LVwG Tirol LVwG-2021/12/1029-4

LVwG TirolLVwG-2021/12/1029-421.4.2021

EpidemieG §7 Abs1
EpidemieG §7 Abs1a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.12.1029.4

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst durch seine Richterin Dr.in Kroker über die Maßnahmenbeschwerde des mj AA, geb. **.**.****, vertreten durch seine Mutter BB, Adresse 1, **** Z, diese vertreten durch Rechtsanwalt CC, Adresse 2, **** Y, gegen die am 16.04.2021 angeordnete Absonderung des Beschwerdeführers in der Unterkunft Adresse 1, **** Z , folgenden

 

B E S C H L U S S :

 

1. Die Maßnahmenbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

2. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht zugesprochen.

 

3. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang, Beschwerdevorbringen, mündliche Verhandlung:

 

Am 16.04.2021 hat die Bezirkshauptmannschaft Y telefonischen Kontakt aufgenommen, um vorab die Absonderung des mj. AA mitzuteilen und die weitere Vorgehensweise zu erörtern. Am selben Tag wurde ein schriftlicher Absonderungsbescheid, Zl ***, gemäß § 7 Abs 1 und Abs 1a Epidemiegesetz erlassen, der per E-Mail an den Beschwerdeführer zu Handen dessen Mutter zugestellt wurde.

Mit – fristgerecht beim Landesverwaltungsgericht Tirol am 19.04.2021 eingebrachtem - Schriftsatz vom 17.04.2021 erhob der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde beim Landesverwaltungsgericht Tirol und führte zur Zulässigkeit begründend aus, dass nach bisheriger Auffassung die Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde nicht zulässig sei, wenn ein zu bekämpfender Bescheid vorliege, weil damit die Unmittelbarkeit nicht vorliege. Seit der Aufhebung des § 7a Epidemiegesetz durch den Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung G 380/2020 vom 10.03.2021 stehe jedoch nun keine ausdrückliche gesetzliche Möglichkeit mehr offen, gegen den mit einem Absonderungsbescheid erfolgten Freiheitsentzug in einer dem Art 5 Abs 4 EMRK entsprechenden Weise direkt ein Gericht anrufen zu können, das ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft zu entscheiden habe. Bei Absonderungsbescheiden handle es sich um Mandatsbescheide nach § 57 AVG, die aufgrund eines unvollständigen, das rechtliche Gehör des Betroffenen nicht berücksichtigenden Ermittlungsverfahrens gefällt würden und gegen die nur der Rechtsbehelf der Vorstellung nach § 57 Abs 3 AVG offenstehe, ein nicht aufsteigender Rechtsbehelf ohne aufschiebende Wirkung. Dieser Rechtsbehelf erfülle daher nicht die Voraussetzungen des im Verfassungsrang stehenden Art 5 Abs 4 EMRK. Nachdem der Absonderungsbescheid somit unmittelbar wirksam sei, ohne dass das rechtliche Gehör des Betroffenen gewahrt wäre und ohne dass die dagegen mögliche Remonstration nach § 57 Abs 3 AVG eine aufschiebende Wirkung böte, liege unmittelbare Befehls- oder Zwangsgewalt im Sinn des Art 130 Abs 1 lit 2 B-VG vor. Somit sei eine Maßnahmenbeschwerde gegen einen Absonderungsbescheid zulässig. Dies entspreche auch der Rechtsauffassung des VfGH, worauf die Sprecherin des VfGH in ihrer Presseerklärung ausdrücklich hingewiesen habe.

Inhaltlich wurde vorgebracht, dass der Bescheid absolut nichtig sei, weil er jede nach den Bestimmungen des AVG (§§ 57 bis 60) erforderliche Begründung in Form der Darstellung des individualisierenden Sachverhalts vermissen lasse. Es gehe weder hervor, mit welcher Person der Beschwerdeführer in einer Weise Kontakt gehabt haben soll, dass er als Kontaktperson der Kategorie 1 angesehen werden könnte noch sei festgestellt, ob diese Person überhaupt ansteckungsverdächtig sei und aus welchen Gründen. Die Einstufung des Beschwerdeführers als K1 Kontaktperson sei willkürlich. Es gebe auch keine gesetzliche Grundlage dafür, eine aufgrund einer willkürlichen, gesetzlich nicht gedeckten Festlegung, wer Kontaktperson K1 sein soll, als solche bezeichnete Personen nach § 7 EpiG anzuhalten. Auch sei es völlig willkürlich, die ganze Schule als K1 zu qualifizieren und abzusondern, ohne dass zumindest eine Kontaktmöglichkeit, die eine Ansteckungsgefahr mit sich bringen könnte, konkret festgestellt worden sei.

Es werde daher beantragt, die mit Bescheid vom 16.04.2021, ***, angeordnete Absonderung des Beschwerdeführers in seiner Unterkunft **** Z, Adresse 1, mit sofortiger Wirkung aufzuheben, festzustellen, dass die Absonderung des Beschwerdeführers rechtswidrig gewesen sei und der belangten Behörde den Ersatz der Pauschalkosten für die Beschwerde aufzuerlegen.

Die belangte Behörde hat – über Nachfrage des Landesverwaltungsgerichts Tirol – mit E-Mail vom 19.04.2021 mitgeteilt, dass am 16.04.2021 zu GZ *** ein schriftlicher Absonderungsbescheid gemäß § 7 Abs 1 und Abs 1a EpiG erlassen worden sei. Vor Erlassung des schriftlichen Bescheides sei am selben Tag - den 16.04.2021 - seitens der Behörde telefonisch Kontakt aufgenommen worden, um die Absonderung des mj. AA mitzuteilen und die weitere Vorgehensweise zu erörtern. Es handle sich hierbei nicht um einen telefonischen Bescheid gemäß § 45 (gemeint: § 46) Epidemiegesetz 1950, sondern um die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt (AuvBZ). Dass Absonderungen als Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt durchführt werden können, ergebe sich aus den Erläuterungen zu § 7 Epidemiegesetz und den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (EB zur RV 1187 der Beilagen XXV. GP). Im Bescheid sowie im ISCO (Informationssystem CoV) sei das geführte Telefonat ebenfalls vermerkt worden: „Mit Telefonat vom 16.04.2021 wurde eine Absonderung der im Spruch genannten Person bis zur Zustellung des gegenständlichen Bescheides verfügt.“ Der Bescheid sei am 16.04.2021 per Email an die namhaft gemachte gesetzliche Vertreterin BB (Zustellqualität: mit Empfangsbestätigung) zugestellt worden.

Diese Auskunft wurde dem rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelt. Mit E-Mail vom 20.04.2021 hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass es richtig sei, dass die Mutter des Beschwerdeführers zunächst am 16.04.2021 telefonisch von der Absonderung als K1 Person informiert und ihr am selben Tag per E-Mail der mit der Maßnahmenbeschwerde vorgelegte Bescheid übermittelt worden sei. Sie sei nicht im Teilnehmerverzeichnis beim BM für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gelistet, sodass an sich eine elektronische Zustellung unzulässig sei. Nachdem Frau BB im Bescheid nicht als erziehungsberechtigte Empfängerin genannt sei, könne an sich nach der näher angeführten Rechtsprechung eine Heilung des Zustellmangels gemäß § 7 Abs 1 bzw § 9 Abs 3 ZustellG nicht eintreten. Grundsätzlich könne daher der Bescheid gegenüber dem Beschwerdeführer keine Rechtswirkungen entfalten. Ob der mit der Absonderung verbundene Eingriff in die persönliche Freiheit – wie dies die belangte Behörde hier selbst einräumt – als unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen sei, sei eine Rechtsfrage, die vom Gericht zu lösen sei. Der Standpunkt des Beschwerdeführers hierzu ergebe sich aus der Beschwerdeschrift, zumal zwar ein Bescheid vorliege, dieser aber sofort wirksam sei, der Bescheid ohne Wahrung des rechtlichen Gehörs erlassen worden sei und gegen den kein Rechtsbehelf zustehe, der dem Art 5 Abs 4 EMRK entsprechen würde. Es werde hier auch auf die Rechtsansicht des VfGH verwiesen. Es sei jedoch anzumerken, dass die Zustellung des Bescheides faktische Auswirkungen habe, weil die Polizei täglich kontrolliere, ob sich der Beschwerdeführer in seiner Unterkunft aufhalte und er mit empfindlichen Strafen bedroht sei, wenn das nicht der Fall sei einschließlich einer allfälligen Anzeige nach § 178 StGB, womit schwere Nachteile für den Beschwerdeführer verbunden seien.

Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 VwGVG entfallen, weil die Maßnahmenbeschwerde zurückzuweisen ist.

 

II. Sachverhalt:

Am 16.04.2021 hat die Bezirkshauptmannschaft Y telefonischen Kontakt aufgenommen und hat vorab die Absonderung des mj. AA ausgesprochen. Am selben Tag wurde ein schriftlicher Absonderungsbescheid, Zl ***, gemäß § 7 Abs 1 und Abs 1a EpiG gegenüber dem Beschwerdeführer „Mj. AA, geb. **.**.****, zH des gesetzlichen Vertreters/der gesetzlichen Vertreterin BB **** Z , Adresse 1, mailto:o.gerlinde@aon.at“ erlassen, der per E-Mail amtssigniert am 16.04.2021 zugestellt wurde.

In diesem Bescheid wurde Folgendes ausgesprochen:

Betreffend AA, geb. **.**.****, somit minderjährig, wh. in **** Z , Adresse 1, als SARS-CoV-2 Kontaktperson der Kategorie I wird bis zum Ablauf des 28.04.2021 die Anordnung der Absonderung in der Unterkunft **** Z , Adresse 1 verfügt.

Der von der Behörde festgelegte Aufenthaltsort darf nicht verlassen werden. Ausgenommen davon ist ausschließlich die Wahrnehmung einer behördlich angewiesenen Testung zur Abklärung einer Infektion mit SARS-CoV-2, sofern der Kontakt zu anderen Personen jedenfalls ausgeschlossen ist (zB durch alleinige Fahrt im [familien]eigenen Fahrzeug; keine öffentlichen Verkehrsmittel und nicht zu Fuß).

Eine vorzeitige Beendigung der Absonderung ist ab dem Ablauf des 24.04.2021 möglich, wenn das negative Ergebnis jenes behördlich angewiesenen molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 vorliegt, dessen Probenahme frühestens am 9. Tag nach dem letzten infektiösen Kontakt erfolgte, und die Behörde den/die Abgesonderten bzw. dessen gesetzliche/n Vertreter/in über das Vorliegen der Voraussetzungen verständigt hat.“

 

III. Beweiswürdigung:

Die telefonische Kontaktaufnahme und Mitteilung der Absonderung folgt aus dem E-Mail der belangten Behörde vom 19.04.2021 und dem angeführten Aktenvermerk und ergibt sich im Wesentlichen bereits aus der Beschwerde und der schriftlichen Stellungnahme des rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers vom 20.04.2021. Auch wurde seitens des Beschwerdeführers der oben angeführte und damit offensichtlich zugestellte Bescheid vom 16.04.2021 vorgelegt, aus diesem sind der Abspruch über die Absonderung, die Amtssignierung und die Zustellverfügung ersichtlich. Die Zustellung des Bescheides per E-Mail an die E-Mail-Adresse der gesetzlichen Vertreterin BB wurde in der schriftlichen Stellungnahme des rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers vom 20.04.2021 zudem ausdrücklich bestätigt.

 

IV. Rechtslage:

Die hier relevanten Bestimmungen des Epidemiegesetzes (im Folgenden: EpiG), BGBl Nr 186/1950 in der am 16.04.2021 gültigen Fassung BGBl I Nr 64/2021, sowie des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (im Folgenden AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018, lauten wie folgt:

Absonderung Kranker

§ 7 EpiG

(1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaß-nahmen verfügt werden können.

(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Jede Anhaltung, die länger als zehn Tage aufrecht ist, ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des § 17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.

§ 57 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991

 

(1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.

(2) Gegen einen nach Abs 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen.

 

V. Erwägungen:

 

Zur Zulässigkeit:

 

Vorauszuschicken ist, dass der Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung vom 10.03.2021, G 380/2020, § 7 Abs 1a zweiter Satz EpiG („Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen.“) als verfassungswidrig aufgehoben hat. Diese Entscheidung wurde am 08.04.2021 im Bundesgesetzblatt, BGBl I Nr 2021/64, kundgemacht. Somit gilt für die gegenständliche Absonderung die bereinigte Rechtslage.

 

Nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit, nach Art 131 Abs 1 B-VG erkennen über Maßnahmenbeschwerden die Verwaltungsgerichte der Länder, im vorliegenden Fall das Landesverwaltungsgericht Tirol.

Ein Verwaltungsakt in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar – dh ohne vorangegangenen Bescheid – in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als – spezifisch verstandene – Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann (vgl VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124; 29.09.2009, 2008/18/0687, mwN).

Im vorliegenden Fall wurde am 16.04.2021 am Telefon die Absonderung des Beschwerdeführers ausgesprochen. Es wurde dabei nicht – wie vom Beschwerdeführer angenommen - der Bescheid telefonisch verkündet (vgl gemäß § 46 EpiG die telefonische Bescheiderlassung aufgrund eines Verdachts mit der Infektion von SARS-CoV-2), sondern hat die belangte Behörde klargestellt, dass es sich bei diesem Ausspruch um die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gehandelt hat.

 

Am selben Tag – sohin am 16.04.2021 – wurde in der gegenständlichen Angelegenheit ein schriftlicher Mandatsbescheid, Zl EPI-CTP-8/1/7160, gemäß § 57 AVG erlassen und dem Beschwerdeführer zu Handen seiner gesetzlichen Vertreterin per E-Mail amtssigniert tatsächlich zugestellt (vgl obige Feststellungen). Die Zustellung eines amtssignierten Bescheides per E-Mail ist zulässig, weil eine solche gemäß § 37 Abs 1 ZustellG an einer elektronischen Zustelladresse (zB Zustellung an einer E-Mail-Adresse) erfolgen kann.

 

Die gegenständliche Beschwerde ist am 17.04.2021 um 08.42 Uhr per E-Mail an das Landesverwaltungsgericht Tirol übermittelt worden und gilt daher mit Beginn der Amtsstunden am 19.04.2021 als eingebracht (vgl Bekanntmachung des Landesverwaltungsgerichts Tirol nach § 13 Abs 2 und 5 AVG sowie des § 86 b BAO iVm § 17 VwGVG). Die Maßnahmenbeschwerde wurde sohin nach Bescheiderlassung in derselben Sache erhoben.

Der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dient dem Zweck, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Es sollten mit dieser Beschwerde aber nicht Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes geschaffen werden. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein. Wird ein Bescheid erlassen, können die - bereits vorgenommenen - damit zusammenhängenden faktischen Verfügungen nicht mehr mit Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden (vgl etwa VwGH 20.09.2018, Ra 2018/09/0024). Eine allfällige Rechtwidrigkeit des Bescheids kann nur im Wege der Bescheidbeschwerde geltend gemacht werden (vgl etwa VwGH 24.10.2019, Ra 2019/15/0075, 20.10.2020, Ra 2019/16/0107, 22.11.2017, Ra 2017/19/0421 mwH).

Der Bescheid ist als sogenannter Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG zu qualifizieren, gegen den binnen zwei Wochen eine Vorstellung bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingebracht werden kann (vgl § 57 Abs 2 AVG, vgl auch die Rechtsmittelbelehrung). Es handelt sich dabei um ein nicht aufsteigendes Rechtsmittel. Doch ändert diese rechtliche Qualifikation nichts daran, dass damit die Rechtsverfolgung in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann und dies nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein kann.

 

Eine Rechtswidrigkeit des Mandatsbescheids wäre daher im Wege der Vorstellung und allenfalls einer Bescheidbeschwerde gegen den Vorstellungsbescheid geltend zu machen gewesen. Auch die verfassungsrechtlichen Bedenken, die in der Beschwerde im Hinblick auf diesen Rechtszug vorgetragen wurden (arg: die Vorstellung erfülle nicht die Voraussetzung des im Verfassungsrang stehenden Art 5 Abs 4 EMRK), sind dann im allfälligen Verfahren gegen den Vorstellungsbescheid vor dem Landesverwaltungsgericht aufzuwerfen bzw allenfalls im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abzuklären.

Art 5 Abs 4 EMRK garantiert – worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist – jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme der Haft entzogen, das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden wird und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Damit vergleichbar sieht Art 6 Abs 1 PersFrG für jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren vor, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn die Anhaltung hätte vorher geendet.

 

Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben lässt sich jedoch die Zulässigkeit der gegenständlichen – vom anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ausdrücklich als solche bezeichneten – Maßnahmenbeschwerde weder gegen die faktische Absonderung, die im Nachhinein im Mandatsbescheid aufgegangen ist, noch gegen den schriftlichen Absonderungsbescheid selbst argumentieren. Eine Maßnahmenbeschwerde gegen einen Mandatsbescheid ist aus den angeführten Erwägungen jedenfalls nicht zulässig.

 

Angemerkt wird, dass das gegenständliche Rechtsmittel auch nicht als „Vorstellung“ gegen einen Mandatsbescheid umgedeutet werden kann. Bei der Beurteilung, ob ein gegen einen Mandatsbescheid erhobenes Rechtsmittel als Vorstellung oder als unzulässige Beschwerde zu werten ist, kommt es nicht ausschließlich auf seine Bezeichnung an. Lässt sich das Rechtsmittel aufgrund des darin gestellten Begehrens auch als Vorstellung deuten, hat dies zu geschehen. Entscheidend ist dabei, ob sich aus dem Begehren eindeutig ergibt, die Entscheidung welcher Behörde der Rechtsmittelwerber beantragt. Lässt sich aus dem Begehren nichts Anderes schließen, als dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts beantragt wird, ist eine Deutung des Rechtsmittels als Vorstellung ausgeschlossen (vgl VwGH 23.10.2015, Ra 2015/02/00291 mwH). Diese Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Aus dem als "Maßnahmenbeschwerde" bezeichneten Schriftsatz, in dem auch das Verwaltungsgericht direkt angesprochen wird und die Aufhebung der mit Bescheid angeordneten Absonderung bzw der Feststellung deren Rechtswidrigkeit beantragt wird und in der Begründung auch dahingehend argumentiert wird, dass eine Maßnahmenbeschwerde gegen einen Mandatsbescheid im vorliegenden Fall zulässig sein soll, ist eindeutig erkennbar, dass nicht eine Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft, sondern des Verwaltungsgerichts begehrt wird, weshalb eine Deutung des erhobenen Rechtsmittels als Vorstellung nicht in Betracht kommt. Es liegt daher nicht ein bloß unrichtig bezeichnetes, sondern ein unrichtiges Rechtsmittel vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

VI. Kosten:

 

Gemäß § 35 VwGVG hat die im Verfahren über Maßnahmenbeschwerden obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Dieser Aufwandersatz ist gemäß § 35 Abs 7 VwGVG auf Antrag der Partei zu leisten. Der belangten Behörde sind weder Aufwendungen entstanden, noch hat sie deren Ersatz beantragt. Somit war dieser auch nicht zuzusprechen.

 

 

VII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die in der gegenständlichen Beschwerdesache zu lösenden Rechtsfragen konnten anhand der zur vorliegenden Rechtssache ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH 24.10.2019, Ra 2019/15/0075, 20.10.2020, Ra 2019/16/0107, 22.11.2017, Ra 2017/19/0421 mwH) einwandfrei einer Beantwortung zugeführt werden. Eine außerhalb dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegende Rechtsfrage ist für das erkennende Gericht im Gegenstandsfall nicht hervorgekommen.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Kroker

(Richterin)

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