European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1982090160.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.495,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Hofrat in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark. Er ist Vorstand der Fachabteilung für das Forstwesen im Amt der Steiermärkischen Landesregierung.
Die Bezirkshauptmannschaft Liezen hatte den Beschwerdeführer mit dem in Rechtskraft erwachsenen und am 12. November 1980 durch Hinterlegung zugestellten Straferkenntnis vom 4. November 1980 der Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 25 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er in der Zeit vom 20. August bis 4. September 1979 in der "F-alpe", KG. X, die Rohtrasse einer gemäß § 62 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 bewilligungspflichtigen Forststraße in einer Länge von 2.900 Laufmeter ohne die erforderliche Bewilligung errichtet habe. Gemäß der angeführten Gesetzesbestimmung hatte die Bezirkshauptmannschaft Liezen über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von S 1.000,-- verhängt.
In dem anschließenden Disziplinarverfahren wurde der Beschwerdeführer nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit dem am 18. Oktober 1982 verkündeten Erkenntnis (dem nunmehr angefochtenen Bescheid) für schuldig befunden, gegen die Bestimmungen des § 21 und des § 24 Abs. 1 der Dienstpragmatik dadurch verstoßen zu haben, daß er in der Zeit vom 20. August bis 4. September 1979 auf der F-alpe die Rohtrasse einer gemäß § 62 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 bewilligungspflichtigen Forststraße ohne die erforderliche Bewilligung errichtet habe. Gemäß dem § 90 Abs. 1 lit. a der Dienstpragmatik wurde über den Beschwerdeführer die Ordnungsstrafe der Verwarnung verhängt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der am 18. Oktober 1982 durchgeführten mündlichen Verhandlung zugegeben, daß er auf der F-alpe eine Forststraße ohne die erforderliche Bewilligung errichtet habe. Der Beschwerdeführer habe diese Vorgangsweise als Formaldelikt bezeichnet, da die Forststraße einerseits von Fachleuten errichtet und andererseits die Durchführung der Arbeiten nachträglich ohnehin bewilligt worden sei. Die Steiermärkische Landesregierung habe den Beschwerdeführer zum Vorstand der Fachabteilung für das Forstwesen bestellt und somit auf einen Funktionsposten in der steirischen Landesverwaltung berufen. Zu den Aufgaben der genannten Fachabteilung gehöre es u.a., zu forsttechnischen Fragen Stellungnahmen bzw. Gutachten abzugeben. Das Forstgesetz 1975 spiele hiebei eine zentrale Rolle. Der Dienstgeber könne daher erwarten, daß der Vorstand dieser Fachabteilung besonders in seinen eigenen forstlichen Angelegenheiten die Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 sehr genau beachte und einhalte. Der Vorstand der Fachabteilung für das Forstwesen habe mit gutem Beispiel voranzugehen, ja er habe Vorbild für alle zu sein, die in der steirischen Forstwirtschaft tätig seien oder mit ihm zu tun hätten. Der Beschwerdeführer habe somit eine Ordnungswidrigkeit begangen. Verjährung sei nicht eingetreten. Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens vor der Bezirkshauptmannschaft Liezen und des Disziplinarverfahrens sei der Umstand gewesen, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 20. August 1979 bis 4. September 1979 auf der F-alpe die Rohtrasse einer bewilligungspflichtigen Forststraße ohne die erforderliche Bewilligung errichtet habe. Die Verjährungsfrist sei daher zumindest bis zur Erlassung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Liezen gehemmt gewesen. Die Bezirkshauptmannschaft Liezen habe das oben angeführte Straferkenntnis am 4. November 1980 erlassen. Seit Erlassung dieses Straferkenntnisses seien noch nicht zwei Jahre vergangen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und des Disziplinarverfahrens vor und erstattete zur Beschwerde eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, daß er nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 87 ff der Dienstpragmatik einer Ordnungswidrigkeit schuldig gesprochen werde, sowie in seinem Recht darauf, daß er nicht trotz der gemäß § 87 a der Dienstpragmatik eingetretenen Verjährung in Disziplinarverfolgung gezogen werde, durch unrichtige Anwendung der genannten Bestimmungen einschließlich der Verfahrensvorschriften der §§ 112 ff der Dienstpragmatik und der in jedem ordentlichen Verwaltungsverfahren zu beachtenden Grundsätze der vollständigen Sachverhaltsermittlung und der Gewährung des Parteiengehörs und der vollständigen und schlüssigen Entscheidungsbegründung verletzt. Der Beschwerdeführer trägt unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit zunächst vor, nach § 87 a der Dienstpragmatik verjähre eine Ordnungswidrigkeit, falls nicht innerhalb von zwei Jahren ab Beendigung des ordnungswidrigen Verhaltens eine Ordnungsstrafe verhängt werde. Es hätte daher die gegenständliche Entscheidung innerhalb von zwei Jahren ab Beendigung der Pflichtwidrigkeit ergehen müssen. Die Beendigung der Dienstpflichtverletzung nehme die belangte Behörde für den 4. September 1979 an. Ihre Entscheidung habe sie in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 1982 getroffen und mit dem angefochtenen, am 5. November 1982 zugestellten Erkenntnis ausgefertigt. Selbst wenn man vom Verhandlungsdatum ausgehe, sei bis dahin ab der Beendigung der angeblichen Dienstpflichtverletzung ein Zeitraum von drei Jahren, einem Monat oder vierzehn Tagen vergangen. Die Dauer des gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens habe jedenfalls weniger als ein Jahr und vierzehn Tage betragen. Die Verjährungsfrist sei daher vor Verhängung der Ordnungsstrafe abgelaufen. Unerklärt lasse die belangte Behörde ihre Ansicht, daß die Verjährungszeit überhaupt erst mit dem Datum des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Liezen zu laufen begonnen habe.
Der § 132 Abs. 3 der Dienstpragmatik läßt, wenn nur eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, eine Berufung zugunsten des Beschuldigten nicht zu; der Instanzenzug ist damit erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Der § 2 Abs. 1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 124, bestimmt, daß, soweit landesgesetzlich und in der einen Bestandteil dieses Gesetzes bildenden Anlage nicht anderes bestimmt ist, auf die Landesbeamten die für das Dienstrecht einschließlich des Besoldungs-, Disziplinar- und Pensionsrechtes der Bundesbeamten am Tage der Beschlußfassung dieses Gesetzes maßgeblichen Bundesgesetze als Landesgesetze sinngemäß anzuwenden sind. Der § 87 a Abs. 1 der Dienstpragmatik ordnet an, daß die Verfolgung des Beamten wegen Verletzung der Standes- oder Amtspflichten ausgeschlossen wird, wenn gegen ihn innerhalb der Verjährungsfristen ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet, über ihn eine Ordnungsstrafe nicht verhängt oder zu seinem Nachteil ein rechtskräftig beendetes Disziplinarverfahren nicht wiederaufgenommen worden ist. Gemäß dem § 87 a Abs. 3 der Dienstpragmatik beträgt die Verjährungsfrist bei Ordnungswidrigkeiten zwei Jahre. Nach der Anordnung des Abs. 4 der zuletzt angeführten Gesetzesstelle beginnt der Lauf der Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Beendigung des pflichtwidrigen Verhaltens. Nach § 87 a Abs. 6 der Dienstpragmatik wird der Lauf der Verjährungsfrist für die Dauer des strafgerichtlichen Verfahrens oder des Verwaltungsstrafverfahrens gehemmt, wenn die Pflichtverletzung des Beamten Gegenstand eines solchen Verfahrens ist.
Was unter dem "Hemmen" der Verjährungsfrist zu verstehen ist, umschreibt die Dienstpragmatik nicht. Hiefür muß der in den allgemeinen rechtlichen Sprachgebrauch übergegangene Begriff (vgl. auch § 10 Abs. 2 des Gehaltsgesetzes 1956) gelten, wonach durch die (Fortlaufs‑)Hemmung die Verjährungsfrist um soviele Tage verlängert wird, als der die Hemmung bewirkende Zustand (hier: Dauer des Verwaltungsstrafverfahrens) bestanden hat. Mit Ablauf des hemmenden Ereignisses läuft daher die Verjährungsfrist restlich weiter. Sie ist so zu berechnen, als ob sie um die Dauer des Hemmungszeitraumes verlängert worden wäre. Nach Ablauf des strafgerichtlichen Verfahrens oder des Verwaltungsstrafverfahrens beginnen die in § 87 a Abs. 3 angeführten Fristen nicht erneut in ihrer Gesamtlänge zu laufen - denn Hemmung bedeutet nicht Unterbrechung (§ 87 a Abs. 5 der Dienstpragmatik) -, es läuft vielmehr nur noch der Rest der Frist weiter.
Da der Eintritt der vom Beschwerdeführer behaupteten Verjährung von Amts wegen wahrzunehmen ist, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise unter Anführung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes darzulegen, von wann bis wann das gegen den Beschwerdeführer wegen desselben Sachverhaltes durchgeführte Verwaltungsstrafverfahren gedauert hat und demzufolge der Lauf der zweijährigen Verjährungsfrist nach § 87 a Abs. 6 der Dienstpragmatik gehemmt war. In dieser Hinsicht, insbesondere über den Zeitpunkt der ersten Verfolgungshandlung, sowie über die Beendigung des pflichtwidrigen Verhaltens und den Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens, enthält der angefochtene Bescheid keine Feststellung und Begründung.
Damit verstieß die belangte Behörde gegen ihre Begründungspflicht und belastete aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, liegt auf der Hand.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 23. März 1983
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