European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2023.40.2360.1
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerden des AA und der BB, beide wohnhaft in Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z (=belangte Behörde) vom 10.08.2023, Zl. ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2022,
zu Recht:
1. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bauansuchen vom 09.12.2022 beantragten die Bauwerber CC und DD beim Bürgermeister der Gemeinde Z die Erteilung der (nachträglichen) baubehördlichen Bewilligung für die Aufstockung einer - in der beantragten Form bereits bestehenden - Garage auf Gst. Nr. **1 KG Z unter Vorlage von Einreichplänen.
Die belangte Behörde führte über das Ansuchen am 03.07.2023 an Ort und Stelle eine mündliche Verhandlung durch. Die zur mündlichen Verhandlung erschienenen Beschwerdeführer wendeten gegen das Bauvorhaben zusammengefasst ein, dass die bauliche Anlage ohne Grenzabstand zu ihrem Gst. Nr. **2 KG Z errichtet worden sei und es einen rechtskräftigen Abbruchbescheid für die bauliche Anlage gebe. Eingewendet werde daher der mangelnde Grenzabstand zu ihrem Grundstück. Weiters sei auch der Kamin noch nicht abgetragen worden, wodurch es immer wieder zu Geruchsbelästigung komme. Auch sei nicht klar, was unter dem Dach als Lager gelagert werde. Dieser rechtswidrige Zustand werde seit dem Jahr 1996 bzw. 1985 aufrechterhalten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10.08.2023, Zl. ***, wurde den Bauwerbern die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Die Einwendungen der Nachbarn wurden als unbegründet abgewiesen.
Der Bescheid wurden den Beschwerdeführern am 23.08.2023 zugestellt.
In der bei der belangten Behörde am 14.09.2023 fristwahrend eingebrachten Beschwerde bringen die Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass vom Dach der baulichen Anlage Unwetterwassermengen bis heute auf ihr Grundstück abfließen und die bauliche Anlage ohne Sickerungsabstandhaltung entlang beider Grundstückgrenzen errichtet worden sei. Entgegen der Vorschreibung im Bewilligungsbescheid würden die Dach,- Oberflächen- und Drainagewässer nicht auf eigenem Grund zum Versickern gebracht. Durch die laufenden Dachabwässer eines grundstückbündig und abstandslos errichteten Garage Werkstattlagers, das zudem mit einem Abbruchbescheid behaftet sei, werde ihr Haus und in weiterer Folge sie selbst durch Unterspülung und Abrutschgefahr gefährdet.
II. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Verfahrensgang und Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage fest und ist unstrittig. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gem § 24 Abs 4 VwGVG Abstandgenommen werden, da ausschließlich Rechtsfragen zu klären waren und die Durchführung einer Verhandlung von keiner der Parteien beantragt wurden.
III. Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022), LGBl Nr 44/2022, zuletzt geändert durch LGBl Nr 64/2023, lauten:
§ 33
Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.
(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,
a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und
b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.
Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,
b) der Bestimmungen über den Brandschutz,
c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,
d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31b Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,
e) der Abstandsbestimmungen des § 6,
f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.
[…]
IV. Erwägungen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt. Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem die Nachbarn solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht haben (vgl VwGH 01.04.2008, 2007/06/0304; 31.02.2008, 2007/06/0152 mwN).
Die Beschwerdeführer grenzen mit ihrem Gst. Nr. **3 KG Z unmittelbar an den Bauplatz Gst. Nr. **1 KG Z an. Die Beschwerdeführer sind damit Nachbarn im Sinn des § 33 Abs 2 TBO 2022 und folglich berechtigt, die Nichteinhaltung der in § 33 Abs 3 TBO 2022 abschließend aufgezählten subjektiven Rechte geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.
Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer konkreten Rechtsverletzung immanent. Eine dem Gesetz entsprechende Einwendung liegt nur dann vor, wenn im Vorbringen der Partei die Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden kann (vgl. VwGH 28.02.2008, 2006/06/0163). Aus dem Vorbringen eines Nachbarn muss daher erkennbar sein, in welchem subjektiv-öffentlichen Recht er sich durch die beabsichtigte Bauführung verletzt erachtet (vgl. VwGH 17.04.2002, 2000/05/0054).
Der Nachbar ist in seinem Vorbringen auf die Geltendmachung der Verletzung der in § 33 Abs 3 TBO 2022 abschließend aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechten beschränkt. Daher kann der Nachbar im baubehördlichen Verfahren nicht die Verletzung von gesetzlichen Bestimmungen aufwerfen, die nur dem öffentlichen Interesse dienen, da es ihm verwehrt ist, inhaltlich über den Themenkreis hinauszugehen, in dem er zur Mitwirkung berechtigt ist.
Die Beschwerdeführer machten in ihrer Beschwerde geltend, dass sie durch die - ohne Grenzabstand errichtete - bauliche Anlage insofern gefährdet seien, als Oberflächenwässer ungehindert auf ihr Grundstück abfließen, wodurch ihr Grundstück drohe, unterspült zu werden und abzurutschen. Dieses Vorbringen erweist sich aus folgenden Gründen als unbegründet:
Nach der gesicherten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Frage der Versickerung bzw. schadlosen Ableitung von Oberflächenwässer kein Nachbarrecht dar (vgl VwGH 16.10.1990, 90/05/0039). Vielmehr sind Fragen der Entsorgung von Abwässern und Niederschlagswässern im Sinne des § 3 Abs 5 TBO 2022 Fragen, die von der Behörde im Rahmen des Bauverfahrens objektiv zu prüfen sind und für deren Sicherstellung zu sorgen ist.
Auch zählen allfällige Beeinträchtigung durch Niederschlagswässer nicht zu den vom Nachbarn aufgreifbaren Immissionen nach § 33 Abs 3 lit a TBO 2022. Durch die explizite Anführung der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Entsorgung von Niederschlagswässer und Abwässer in § 3 Abs 5 TBO 2022 als objektiv-öffentlich rechtliche Voraussetzung zur Erteilung einer Baugenehmigung ist im Umkehrschluss davon auszugehen, dass Niederschlagswässer jedenfalls nicht zu den Immissionen im Sinne des § 33 Abs 3 lit a TBO zählen (vgl VwGH 03.05.2012, 2012/06/0061).
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführer, anders als in der mündlichen Verhandlung vor der Behörde, kein zulässiges Nachbarrecht im Sinne des § 33 Abs 3 TBO 2022 geltend gemacht haben, weshalb die Beschwerden ohne weiteres Verfahren abzuweisen waren.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Piccolroaz
(Richter)
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