugend dar, warum sie trotz des darauf abzielenden Vorbringens des Beschwerdeführers nicht einmal den Versuch einer Überprüfung seiner Darstellung unternommen hat. Die belangte Behörde hat als maßgebliche Gründe, welche die Vermutung rechtfertigten, daß die benannten Personen nicht die Empfänger der abgesetzten Beträge seien, das Fehlen weiterer - gesetzlich allerdings nicht Vorgeschriebener - schriftlicher Unterlagen sowie ein Mißverhältnis der erklärten Erlöse zu den behaupteten Subprovisionen angesehen. Diese Gründe reichen jedoch ohne weitere Ermittlungen nicht für die schwerwiegende Annahme aus, eine nicht unbeträchtliche Anzahl namhaft gemachter Personen, deren Glaubwürdigkeit nicht weiter geprüft wurde, habe zu dem Zweck, dem Beschwerdeführer bei Abgabenhinterziehungen Unterstützung zu leisten, unwahre Gefälligkeitsbestätigungen über den Empfang von Subprovisionen ausgestellt.

Wenn die belangte Behörde dazu in ihrer Gegenschrift ausführt, der Beschwerdeführer habe auf eine Schlußbesprechung anläßlich der Betriebsprüfung verzichtet und sich dadurch einer Gelegenheit zur Stellungnahme selbst begeben, dann ist dem zu erwidern, daß der Verzicht auf die Schlußbesprechung bereits mit dem Hinweis erfolgte, daß eine Einigung nicht zu erwarten sei, daß diese Betriebsprüfung das Jahr 1977 gar nicht umfaßte, und daß der Verzicht auf die Schlußbesprechung es keinesfalls rechtfertigte, sich ohne weitere Ermittlungen und entgegen den aktenkundigen Empfangsbestätigungen der Subprovisionsempfänger über das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers hinwegzusetzen.

Auch der Hinweis auf das Mißverhältnis zwischen erklärten Erlösen und behaupteten Subprovisionen rechtfertigt ohne weitere Ermittlungsergebnisse die Annahme nicht, daß diese Subprovisionen tatsächlich nicht gezahlt worden seien, weil zahlreiche andere Gründe für dieses Mißverhältnis denkbar sind.

Der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt bedarf daher in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung. Außerdem hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher - gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung - gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. b VwGG 1965 sowie auf Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren (für Verhandlungsaufwand) war infolge des Entfalles einer Verhandlung abzuweisen.

Wien, am 11. Mai 1983

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