VwGH 81/03/0065

VwGH81/03/00659.9.1981

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde der IW in L vertreten durch Dr. Alfred Windhager, Rechtsanwalt in Linz‑Urfahr, Rudolfsstraße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 17. Februar 1981, Zl. VerkR‑15.723/1‑1980‑II/G/W, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit der Straßenpolizei nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters und der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Alfred Windhager, und des Vertreters der belangten Behörde, Oberregierungsrat Dr. JE, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs2 implizit
AVG §13 Abs3
AVG §25 Abs1
AVG §47 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1981:1981030065.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 5.790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 11. September 1980 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, am 19. Februar 1980 um 09.28 Uhr auf der B 1 von Wels kommend in Richtung Linz im Ortsgebiet von Marchtrenk einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw mit einer Geschwindigkeit von 68 km/h gelenkt und dadurch die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h am 18 km/h überschritten zu haben. Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von S 400,-- (Ersatzarreststrafe 48 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid wurde eine für die Beschwerdeführerin von Erich Vlasek, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, Krankenhausstraße 1, erstattete Berufung eingebracht. Mit Schreiben vom 5. November 1980 forderte die Oberösterreichische Landesregierung den einschreitenden Rechtsanwalt gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 auf, den Vollmachtsmangel insoweit zu beheben, als er binnen einer Frist von 14 Tagen den Nachweis der Befugnis zur Vertretung der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zu erbringen habe, widrigenfalls die in obzitierter Bestimmung festgelegten Folgen einzutreten hätten. Bemerkt wurde, daß dem vorliegenden Akteninhalt kein Hinweis auf eine bereits erteilte Vollmacht im Sinne des § 10 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 zu entnehmen und dieser Mangel nach fernmündlicher Rücksprache mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Behörde erster Instanz bestätigt worden sei. Dieses Schreiben wurde der Kanzlei des eingeschrittenen Rechtsanwaltes laut Rückschein am 10. November 1980 zugestellt.

Mit dem Bescheid vom 17. Februar 1981 wies die Oberösterreichische Landesregierung die von Rechtsanwalt Erich Vlasek eingebrachte Berufung vom 29. September 1980 (richtig: 22. September 1980) mangels nachgewiesener Vertretungsbefugnis gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 und § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Zusammenhalt mit § 24 VStG 1950 als unzulässig zurück. Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, Rechtsanwalt Erich Vlasek habe als „Vertreter“ der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis der Erstbehörde vom 11. September 1980 Berufung eingebracht. Da weder eine schriftliche Vollmacht der angeblich Vertretenen vorgelegt noch vor der Behörde mündlich eine Vollmacht erteilt worden sei, sei Rechtsanwalt Vlasek mit Schreiben vom 5. November 1980 aufgefordert worden, gemäß § 13 Abs. 3 (AVG 1950) in Verbindung mit § 24 VStG 1950 den Vollmachtsmangel zu beheben, „in dem er binnen 14 Tagen den Nachweis der erteilten Vollmacht erbringt“.

Dieses Schreiben sei dem „Vertreter“ nachweislich am 10. November 1980 zugestellt worden. Bis zum heutigen Tage sei der Vollmachtsmangel aber nicht. behoben worden. Die Berufung sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem Inhalt der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Sachentscheidung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin vor, sie habe für das Verwaltungsstrafverfahren Rechtsanwalt Erich Vlasek mit ihrer Vertretung beauftragt und es sei seine Bevollmächtigung bereits im Verfahren der Behörde erster Instanz ausgewiesen gewesen, die Vollmacht aber aus ihr unerklärlichen Gründen abhanden gekommen. Aber selbst wenn keine Vollmacht vorhanden gewesen wäre, hätte die Behörde ihren Vertreter zur Vorlage der Vollmacht auffordern müssen. Eine solche Aufforderung sei jedoch nie erfolgt. Im übrigen wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die Beschwerdeführerin selbst davon zu verständigen und (zur Bekanntgabe) aufzufordern, ob sie Rechtsanwalt Vlasek eine Vollmacht erteilt habe.

Gemäß § 10 Abs. 1 AVG 1950 können die Beteiligten oder ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Nach der Anordnung des § 10 Abs. 2 AVG 1950 hat die Behörde die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 berechtigen Formgebrechen schriftlicher Eingaben wie auch das Fehlen einer Unterschrift an sich die Behörde noch nicht zur Zurückweisung; sie hat deren Behebung von Amts wegen zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen oder die schriftliche Bestätigung telegrafischer oder mündlicher Anbringen mit der Wirkung auftragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist nicht mehr berücksichtigt wird. Da die in dieser Bestimmung geregelte Behandlung von Formgebrechen schriftlicher Eingaben für Anbringen aller Art, somit auch für die im Verwaltungsverfahren in Betracht kommenden Rechtsmittel gilt, darf auch eine Berufung wegen eines Formgebrechens (Mangel des Nachweises der Vollmacht) nur nach Erteilung eines befristeten Verbesserungsauftrages und fruchtlosem Ablaufes der Verbesserungsfrist zurückgewiesen werden. (Vgl. dazu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 1962, Slg. Nr. 2490/A). Die vorangeführten Bestimmungen sind zufolge § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden.

Wie der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde mit Schreiben vom 5. November 1980 den für die Beschwerdeführerin eingeschrittenen Rechtsanwalt ausdrücklich auf den Mangel der (schriftlich oder mündlich erteilten) Vollmacht hingewiesen und ihm zur Behebung dieses Mangels eine Frist von 14 Tagen eingeräumt. Dieses Schreiben wurde laut dem den Verwaltungsstrafakten angeschlossenen Rückschein der Kanzlei des Rechtsanwaltes am 10. November 1980 zugestellt. Der Postrückschein ist als Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG 1950 in Verbindung mit § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist zwar widerleglich, doch ist von der Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsstrafverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Widerlegung dieser Vermutung angetreten worden. Denn die bloße, in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, die Aufforderung der belangten Behörde sei bei Rechtsanwalt Vlasek nie eingelangt und scheine auch im Postbuch nicht auf, steilt keinen Antritt eines solchen Gegenbeweises dar. Die Beschwerdeführerin wäre vielmehr - um ihre Rechte wahren zu können - nach Erhalt des angefochtenen Bescheides verpflichtet gewesen, Akteneinsicht zu nehmen. Auf diese Weise hätte sie den Rückschein gesehen und ihn gegebenenfalls als Fälschung erkennen können, weil zwar - wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung nach Akteneinsicht erklärte - auf dem Rückschein die Stampiglie von Rechtsanwalt Erich Vlasek aufscheint, nicht aber die auf dem Rückschein angebrachte Unterschrift von einer in dieser Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt gewesenen Personen herrühre. Dieser Umstand hätte von der Beschwerdeführerin bereits in der Beschwerde und zwar als zulässige Neuerung geltend gemacht werden müssen; nach Ablauf der Beschwerdefrist konnte er jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr nachgetragen werden. Da sohin die Rechtswirksamkeit der Zustellung der Aufforderung der belangten Behörde nicht als widerlegt anzusehen ist, liegt die in Hinsicht darauf geltend gemachte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor.

Wenn die Beschwerdeführerin weiters rügt, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, sie (die Beschwerdeführerin) selbst aufzufordern, den aufgezeigten Mangel zu beheben, und darin vor allem eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt, so vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls nicht zu folgen. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 kann die Behörde die Behebung von Formgebrechen mit der in dieser Bestimmung angeführten Wirkung dem Einschreiter auftragen. Einschreiter ist, wer das Anbringen bei der Behörde stellt, sei es für sich oder für einen anderen, wer also der Behörde gegenüber tätig wird. Einschreiter ist sohin, wie sich aus dem normativen Zusammenhang mit § 10 Abs. 1 AVG 1950 ergibt, der nicht vertretene Beteiligte, sein gesetzlicher Vertreter oder der von diesen Personen Bevollmächtigte. Nach der Anordnung des § 10 Abs. 1 AVG 1950 hat sich der mit der Vertretung einer Person Beauftragte, der für den Auftraggeber bei der Behörde einschreitet, durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen.

Nach der Aktenlage, insbesondere nach Art der Abfassung der Berufung, die auch einen Hinweis auf ein Bevollmächtigungsverhältnis mit dem für die Beschwerdeführerin eingeschrittenen Rechtsanwalt enthält, durfte die belangte Behörde annehmen, daß Rechtsanwalt Vlasek von der Beschwerdeführerin bevollmächtigt war, für sie die Berufung einzubringen, daß aber der Nachweis der schriftlichen Vollmacht fehlte. Daß übrigens Rechtsanwalt Vlasek mit der Vertretung der Beschwerdeführerin tatsächlich beauftragt war, wird auch in der Beschwerde nicht bestritten, vielmehr ausdrücklich als Voraussetzung für die Einbringung der Berufung dargestellt. lm Hinblick auf die vorstehend dargelegte Rechtslage war es daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde Rechtsanwalt Vlasek als für die Beschwerdeführerin einschreitenden Vertreter aufforderte, seine Vertretungsbefugnis durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen. Bei dieser Rechts- und Sachlage bedurfte es einer zusätzlichen, an die Beschwerdeführerin persönlich gerichteten Aufforderung nicht. Es liegt sohin auch die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vor.

Die zur Gänze unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a bis d VwGG 1965 in Verbindung mit Art. 1 Z. 4 bis 6 und Art. II der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Da neben dem Verpflegskostenpauschale eine Tagesgebühr nicht zusteht, war das darauf gerichtete Begehren gemäß § 58 VwGG 1965 abzuweisen.

Wien, am 9. September 1981

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