VwGH 82/07/0176

VwGH82/07/017626.4.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zepharovich, über die Beschwerde des Dr. GF in W und der Mag. EL in M, beide vertreten durch DDr. Rene Laurer, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 18/16, gegen Spruchpunkt 1 des Bescheides des Landesagrarsenates beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 28. Juli 1982, Zl. LAS-23/2- 1982, betreffend Berufung gegen einen Zusammenlegungsplan (mitbeteiligte Partei: W Aktiengesellschaft in W), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1020;
AVG §10 Abs1 idF vor 1982/199;
AVG §10 Abs2 idF vor 1982/199;
AVG §23 Abs1 idF vor 1982/199;
AVG §26 Abs1 idF vor 1982/199;
AVG §31 idF vor 1982/199;
VwGG §48 Abs1 lita;
VwGG §48 Abs1 Z1 impl;
ZPO §35;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1982070176.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 8.910,--- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer beantragten mit Schriftsatz vom 25. September 1981 beim Amt der Burgenländischen Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz die gemäß § 7 Abs. 2 AgrVG 1950 vorgesehene Verständigung von der öffentlichen Auflage des Zusammenlegungsplanes R - diese hatte in der Zeit vom 22. Oktober bis 5. November 1979 stattgefunden - mit der Begründung, ihrer Mutter AF, der Rechtsvorgängerin im Eigentum von in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Grundstücken, sei diese Verständigung als Partei des Verfahrens nicht rechtswirksam zugegangen.

Die genannte Behörde nahm hiezu schriftlich Stellung und sandte den Beschwerdeführern bei dieser Gelegenheit zuhanden ihres Rechtsvertreters die verlangte Verständigung vom 2. Oktober 1979 zu. Innerhalb der ab dieser Zustellung gedachterweise eröffneten Rechtsmittelfrist von zwei Wochen erhoben die Beschwerdeführer gegen den Zusammenlegungsplan Berufung, in der sie die Wiederzuweisung nun im Eigentum der mitbeteiligten Partei des Beschwerdeverfahrens stehender Grundflächen begehrten und die ihnen zugeteilte Abfindung nach dem Flächen-Wert-Verhältnis als mit dem Gesetz nicht in Einklang stehend bezeichneten.

Mit Erkenntnis vom 28. Juli 1982 wies der Landesagrarsenat beim Amt der Burgenländischen Landesregierung unter Spruchpunkt 1. diese Berufung gemäß den §§ 1 und 7 Abs. 2 AgrVG 1950 im Zusammenhalt mit den §§ 10 Abs. 2, 62 Abs. 1 und 66 Abs. 4 AVG 1950 sowie § 92 Abs. 2 und 3 des Burgenländischen Flurverfassungs-Landesgesetzes, BGBl. Nr. 40/1970, als unzulässig zurück. In der Begründung heißt es, die verstorbene, nach der Behauptung der Beschwerdeführer zur Zeit der Zustellung der Verständigung an sie am 11. Oktober 1979 nicht mehr geschäftsfähige Mutter der Beschwerdeführer habe am 13. Juli 1977 ihrerseits ihre Mutter AE mit ihrer Vertretung betraut, und diese habe bei aufrechter Vollmacht die Sendung am 11. Oktober 1979 übernommen. Da die Vollmacht für alle das Zusammenlegungsverfahren betreffenden Handlungen und Erklärungen gegolten habe, sei AE auch als Zustellungsbevollmächtigte der AF anzusehen gewesen. Unbeschadet des Fehlens einer dem § 35 ZPO entsprechenden Bestimmung im Verwaltungsverfahren habe die erteilte Vollmacht selbst unter der Voraussetzung eingetretener Prozeßunfähigkeit der Vertretenen keine Einschränkung erfahren. Das gemäß § 10 Abs. 2 AVG 1950 nach § 1020 ABGB zu beurteilende, gültig zustande gekommene Vollmachtsverhältnis sei vielmehr auch im Fall nachfolgender Handlungsunfähigkeit des Machtgebers nicht berührt worden. Ohne daß daher geprüft werden müsse, ob tatsächlich Handlungsunfähigkeit der AF vorgelegen, sei die Verständigung von der Auflage des Zusammenlegungsplanes der Partei des Zusammenlegungsverfahrens AF am 11. Oktober 1979 somit ordnungsgemäß zugestellt worden. Da der Lauf der Rechtsmittelfrist mit dem auf den Ablauf der Dauer der Auflage folgenden Tag, also mit 6. November 1979, begonnen habe, gemäß § 92 Abs. 2 und 3 des Flurverfassungs-Landesgesetzes bei Eigentumswechsel der Erwerber in jener Lage in das anhängige Verfahren eintrete, in der es sich befinde, und die geschaffene Rechtslage auch die Rechtsnachfolger binde, habe die den Beschwerdeführern am 10. März 1982 zugekommene Mehrausfertigung keine Rechtswirkungen mehr entfalten können. Die Berufung sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde - über die, soweit sie die Erledigung eines Antrages auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung einer Berufungsfrist in Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides betraf, bereits zur obigen Zahl mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1982 entschieden wurde - in Spruchpunkt 1. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf Sachentscheidung und in dem Recht auf Entscheidung über ihre Berufung erst nach Entscheidung über den von ihnen gestellten Wiedereinsetzungsantrag, betreffend die Berufung gegen den möglicherweise doch schon 1979 rechtswirksam zugestellten Verständigungsbescheid, verletzt erachten. Sie sind der Meinung, durch die Zustellung der in Rede stehenden Verständigung am 10. März 1982 sei, wie immer man den ersten Zustellvorgang im Jahr 1979 beurteile, die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt worden, die Zurückweisung der Berufung also ungerechtfertigt gewesen. Dazu komme, daß analog zu § 72 Abs. 3 AVG 1950 über die Berufung erst nach Erledigung des der Behörde bereits vorliegenden Wiedereinsetzungsantrages, betreffend die Berufung gegen die 1979 zugestellte Verständigung, hätte entschieden werden dürfen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die Beschwerdeführer gaben hiezu eine Gegenäußerung ab. Die mitbeteiligte Partei äußerte sich nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Lage der Akten hatte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer AF am 13. Juli 1977 ihre Mutter AE zu allen das Grundzusammenlegungsverfahren betreffenden Handlungen und Erklärungen bevollmächtigt. Dieses auch die Zustellungsvollmacht umfassende Vollmachtsverhältnis war zur Zeit der Zustellung der Verständigung von der Auflage des Zusammenlegungsplanes im Jahr 1979 nicht aufgelöst. Eine allfällige Handlungsunfähigkeit der Machtgeberin im Zeitpunkt der Zustellung hätte das nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilende Vollmachtsverhältnis, ungeachtet dessen, daß § 35 ZPO, wonach die Prozeßvollmacht durch eine Veränderung der Prozeßfähigkeit des Vollmachtgebers nicht aufgehoben wird, im Agrarverfahren keine Anwendung fand, nicht beeinflußt (siehe Stanzl in Klang2 IV/1 S. 874, sowie die in MAG ABGB31 zu § 1020 S. 1037 unter E. 5 zitierten Entscheidungen). Die Zustellung der Verständigung hatte daher 1979 gemäß § 26 Abs. 1 AVG 1950 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 199/1982 (im folgenden: AVG 1950) an AE zu erfolgen. Der die Benachrichtigung enthaltende Bescheid war jedoch, was die in Rede stehenden Grundstücke der Beschwerdeführer anbelangt, unmißverständlich allein an AF als Empfängerin gerichtet, wie der bei den Verwaltungsakten liegende Zustellschein zeigt. Die Sendung wurde laut Rückschein am 11. Oktober 1982 von AE übernommen, deren Unterschrift der Vermerk "Mutter" beigefügt ist. Das bestehende Vollmächtsverhältnis wurde somit bei der Zustellung nicht berücksichtigt. Es kann in dieser Hinsicht dahingestellt bleiben, ob AF im Zeitpunkt der Zustellung handlungsfähig war. Traf dies nicht zu, war eine Zustellung an sie persönlich schon aus diesem Grund unwirksam das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. April 1965, Slg. Nr. 6659/A). Wäre sie handlungsfähig und in der Wohnung anzutreffen gewesen, wäre eine Ersatzzustellung gemäß § 23 Abs. 1 AVG 1950 als mangelhaft anzusehen und ein darin gelegener Zustellmangel erst in dem Zeitpunkt geheilt worden, in dem AF die Verständigung gemäß § 31 AVG 1950 tatsächlich erhalten hätte; die Zustellung wäre jedoch deshalb unwirksam gewesen, weil das bestehende Vertretungsverhältnis unberücksichtigt geblieben wäre (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates das Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1980, Slg. Nr. 10 327/A). Dasselbe würde gelten, wenn AF handlungsfähig und in der Wohnung nicht anzutreffen war:

die zufällige Identität eines Hausgenossen des Empfängers (im Beschwerdefall der AE), dem ein Schriftstück gemäß § 23 Abs. 1 AVG 1950 lediglich im Wege der Ersatzzustellung übergeben wird - womit es dem Empfänger (im Beschwerdefall der AF) als zugestellt gilt - mit dessen Bevollmächtigten (im Beschwerdefall abermals der AE), der jedoch nicht als jene Person aufscheint, für die das Schriftstück, das zugestellt werden soll, bestimmt ist, bleibt wegen der Verschiedenartigkeit der Rechtsstellung der Person, der zugestellt wird, im Verhältnis zum Empfänger rechtsunerheblich. Ist demnach in jedem Fall von der Rechtsunwirksamkeit des Zustellvorganges in bezug auf die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer im Jahr 1979 auszugehen, und hat eine Zustellung der in Rede stehenden Verständigung an die Beschwerdeführer seither bis zur Zustellung am 10. März 1982 nicht stattgefunden, durfte die belangte Behörde ihrer Beurteilung nicht die Annahme zugrunde legen, infolge Zustellung im Jahre 1979 hätte keine für die Beschwerdeführer wirksame Zustellung in derselben Sache mehr stattfinden können und wäre eine in bezug auf eine solche nicht verspätet eingebrachte Berufung unzulässig. Die Verweigerung einer meritorischen Entscheidung erweist sich daher - da andere Gründe einer Unzulässigkeit nicht erkennbar sind - im Beschwerdefall nicht dem Gesetz gemäß. Hiedurch wurden die Beschwerdeführer in ihren Rechten verletzt. Daß dies auch allein dadurch bereits geschehen wäre, daß die belangte Behörde über die ihr vorliegende Berufung gegen den am 10. März 1982 zugestellten Bescheid absprach, ohne daß zu diesem Zeitpunkt der von den Beschwerdeführern gestellte Wiedereinsetzungsantrag erledigt worden war, trifft jedoch nicht zu und ist insbesondere auch nicht, wie die Beschwerdeführer meinen, aus § 72 Abs. 3 AVG 1950 abzuleiten.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 221/1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Stempelgebühr für die zur Rechtsverfolgung nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Äußerung der Beschwerdeführer zur Gegenschrift der belangten Behörde.

Wien, am 26. April 1983

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