LVwG Tirol LVwG-2020/15/1935-2

LVwG TirolLVwG-2020/15/1935-220.10.2020

EpidemieG 1950 §7 Abs1a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.15.1935.2

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde von Herrn AA, Adresse 1, Z, gegen den Vorstellungsbescheid (Spruchpunkt I.) der Bezirkshauptmannschaft Y vom 21.08.2020, Zl *** sowie den Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 08.08.2020, Zl ***, aufgrund des Vorlageantrags vom 29.08.2020 nach Erlassung der Beschwerdevorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 21.08.2020, Zl ***, betreffend Verfahren nach dem Epidemiegesetz 1950,

 

I. zu Recht:

 

1. Der Beschwerde gegen den Vorstellungsbescheid („Spruchpunkt I.“) der Bezirkshauptmannschaft Y vom 21.08.2020, Zahl ***, wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 3 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

 

 

II. Beschluss:

 

 

1. Die Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 08.08.2020, Zahl ***, wird wegen sachlicher Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Tirol gemäß § 28 Abs 1 iVm § 31 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

 

2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 3 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang und entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

 

Mit (telefonisch) verkündetem Mandatsbescheid vom 30.07.2020 hat die Bezirkshauptmannschaft Y, gestützt auf § 46 EpidemieG 1950, die Absonderung des Beschwerdeführers als krankheitsverdächte Person verfügt. Gleichzeitig hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass die Absonderung endet, wenn nicht innerhalb von 48 Stunden ein Bescheid über die Absonderung gemäß § 7 EpidemieG wegen einer Infektion mit SARS-Cov-2 erlassen wird. Die Verkündung des telefonischen Bescheides wurde von der belangten Behörde in einem Aktenvermerk vom 30.07.2020 beurkundet.

 

Mit Bescheid vom 30.07.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y, gestützt auf § 6 Abs 1 und § 7 Abs 1 und 1a EpidemieG 1950 BGBl Nr 186/1950, zuletzt geändert durch BGBl I 62/2020, in Verbindung mit §§ 1, 2, 4 und 5 der Verordnung des Bundesministers des Inneren im Einvernehmen mit dem Minister für Kultus und Unterricht vom 22.02.2015 betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen, RGBl Nr 39/1915, zuletzt geändert durch BGBl II Nr 21/2020, in Verbindung mit § 57 AVG, BGBl Nr 51/1991, idF BGBl I Nr 58/2018, mit sofortiger Wirkung die Absonderung des Beschwerdeführers an seiner Wohnadresse (Adresse 1, Z) bis einschließlich 09.08.2020 verfügt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer als enge Kontaktperson (Kat. I) einer an SARS-Cov-2 erkrankten Person (im gegenständlichen Fall die Ehefrau des Beschwerdeführers) gelte. In der Rechtsmittelbelehrung wies die belangte Behörde darauf hin, dass gegen den betreffenden Bescheid binnen zwei Wochen, gerechnet ab dem Tag der Zustellung, das Rechtsmittel der Vorstellung an die Bezirkshauptmannschaft Y eingebracht werden könne. Gleichzeitig hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass der Vorstellung gemäß § 57 Abs 2 AVG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Zudem hat die Behörde unter Punkt „Hinweise“ darauf aufmerksam gemacht, dass angehaltene Personen beim Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, eine Überprüfung der Zulässigkeit und die Aufhebung der Freiheitsbeschränkenden Maßnahme nach § 7 Abs 1a EpidemieG 1950 und nach Maßgabe des II. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen können.

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 08.08.2020, Zl ***, wurde (unter Hinweis auf dieselben Rechtsgrundlagen wie im Bescheid vom 30.07.2020) die hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers angeordnete Absonderung um einen Tag, sohin bis zum 10.08.2020, verlängert. Gleichzeitig hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.07.2020, Zl ***, vorgeschriebenen Auflagen, weitergelten. Die Rechtsmittelbelehrung, gleich wie der „Hinweis“, welche Stelle für die Überprüfung der Freiheitsbeschränkung zuständig ist, erfolgte wie im Bescheid vom 30.07.2020, Zl ***.

 

Mit E-Mail der Amtsärztin BB vom 10.08.2020 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass aufgrund der Befundlage des Beschwerdeführers eine weitere Verlängerung der Absonderung nicht notwendig ist. Die Absonderung des Beschwerdeführers ist daher mit Ablauf des 10.08.2020 ausgelaufen.

 

Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 08.08.2020, Zl ***, brachte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 12.08.2020 über die digitale Einbringungsstelle „Formulare“ des Landes Tirol (www.tirol.gv.at/formulare ), fristgerecht vor, dass die Absonderung generell sowie ihre Dauer nicht gerechtfertigt gewesen sei. Er selbst sowie sämtliche Haushaltsangehörigen hätten nie Symptome einer SARS-Cov-2 Erkrankung gezeigt und sei das positive Testergebnis seiner Ehefrau (welches die Ursache für seine eigene Absonderung war) wohl auf ein ungenaues Testergebnis zurückzuführen.

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 21.08.2020, Zl ***, wurde unter Spruchpunkt I. die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Absonderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.07.2020, Zl ***, in Anwendung des § 57 Abs 3 AVG, BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018, als unbegründet abgewiesen. Unter Spruchpunkt II. wies die belangte Behörde mittels Beschwerdevorentscheidung die von ihr als Beschwerde gewertete Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 08.08.2020, Zl ***, in Anwendung des § 14 VwGVG, BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 58/2018, ebenfalls als unbegründet ab.

 

Zu Spruchpunkt I. führte die belangte Behörde in ihrer Begründung aus, dass die Absonderung des Beschwerdeführers aufgrund des positiven Testergebnisses seiner Ehefrau im Hinblick auf die Krankheit SARS-Cov-2 notwendig und deshalb auch gerechtfertigt gewesen sei. Den Spruchpunkt II. begründete die belangte Behörde damit, dass die Verlängerung der Absonderung ebenfalls aufgrund des Verdachts einer Ansteckung mit SARS-Cov-2 gerechtfertigt gewesen sei.

 

Gegen den Bescheid (Spruchpunkt I.) der Bezirkshauptmannschaft Y vom 21.08.2020, Zl ***, brachte der Beschwerdeführer am 29.08.2020 über das Onlineformular http://www.tirol.gv.at/formulare rechtzeitig Beschwerde ein und stellte hinsichtlich der Beschwerdevorentscheidung (Spruchpunkt II.) der belangten Behörde vom 21.08.2020, Zl ***, fristgerecht den Vorlageantrag an das Landesverwaltungsgericht Tirol.

 

Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den Vorlageantrag samt bezughabenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 02.09.2020 (vgl OZl 1) dem Landesverwaltungsgericht Tirol vor. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde ausdrücklich verzichtet.

 

 

II. Beweiswürdigung:

 

Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich bereits aus dem Akt der belangten Behörde und ist nicht strittig.

 

 

III. Rechtslage:

 

1. Die entscheidungsrelevanten Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I 33/2013, lauten (auszugsweise) wie folgt:

 

„§ 28

Erkenntnisse

(idF BGBl I Nr 138/2017)

 

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.

der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

  

 

§ 31

Beschlüsse

 

(1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.“

 

2. Die entscheidungsrelevante Bestimmung des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950 idF BGBl I Nr 63/2016, lautet (auszugsweise) wie folgt:

 

„§ 7

Absonderung Kranker

 

(1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.

(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen. Jede Anhaltung ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des § 17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.“

 

 

IV. Erwägungen:

 

Zu Spruchpunkt I.:

 

Bei dem Bescheid der belangten Behörde vom 30.07.2020, Zl ***, mit welchem die Absonderung des Beschwerdeführers bis zum 09.08.2020 verfügt wurde, handelt es sich um einen Mandatsbescheid nach § 57 Abs 1 AVG. Grundsätzlich steht gegen derartige Bescheide das Rechtsmittel der Vorstellung offen, was bedeutet, dass die Behörde, welche den Mandatsbescheid erlassen hat, bei rechtzeitiger Vorstellung ein Ermittlungsverfahren einleiten und sodann mit gesondertem Bescheid (Vorstellungsbescheid) über den Mandatsbescheid absprechen muss. In diesem Sinne wurde von der belangten Behörde im Bescheid vom 30.07.2020 auch Rechtsmittelbelehrung erteilt. Der Beschwerdeführer brachte gegen den Bescheid der belangen Behörde vom 30.07.2020, Zl ***, die Vorstellung im Sinne des § 57 Abs 1 AVG ein. Diesbezüglich wies die Behörde unter Spruchpunkt I. des Bescheids vom 21.08.2020, Zl ***, die Vorstellung als unbegründet ab.

 

Die belangte Behörde war jedoch sachlich zur Entscheidungsfindung nicht zuständig. Dies aus folgenden Gründen:

 

Nach § 7 Abs 1a EpidemieG 1950 idF BGBl I Nr 63/2016 haben Personen, welche aufgrund einer Erkrankung oder eines Krankheits- oder Ansteckungsverdachts von der Außenwelt abgesondert wurden die Möglichkeit „bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes“ zu beantragen.

 

In den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (EBRV 1187 BlgNR 25. GP , 16) betreffend § 7 Abs 1 und Abs 1a EpidemieG 1950 ist zu lesen, dass das Rechtsschutzinstrumentarium (gleich dem Tuberkulosegesetz) für freiheitsbeschränkende Maßnahmen den menschenrechtlichen Standards entsprechend ausgestaltet wurde. Somit steht es auch nach EpidemieG 1950 Kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen, denen gegenüber eine freiheitsbeschränkende Maßnahme (Absonderung in der Wohnung oder einer entsprechenden Krankenanstalt) verfügt wurde, zu die Überprüfung dieser Maßnahme durch das ordentliche Gericht (Bezirksgericht) zu verlangen. Die freiheitsbeschränkende Maßnahme kann dabei je nach Sachlage, insbesondere der Dringlichkeit der Maßnahme, entweder durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (auch unter Assistenz der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vgl. § 28a leg. cit.) oder durch Bescheid erfolgen. Hinsichtlich des vorgesehenen gerichtlichen Überprüfungsverfahrens ist sinngemäß der Zweite Abschnitt des Tuberkulosegesetzes anwendbar.

 

Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes soll für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung durch epidemierechtliche Maßnahmen die Überprüfung durch das Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, nicht nur angehaltenen Personen offenstehen, sondern können auch jene Personen, die im Verkehr mit der Außenwelt durch Absonderungsmaßnahmen (wie jene nach § 7 Abs 1a EpidemieG 1950) beschränkt wurden, die Überprüfung durch das Bezirksgericht beantragen.

 

Wie bereits das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in mit dem gegenständlichen Fall vergleichbaren Erkenntnissen (vgl etwa das Erkenntnis vom 29.05.2020, LVwG-AV-453/2020) ausgeführt hat, obliegt dem nach dem Anhalteort örtlich zuständigen Bezirksgericht nicht nur die Entscheidung betreffend die Überprüfung der Zulässigkeit der Absonderung an sich, sondern auch jene über die Dauer der Absonderungsmaßnahme. Dem Landesverwaltungsgericht kommt diesbezüglich keine Entscheidungskompetenz zu. Eine Zuständigkeitsverteilung zwischen den ordentlichen Gerichten und den Verwaltungsgerichten war vom Gesetzgeber allerdings nicht intendiert. Für diese Auffassung spricht bereits der Wortlaut der Bestimmung des § 7 Abs 1a Epidemiegesetz, wonach die angehaltene Person „bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnittes des Tuberkulosegesetzes beantragen“ kann.

 

Die Bestimmung des § 7 Abs 1a EpidemieG 1950 ist auch verfassungskonform dahingehend zu interpretieren, dass Doppelgleisigkeiten betreffend die Zuständigkeiten zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit und die damit einhergehenden Unsicherheiten für die Rechtsunterworfenen hintangehalten werden. Dem würde es wiedersprechen, wenn gegen einen Bescheid, mit welchem die Absonderung angeordnet wurde, sowohl ein Rechtsmittel an das örtlich zuständige Bezirksgericht, als auch an das örtlich zuständige Landesverwaltungsgericht erhoben werden müsste. Ein derartiger Rechtszug würde nicht nur dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung vor den Verwaltungsgerichten widersprechen, sondern auch im Hinblick auf die Gewährleistung verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte (wie etwa das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art 83 Abs 2 B-VG sowie das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art 13 EMRK) bedenklich sein.

 

Dies bedeutet zusammengefasst, dass gegen Mandatsbescheide im Sinne des § 57 AVG in Verbindung mit § 7 Abs 1a EpidemieG 1950 ein Instanzenzug von der Verwaltungsbehörde an die ordentlichen Gerichte vorgesehen ist und zwar sowohl was die Überprüfung der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der freiheitsbeschränkenden Maßnahme als auch die Entscheidung über die Dauer betrifft. Das Landesverwaltungsgericht ist hingegen nicht zuständig. Dieser Umstand findet im Übrigen eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage in Art 94 Abs 2 B-VG, wo dem einfachen Gesetzgeber explizit die Möglichkeit eingeräumt ist, anstelle einer Beschwerde an die Verwaltungsgerichte einen Instanzenzug von den Verwaltungsbehörden an die „ordentlichen Gerichte“ (=Gerichte der Justiz) vorzusehen.

 

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies jedoch, dass die belangte Behörde über die Vorstellung (als Rechtsmittel gegen den Mandatsbescheid) des Beschwerdeführers nicht hätte entscheiden dürfen, sondern diese im Sinne des § 6 Abs 1 AVG an das sachlich wie örtlich zuständige Bezirksgericht hätte weiterleiten bzw den Beschwerdeführer an das zuständige Bezirksgericht verweisen müssen.

 

Die belangte Behörde war daher zur Erlassung des Vorstellungsbescheides vom 21.08.2020, Zl ***, im Umfang des Spruchpunktes I. sachlich unzuständig.

 

Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit (von Amts wegen) wahrzunehmen und die betreffende Entscheidung zu beheben (VwGH 28.01.2016, Ra 2015/07/0140). Aus diesem Grund war der gegenständlich angefochtene Bescheid im Umfang des Spruchpunktes I. ersatzlos aufzuheben.

 

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die von der belangten Behörde in ihren Bescheiden (vom 30.07.2020; vom 08.08.2020; vom 21.08.2020) vorgenommene Rechtsmittelbelehrung nicht korrekt ist. Da die Vorstellung im Sinne des § 57 AVG gegen Mandatsbescheide nach dem EpidemieG 1950, mit welchen freiheitsbeschränkende Maßnahmen verhängt werden vom Gesetzgeber nicht gewünscht ist, sondern eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich ihrer Dauer vor den ordentlichen Gerichten erfolgen muss, hat die Rechtsmittelbelehrung alleinig auf § 7 Abs 1a EpidemieG 1950, BGBl Nr 186/1950 in der derzeit gültigen Fassung Bezug zu nehmen und die dortigen Anordnungen zu enthalten.

 

Zu Spruchpunkt II.:

 

Im vorliegenden Fall wurde mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Y vom 02.09.2020 die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 08.08.2020, Zl ***, dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vorgelegt. Dem vorausgegangen ist eine Beschwerdevorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 21.08.2020, Zl *** (Spruchpunkt II.), mit welchem die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde sowie der Vorlageantrag des Beschwerdeführers vom 29.08.2020.

 

Im Hinblick auf die Erwägungen zu Spruchpunkt I. dieser Entscheidung ist auch in diesem Zusammenhang auf Folgendes hinzuweisen:

 

Da der Beschwerdeführer als angehaltene Person beim Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung beantragen kann und der Rechtsweg gegen Bescheide der Behörde durch die Bestimmung § 7 Abs 1a Epidemiegesetz 1950 die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung durch das Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, eingeführt wurde, erachtet sich das Landesverwaltungsgericht Tirol im gegenständlichen Fall für unzuständig.

 

Ist die Beschwerde unzulässig, so ist sie vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichts an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt (vgl VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

 

Unter Berücksichtigung der oben wiedergegebenen Sach- und Rechtslage war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Hinweise für den Beschwerdeführer:

 

Der Beschwerdeführer wird im Sinne des § 6 Abs 1 AVG darauf aufmerksam gemacht, dass er die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Absonderungsbescheide vom 30.07.2020 und vom 08.08.2020 beim sachlich wie örtlich zuständigen Bezirksgericht W, Adresse 2, W, beantragten kann.

 

Im Sinne des § 1 Abs 1 1. COVID-19 Ziviljustiz-Verordnung können Anträge auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer aufrechten Freiheitsbeschränkung aufgrund von COVID-19 gemäß § 7 Abs 1a des EpidemieG 1950, von einer Person, die mit Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde nach § 7 Epidemiegesetz 1950 in der Wohnung angehalten wird und nicht anwaltlich vertreten ist, nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme mit dem Gericht auch mit E-Mail an die vom Gericht bekanntgegebene E-Mail-Adresse eingebracht werden. Dem Antrag ist eine Abbildung eines Identitätsnachweises sowie des die Anhaltung aussprechenden Bescheides anzuschließen. Zustellungen durch das Gericht können an die E-Mail-Adresse des Absenders erfolgen. Die Zustellung gilt als am ersten Werktag nach der Versendung bewirkt, wobei der Karfreitag und Samstage nicht als Werktage gelten.

 

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im konkreten Fall unterbleiben, da bereits die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstanden. Darüber hinaus wurde vom Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung nicht beantragt und von der belangten Behörde ausdrücklich darauf verzichtet.

 

 

V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 25a Abs 1 VwGVG im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses darauf hinzuweisen, ob die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist oder nicht. Dieser Ausspruch ist vom Verwaltungsgericht kurz zu begründen.

 

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol geht von der Zulässigkeit der Revision hinsichtlich beider Spruchpunkte (I. und II.) aus, weil betreffend die Frage der sachlichen Zuständigkeit bei der Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Absonderungsmaßnahmen nach dem EpidemieG 1950 noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Dies rechtfertigt nach Auffassung des erkennenden Gerichtes die Einschätzung, dass im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

 

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

 

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dünser

(Richter)

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