VwGH 81/15/0030

VwGH81/15/003013.5.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberrat im Verwaltungsgerichtshof Dr. Feitzinger, über die Beschwerde der T GesmbH & Co KG in I, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien IX, Währingerstraße 2‑4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 2. Februar 1981, Zl. 21.001-2/80, betreffend Bescheidbehebung gemäß § 299 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §299 Abs1 litb
BAO §299 Abs1 litc
BAO §299 Abs2
UStG 1972 §10 Abs2 Z15
UStG 1972 §10 Abs2 Z16

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981150030.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde. wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei (Beschwerdeführerin), die im Gebiet einer Landeshauptstadt die Versorgung von Anschlußwerbern (Anschlußteilnehmern) mit Hörfunk- und Fernsehprogrammen über eine Gemeinschaftsantennenanlage zum Gegenstand hat, begehrte in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 1979 (Streitjahr) hinsichtlich eines Teiles ihrer Umsätze den ermäßigten Steuersatz des § 10 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223 (UStG 1972).

Das zuständige Finanzamt erließ jedoch für 1979 einen gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufigen Umsatzsteuerbescheid, in dem es sämtliche Umsätze der Beschwerdeführerin mit dem Normalsteuersatz versteuerte. In der Bescheidbegründung berief es sich dabei auf eine mündliche (fernmündliche) Absprache mit dem Vertreter der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin brachte gegen den vorläufigen Umsatzsteuerbescheid für 1979 beim Finanzamt am 2. Oktober 1980 eine Berufung ein, in der sie sich gegen die Nichtanwendung des begünstigten Umsatzsteuersatzes von 8 % gemäß § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1972 auf ihre Umsätze wandte. Die Nichtanwendung wäre (offenbar fernmündlich) damit begründet worden, daß die Beschwerdeführerin kein Rundfunkunternehmen sei und auch keine vergleichbare Tätigkeit ausübe. Dem hielt die Beschwerdeführerin entgegen, daß ihre Tätigkeit in der Beschaffung und Verbreitung von Rundfunk- und Fernsehrundfunkprogrammen der deutschen Rundfunkanstalten sowie des Österreichischen Rundfunks („ORF“) gegen Entgelt bestehe. Genau diese Tätigkeit werde aber in Art. I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 10. Juli 1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. Nr. 396 („BVG‑Rundfunk“), als Rundfunk definiert. Die Definition schließe auch das Kabelfernsehen ein. Die Beschwerdeführerin verbreite Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild mittels eines Leiters. Die Verbreitung sei im Sinne der verfassungsgerichtlichen Definition für die Allgemeinheit bestimmt, da jedermann im Versorgungsgebiet der Beschwerdeführerin verlangen könne, an das Leitungsnetz angeschlossen zu werden. Auf Grund eines Vertrages mit der Stadtgemeinde I habe die Beschwerdeführerin für ihr Versorgungsgebiet eine Versorgungsverpflichtung ebenso wie der ORF für das gesamte Gebiet der Republik Österreich. Die Produktion eines eigenen Programmes (also Erzeugung eigener Darbietungen) sei nicht Wesensmerkmal des Begriffes Rundfunk. Es sei nur die Verbreitung von Darbietungen erforderlich, gleichgültig von wem sie hergestellt seien. Mit der von der Beschwerdeführerin unterhaltenen Antennenanlage und ihrem Leitungsnetz zur Verbreitung von Rundfunk- und Fernsehsendungen betreibe die Beschwerdeführerin im Sinne der gesetzlichen Definition Einrichtungen, die dem Zweck der Verbreitung von Sendungen dienen. Die Beschwerdeführerin sei sohin Rundfunkunternehmen im Sinne des BVG‑Rundfunk.

Auch auf dem Gebiet des Urheberrechtes sei die Beschwerdeführerin als Rundfunkunternehmen anzusehen, weil nämlich die Verbreitung von Rundfunksendungen oder Fernsehsendungen durch die Beschwerdeführerin urheberrechtlich als eigene Rundfunksendung zu qualifizieren wäre (Hinweis auf § 17 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz in der Fassung vor bzw. auf § 17 Abs. 2 und 3 in der Fassung nach der Novelle BGBl. Nr. 321/1980 und die Urteile des Obersten Gerichtshofes vom 25. Juni 1974, 4 Ob 321/74, und vom 12. November 1979, 4 Ob 374/79).

Die Beschwerdeführerin benötige für ihr Unternehmen ferner eine Bewilligung der Fernmeldebehörde gemäß § 3 des Fernmeldegesetzes (BGBl. Nr. 170/1949), die ihr auch zum Betrieb einer Kabelanlage, die die Übertragung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen ermögliche, erteilt worden sei, unter der Auflage, daß auch die ORF‑Programme verbreitet würden. Auch daraus sei ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin Rundfunk- und Fernsehrundfunkprogramme verbreite und damit eine Rundfunktätigkeit ausübe. Auch der ORF benötige übrigens eine Bewilligung gemäß § 3 Fernmeldegesetz. Schließlich stelle § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1972 ausdrücklich auf eine Mehrzahl von Rundfunkunternehmen ab.

Die Beschwerdeführerin erhalte von ihren Abnehmern für die Verbreitung der Rundfunk- und Fernsehrundfunkprogramme ein Entgelt, und zwar bei Anschluß des jeweiligen Teilnehmers an das Netz eine einmalige Anschlußgebühr und darnach ein laufendes monatliches Entgelt. Beide Entgelte zusammen würden für den Empfang der von der Beschwerdeführerin verbreiteten Programme entrichtet, die Programmverbreitung sei also der Leistungsinhalt. Die sogenannte Anschlußgebühr sei dabei ebenso als Vorauszahlung für künftige Empfangsgebühren anzusehen wie die Anschlußgebühren bzw. Baukostenzuschüsse an Elektrizitätsversorgungsunternehmen für den Anschluß an das Versorgungsnetz Vorauszahlungen für künftige Stromlieferungen wären. Daß die Entgelte von der Beschwerdeführerin nicht für die Herstellung und Überlassung der Antennenanlagen und des Kabelnetzes, sondern für die Übermittlung von Fernsehprogrammen erhoben würden, sei daraus ersichtlich, daß die Teilnehmer das laufende Entgelt so lange nicht zu entrichten hätten, als Funktionsstörungen den Empfang der Programme unmöglich machten. Abschließend führte die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung noch Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen ins Treffen.

Am 3. Oktober 1980 legte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt ihre Umsatzsteuererklärung für 1979 vor, in der sie einen Teil ihrer Umsätze dem Normalsteuersatz (S 2,373.372,74) und den anderen Teil (S 4,438.125,03) dem ermäßigten Steuersatz des § 10 Abs. 2 UStG 1972 zuordnete, ohne allerdings die hiefür konkret in Betracht kommende Gesetzesstelle (Ziffer) anzuführen.

Das Finanzamt erließ hierauf einen mit 25. November 1980 datierten „gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültigen Bescheid“, in dem es die Umsatzsteuer für das Jahr 1979 erklärungsgemäß festsetzte.

Diesen Bescheid behob die belangte Behörde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gemäß § 299 Abs. 1 lit. b und c BAO. Das Finanzamt hätte, wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt ist, die Umsatzsteuer für 1979 erklärungsgemäß festgesetzt, obwohl die Beschwerdeführerin in der Umsatzsteuererklärung für 1979 ‑ ungeachtet der entsprechenden Feststellung im Erklärungsformular ‑ keine Angaben darüber gemacht habe, welcher der Ermäßigungstatbestände des § 10 Abs. 2 UStG 1972 gegeben sei. Dieser Mangel in der Erklärung und der Umstand, daß das Finanzamt bei der Erlassung des vorläufigen Bescheides von der - aktenkundig gemachten und auch der Partei zur Kenntnis gebrachten - Rechtsansicht ausgegangen sei, daß alle Umsätze der Beschwerdeführerin dem Normalsteuersatz unterlägen, weil die Beschwerdeführerin kein Rundfunkunternehmen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 15 leg. cit. darstelle, hatte dem Finanzamt Anlaß zu Zweifeln darüber geben müssen, ob der in der Umsatzsteuererklärung für 1979 (neuerlich) begehrte ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei. Da es das Finanzamt entgegen den Bestimmungen der §§ 115 und 161 BAO unterlassen habe, die Umsatzsteuererklärung für 1979 insoweit zu prüfen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, seien solche Zweifel, die durch einen Ergänzungsauftrag im Sinne des § 161 Abs. 1 BAO zu beseitigen gewesen wären, gar nicht aufgetaucht. Durch die fehlenden Prüfungen und Ermittlungen seien Verfahrensvorschriften außer acht gelassen worden, bei deren Einhaltung ein anders lautender endgültiger Umsatzsteuerbescheid 1979 hätte erlassen werden können. Durch die Nichtberücksichtigung der aktenkundigen Erwägungen und Gründe für die Erlassung des vorläufigen Umsatzsteuerbescheides 1979 wäre überdies der dem endgültigen Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt bzw. aktenwidrig angenommen worden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. 1. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auf § 299 Abs. 1 lit. b und c BAO. Nach diesen Vorschriften kann in Ausübung des Aufsichtsrechtes ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden, wenn der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde (lit. b), oder wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können (lit. c).

Weder der von der belangten Behörde behobene Bescheid des Finanzamtes noch der Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens sprechen jedoch dafür, daß das Finanzamt bei seinem Bescheid, von einer unrichtigen Sachverhaltsfeststellung oder einer aktenwidrigen Sachverhaltsannahme ausgegangen oder daß der Sachverhalt im Sinne des angefochtenen Bescheides ergänzungsbedürftig geblieben wäre. Das Finanzamt hat vielmehr nach der Aktenlage unter anderem durch Beischaffung von Unterlagen über die Tätigkeit der Beschwerdeführerin (insbesondere von Mustern der Anschlußverträge - „Anschlußantrag-Bestellung“ - und der Anschlußbedingungen für die Anschlüsse an die Gemeinschaftsantennenanlage) Sachverhaltsermittlungen gepflogen, die im Hinblick auf das mit diesen Unterlagen übereinstimmende Berufungsvorbringen für die Entscheidung der Frage, ob der Beschwerdeführerin der ermäßigte Umsatzsteuersatz für die Leistungen der Rundfunkunternehmen zusteht, als zur Sachverhaltsfeststellung ausreichend anzusehen sind. Mangelhafte Sachverhaltsfeststellung (oder aktenwidrige Sachverhaltsannahme) läßt sich entgegen der Auffassung der belangten Behörde, wie sie besonders in der Gegenschrift zum Ausdruck kommt, auch nicht deshalb unterstellen, weil die Umsatzsteuererklärung der Beschwerdeführerin für das Jahr 1979 als „Soforteingabefall“ für die elektronische Datenverarbeitung behandelt wurde. Nach dem Verwaltungsakt hat nämlich das Veranlagungsreferat (das vorher die Sachverhaltsermittlungen angestellt hatte) diese „Soforteingabe“ veranlaßt. Daß dabei der Veranlagungsakt Berücksichtigung fand, zeigt schon die Bedachtnahme auf den vorhergegangenen vorläufigen Umsatzsteuerbescheid für 1979 auf dem vom Veranlagungsreferat am 18. November 1980 ausgefertigten Eingabebogen. Darauf, daß der gemäß § 299 Abs. 1 BAO behobene Bescheid auf den - ausreichenden - Sachverhaltsfeststellungen des Finanzamtes beruht und ihm kein Verfahrensmangel im Sinne der lit. b und c dieser Gesetzesstelle zugrunde liegt, weist schließlich auch der Umstand hin, daß das Finanzamt bei der belangten Behörde die Bescheidbehebung gemäß § 299 Abs. 2 BAO anregte.

2. Wenn auch die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid unzutreffend auf § 299 Abs. 1 lit. b und c BAO stützte, wäre die Beschwerdeführerin durch ihn doch in keinem Recht verletzt, sofern eine Bescheidbehebung nach § 299 Abs. 2 BAO in Betracht gekommen wäre (siehe z. B. die hg. Erkenntnisse vom 5. Oktober 1962, Zl. 690/62, vom 17. Dezember 1963, Zl. 1712/62, vom 13. April 1972, Zlen. 591, 599/71, vom 20. Februar 1973, Zl. 156/73, vom 21. April 1976, Zl. 1931/74, und vom 19. Oktober 1981, Zl. 16/3335/78). Nach dieser Gesetzesstelle kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Würdigt man den angefochtenen Bescheid nach seinem gesamten Inhalt, so erweist sich für die Bescheidbehebung als wesentlich, daß das Finanzamt der Beschwerdeführerin nach Auffassung der belangten Behörde den ermäßigten Steuersatz des § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1972 (für Rundfunkunternehmen) nicht hätte zuerkennen dürfen. Diese Auffassung ist ‑ wie im folgenden Punkt II im einzelnen dargelegt werden wird ‑ unter Bedachtnahme auf den aktenkundigen und durch das Beschwerdevorbringen bestätigten Sachverhalt im Gesetz gedeckt. Der Bescheid des Finanzamtes, der die genannte Umsatzsteuerermäßigung entgegen dem Gesetz zubilligte, ist inhaltlich rechtswidrig, womit die Bescheidbehebung im Beschwerdefall nach der zitierten Rechtsprechung im Ergebnis zu Recht erfolgte.

II. 1. Die Beschwerdeführerin betreibt, wie sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und der Beschwerde ergibt, eine Gemeinschaftsantennenanlage, bestehend aus einer Empfangs- und einer Kabelanlage, über die sie den angeschlossenen Teilnehmern die Möglichkeit bietet, bestimmte inländische und ausländische Hörfunk- und Fernsehprogramme zu empfangen. In ihrem Versorgungsgebiet kann grundsätzlich jeder Versorgungswerber den Anschluß an die Anlage begehren. Die Beschwerdeführerin verrechnet den Teilnehmern an der Anlage Anschluß- und Betriebskosten. Auf Grund der Beschwerdeausführungen ist (ebenfalls im Einklang mit der Aktenlage) davon auszugehen, daß sich die Beschwerdeführerin auf den sogenannten passiven Kabelrundfunk beschränkt und keine eigenen Programme ausstrahlt, sondern die integrale, also zeitgleiche synchrone, vollständige und unveränderte Wiedergabe der empfangenen Signale im Sinne des § 20 Abs. 1 der als Bundesgesetz geltenden „Rundfunkverordnung“ (siehe BGBl. Nr. 333/1965 und 267/1972) in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 345/1977 besorgt. In Frage steht, ob der Beschwerdeführerin für mit dieser Tätigkeit bewirkte Umsätze die Begünstigung des § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1972 zuteil werden kann.

2. Zufolge § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1972 ermäßigt sich die Steuer auf 8 v.H. für die Leistungen der Rundfunkunternehmen, soweit hiefür Rundfunk- und Fernsehrundfunkentgelte entrichtet werden.

Das Gesetz spricht sohin von „Rundfunkunternehmen“, ohne diesen Begriff näher zu umschreiben. Aus der Verwendung der Mehrzahlform dieses Begriffes läßt sich allerdings ableiten, daß der Gesetzgeber hier keine persönliche, etwa nur auf den ORF beschränkte Steuerbegünstigung schuf. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der Gesetzgeber des Umsatzsteuergesetzes 1972 hier eine Begünstigung für alle - bestehenden oder künftigen - Rundfunkunternehmen vorsah, die seinen Vorstellungen von einem Rundfunkunternehmen entsprechen.

Ein jedenfalls für die Lösung des Beschwerdefalles ausreichender Aufschluß über diese Vorstellungen läßt sich gewinnen, wenn man den Wortlaut der Begünstigungsbestimmung insgesamt im Zusammenhang mit ihrer Entstehungsgeschichte betrachtet.

3. Das (deutsche) Umsatzsteuergesetz 1934 enthielt in § 4 Z. 7 eine Steuerbefreiung für die Umsätze des Reichs im Post- und Fernmeldeverkehr einschließlich des Rundfunks. Diese Befreiung übernahm im wesentlichen unverändert das (österreichische) Umsatzsteuergesetz 1959 (§ 4 Abs. 1 Z. 7). Daneben normierte dieses Gesetz erstmals eine besondere umsatzsteuerliche Begünstigung für „Rundfunkunternehmen“. Es befreite mit § 4 Abs. 1 Z. 28 die unter § 1 fallenden „Umsätze der österreichischen Rundfunkunternehmen, jedoch nur, soweit sie durch Verwendung der Rundfunk- und Fernsehrundfunkgebühren entstanden sind“. Diese Befreiung war, wie der Gesetzeswortlaut zeigt, bereits als generelle Begünstigung gestaltet, kam allerdings de facto nur auf die Umsätze der 1957 gegründeten „Österreichischer Rundfunk GesmbH“ als dem einzigen österreichischen Rundfunkunternehmen zur Anwendung. § 4 Abs. 1 Z. 28 UStG 1959 führte zu einer Befreiung der Umsätze, die aus den von der Postverwaltung eingehobenen und an die „Österreichischer Rundfunk GesmbH“ weitergeleiteten Anteilen an den Rundfunk- und Fernsehrundfunkgebühren (siehe die Fernmeldegebührenverordnung 1957, BGBl. Nr. 282) finanziert wurden (siehe auch Strack, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz 1959, Erläuterungen zu § 4 Abs. 1 Z. 28).

4. Die bereits wörtlich wiedergegebene Steuerermäßigungsvorschrift des § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1972 spricht nicht mehr von „österreichischen Rundfunkunternehmen“, sondern nur noch von „Rundfunkunternehmen“, was für den Beschwerdefall aber nicht von Bedeutung ist, und weiters - was bedeutsam ist - statt von „Rundfunk- und Fernsehrundfunkgebühren“ von „Rundfunk- und Fernsehrundfunkentgelten“. Das Umsatzsteuergesetz 1972 trug damit der Entwicklung Rechnung, die seit Inkrafttreten des Umsatzsteuergesetzes 1959 auf dem Gebiet des Rundfunkrechtes eingetreten war. Im Jahre 1966 hatte nämlich der Nationalrat ein Bundesgesetz über die Aufgaben und die Einrichtung der „österreichischer Rundfunk GesmbH“ (Rundfunkgesetz, BGBl. Nr. 195/1966) beschlossen. Dieses Bundesgesetz sah eine eigenständige Finanzierung der „Österreichischer Rundfunk GesmbH“ neben den weiterhin bestehenden, für die Postverwaltung bestimmten Rundfunk- und Fernsehrundfunkgebühren vor (bezüglich der Gebühren siehe z. B. das Fernmeldegebührengesetz, BGBl. Nr. 170/1970, zur Finanzierung überhaupt Wittmann, Rundfunkfreiheit, in Forschungen aus Staat und Recht 55, Springer, 1981, S 85). Dieser Finanzierung diente ein vom Empfangsberechtigten zu entrichtendes laufendes Entgelt, das als „Rundfunkentgelt“ bzw. „Fernsehrundfunkentgelt“ bezeichnet ist (§ 15 Rundfunkgesetz). Dieses Entgelt war, wie § 8 Abs. 6 lit. d des Gesetzes zeigt, ein Entgelt „für die Herstellung und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen (Programmentgelt)“.

Ebenso wie im 1966 beschlossenen Rundfunkgesetz ist nunmehr, wie ausgeführt, auch im Umsatzsteuergesetz 1972 von Rundfunk- und Fernsehrundfunkentgelten die Rede (vgl. auch Dorazil‑Frühwald‑Hock‑Mayer‑Paukowitsch, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz 1972, Anm. 34 zu § 10). Nach den entrichteten Rundfunk- und Fernsehrundfunkentgelten bestimmt sich der Umfang der Steuerermäßigung. Aus dieser Verknüpfung der Steuerermäßigung für Rundfunkunternehmen mit den Rundfunk-und Fernsehrundfunkentgelten, aus der erkennbaren Bedachtnahme auf die Rundfunk- und Fernsehrundfunkentgelte des Rundfunkgesetzes und in Anbetracht der ihnen dort zukommenden Funktion eines nicht nur der Programmvermittlung, sondern auch der Programmherstellung dienenden „Programmentgeltes“ ist zu schließen, daß nur eine „programmschöpfende“ Einrichtung den Vorstellungen des Umsatzsteuergesetzgebers des Jahres 1972 von einem Rundfunkunternehmen entspricht, nicht aber eine Einrichtung, die lediglich mittels Gemeinschaftsantennenanlagen die Möglichkeit zum unveränderten und zeitgleichen Empfang der von anderen Einrichtungen erstellten und verbreiteten Programme bietet.

Soweit die Beschwerdeführerin einen Vergleich zum ORF zieht und bemerkt, auch bei diesem enthalte ein wesentlicher Teil des ausgestrahlten Programmes Fremdproduktionen, so ist dieser Vergleich allein schon deshalb nicht stichhältig, weil der ORF zum Unterschied zur Beschwerdeführerin jedenfalls auch eine programmschöpfende Tätigkeit entfaltet und jedenfalls nicht nur andere Programme weiterleitet.

Die weitere Entwicklung auf dem Gebiete des Rundfunkrechts bietet keinen Anlaß für ein anderes Verständnis des Begriffes des Rundfunkunternehmens. Nach dem Bundesgesetz vom 10. Juli 1974 über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks, BGBl. Nr. 397, steht dem ORF ebenfalls ein Rundfunk- und Fernsehrundfunkentgelt (Programmentgelt) zu (§ 8 Abs. 1 Z. 5, § 10 Abs. 2 Z. 8, § 16 Abs. 1 Z. 5, § 20). Mit ihm soll der ORF seine gesetzmäßigen Aufgaben erfüllen können (§ 20 Abs. 1 leg. cit.), zu denen auch die Herstellung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen zählt (§ 2 Abs. 1 leg. cit.). § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1972 behielt sohin durch das „Rundfunkgesetz 1974“ einen im wesentlichen unveränderten Anwendungsbereich.

6. Auch aus den in der Beschwerde ins Treffen geführten Vorschriften des BVG‑Rundfunk läßt sich für die Beschwerdeführerin nichts gewinnen. Die hier maßgeblichen Absätze 1 und 2 des Art. I dieses Bundesverfassungsgesetzes lauten:

„(1) Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Berücksichtigung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels eines Leiters sowie der Betrieb von technischen Einrichtungen, die diesem Zweck dienen.

(2) Die näheren Bestimmungen für den Rundfunk und seine Organisation sind bundesgesetzlich festzulegen. Ein solches Bundesgesetz hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit der Besorgung der im Abs. 1 genannten Aufgaben betraut sind, gewährleisten.“

Ob der bloß „passive Kabelrundfunk“ Rundfunk im Sinne des BVG‑Rundfunk ist, erscheint umstritten. Die „überwiegende Meinung“ verneint diese Frage (siehe Korn, Rechtliche Aspekte eines „Verleger‑Fernsehens“ in Österreich, JBl. 3/4/81, S 79 ff, und das dort angeführte Schrifttum). Wittmann, a.a.O., der diese Meinung nicht teilt und auf den sich die Beschwerdeführerin in einer Stellungnahme zur Gegenschrift beruft, gelangt in seiner eingehenden Untersuchung über die öffentlich-rechtlichen Grundlagen des Rundfunks in Österreich aber auch zu dem Ergebnis, die Zuordnung jeder Form der integralen Programmweiterleitung zum Rundfunkbegriff hätte die nicht ganz befriedigende Folge, daß dann innerhalb des BVG‑Rundfunk zwei Arten von „Rundfunk“ zu unterscheiden wären, nämlich der programmschöpfende und der nicht programmschöpfende „Rundfunk“ (§ 19). Selbst wenn man nun die Auffassung akzeptiert, auch der nichtprogrammschöpfende Rundfunk wäre Rundfunk im Sinne des BVG-Rundfunk, kann dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen; denn der Wortlaut des § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1972 zeigt im Zusammenhalt mit der Entstehungsgeschichte dieser Norm, daß der Umsatzsteuergesetzgeber nur den „programmschöpfenden Rundfunk“ begünstigt wissen will (siehe nochmals oben Punkt II. 4.).

7. Die Normen des Urheberrechtes und die dazu ergangenen Entscheidungen, auf die sich die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof in gleicher Weise wie in ihrer Berufung bezieht (siehe oben), tragen zur Lösung des Beschwerdefalles nichts bei: Sie betreffen den Begriff der Rundfunksendung und nicht den des Rundfunkunternehmens.

Die dem § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1972 „benachbarten“ Begünstigungsbestimmungen der Ziffern 13 bis 18 bieten ebenfalls keine Entscheidungshilfe: Es handelt sich um Begünstigungsbestimmungen derart unterschiedlichen Inhaltes (nicht nur Vorführungen, sondern z.B. auch die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten), daß sich aus ihnen keine Richtschnur zur Lösung der Frage gewinnen läßt, ob eine nichtprogrammschöpfende Einrichtung ein Rundfunk im Sinne der Z. 15 ist.

Der Verwaltungsgerichtshof kann der Beschwerdeführerin schließlich auch darin nicht folgen, daß ihre Leistungen der für Filmvorführungen geltenden Umsatzsteuerbegünstigung (§ 10 Abs. 2 Z. 16 UStG 1972) unterstellt werden könnten; denn wesentlicher Inhalt der Leistung der Beschwerdeführerin ist es, den Teilnehmern an ihrer Gemeinschaftsantennenanlage die Möglichkeit zu eröffnen, nach eigener Wahl eines von mehreren Rundfunkprogrammen (auch Hörfunkprogramme) zu empfangen. Darin kann aber keine „Filmvorführung“ erblickt werden.

8. Zusammenfassend ergibt sich somit, daß die Beschwerdeführerin nicht als Rundfunkunternehmen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 15 UStG 1972 angesehen werden kann. Das Finanzamt hat daher der Beschwerdeführerin zu Unrecht den nach dieser Gesetzesstelle vorgesehenen ermäßigten Umsatzsteuersatz zuerkannt. Daraus folgt aber, daß die belangte Behörde den diesbezüglichen Bescheid des Finanzamtes im Aufsichtsweg beheben durfte, wobei diese Behebung im § 299 Abs. 2 BAO ihre Rechtfertigung findet. Die gegen den Behebungsbescheid (angefochtenen Bescheid) gerichtete Beschwerde war demgemäß nach § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 13. Mai 1982

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