Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1983040075.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zu 1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 19. Juli 1982 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Discothek G Gesellschaft m.b.H. KG am Standort in Graz, G‑straße Nr. 8, in der Zeit vom 16. Februar 1982 bis zumindest 8. Juni 1982 ein Gastgewerbelokal (Discothek) betrieben zu haben, ohne für die dadurch erfolgte Änderung der im genannten Standort bestehenden Betriebsanlage im Besitz einer Genehmigung zu sein, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit den §§ 81 und 370 Abs. 2 GewO 1973 begangen zu haben. Gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1973 wurde hiefür über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 7.000,-- (Ersatzarreststrafe 10 Tage) verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, in seiner Rechtfertigung habe der Beschwerdeführer dargelegt, daß am genannten Standort bereits seit 10 Jahren eine Discothek geführt werde. Die in Rede stehende Gesellschaft treffe an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden, da die Behörde bisher keine eigene Betriebsanlagengenehmigung gefordert habe. Diesem Vorbringen könne nicht gefolgt werden, zumal sich jeder Gewerbetreibende vor der Ausübung eines Gewerbes über die gesetzlichen Vorschriften, die die Ausübung des Gewerbes beträfen, informieren müsse. Aus dem Gewerberegister gehe hervor, daß am genannten Standort eine Betriebsanlage der S (GZ.: 4‑1631/1950) und eine Betriebsanlagengenehmigung der G Ges.m.b.H. (GZ.: A4-K 186/a/1972) bestünden. Diese Betriebsanlagen beträfen einerseits die Erweiterung einer Weinkellereibetriebsstätte und Errichtung einer Betriebsgarage und andererseits die Errichtung einer Werkstätte zur Erzeugung von Modelleisenbahnschienen und Zubehör. Daß durch den Betrieb einer Discothek am genannten Standort eine Änderung der Betriebsanlage erfolgt sei und daß der Betrieb einer Discothek geeignet sei, Nachbarn insbesondere durch Lärm zu belästigen, liege auf der Hand und brauche nicht näher erörtert zu werden. Nach § 81 GewO 1973 bedürfe auch die Änderung einer Anlage der Genehmigung. Da eine rechtskräftige Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage nicht vorliege, sei der strafbare Tatbestand erfüllt. Bei der Strafbemessung sei das Tatsachengeständnis als mildernd zu werten, als erschwerend der lange Tatzeitraum. Die verhängte Strafe sei daher im Sinne des § 19 VStG 1950 schuldangemessen.
Einer gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 21. Februar 1983 keine Folge und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950. Er begründete diesen Ausspruch damit, aus dem Gewerberegister des Magistrates Graz sei ersichtlich, daß am genannten Standort eine Betriebsanlage der S sowie eine Betriebsanlagengenehmigung der G Ges.m.b.H. bestehe. Diese Betriebsanlagen beträfen lediglich die Erweiterung einer Weinkellereibetriebsstätte sowie die Errichtung einer Betriebsgarage und die Errichtung einer Werkstätte zur Erzeugung von Modelleisenbahnschienen und Zubehör. Es bestehe kein Zweifel, daß durch den Betrieb einer Discothek eine im Sinne des § 81 GewO 1973 erhebliche Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage erfolgt sei. Auch sei der Betrieb einer Discothek durchaus geeignet, Immissionen für die Nachbarschaft hervorzurufen, was auch durch die zahlreichen Eingaben der Nachbarn bestätigt werde. Der Rechtfertigung des Beschwerdeführers, daß er sich keinerlei Schuld bewußt sei, müsse entgegengehalten werden, daß jeder Gewerbetreibende sich bereits vor Ausübung eines Gewerbes über die gesetzlichen Vorschriften, die die Ausübung des Gewerbes beträfen, zu informieren habe. Die Rechtsordnung müsse von dem Grundsatz ausgehen, daß jedermann insbesondere jene Vorschriften kenne, die seinen eigenen Beruf beträfen, ein Gewerbetreibender also speziell die Vorschriften der Gewerbeordnung 1973. Was die Höhe der verhängten Geldstrafe betreffe, so werde hiezu ausgeführt, daß die Tatsache, wonach es zu massiven Nachbarbeschwerden gekommen sei, als erschwerend zu werten sei.
Zu 2. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 27. Oktober 1982 wurde der Beschwerdeführer als gewerberechtlicher Geschäftsführer der „Discothek G Gesellschaft m.b.H.“ schuldig befunden, am Standort Graz, G‑straße 8 (Keller), in der Zeit vom 3. August 1982 bis zumindest 24. September 1982 ein Gastgewerbelokal (Discothek) betrieben zu haben, ohne für die dadurch erfolgte Änderung der im genannten Standort bestehenden Betriebsanlage im Besitz einer Genehmigung zu sein, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit den §§ 81 und 370 Abs. 2 GewO 1973 begangen zu haben. Gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1973 wurde hiefür über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzarreststrafe 21 Tage) verhängt. Die Begründung dieses Straferkenntnisses entspricht inhaltlich dem zu 1. angeführten Straferkenntnis vom 19. Juli 1982. Zusätzlich wurde ausgeführt, es sei zu erwähnen, daß der Beschwerdeführer die seinerzeitige (nicht genehmigte) Betriebsanlage durch die Änderung der Musikanlage sehr wohl geändert habe und daher das Vorbringen, daß die gegenständlichen Räumlichkeiten bereits seit 10 Jahren als Discothek genützt würden, nur teilweise den Tatsachen entspräche. Nach § 81 GewO 1973 bedürfe auch die Änderung einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage der Genehmigung. Da dem eingebrachten Ansuchen um Genehmigung der Änderung mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 5. Mai 1982 keine Folge gegeben worden sei und daher eine rechtskräftige Genehmigung nicht bestehe, sei der strafbare Tatbestand erfüllt. Bei der Strafbemessung sei das Tatsachengeständnis als mildernd zu werten. Als erschwerend seien der relativ lange Zeitraum und die Tatsache, daß der Beschwerdeführer wegen des angeführten Tatbestandes bereits beanstandet worden sei, zu berücksichtigen gewesen. Die verhängte Strafe sei daher im Sinne des § 19 VStG 1950 schuldangemessen.
Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 21. Februar 1983 keine Folge und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950. Die Begründung entspricht im wesentlichen dem zu 1. angeführten Berufungserkenntnis vom 21. Februar 1983. Zur Strafbemessung wurde ergänzend ausgeführt, durch die vom Beschwerdeführer begangene Verwaltungsübertretung sei eine nachhaltige Schädigung der öffentlichen Interessen eingetreten und es seien die Interessen der Nachbarn, durch Lärmeinwirkungen nicht beeinträchtigt zu werden, in einem erheblichen Ausmaß gefährdet worden. In Anbetracht dessen erscheine unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse das von der Erstbehörde verhängte Strafausmaß durchaus schuldangemessen und aus Gründen der General- und Spezialprävention auch gerechtfertigt. Eine Herabsetzung oder Nachsicht der Strafe gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 habe mangels Überwiegens rücksichtswürdiger Umstände nicht vorgenommen werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde nicht Folge zugeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der ihm zu 1. und 2. angelasteten Verwaltungsübertretungen schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. Er führt hiezu unter den Gesichtspunkten einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen aus, die Verpflichtung, die Änderung einer genehmigten Anlage genehmigen zu lassen, sei im § 81 GewO 1973 in Form einer bedingten Genehmigungspflicht normiert. Gerade die Frage der „größeren Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen“ hätte sich aber durch den unwidersprochenen, keine Beschwerden nach sich ziehenden Bestand der Betriebsanlage in dieser Form durch mehr als zehn Jahre selbst beantwortet. Offensichtlich seien die damaligen Änderungen der genehmigten Anlage nicht geeignet gewesen, neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 zu ergeben. Dies sei für die neue Eigentümerin der Betriebsanlage jedenfalls erkennbar. Der Wechsel des Eigentümers der geänderten Betriebsanlage könne hingegen für sich allein keinesfalls als „zu genehmigende Änderung“ angesehen werden. Selbst wenn daher im Gewerberegister die Änderung der Betriebsanlage nicht aufscheine, so sei eben diese Änderung durch die mehr als 10‑jährige Übung zumindest als nicht genehmigungspflichtige Änderung anzusehen. Auf diese Tatsachen sei jedoch die belangte Behörde nicht weiter eingegangen. Folge man aber den Ausführungen der belangten Behörde, so sei durch den Betrieb eines Gastgewerbelokals in Form einer Discothek eine Änderung der Betriebsanlage eingetreten. Aus diesem Grund sei auch der Tatbestand sowohl von der Erstbehörde als auch von der belangten Behörde grundsätzlich dem Tatbestand des § 81 GewO 1973 unterstellt worden. Eine Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne dieser Gesetzesstelle liege aber nicht vor, wenn ein „unter Bedachtnahme des konkreten Falles“ zu beurteilender sachlicher Zusammenhang mit der bestehenden genehmigten Betriebsanlage fehle. Demgemäß sei auch eine Teil- oder Gesamtumwandlung unter Wegfall des vorangeführten Zusammenhanges nicht als Änderung im Sinne des § 81 GewO 1973 anzusehen. Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeuteten diese, „der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Darlegungen“, daß durch die Umwandlung der Betriebsanlage der Weinkellerei (Lagerung und Handel) bzw. der Erzeugung von Modelleisenbahnschienen und Zubehör in einen Gastgewerbebetrieb mit Sicherheit keine Betriebsanlagenänderung im Sinne des § 81 GewO erfolgt sei. Es sei also davon auszugehen, daß es sich bei der vor mehr als 10 Jahren durchgeführten Einrichtung der in Rede stehenden Betriebsanlage als Discothek um eine Umwandlung und nicht um eine Änderung gehandelt habe. Es sei somit jedenfalls die Subsumierung des Tatbestandes seitens der belangten Behörde in rechtswidriger Weise unter die Bestimmung des § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 erfolgt. Weiters werde auch die Strafbemessung als nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend gerügt.
Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung ‑ die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu sechs Wochen zu ahnden ist ‑, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).
Nach § 81 GewO 1973 bedarf, wenn eine genehmigte Anlage so geändert wird, daß sich neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 ergeben können, auch die Änderung der Anlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage zu umfassen, soweit sich die Änderung auf sie auswirkt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 12. März 1982, Zl. 81/04/0109, dargelegt hat, schließt der Begriffsinhalt „Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage“ eine Subsumtion unter die Bestimmung des § 81 GewO 1973 dann aus, wenn ein unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 74 Abs. 2 Einleitungssatz GewO 1973 im konkreten Fall zu beurteilender sachlicher oder örtlicher Zusammenhang mit der bestehenden genehmigten - „geänderten“ - Betriebsanlage fehlt. Demgemäß wäre etwa auch eine Gesamtumwandlung unter Wegfall des vorangeführten Zusammenhanges nicht als Änderung im Sinne des § 81 GewO 1973 anzusehen.
Da die zu 1. und 2. angefochtenen Bescheide spruchgemäß Schuldsprüche des Beschwerdeführers wegen des zweiten Falles des Tatbestandes des § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 zum Gegenstand haben, war grundlegend zu prüfen, ob in Ansehung der von der vorgenannten Gesellschaft betriebenen Anlage eine „Änderung“ im Sinne des § 81 GewO 1973 vorlag. Die belangte Behörde bejahte die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ungeachtet der Feststellung, daß die durch den „Discothekbetrieb“ betroffenen genehmigten Betriebsanlagen lediglich die Erweiterung einer Weinkellereibetriebsstätte sowie die Errichtung einer Betriebsgarage und die Errichtung einer Werkstätte zur Erzeugung von Modelleisenbahnschienen und Zubehör zum Gegenstand hatten, ohne diesen, nicht etwa von vornherein auf die Tatbestandsmerkmale des § 81 GewO 1973 hinweisenden Sachverhalt entsprechend den obigen Darlegungen einer rechtlichen Erörterung zu unterziehen.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage in diesem Umfang verkannte und das Vorliegen einer „geänderten Betriebsanlage“ im Sinne des § 81 GewO 1973 eine Tatbestandsvoraussetzung des zweiten Falles der Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 darstellt, belastete sie die angefochtenen Bescheide schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Diese waren daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben, weshalb auch eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens unterbleiben konnte.
Die Kostenentscheidung erfolgte im Rahmen des geltend gemachten Anspruches unter Bedachtnahme auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 18. November 1983
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)