LVwG Tirol LVwG-2021/33/0236-1

LVwG TirolLVwG-2021/33/0236-131.3.2021

WWSLG Tir 1952 §13

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.33.0236.1

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Visinteiner über die Beschwerde des Herrn AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, sowie des Herrn CC, Adresse 2, **** Y, gegen den Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung, Agrarrecht, vom 15.12.2020, Zl ***, betreffend Servitutenverfahren zur Neuregulierung der Weiderechte,

 

zu Recht:

 

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang, Sachverhalt:

 

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung, Agrarrecht, vom 15.12.2020, Zl ***, wurde ausgeführt wie folgt:

 

„Die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde entscheidet gemäß §§ 38 u. 41 des Wald- und Weideservitutengesetzes, LGBI. Nr. 21/1952 i.d.g.F. (WWSG), in dem mit Bescheid vom 06.08.2020, ***, rechtskräftig eingeleiteten Servitutenverfahren zur Neuregulierung der Weiderechte auf Grund und nach Maßgabe der Servitutenregulierungsurkunde vom 25. April 1871, Folio **, Verfachbuch III. Teil, welche zu Gunsten der Liegenschaften in EZ *****, EZ *****, EZ **, EZ *****, EZ **, EZ **, EZ **, EZ **, EZ *****, EZ ** und EZ **, je KG ***** Y, im Lastenblatt der Liegenschaft in EZ ** KG Y unter C-LNR * als Dienstbarkeit der Weide auf Gst **1 und im Lastenblatt der Liegenschaft in EZ ** KG Y unter C-LNR * als Dienstbarkeit der Weide auf Gst **2 einverleibt sind, wie folgt:

 

ANHANG

zur Servitutenregulierungsurkunde

Nr. *** vom 25. April 1871

 

 

I.

 

Die entsprechend der Vermessungsurkunde der DD vom 05.12.2018, GZ ***, aus Gst **1 in EZ ** abzuschreibenden Teilflächen 1 von 97 m 2 , 2 von 54 m 2 und 3 von 238 m 2 (unter Vereinigung mit Gst **3 in EZ *****) werden von der unter C-LNR * im Lastenblatt der Liegenschaft in EZ **, je KG *****Y, einverleibten Dienstbarkeit

 

6 a Stand **** ****/**** **/****

DIENSTBARKEIT der Weide vom 15. Mai bis Ende Juni und vom

1. September bis 1. Oktober auf Gst **1 für Asten

EZ ***** mit 19 Rindergrasrechten

EZ ** mit 13 Rindergrasrechten

EZ ***** mit 17 Rindergrasrechten

EZ ** mit 11 Rindergrasrechten

EZ ** mit 11 Rindergrasrechten

EZ ** mit 9 Rindergrasrechten

EZ ** mit 8 Rindergrasrechten

EZ ***** mit 11 Rindergrasrechten

EZ ** mit 10 Rindergrasrechten

EZ ** mit 11 Rindergrasrechten

(Servitutenregulierungsurkunde ***, fol. **,

Verfachbuch III. Teil)

b ****/**** Einleitung des Servitutenverfahrens gemäß § 40

Wald- und Weideservitutengesetz

 

 

freigestellt.

 

II.

 

Zum Ausgleich des Futterverlustes für die unter Pkt. I. verfügte Entlastung sind die oberflächlichen Steine mittels Löffelbagger auf Gst **1 KG Y im unmittelbaren Bereich des neu errichteten Zufahrtsweges zur „X“ - unterhalb des Weges im Flächenausmaß von ca. 1.500 m 2 wie in der Abbildung rot umrandet dargestellt - zu entfernen.

 

Diese Weideverbesserung ist von der Gemeinde Y nach der Schneeschmelze bis spätestens Ende Juni 2021 auf deren Kosten durchzuführen. Die vorhandenen Gehölze sind dabei auf der gegenständlichen Projektfläche zu belassen.

 

 

III.

 

Im Übrigen bleiben die Bestimmungen der Servitutenregulierungsurkunde vom 25. April 1871, Folio **, Verfachbuch III. Teil, weiterhin in Geltung.“

 

 

In der rechtzeitig gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde von Herrn AA, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, wurde ausgeführt wie folgt:

 

„Der Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten, als Beschwerdegrund wird Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend gemacht und ausgeführt wie folgt:

 

Gemäß dem Bescheid vom 15.12.2020 werden, entsprechend der Vermessungsurkunde von DD 05.12.2018 aus Gst **1 in EZ ** Gemeinde Y Teilflächen von 97 m 2 , 54 m 2 und 238 m 2 abgeschrieben und zum Ausgleich des Futterverlustes der Gemeinde Y der Auftrag erteilt, die oberflächlichen Steine auf Gst **1 KG Y im unmittelbaren Bereich des neu errichteten Zufahrtsweges zur „X“ im Ausmaß von 1.500 m 2 , entsprechend einer bildlich dargestellten roten Umrandung zu entfernen. Somit werden in Wahrheit keine Ersatzflächen wirklich geschaffen, sondern nur bereits bestehende Weideflächen von Steinen geräumt.

 

Hiezu ist allerdings auszuführen, dass sich dieser Flächenteil genau im Lawinenkegel befindet und davon auszugehen ist, dass auch in den nächsten Jahren regelmäßig diese Flächen mit Geröll wiederum nach dem nächsten Winter zugeschüttet werden. Auch bisher war dieser Bereich Weidefläche und wäre als solcher auch von der Gemeinde Y entsprechend instandzuhalten gewesen, was jedoch nicht der Fall war.

 

Auch im Bescheid ist nichts Derartiges ausgeführt, sodass davon auszugehen ist, dass die einmalige Räumung dieses Bereiches von Geröll für die Zukunft für den Beschwerdeführer und andere Weideberechtigte nichts bringt.

 

Tatsache ist, dass keine Ersatzfläche, die der Qualität der abgeteilten Grundstücke entspricht, geschaffen wird, sodass die Abtrennung der Teilflächen 1-3 rechtswidrig ist.

 

Die Gemeinde Y wird daher andere Ersatzflächen, zur Verfügung zu stellen haben, damit eine Abtrennung rechtlich zulässig ist. Alleine mit der Weideverbesserungstnaßnahme auf Grundstück **1, welche Verbesserungsmaßnähme auch nur für das Jahr 2021 im Bescheid der Gemeinde auferlegt wurde, ist es somit nicht getan.

 

Der Beschwerdeführer stellt daher folgende

 

A N T R Ä G E :

 

1. auf Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

2. den Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 15.12.2020 in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben.“

 

 

In der rechtzeitig gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde von Herrn CC, Adresse 2, **** Y, wurde ausgeführt wie folgt:

 

„Begehren

 

Aufgrund des Verdachtes der Diskriminierung („kalte Enteignung“), wird um Prüfung des bezeichneten BESCHEIDES in vollem Umfang, gem. Art. 13 EMRK, Art. 14 EMRKund Art. 6 EMRK, sowie um Klarstellung im Sinne des richterlichen Ausspruches ersucht.

 

Das LVWGT möge den angefochtenen BESCHEID zur Gänze beheben und CC das bisherige Weiderecht im ursprünglichen Sinn zuerkennen.

 

Behauptungen auf die sich die Rechtswidrigkeit des BESCHEIDES stützt

 

Die Behörde hat im Zuge der Amtswegigkeit, unvoreingenommen sämtliche Beweismittel sowie Befürwortendes und Ablehnendes gleichermaßen zu berücksichtigen.

 

Als auch Zeugnisse und Tätigkeiten im Gesamten zueinander zu berücksichtigen sind.

 

Die Behörde fällte, offensichtlich die ablehnende Entscheidung ohne die Einwände von CC zu prüfen.

 

Die einseitige, und meines Erachtens lückenhafte Haltung der belangten Behörde, wurde scheinbar zum Nachteil von CC unterstützt. (Grundsatz der Waffengleichheit ?)

 

Aufgrund des Umstandes, dass sich in keinster Weise, die Anliegen im Sinne der Stellungnahme des Parteiengehörs von CC, dabei betont sei die unmittelbare direkte Nähe zur Keil-Aste, die Bedingungen der AMA - Förderstatus der Weideflächen etc. - weder im Spruch noch in der Begründung (allgemein gehalten) wiederfinden, ist für mein Verständnis von einer Ungleichbehandlung, im Sinne des in der EMRK verbrieften Diskriminierungsverbotes sowie einem nicht fairen Verfahren auszugehen, da über die Einwende im BESCHEID nicht abgesprochen wurde.

 

Darüber hinaus sei angemerkt, dass der örtliche Weideobmann (BGM Gde. Y) im Sinne der Bestimmungen, ohnehin für intakte Weideflächen zu sorgen hat, dies sei angemerkt da im angefochtenen BESCHEID die Herstellung einer Ersatzfläche durch die Entfernung von Steinen besonders hervorgehoben wurde, welche von CC bereits bisher schon als Weidefläche auf Gst. **1 genutzt wurde.

 

Im Gesamten verliert CC durch das Servitutenregulierungsverfahren 389 Quadratmeter an Weidefläche (Nutzungsrecht), auf den Teilflächen 1, 2 und 3 siehe Abbildungen.

 

Dem Anschein nach, ist die belangte Behörde, offensichtlich im Sinne eines Mehrheitsbeschlusses bei der BESCHEID Erlassung vorgegangen, zumal Einwendungen einzelner offensichtlich keinerlei Berücksichtigung finden und dadurch die Grundsätze des fairen Verfahrens verletzt zu sein scheinen.

 

Auszug Begründung:

 

„Aus agrarfachlicher Sicht kann durch die Weideverbesserungsmaßnahmen dem Flächenverlust entgegengewirkt werden, sodass die Weidelast dadurch nicht drückender wird und der Futterertrag für die Weideausübungsberechtigten nicht geschmälert wird.“

 

„Durch die Weideverbesserungsmaßnahme auf Gst.**1 im Flächenausmaß von 1500 Quadratmeter (Entnahme von oberflächlichen Steinen mittels Löffelbagger) kann der Futterverlust auf den weidefreizustellenden und abzuschreibenden Teilflächen im Ausmaß von gesamt 389 Quadratmeter gänzlich kompensiert werden.“

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH, bedürfen meines Wissens auch Fachgutachten einer „schlüssigen“ Logik bzw. Nachvollziehbarkeit.

 

Meinem Verständnis zufolge, sind auf der bezeichneten restlichen „Projektfläche“ (ca.1500 Quadratmeter) auf Gst.**1, die Steine durch den Weideobmann (BGM) zu entfernen.

 

Meines Erachtens wird die Entfernung von Steinen als Weideverbesserungsmaßnahme dargestellt um die Teil-Randbereichsflächen (1, 2 und 3) abzuschreiben.

 

Dem Zufolge und angesichts der Pflichten, des Bürgermeisters als Weideobmann, gibt es keine „Weideverbesserung, Projektfläche, Weideverbesserungsmaßnahme etc., da die Steine auf Gst. **1 aufgrund eines Naturereignisses, (Lawinenabgang) längst hätten entfernt werden sollen. (Instandhaltung von Weideflächen)

 

Statuten des Vereins Weideinteressentschaft W V

 

§ 2 : Zweck

 

Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn ausgerichtet ist, bezweckt durch pflegliche Bewirtschaftung und Verwaltung der Almflächen in der Gemeinde Y und angeschlossenen Weiderechten die bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche seiner Mitglieder sicherzustellen.

 

§ 15 (Obmann)

 

„Ihm obliegen die Aufnahme und Entlohnung der erforderlichen Arbeitskräfte, die Arbeitsanweisung und die Arbeitsaufsicht.“

 

In diesem Zusammenhang, wird das Agrartechnische-Neuregulierungskonzept, oberflächliche Entnahme von Steinen mittels Löffelbagger, der Abteilung Bodenordnung, mangels Voraussetzungen zur Neuregulierung „ad absurdum“ geführt.

 

Es ist auch anzumerken, dass seitens C und EE dem Weideobmann,- Gemeinde Y, vor geraumer Zeit der Vorschlag unterbreitet wurde, die oberflächlichen Steine in „Eigenregie“ zu entfernen, obwohl die Gemeinde Eigentümerin des Gst.**1 ist.

 

Die Entfernung von oberflächlichen Steinen könnte nahezu von jedem, auch ohne Löffelbagger durchgeführt werden. (Traktor, Ladefläche, Greifer, sogar Schubkarre)

 

Die Behörde, hat sich - nicht nur formell sondern auch materiell mit den Einwänden von CC, obwohl die belangte Behörde dazu verpflichtet gewesen wäre, - nicht auseinandergesetzt, bzw. abgesprochen.

 

Es ist anzumerken, dass der SPRUCH der belangten Behörde immerhin einer „Enteignung“ gleichkommt, da die bisher ausgeübten Weiderechte auf den abzuschreibenden Flächen erlöschen.

 

Darüber hinaus sei angeführt, dass die Bestimmungen des Wald- und Weideservitutengesesetzes wohl eine Regelung hinsichtlich der Ablösung von Nutzungsrechten vorsehen, eine entsprechende Weidefreistellung, wie diese im vorliegend bekämpften Bescheid angeführt wird, ist im WWSG selbst nicht unmittelbar vorgesehen. Meines Erachtens ist dies auch darauf zurückzuführen, dass festgelegte Servitutsrechte sich grundsätzlich auf eine bestimmbare Fläche beziehen, nicht aber auf die den Futterertrag dieser Fläche. Dies wiederum ergibt sich wohl daraus, dass ein Futterertrag sich grundsätzlich aufgrund äußerer Einflüsse durchaus wandeln kann. So hat auch erst ein Naturereignis vor wenigen Jahren die nunmehr zur Entfernung vorgesehenen Steine mit sich gebracht, ursprünglich hat es sich dabei um eine reine Weidefläche gehandelt, welche auch gegenüber der AMA als 100 %-Fläche angegeben werden konnte.

 

Dass diese Weidebereinigungsmaßnahme bereits längst hätte durchgeführt werden müssen, habe ich bereits dargestellt. Wenn man also der Begründung der belangten Behörde folgen würde, könnte mit der Durchführung von Aufräumungen nach Naturereignissen wie etwa einer Gerölllawine auch in Zukunft eine Freistellung von Weideflächen argumentiert werden. Dies ist meines Erachtens nicht nachvollziehbar und auch in den Bestimmungen des Wald- und Weideservitutengesetzes in der Form so nicht vorgesehen. Das WWSG kennt die Ablösung von Nutzungsrechten, welche durch Abtretung von Grund oder von Anteilsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken oder durch Zahlung eines Ablösungskapitals erfolgen. Eine Weidefreistellung ohne derartige Ablösungsmaßnahmen ist dem WWSG meines Erachtens aber fremd.

 

In jedem Fall wird um Prüfung, durch das LVWGT ersucht, zumal die gesamte Vorgehensweise der belangten Behörde, hinsichtlich eines sogenannten Tausches der Weideflächen äußerst fragwürdig erscheint und in materieller Hinsicht für CC nur ein Verlust von Weideflächen gegeben ist, (siehe dazu rechtliches Gehör CC)

 

Ich hoffe, dass die belangte Behörde, die Rechtslage, sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, im Sinne der von der EMRK garantierten Individual und Grundrechte z.B. den Grundsatz der Waffengleichheit und Gleichbehandlung, vor allem aber das Recht auf ein faires Verfahren nicht wissentlich verkannt hat.

 

Bekanntlich ist es auch Behörden verboten, leichtfertig von Beweisen und Sachverhalt abzugehen, da die Behörde im Zuge des Ermittlungsverfahrens den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen hat.

 

Im Übrigen, wurde CC, zu keinem der Lokalaugenscheine am 12. und 24. November eingeladen und konnte somit zur Beweisaufnahme sowie zum Agrartechnischen Neuregulierungskonzept, als Partei keine Stellung beziehen.

 

§ 78. Anzeigepflicht gem. StPO

 

(1) Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet.

 

(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht,

 

1. wenn die Anzeige eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, oder

 

2. wenn und solange hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, die Strafbarkeit der Tat werde binnen kurzem durch schadensbereinigende Maßnahmen entfallen.

 

(3) Die Behörde oder öffentliche Dienststelle hat jedenfalls alles zu unternehmen, was zum Schutz des Opfers oder anderer Personen vor Gefährdung notwendig ist; erforderlichenfalls ist auch in den Fällen des Abs. 2 Anzeige zu erstatten.

 

Antrag

 

Im Fall einer mündlichen Verhandlung wird die Ladung des Weideobmannes der Gde. Y (Bürgermeister Gemeinde Y) beantragt.

 

Beweismittel

 

Stellungnahme rechtliches Gehör (Parteiengehör)

Weideinteressentschaft W V Statuten des Vereins

 

§ 2

§ 15

 

Zeugen:

 

AA, Adresse 3,**** Y

EE, Adresse 4, **** Y

 

Art. 13 EMRK

 

Sind die in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten verletzt worden, so hat der Verletzte das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.“

 

 

II. Beweiswürdigung:

 

Der Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Akt der belangten Behörde.

 

 

III. Rechtslage:

 

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Wald- und Weideservitutengesetzes, LGBl Nr 21/1952, idF LGBl Nr 138/2019 (WWSG) lauten auszugsweise wie folgt:

㤠1

(1) Dieses Gesetz bezeichnet als Nutzungsrechte:

a) (…)

b) Weiderechte auf fremdem Grund und Boden;

c) (…)

(2) Solche Nutzungsrechte können nach den Bestimmungen dieses Gesetzes geregelt, abgelöst und gesichert werden.

(3) (…)“

 

„§ 4

Änderungen an Nutzungsrechten

(1) Rechtsgeschäfte, welche Veränderungen an Nutzungsrechten, insbesondere die gänzliche oder teilweise Übertragung solcher von einer berechtigten Liegenschaft auf eine andere oder von einer belasteten Liegenschaft auf eine andere oder die Löschung von Nutzungsrechten im Grundbuch bezwecken, bedürfen der Bewilligung der Agrarbehörde.

(2) (…)

(4) Die Agrarbehörde hat auf Antrag des Eigentümers der belasteten Liegenschaft oder von Amts wegen ein Nutzungsrecht im Hinblick auf ein damit belastetes Grundstück im erforderlichen Umfang als erloschen zu erklären, wenn dieses Grundstück

a) für die Verwendung als Bauland benötigt wird und im Eigentum einer Gemeinde oder einer Agrargemeinschaft steht oder von einer Gemeinde, einer Agrargemeinschaft oder dem Bodenbeschaffungsfonds erworben wird oder

b) als Vorbehaltsfläche benötigt wird oder

c) Gegenstand eines Baulandumlegungsverfahrens ist oder

d) für Zwecke benötigt wird, für die nach landesgesetzlichen Vorschriften die Enteignung zulässig ist,

und wenn eine Gefährdung des Wirtschaftsbetriebes der berechtigten Liegenschaft nicht eintritt. Auf den verbleibenden belasteten Grundstücken darf der Ertrag der Nutzungsrechte allfälliger übriger Berechtigter nicht geschmälert und die Servitutslast ohne Zustimmung der Eigentümer dieser Grundstücke nicht drückender werden. Für Einschränkungen in der Ausübung des betroffenen Nutzungsrechtes gebührt dem Nutzungsberechtigten eine angemessene Entschädigung. Kommt hierüber kein Übereinkommen zustande, so ist die Entschädigung nach dem Wert des Nutzungsrechtes festzusetzen; § 27 Abs. 2 ist anzuwenden.

(5) (…)“

 

㤠8

Voraussetzungen der Regulierung, Neuregulierung oder Ablösung

(1) Nutzungsrechte der in § 1 bezeichneten Art können auf Antrag oder von Amts wegen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes reguliert oder abgelöst werden, auch wenn sie bereits nach älteren Vorschriften reguliert oder neu reguliert worden sind.

(2) Der Antrag kann gestellt werden:

a) vom Eigentümer der verpflichteten Grundstücke;

b) vom Eigentümer der berechtigten Liegenschaft.

(3) Gehören die verpflichteten Grundstücke mehreren Eigentümern oder sind mehr als zwei berechtigte Liegenschaften vorhanden, so bedarf der Antrag der Zustimmung mindestens der Hälfte der Verpflichteten oder Berechtigten. Besitzt ein Beteiligter zwei oder mehrere berechtigte Güter, so steht ihm für jedes Gut eine Stimme zu.

(4) Stehen verpflichtete oder berechtigte Grundstücke im Miteigentum mehrerer Personen, so gilt das als ihr Wille, wofür verhältnismäßig die meisten der nach Eigentumsanteilen gewerteten Stimmen eintreten. Nehmen Agrargemeinschaften an einem Verfahren teil, so gelten die Vorschriften des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996, LGBl. Nr. 74, in der jeweils geltenden Fassung für ihre Willensbildung.

(5) Eine Regulierung oder Ablösung nur für einen Teil der Berechtigten oder Verpflichteten kann auf Antrag dieser Berechtigten oder Verpflichteten stattfinden, doch darf der Ertrag der Nutzungsrechte der übrigen Berechtigten dadurch nicht geschmälert und die Servitutlast dadurch nicht drückender werden.

(6) Die Regulierung oder Ablösung kann von Amts wegen durchgeführt werden, wenn es öffentliche Interessen, insbesondere der Landeskultur, erfordern oder der Zusammenhang mit anderen derartigen Verfahren oder die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Agrargemeinschaft es verlangen. Die Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996, LGBl. Nr. 74, in der jeweils geltenden Fassung über die gleichzeitige Durchführung von Agrarverfahren werden hiedurch nicht berührt.

(7) Ändern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse, so können die Nutzungsrechte diesen jeweils im Weg einer Neuregulierung angepaßt werden. Für die Zulassung solcher neuerlicher Verfahren gelten die Bestimmungen der Abs. 1-6 und des § 11 mit der Änderung, daß die Zeitabstände in der Regel jeweils 30 Jahre betragen.“

 

㤠9

Gegenstand und Zweck

(1) Gegenstand der Regulierung ist die Feststellung

a) der belasteten Grundstücke;

b) der berechtigten Liegenschaften;

c) der Beschaffenheit und des Umfanges der Rechte;

d) der Gegenleistungen.

(2) Die Neuregulierung bezweckt im Rahmen des Ausmaßes der Nutzungsrechte nach § 7 Abs. 1 die Ergänzung oder Änderung der Regulierungsurkunden, soweit diese mangelhaft oder lückenhaft sind oder soweit die seit der Regulierung eingetretenen Veränderungen in den Verhältnissen eine solche Ergänzung oder Änderung nach den Bedürfnissen des berechtigten oder verpflichteten Gutes zur Erzielung ihrer vollen wirtschaftlichen Ausnützung erfordern.“

 

㤠13

Regulierung von Weiderechten

Die Regulierung von Weiderechten erstreckt sich insbesondere auf:

a) Weidezeit, Viehgattung und Viehzahl;

b) Viehtränke und Durchtrieb;

c) Anmeldung des aufzutreibenden Viehes und Feststellung, ob fremdes Vieh zum Auftrieb zuzulassen ist;

d) Anweisung von Weideplätzen, besonders wenn die Beweidung durch Aufforstungen, z. B. alter Blößen, eingeschränkt wird, nötigenfalls auch durch Rodung;

e) Festlegung der Dauer der Verhegung, Bezeichnung und Bekanntmachung derselben;

f) Errichtung von Zäunen, Beistellung von Hirten und Ausführung von Verpflockungen;

g) Anlage, Änderung, Vergrößerung, Verlegung und Erhaltung von Gebäuden, Hägen, Wegen, Wasserleitungen, Be- und Entwässerungen, Seilwegen sowie auf sonstige Verbesserungen des Weidebetriebes;

h) Gestattung von Einständen und Schneeflucht;

i) Förderung des Graswuchses während der Forstbetriebsruhe bei Kahlschlägen;

k) Gestattung der Mahd und Anweisung von Mähflächen zur Anlage eines Heuvorrates für das Vieh bei Schlechtwetterlage;

l) Schwendungen auf den nach der Regulierungsurkunde als Reinweide vorgesehenen Teilen des belasteten Gebietes;

m) Schaffung und Erhaltung einer entsprechend lockeren Bestockung im Wald und auf den nach der Regulierungsurkunde nicht als Waldboden im Sinne des Forstgesetzes, sondern als bestockte Weide anzusehenden Flächen;

n) Anpassung von Gegenleistungen an die geänderten Verhältnisse.“

 

㤠48

Parteien und Beteiligte

(1) Die Eigentümer der berechtigten und verpflichteten Liegenschaften sind Parteien. Im Verfahren nach § 4 Abs. 4 kommt jedoch nur dem Eigentümer des Grundstückes, auf dem das Nutzungsrecht als erloschen erklärt werden soll, und den Eigentümern der auf diesem Grundstück berechtigten Liegenschaften Parteistellung zu. Darüber hinaus haben im Verfahren nach § 4 Abs. 4 die Eigentümer der übrigen belasteten Grundstücke Parteistellung hinsichtlich der auf diesen Grundstücken allenfalls drückender werdenden Servitutslast.

(2) Im Übrigen kommt Personen eine Parteistellung nur insoweit zu, als ihnen in diesem Gesetz Rechte eingeräumt oder Pflichten auferlegt sind.

(3) Andere Beteiligte können gegen die Einleitung oder Durchführung des Verfahrens keine Einwendung erheben oder sonstige Rechtsmittel geltend machen. Auf ihre Interessen haben die Behörden von Amts wegen Bedacht zu nehmen.“

 

 

IV. Erwägungen:

Eingangs ist festzuhalten, dass gemäß § 1 lit b WWSG Weiderechte auf fremdem Grund und Boden Nutzungsrechte im Sinne dieses Gesetzes sind. Gemäß § 2 WWSG können solche Nutzungsrechte nach den Bestimmungen dieses Gesetzes geregelt, abgelöst und gesichert werden.

Gemäß § 8 Abs 1 WWSG können Nutzungsrechte der in § 1 bezeichneten Art auf Antrag oder von Amts wegen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes reguliert oder abgelöst werden, auch wenn sie bereits nach älteren Vorschriften reguliert oder neu reguliert worden sind.

Eine Regulierung oder Ablösung nur für einen Teil der Berechtigten oder Verpflichteten auf Antrag dieser Berechtigten oder Verpflichteten kann gemäß § 8 Abs 5 WWSG stattfinden, doch darf der Ertrag der Nutzungsrechte der übrigen Berechtigten dadurch nicht geschmälert und die Servitutlast dadurch nicht drückender werden.

Verfahren zur Regulierung oder Ablösung werden nach § 39 WWSG mit einem Bescheid eingeleitet, der feststellt, ob ein gültiger Antrag oder die Voraussetzungen für ein Verfahren von Amts wegen vorliegen, und die Einleitung des Verfahrens verfügt.

Wie bereits erwähnt, wurde im gegenständlichen Fall mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 15.12.2020, ***, ein Servitutenverfahren hinsichtlich der auf Grund der Servitutenregulierungsurkunde vom 25.04.1871, Folio **, Verfachbuch III. Teil, welche zu Gunsten der Liegenschaften in EZ *****, EZ *****, EZ **, EZ *****, EZ **, EZ **, EZ **, EZ **, EZ *****, EZ ** und EZ **, je KG *****Y, im Lastenblatt der Liegenschaft in EZ ** KG Y unter C-LNR * als Dienstbarkeit der Weide auf Gst **1 und im Lastenblatt der Liegenschaft in EZ ** KG Y unter C-LNR * als Dienstbarkeit der Weide auf Gst **2 einverleibt sind rechtskräftig eingeleitet.

 

Im Hinblick auf den rechtskräftigen Einleitungsbescheid war vom Landesverwaltungsgericht auch nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Neuregulierung von Nutzungsrechten vorliegen, zumal schon die rechtskräftige Einleitung des Neuregulierungsverfahrens an das Vorliegen der Voraussetzungen für ein solches Verfahren geknüpft ist (vgl in diesem Sinn VwGH 20.10.2005, 2004/07/0139).

 

Entsprechend dem Beschwerdevorbringen war nun im vorliegenden Fall zu klären, ob die gegenständliche Neuregulierung den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere jenen des WWSG, entspricht, wobei nach ständiger Rechtsprechung die Einleitung eines Verfahrens gemäß § 39 WWSG nichts über die eigentliche Regulierung der Nutzungsrechte aussagt. Die Entscheidung, ob es zu einer und bejahendenfalls zu welchen Maßnahmen es kommt, ist nicht Gegenstand des Einleitungsverfahrens, sondern ist im weiteren Verfahren nach dem WWSG zu prüfen (VwGH 19.03.1991, 91/07/0023).

Der Neuregulierungsplan stellt nach § 45 WWSG die inhaltliche Entscheidung des mit dem Einleitungsbescheid rechtskräftig eröffneten Neuregulierungsverfahrens dar. Nach Einleitung eines solchen Verfahrens muss die Agrarbehörde - auch ohne weitere Anträge der Parteien - nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens einen Servituten-Neuregulierungsplan erlassen (vgl. § 41 WWSG). In einem offenen Neuregulierungsverfahren kann jede Partei Vorschläge erstatten und Anträge stellen. Die inhaltliche Erledigung dieser Anträge fließt in den Neuregulierungsplan ein (vgl. VwGH 20.10.2005, 2004/07/0139).

 

Von den Beschwerdeführern wird nun im vorliegenden Fall im Sinn des § 8 Abs 5 WWSG vorgebracht, dass die geplante Neuregulierung den Ertrag der Nutzungsrechte der übrigen Berechtigten schmälern und die Servitutlast dadurch drückender würde.

 

Diese Vorbingen konnte im Zuge des durchgeführten Beschwerdeverfahrens entkräftet werden. Vom Amtssachverständigen FF wurde in seinem Neuregulierungskonzept vom 03.12.2020 unter anderem ausgeführt, dass die gegenständliche Weidefreistellung einen Futterentgang in der Höhe von 44 kg Trockenheu mittlerer Güte bewirke. Dieser Futterentgang könne aus agrarfachlicher Sicht durch die Entfernung der oberflächlichen Steine mittels Löffelbagger auf Gst **1 KG Y im unmittelbaren Bereich des neu errichteten Zufahrtsweges zur „X“ - unterhalb des Weges im Flächenausmaß von ca. 1.500 m2 - kompensiert werden. Somit würde sich ein Mehrertrag an Trockenheu mittlerer Güte im Ausmaß von etwa 45 kg ergeben.

 

Den Beschwerdeführern ist es mit ihren Vorbringen nicht gelungen, diese Ausführungen zu entkräften. So wurde vom agrarfachlichen Amtssachverständigen FF in seinem Neuregulierungskonzept vom 03.12.2020 schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass durch die Entfernung der oberflächlichen Steine mittels Löffelbagger auf Gst **1 KG Y im unmittelbaren Bereich des neu errichteten Zufahrtsweges zur „X“ - unterhalb des Weges im Flächenausmaß von ca. 1.500 m2 – der Futterentgang kompensiert werden.

 

Somit ist es den Beschwerdeführern also nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Insbesondere ist ihr Vorbringen nicht auf gleicher fachlicher Ebene erfolgt, weshalb die Beschwerden spruchgemäß als unbegründet abzuweisen waren.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Visinteiner

(Richter)

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