Normen
EStG 1972 §67 Abs3
EStG 1972 §67 Abs6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981140046.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.510,binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Haftungsbescheid vom 4. August 1980 forderte das Finanzamt vom Beschwerdeführer u. a. Lohnsteuer von S 54.603,für eine Abfertigung nach, die anläßlich des Todes der Ehefrau des Beschwerdeführers (21. November 1978) zur Auszahlung gebracht worden war. Die Nachforderung ergab sich dadurch, daß das Finanzamtden Feststellungen einer Lohnsteueraußenprüfung folgenddie Lohnsteuer von einem Teil der Abfertigung nach § 67 Abs. 6 EStG 1972 berechnete. Der Beschwerdeführer hingegen hatte von der ganzen Abfertigung die Lohnsteuer gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1972 berechnet.
In der gegen den Haftungsbescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß seine verstorbene Frau bei ihm seit 1. Juni 1954 bis zu ihrem Tode als Arbeitnehmerin in einem Dienstverhältnis beschäftigt gewesen sei. Es sei unrichtig, die Zeit vor dem 1. Jänner 1973, in welcher nach den steuerrechtlichen Vorschriften ein Dienstverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Frau nicht anerkannt worden sei, nicht als Zeit zu rechnen, in der der verstorbenen Frau ein Abfertigungsanspruch im Sinne des § 23 Abs. 1 AngG erwachsen sei.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nur teilweise Folge. Die belangte Behörde berechnete die Lohnsteuer von der Abfertigung unter Anwendung von § 67 Abs. 3 und Abs. 4 EStG 1972 so, daß sie auf Grund von im Vorhaltsverfahren festgestellten „Vordienstzeiten“ vor dem 1. Juni 1954 im Ausmaß von 14 Jahren und 8 1/2 Monaten für 4/12 der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate den Steuersatz des § 67 Abs. 1 leg. cit. zur Anwendung brachte. Denselben Steuersatz brachte die belangte Behörde zur Anwendung auf den halben Betrag des dreifachen laufenden Monatsbezuges; der Rest der Abfertigung wurde nach dem allgemeinen (progressiven) Steuertarif versteuert. Zu dieser Berechnung gelangte die belangte Behörde, indem sie grundsätzlich die schon vor Finanzamt vertretene Rechtsansicht teilte: Die von der verstorbenen Frau des Beschwerdeführers in seinem Betrieb vom 1. Juni 1954 bis 31. Dezember 1972 „verbrachte Zeit“ könne nicht als für die Berechnung der Abfertigung anrechenbare Dienstzeit gewertet werden, da als anrechenbare Dienstzeit nach § 23 AngG nur jene Zeiten zu gelten hätten, die der Angestellte in einem Dienstverhältnis zum Betrieb verbracht habe. Zeiten, in denen ein Ehegatte im Betrieb des anderen Ehegatten vollbeschäftigt mittätig gewesen und der Aufwand dafür gemäß § 4 Abs. 4 Z. 4 EStG1967 steuerlich absetzbar gewesen sei, würden nicht als Zeiten, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses verbracht worden seien, gelten, und schieden als anrechenbare Dienstzeiten bei der Berechnung der gesetzlichen Abfertigung aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1967 wird die Lohnsteuer von Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt, begünstigt berechnet. Voraussetzung ist, daß die Abfertigung (u. a.) auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder auf Grund eines Kollektivvertrages zu leisten ist. Ebenfalls begünstigt besteuert, jedoch nicht im gleichen Ausmaß, werden bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallende freiwillige Abfertigungen (§ 67 Abs. 6 EStG 1972).
Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1972 ist eine Abfertigung, die gemäß § 23 Abs. 1 AngG zu zahlen ist. Grund und Höhe des Abfertigungsanspruches nach dieser Gesetzesstelle hängen von der Dauer des Dienstverhältnisses ab. Obwohl sich der Begriff des Dienstverhältnisses im Sinne des Angestelltengesetzes und der des Einkommensteuergesetzes nicht decken müssen, geht die belangte Behörde im Grunde von der Annahme aus, daß zwischen dem Beschwerdeführer und seiner verstorbenen Frau ein Dienstverhältnis im Sinne beider gesetzlicher Vorschriften bestanden hat. Die belangte Behörde vertritt allerdings die Ansicht, daß ein Dienstverhältnis für die vor dem Wirksamwerden des Einkommensteuergesetzes 1972 liegenden Zeiträume steuerrechtlich nicht angenommen werden könne, weil, im Gegensatz zum geltenden Einkommensteuergesetz, die früheren Einkommensteuergesetze ein Dienstverhältnis zwischen Ehegatten für den einkommensteuerrechtlichen Bereich nicht anerkannt hätten; damals sei nur ein Pauschbetrag (zuletzt gemäß § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1967) als Betriebsausgabe anerkannt worden, wenn der eine Ehegatte im Betrieb des anderen Ehegatten vollbeschäftigt mittätig gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof kann sich den von der belangten Behörde aus der aufgezeigten Rechtslage gezogenen Folgerungen nicht anschließen. Auszugehen ist davon, daß die belangte Behörde das Vorliegen eines Dienstverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und seiner verstorbenen Frau sowohl in arbeitsrechtlicher wie in steuerrechtlicher Sicht jedenfalls in dem maßgebenden Zeitpunkt der Auszahlung der strittigen Abfertigung annimmt. Die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen hiefür waren nach der Aktenlage aber nicht erst ab dem Inkrafttreten des Einkommensteuergesetzes 1972 gegeben (jedenfalls hat die belangte Behörde nichts Gegenteiliges festgestellt). Die Nichtanerkennung des Dienstverhältnisses ausschließlich mit steuerrechtlicher Wirkung in früheren Zeiträumen hat arbeitsrechtlich unter dem Gesichtswinkel des § 23 AngG überhaupt keine Wirkung und es kommt ihr auch für die nunmehr geltende steuerliche Rechtslage keine Bedeutung zu. Entscheidend ist, daß im Zeitpunkt der Flüssigmachung der Abfertigung ein Dienstverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner verstorbenen Frau im steuerrechtlichen Sinn bestanden hat, und daß die Abfertigung auf einer gesetzlichen Vorschrift beruht. Beides trifft im Beschwerdefall zu. Die Nichtberücksichtigung des Dienstverhältnisses auf Grund einer für den Beschwerdefall nicht mehr geltenden (steuerrechtlichen) Gesetzeslage wurde von der belangten Behörde für die Erlassung des angefochtenen Bescheides in rechtswidriger Weise für bedeutsam gehalten.
Schon aus dem Gesagten ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet ist, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war.
Für das fortzusetzende Berufungsverfahren wird noch auf folgendes verwiesen:
Die belangte Behörde ging von der Anwendbarkeit des § 23 Abs. 6 AngG aus. In dieser Vorschrift ist angeordnet, daß bei Auflösung des Dienstverhältnisses durch den Tod des Angestellten die Abfertigung nur zur Hälfte des in § 23 Abs. 1 AngG bezeichneten Betrages gebührt, und zwar nur den gesetzlichen Erben, zu deren Erhaltung der Erblasser gesetzlich verpflichtet war. Dabei gebührt dieser Abfertigungsanspruch nur demjenigen gesetzlichen Erben eines Angestellten, der im Zeitpunkt des Todes tatsächlich ein gesetzliches Recht auf Unterhaltsgewährung (vgl. Kapfer, Angestelltengesetz 17, Entscheidung 60 zu § 23). Ob diese Voraussetzungen in Ansehung der Person der Tochter der verstorbenen Frau des Beschwerdeführers zutreffen, wird ebenso zu prüfen sein, wie das Beschwerdevorbringen, wonach gemäß § 10 Abs. 5 des Rahmenkollektivvertrages vom 1. Juli 1976 für die Angestellten der Industrie sich der Anspruch gemäß § 23 Abs. 6 AngG bei Zutreffen bestimmter Voraussetzungen auf die volle Abfertigung erhöht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 19. Jänner 1982
Wien,
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)