LVwG Tirol LVwG-2021/28/2941-6

LVwG TirolLVwG-2021/28/2941-616.3.2022

ASchG 1994 §35 Abs1 Z2
ASchG 1994 §130 Abs1 Z16

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.28.2941.6

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Weißgatterer über die Beschwerde des Herrn AA, vertreten durch die Rechtsanwälte BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 05.10.2021, Zl ***, wegen eine Übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung,

 

zu Recht:

 

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

2. Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 100,00 zu bezahlen.

 

3. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 144 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

4. Der Spruch des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolge „indem das Reststück per Hand zugeführt wurde, obwohl die Bedienungsanleitung vorschreibt, dass Reststücke niemals dem Messer händisch zugeführt werden dürfen (Seite 21, Punkt 3.3)“ mit der Wortfolge „indem ein Stück Fleisch der laufenden Maschine per Hand zugeführt wurde ohne den Schneideguthalter herunterzuklappen, obwohl die Bedienungsanleitung vorsieht, dass während des Betriebes nicht in die Bewegungsbahn des Schlittens (Seite 21, Punkt 3.3) und des Ablegetisches (Seite 21, Punkt 3.4) gegriffen werden darf.“

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Mit verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer nachstehender Sachverhalt vorgeworfen:

„1. Datum/Zeit: 07.06.2021, 11:00 Uhr

Ort: **** Y, Adresse 2

 

Herr AA, geb. am 04.10.1959 hat es als bestellter verantwortlich Beauftragter iSd § 9 Abs 2 VStG des Unternehmens „DD GmbH“ mit Sitz in **** Y, Adresse 2 , welches Arbeitgeber ist, zu verantworten, wie der Arbeitsinspektor CC bei einer Überprüfung festgestellt hat, dass am 07.06.2021 um ca. 11:00 Uhr in der Arbeitsstätte der DD GmbH in **** Y, Adresse 3 bei der Benutzung der Schneidemaschine (Modell VS ***, Seriennummer ***), durch die Arbeitnehmerin DD, geboren am XX.XX.XXXX, die dafür geltende Bedienungsanleitung des Herstellers (Version: ***) nicht eingehalten wurde, indem das Reststück per Hand zugeführt wurde obwohl die Bedienungsanleitung vorschreibt, dass Reststücke niemals dem Messer händisch zugeführt werden dürfen (Seite 21, Punkt 3.3).

 

Dadurch wurde § 35 Abs. 1 Z 2 ASchG übertreten, wonach Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer eingehalten werden.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

 

1. § 130 Abs. 1 Zif. 16 i.V.m. § 35 Abs. 1 Zif. 2 Arbeitnehmerlnnenschutzg. BGBl. 450/1994 idgF.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

 

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

1. € 500,00 2 Tage(n) 12 Stunde(n) § 130 Abs. 1

0 Minute(n) Arbeitnehmer-lnnenschutzg.

BGBl. 450/1994 idgF.

 

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 50,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 550,00“

 

Dagegen erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde und führte in dieser aus wie folgt:

 

„I) Anfechtungserklärung

Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z, Gewerbe, GZ: ***, wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten.

 

II) Anfechtungsgründe

 

Als Beschwerdegründe werden unrichtige rechtliche Beurteilung, Mangelhaftigkeit des

Verfahrens und unzweckmäßige Ermessensausübung geltend gemacht.

 

III) Ausführung der Beschwerde

 

1. Dem Beschwerdeführer wird im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt, er habe es als bestellter verantwortlich Beauftragter iSd § 9 Abs 2 VStG des Unternehmens „DD GmbH“ mit Sitz in **** Y, Adresse 2, welches Arbeitgeber ist, zu verantworten, dass am 07.06.2021 um ca. 11 Uhr in der Arbeitsstätte der DD GmbH in **** Y, Adresse 3, bei der Benutzung der Schneidemaschine durch die Arbeitnehmerin DD, die dafür geltende Bedienungsanleitung des Herstellers nicht eingehalten worden sei, indem das Reststück per Hand zugeführt worden sei, obwohl die Bedienungsanleitung vorschreiben würde, dass Reststücke niemals dem Messer händisch zugeführt werden dürfen.

 

Dadurch sei § 35 Abs 1 Z 2 ASchG übertreten worden, wonach der Arbeitgeber dafür zu sorgen habe, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer eingehalten werden.

 

2. Da es sich bei dem, dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Delikt um ein Ungehorsamsdelikt handelt, ist nach der in § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG normierten Vermutung das Verschulden in der Form von Fahrlässigkeit anzunehmen es sei denn, der Beschuldigte macht glaubhaft, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Derjenige, der sich bei der Erfüllung einer ihm obliegenden gesetzlichen Verpflichtung der Hilfe eines Dritten bedient, bleibt verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, soweit ihn ein Verschulden im Sinne des § 5 VStG trifft (vgl. etwa VwGH 03.03.2020, Ra 2019/04/0125, Rn 11, mwN).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einrichtung von Kontrollsystemen ist es für die Befreiung von der persönlichen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung im Einzelfall zusammengefasst entscheidend, dass glaubhaft alle Maßnahmen getroffen wurden, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften gewährleistet ist (vgl. erneut VwGH Ra 2019/04/0125, Rn. 12, mwN). Die bloße Erteilung von Weisungen reicht dafür nicht aus; entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisungen erfolgt (vgl. etwa VwGH 27.07.2020, Ra 2020/11/0059, Rn 8, mwN).

 

Ein wirksames Kontrollsystem verlangt nicht die ständige Beaufsichtigung jedes Arbeitnehmers, sondern das Treffen von Maßnahmen, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. VwGH 07.03.2016, Ra 2016/02/0030, Rn 11, mwN).

3. In der gegenständlichen Filiale wurden sämtliche die Schneidemaschine benutzenden Arbeitnehmer, so auch die Arbeitnehmerin Frau DD, ordnungsgemäß eingeschult und auch unterwiesen, Reststücke niemals mit der Hand dem Messer zuzuführen, sondern den vorgesehenen Schneidguthalter zu verwenden.

 

Darüber hinaus findet jährlich eine Schulung betreffend Arbeitssicherheit statt, in welcher die Mitarbeiter unter anderem im Umgang mit sämtlichen in den Filialen vorhandenen Maschinen, so auch der Schneidemaschine, geschult und unterwiesen werden.

 

Die Einhaltung sämtlicher Unterweisungen wird von Seiten des Beschwerdeführers regelmäßig kontrolliert und überwacht.

 

Zu Frau DD ist auszuführen, dass diese schon sehr lange in der gegenständlichen Filiale beschäftigt und dementsprechend erfahren mit der Handhabung der Schneidemaschine ist. Frau EE hat vor dem gegenständlichen Unfall zuletzt am 01.04.2021 an der Online-Schulung „Arbeitssicherheit FF“ teilgenommen. Am Ende dieser Schulung wurde das in der Schulung erlernte Wissen mit einem Quiz abgefragt.

 

Umgehend nach dem Arbeitsunfall von Frau EE wurde in der gegenständlichen Filiale derart reagiert, dass der Unfall validiert und sämtliche Mitarbeiter erneut geschult wurden, um einem weiteren derartigen Vorfall zu verhindern. Auch Frau EE wurde nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenstand erneut geschult. Zudem wurde am 08.06.2021 eine Betriebsanweisung betreffend den Betrieb von Aufschnittschneidemaschinen erlassen.

 

Beweis: Einvernahme des Beschwerdeführers

Schulungsprotokoll vom 31.01.2019

Ergebnis Quiz von DD

Abschlusszertifikat „Arbeitssicherheit FF“ vom

01.04.2021 von DD

ZV GG, pA DD GmbH, Adresse 4, **** Y

Betriebsanweisung vom 08.06.2021

Schulungsprotokoll vom 10.06.2021

 

4. Zusammengefasst wird sohin im Hinblick auf die obigen Ausführungen festgehalten, dass den Beschwerdeführer kein Verschulden im Sinne des § 5 VStG trifft, wurden doch alle Maßnahmen getroffen (Einschulungen, wiederholte Sicherheitsschulungen, Kontrolle der Handhabung, udgl.), die die Einhaltung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften gewährleisten.

 

Nicht vernachlässigt werden darf an dieser Stelle, dass grundsätzlich darauf vertraut werden darf, dass unterwiesene und geschulte Mitarbeiter jedenfalls den Rechtsvorschriften Genüge leisten. Auch darf ein gewisses Maß an Eigenverantwortung von jedem Arbeitnehmer erwartet werden, da es dem Beschwerdeführer schlichtweg nicht möglich ist, täglich während der gesamten Arbeitszeit hinter jedem Mitarbeiter zu stehen und zu kontrollieren, ob dieser sich auch an die Anweisungen hält. Nur der Vollständigkeit halber darf darauf verwiesen werden, dass festgestellt wurde, dass der Arbeitsunfall der Unachtsamkeit von Frau EE geschuldet war.

Beweis: wie bisher“

 

Aus der Anzeige des Arbeitsinspektorats Tirol vom 13.07.2021 geht zusammengefasst hervor, dass der Arbeitsinspektor, Herr CC am 21.06.2021 bei einer Überprüfung festgestellt hat, dass am 07.06.2021 um ca 11:00 Uhr in der Arbeitsstätte der Firma DD GmbH in **** Y, Adresse 3, bei der Benutzung der Schneidemaschine (Modell VS ***) durch die Arbeitnehmerin EE die dafür geltende Bedienungsanleitung des Herstellers nicht eingehalten wurde, in dem das Reststück per Hand zugeführt wurde, obwohl die Bedienungsanleitung vorschreibt, dass Reststücke niemals dem Messer händisch zugeführt werden dürfen. Die Arbeitsnehmerin geriet mit dem rechten Zeige- und Mittelfinger in das abstehende Rundmesser und verletzte sich dabei.

 

Dadurch wurde § 35 Abs 1 Zif 1 ASchG übertreten, wonach Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer eingehalten werden und wurde die Bestrafung vom verantwortlichen Beauftragten beantragt.

 

 

II. Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer war seit 01.02.2015 verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs 2 VStG im Fleischwerk der Firma DD GmbH in **** Y, Adresse 3 und war auch für die Einhaltung aller Verwaltungsvorschriften und Arbeitnehmerschutzbestimmungen (AuslBG ausgenommen) verantwortlich. Am vorfallsgegenständlichen Tag, dies war der 07.06.2021, war der Beschwerdeführer nach wie vor noch verantwortlicher Beauftragter der Firma DD GmbH für den oben angeführten Zuständigkeitsbereich. Dies wird vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

 

Die Mitarbeiterin, Frau EE war am vorfallsgegenständlichen Tag damit beschäftigt, mit der Schneidemaschine (Modell VS ***, Seriennummer ***), halbgefrorene Fleischstücke zu schneiden. Als die Mitarbeiterin DD ein neues Stück wieder eingelegt hat, ohne die Maschine abzustellen und ohne den Schneideguthalter herabzuklappen, rutschte sie aus und kam mit dem rechten Mittelfinger in die Schneidemaschine, wodurch sie verletzt wurde. Die Mitarbeiterin DD war ca acht Wochen im Krankenstand.

 

Grundsätzlich finden einmal pro Jahr Schulungen bzw Unterweisungen für diese Maschine im Betrieb des Beschwerdeführers statt. Die Schulung für das Jahr 2020 fiel coronabedingt aus. Die letzte Schulung für diese Maschine fand am 31.01.2019 statt. Am 01.04.2021 wurde eine Online-Schulung, welche jedoch für allgemeine Themen durchgeführt wurde, veranstaltet, bei welcher die Zeugin DD auch teilnahm. Erst nach dem gegenständlichen Vorfall fand sodann eine weitere Schulung für die gegenständliche Maschine im Betrieb des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer selbst war beim gegenständlichen Vorfall nicht in der Abteilung anwesend und ist es so, dass die gegenständliche Mitarbeiterin vom Abteilungsleiter kontrolliert wird. Weiters wird sie von Mitarbeiterin des Teams Organisation kontrolliert. Der Beschwerdeführer selbst führte keine Kontrollen, nicht einmal stichprobenartige Kontrollen durch. Der Beschwerdeführer hat mit diesen Kontrollen, betreffend die Arbeitssicherheit, gar nichts zu tun. Es gab lediglich regelmäßig Abteilungsleitertreffen mit dem Beschwerdeführer und wurde dem Beschwerdeführer bei diesem berichtet.

 

Der Beschwerdeführer bringt vor (Beschwerde vom 05.11.2021, Seite 4), dass „die Einhaltung sämtlicher Unterweisungen von Seiten des Beschwerdeführers regelmäßig kontrolliert und überwacht werden und ihn auch kein Verschulden treffen würde.“

 

Festgehalten wird, dass der Beschwerdeführer die Arbeitnehmerin DD nie kontrolliert hat und wird dies auch vom Zeugen GG bestätigt. Vielmehr arbeitete der Beschwerdeführer in einer anderen Abteilung.

 

Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer gegenständlich kein ausreichendes Kontrollsystem eingerichtet hat, da er selbst nie Mitarbeiter kontrolliert und die ihm untergeordneten Mitarbeiter zwar Kontrollen durchführen, diese aber lediglich stichprobenartig durchgeführt werden und weiters die Schulungen nicht ausreichend waren, um einen derartigen Unfall hintan zu halten, weshalb der Beschwerdeführer die Tat auch in objektiver Hinsicht zu verantworten hat.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Unfall ergeben sich aus dem verwaltungsbehördlichen Akt und aus den Aussagen der einvernommenen Zeugen DD und GG. Die Zeugin DD gab an, dass sie mit dem Mittelfinger in die Schneidemaschine kam und sich dabei verletzte, weshalb sie ca acht Wochen im Krankenstand war. Den Unfallhergang beschrieb sie so, dass sie ein weiteres halbgefrorenes Fleischstück in die gegenständliche Maschine einlegen wollte, wobei die Maschine weiterlief und sie dann abrutschte und mit dem Mittelfinger in die Maschine geriet. Den Schneideguthalter konnte sie gar nicht mehr herabklappen. Daher erfolgte auch die Spruchberichtigung.

 

Die Feststellungen im Zusammenhang mit den Schulungen im Betrieb, welche grundsätzlich einmal pro Jahr stattfinden (Ausnahme 2020) ergeben sich aus der Aussage des einvernommenen Zeugen GG. GG gab bei seiner Einvernahme vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol weiters zu Protokoll, dass der Beschwerdeführer eigentlich in einer anderen Abteilung arbeitet und der Abteilungsleiter die Mitarbeiterin vor Ort kontrolliert, wobei der Beschwerdeführer mit diesen Kontrollen vor Ort gar nichts zu tun hat. Dem Beschwerdeführer wurden lediglich regelmäßigen Abteilungstreffen mit ihm, Bericht erstattet.

 

Die Feststellung im Zusammenhang mit dem mangelnden Kontrollsystem ergeben sich aus der Aussage des einvernommenen Zeugen GG bei der Verhandlung vom Landesverwaltungsgericht Tirol am 08.03.2022 und ergibt sich hier eindeutig, dass – wie oben bereits ausgeführt – der Beschwerdeführer selbst die MitarbeiterInnen gar nicht kontrolliert, sondern diese Kontrollen ausschließlich vom jeweiligen Abteilungsleiter und von der Abteilung Organisationsmanagement durchgeführt wird.

 

 

IV. Rechtslage und Erwägungen:

 

Gemäß § 35 Abs 1 Zif 2 ASchG haben Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln, die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer sowie die für sie geltenden elektrotechnischen Vorschriften eingehalten werden.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden.

 

Es ist ein Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorstehenden Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer alle Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Der dem Beschwerdeführer nach § 5 Abs 1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht alleine dadurch erbracht werden, dass die ihm treffende Verantwortung auf eine hierzu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Personen Vorsorge getroffen worden ist. Demnach ist es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

 

Das entsprechende Kontrollsystem hat aber auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern Platz zu greifen. Es kann daher kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten. Das eigenmächtige Verhalten des Arbeitnehmers zeigt nach dem Verwaltungsgerichtshof gerade, dass kein wirksames Kontrollsystem vorhanden war.

 

Darüber hinaus reichen stichprobenartige Überprüfungen und die Erteilung von Weisungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus. Selbst eine Verwarnung für den ersten festgestellten Verstoß reicht nach Ansicht des VwGH für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems nicht aus.

 

Vorweg ist auch anzuführen, dass nach dem Ermittlungsverfahren davon auszugehen ist, dass das gegenständliche Unternehmen grundsätzlich nicht sorglos mit den Arbeitnehmerschutzbestimmungen umgeht. Das zeigen die durchgeführten Schulungen. Allerdings hat das Beweisverfahren ergeben, dass im Unternehmen zu wenig Augenmerk auf die erforderlichen konkreten Sicherheitsunterweisungen der einzelnen Arbeitnehmer und Kontrolltätigkeiten der mit der Wahrnehmung der Kontrollaufgaben betrauten Personen gelegt wird. Im gegenständlichen Fall wurde die verunfallte Arbeitnehmerin nur stichprobenartig kontrolliert und erfolgte im gesamten Jahr 2020 keine Schulung. Auch wenn man davon ausgeht, dass eine derartige Schulung im Jahr 2020, aufgrund der Corona-Situation sich schwierig gestaltet hätte, hätten die Kontrollen der Arbeitnehmer seitens der in der Hierarchie übergeordneten zum einen viel verstärkter sein müssen und zum anderen wäre auch eine Online-Schulung, welche im April 2021 stattfand, möglich gewesen. Wie oben ausgeführt, hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich ausgesprochen, dass gerade für den Fall solcher Handlungen von Arbeitnehmern das Kontrollsystem Platz zu greifen hat. Es könne kein grundsätzliches Vertrauen darauf geben, dass eingewiesene und laufend geschulte Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten. Gerade in diesem Bereich ist jedoch – unabhängig von der Frage, ob die Arbeitnehmerin eigenmächtig das Fleisch in die Maschine eingelegt hat, ohne diese auszuschalten – das Kontrollsystem nicht ausreichend. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Entlastungsbeweise waren daher nicht geeignet, ihm von seinem schuldhaften Verhalten zu befreien, weshalb er in subjektiver Hinsicht die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Was die subjektive Tatseite anlangt, ist festzuhalten, dass es sich beim gegenständlichen Delikt um ein sogenanntes „Ungehorsamsdelikt“ im Sinne des § 5 Abs 1 VStG handelt. Bei derartigen Delikten ist dann Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. „Glaubhaftmachung“ bedeutet dabei, dass die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich gemacht wird. Der Beschwerdeführer hat initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat daher als ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und Beweismittel zum Beleg desselben bekanntzugeben oder vorzulegen. Die Behauptung des Beschwerdeführers – wie bereits ausgeführt – reichen für sich allein zur Glaubhaftmachung des mangelnden Verschuldens nicht aus. Sohin hat der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Seine darüberhinausgehenden Einwände gehen ins Leere.

 

V. Strafbemessung:

 

Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 130 Abs 1 Zif 16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von Euro 166,00 bis Euro 8.324,00, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von Euro 333,00 bis Euro 16.659,00 zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber die Verpflichtungen betreffend die Benutzung von Arbeitsmitteln verletzt

 

Hinsichtlich dem Verschulden war – wie bereits erwähnt – zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen. Mildernd war nichts zu werten. Erschwerend kam kein Umstand hinzu.

 

Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers gab, befragt zu den Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers bei der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 08.03.2022 bekannt, dass sie hiezu keine Angaben machen kann. Die dem Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe ist im unteren Bereich des Strafrahmens angesiedelt und nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Tirol, auch bei unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen des Beschwerdeführers, tat- und schuldangemessen.

 

Insgesamt war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

 

 

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Weißgatterer

(Richterin)

 

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte