LVwG Steiermark LVwG 70.10-2704/2021

LVwG SteiermarkLVwG 70.10-2704/202115.7.2022

BehindertenG Stmk 2004 §22a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGST:2022:LVwG.70.10.2704.2021

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark erkennt durch die Richterin HR Dr. Clement über die Beschwerde der Frau A, geb. ****, vertreten durch B Rechtsanwälte OG, C-Straße /I, A-Ort, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 24.08.2021, GZ: BHGU-40942/2021-73 und BHGU-191070/2021-21,

 

z u R e c h t :

 

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde zu Spruchpunkt I. und Spruchpunkt II. als unbegründet

 

a b g e w i e s e n .

 

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 24.08.2021 wurde im Spruch I. der Bescheid vom 24.02.2021, GZ: BHGU-40942/2021-23, dahingehend abgeändert als der Antrag vom 01.02.2021 „Persönliches Budget“ gemäß §§ 1a, 2, 3 Z 13, 22a, 42 Abs 5 Z 2 lit. b StBHG abgewiesen wurde.

 

Mit Spruch II. wurde der Antrag vom 27.05.2021 hinsichtlich „Persönliches Budget“ gemäß §§ 1a, 2, 3 Z 13, 22a ,42 StBHG abgewiesen.

 

Begründend führte die Behörde zusammengefasst und im Wesentlichen aus, dass, dem Gutachten E folgend, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine psychische Störung, nämlich die Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen/artifizielle Störung vorliege und eine häusliche Versorgung nicht geeignet sei. Die beantragte Leistung entspreche dem Charakter einer Bezuschussung einer mobilen Pflege im Rahmen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes. Die Bereitstellung finanzieller Mittel im Rahmen des § 22a StBHG für eine Pflege im eigenen Haushalt sei nicht möglich, dies da einer solchen einerseits die als notwendig festgestellte stationäre Unterbringung zur psychiatrischen Betreuung entgegenstehe, es sich bei der beantragten Leistung nicht um die geeignete Leistung handle und der gegenständliche Fall auch infolge der genannten Subsidiarität des StBHG einen möglichen Anwendungsfall des StSHG darstelle.

 

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, mit welcher im Wesentlichen ausgeführt wird, dass bei Vorliegen aller Voraussetzungen unabhängig von der Diagnose „Persönliches Budget“ zu gewähren sei. Das „Persönliche Budget“ sei daher im beantragten Ausmaß zuzuerkennen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Videokonferenz wurden beantragt.

 

Ergänzend teilte die Beschwerdeführerin am 08.11.2021 ihre neue Adresse mit, sowie die Zuerkennung einer Leistung der D, mit 15 Wochenstunden bis 31.01.2023.

 

Nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, in welcher das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten E erörtert werden sollte und Aufforderung an die Beschwerdeführerin, aktuelle diagnostische Abklärungen vorzulegen, wurde von der Beschwerdeführerin der Arztbrief der Reha B-Ort vom 05.11.2021, der neurologische Fachbefund vom 17.07.2021 von Primarius F, sowie bereits vorgelegte ärztliche Atteste von G und eine psychotherapeutische Einschätzung vom 16.01.2021 von H vorgelegt.

 

Mit Antrag vom 16.12.2021 lehnte die Beschwerdeführerin den bestellten Sachverständige E als befangen ab und beantragte ausdrücklich die Einholung eines Amtssachverständigengutachtens.

 

Vom Landesverwaltungsgericht Steiermark wurde daher, obwohl keine Befangenheit vorliegt, ein Gutachten der Amtsärztin der Abteilung 8, Gesundheit- und Pflege, I, eingeholt, welches am 07.03.2022 erstattet und den Parteien zur Stellungnahme übermittelt worden ist, wobei seitens der Beschwerdeführerin wiederholt um Fristerstreckung ersucht wurde.

 

Befund und Gutachten vom 07.03.2022 lauten wie folgt:

 

„Amtsärztliches Gutachten

 

1.) Auftrag:

 

Mit dem Schreiben des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 30.12.2021 (GZ: LVG 70.10-2704/2021-20) ergeht die Bitte um Feststellung, ob bei der Beschwerdeführerin eine Behinderung im Sinne des § 1a Stmk. Behindertengesetz vorliegt, ob also

 

- eine Beeinträchtigung ihrer physischen Funktionen, intellektuellen Fähigkeit, psychische Gesundheit oder Sinnesfunktionen vorliegt, die im Ausmaß und Schweregrad von der gleichaltrigen Bevölkerung erheblich abweicht und die nicht nur vorübergehend (d.h. voraussichtlich länger als 6 Monate) ist

 

oder

 

- ob eine chronische Erkrankung vorliegt.

Eine solche liegt gemäß § 1a StBHG vor, solange der Krankheitsverlauf - ausgenommen bei chronischen psychischen Erkrankungen - noch beeinflussbar ist, wobei diesbezüglich auf die bereits vorhandenen Gutachten, wie etwa jenes von Frau J vom 05.06.2019 ABTO8GP-28999/2019-7, verwiesen wird und bei gegenteiligem Ergebnis hierzu Stellung genommen werden möge.

 

Sollte eine Behinderung im obengenannten Sinne vorliegen, möge weiters beantwortet werden, ob die Beschwerdeführerin

- dadurch an der Teilhabe am Leben der Gesellschaft benachteiligt ist,

- ob die Beschwerdeführerin erheblich bewegungsbehindert ist;

- ob die Hilfeleistung „Persönliches Budget" dem individuellen Hilfebedarf entspricht und wenn ja, in welchem Ausmaß (unter Hinweis auf die Höchstgrenze laut Punkt 2.2 in Anlage 1, VII A.LEVO StBHG von 1.600 Jahresstunden, welche in begründeten Einzelfällen überschnitten werden, kann);

 

Die bereits vorliegenden umfangreichen Gutachten mögen in die Beurteilung einbezogen werden und falls weitere Fachgutachten erforderlich sind, dies zur Bestellung weiterer GutachterInnen bekanntgegeben werden.

 

2.) Befund

 

Befund und Gutachten werden nach dem Hausbesuch in der Wohnung von Frau A in C-Ort, K-Straße am 26.01.2022 erstellt.

Die bereits vorliegenden Gutachten und relevante Befunde im Akt 1, GZ: BHGU-40942/2021 und Akt 2, GZ: BHGU-191070/2021 wurden in die Beurteilung einbezogen, sowie der aktuelle Pflegestatus vom 10.01.2022 vom SV der Gesundheits- und Krankenpflege DGKP L und die chronologisch zusammengestellten med. Befunde 2015 bis 2021, welche mir die Beschwerdeführerin per E-Mail zur Verfügung stellte, berücksichtigt.

Ich möchte auch gleich zu Beginn vorwegnehmen, dass sich das Gutachten von J vom 05.06.2019, ABTO8GP-28999/2019-7 auf den Gesundheitszustand der Mutter von Frau M bezieht und aus meiner Sicht keine Verbindung zum gegenständlichen Fall besteht.

 

2.1. Aktenlage:

 

Aufgrund der hohen Anzahl an Befunden seit 2015 erfolgt hier ein chronologischer Auszug aus ärztl. Befunden und Gutachten, pflegerischen Gutachten, welche für die Beurteilung, ob bei der Beschwerdeführerin eine Behinderung im Sinne des § 1a Stmk. Behindertengesetz vorliegt, relevant sind.

 

2.2. Auszug aus relevanten medizinischen Befunden, die für die für die Beurteilung nach dem StBHG erforderlich sind, chronologisch angeführt:

 

16.03. bis 25.03.2015: Ärztl. Bericht, LKH D-Ort, Neurologie:

Diagnosen: Kribbelparästhesien der oberen Extremität beidseits, ohne morphologisches Korrelat (diagnostisch zugehörig), kleiner Bandscheibenvorfall BWK (Brustwirbelkörper) 7/8

 

28.05. bis 05.06.2015: Ärztl. Entlassungsbericht, BS, Klinikum für Orthopädie:

Diagnosen: Schmerzsyndrom mit multiplen Myalgien (Muskelschmerzen), diffuse beinbetonte Muskelschwäche mit belastungsinduziertem Tremor, Dys- und Parästhesien (Empfindungsstörungen) obere und untere Extremität beidseits, Haltungsdefizitmit Hyperlordose, Protrusion (Bandscheibenvorfall) TH7/TH8

 

10.08.bis 02.11.2015: Bericht, Rehabilitationszentrum für Neurologie , Klinikum E-Ort:

Diagnosen: funktionelle (psychogene) Gangstörung, Somatisierungsstörung (psychosomatisches Krankheitsbild mit multiplen körperlichen Beschwerden)

 

06.04. bis 15,06.2016: Bericht, Rehabilitationszentrum für Neurologie , Klinikum E-Ort:

Diagnose: Gangstörung unklarer Genese

Um seltene Ursachen ausschließen zu können und auch aufgrund des jungen Alters der Patientin wird das Einholen einer Zweitmeinung in einem europaweit anerkannten, spezialisierten Zentrum für Muskelerkrankungen z.B. N oder O empfohlen.

 

26.11.2016: Neurologischer Fachbefund, F:

Diagnose: Zentral-neuropathisches Syndrom, rechtsbetont, eventuell postinfektios Neurologischer Status: Tremor (Zittern) der Zunge bei Vorstrecken, obere Extremität (Arm): verminderte grobe Kraft und Feinmotorik, Flappingtremor (grobschlägiges Zittern) der oberen Extremität rechts > links, vermehrtes Zittern bei Anstrengung, Ruhetonus rechts > als links; untere Extremität (Bein): verminderte Kraft beidseits KG (Kraftgrad) 3-4, trophische Störung der rechten unteren Extremität, Ruhe und Bewegungstonus unauffällig, Oberflächensensibilität und Temperaturempfinden eingeschränkt

Therapie: Betablocker: Seloken 47,5mg 1-0-0, Abklärung Richtung Symptatikusläsion (Schädigung der unwillkürlich vegetativen Nerven) und MRT- des Neurokraniums und des Rückenmarks empfohlen

 

08.05. bis 08.06.2017: stationärer Aufenthalt, Abteilung für Neurologie, LKH F-Ort:

Diagnose: Bewegungsstörung mit dringendem Verdacht auf funktionelle Genese

Im Rahmen des stat. Aufenthaltes kommt es aufgrund der aktiven Therapieansätze zur massiven Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die Patientin ist seitdem nicht mehr mobil, braucht Pflegestufe 7 (vorher 4), zuvor noch mit 2 Unterarmkrücken und Peroneusschiene (Schiene zur Unterstützung bei Fußheberschwäche) mobil gewesen, danach rollstuhlmobil, Rollstuhl mit E-Antrieb bestellt

Der stat. Aufenthalt wurde zur Traumaerfahrung (Erleben von psychischen und körperlichen Misshandlungen, Hämatome vom Transfer, Sonnenbrand) Selbstentlassung in das Pflegezentrum G-Ort noch bevor ein Familiengespräch bzw.abschließender Neurostatus stattfinden konnte.

 

12.06. bis 21.08.2017: Bericht, Rehabilitationszentrum für Neurologie , Klinikum E-Ort:

Diagnose: zunehmende Gangstörung bislang ungeklärter Genese, V.a. Somatisierungsstörung

 

21.08.2017-09.04.2018: Betreuung im Altersheim Pflegezentrum G-Ort: Im Verlauf der Betreuung Verschlechterung der Spastik, enormer Pflegeaufwand, da bis zu 3 Personen für den Transfer benötigt werden.

 

09.04. bis 22.05.2018: Pflege in der P auf der Intensiv-Wachkomastation

 

01.10.2018: Anspruch auf unbefristete Berufsunfähigkeitspension

 

08.10.2018: Ärztliches Attest, Q: Transportunfahigkeit

 

25.02.2019: Gutachten des SV R:

Diagnosen: seit 2015 zunehmendes Krankheitsbild mit bein- und rechtsbetonter Tonuserhöhung und " Kraftabschwächung aller 4 Extremitäten mit wiederkehrenden Krampfzuständen

Neuerliche neurologische Durchuntersuchung an einer Univ.-Klinik empfohlen, bei Fehlen einer organischen Ätiologie: Abklärung und Behandlung an einer psychiatrischen Universitätsklinik -Hausbesuch 04.01. und 15.01.2019 von DGKP S, Pflegegutachten:

hoher Betreuungsbedarf mind. 2 Betreuungspersonen im Schichtbetrieb

 

23.01.2020: Ärztliches Attest Q : Transportunfähigkeit

 

08.07.2020: Gutachten des Sachverständigen R:

-Hausbesuch 08.05.2020: aufgrund der Spastik mit Schmerzsymtomatik keine Transportfähigkeit

Diagnosen: seit 2015 zunehmendes Krankheitsbild mit bein- und rechtsbetonter Tonuserhöhung und Kraftabschwächung aller 4 Extremitäten mit wiederkehrenden Krampfzuständen, kein erklärendes organisches Substrat

-Stationäre Abklärung / Durchuntersuchung / Behandlung ist notwendig, um den Krankheitsverlauf und die damit verbundenen Beschwerden positiv beeinflussen zu können

-Hausbesuch 20.05. 2020, DKP S, Pflegegutachten:

2 Betreuungspersonen im Schichtbetrieb von 8 bis max. 12 Stunden

 

16.01.2021: Psychotherapeutische Einschätzung von H, Psychotherapeutin:

A nahm seit 1.10.2020 via Skype Psychotherapieeinheiten für einige Monate in Anspruch.

Diagnosen: F43.2 Anpassungsstörung, F43.1 posttraumatische Belastungsstörung (geht über Jahre in eine Persönlichkeitsstörung über F62.0)

Einschatzung: Traumatisierungen stehen in kausalem Zusammenhang mit den ärztlichen Manipulationen im März 2015 sowie nachfolgenden Behandlungen und Aufenthalten.

 

21.01.2021 (mit Bescheid eingeholt): Gutachten vom E, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie von 01.03.2021:

Diagnosen: dissoziative Bewegungsstörungen/dissoziative Krampfanfalle (ICD1O: F44.4, F44.5), seit 2015 zunehmendes Krankheitsbild Tonuserhöhung und Kraftabschwächung aller vier Extremitäten mit wiederkehrenden Krampfzuständen nach sensibler Provokation

-28.01.2021 (mit Bescheid eingeholt): Gutachten vom Hochschullektor (FH) DGKP U vom 28.02. 2021:

-erhöhter Pflege und Betreuungsaufwand unverändert, Übergangspflege in einer stationären Einrichtung wäre vorzuziehen, 24-h-Versorgung durch formelle Pflegedienstleistung: Wohnung (64m*) ungeeignet

-Ergänzung des pflegerischen Gutachtens vom 15.04.2021 erbrachte keine wesentlichen Änderungen

 

19.04.2021 bis 10.05.2021: stationärer Aufenthalt, Arztbrief Akutpsychiatrie des V:

Diagnose: Entwicklung körperlichen Symptome aus psychischen Gründen (F68.0)

 

28.04.2021: Neurologischer Konsiliarbefund, FA W, F-Ort, Abt. Neurologie - Standort Süd:

Therapie/Prozedere: Die Symptomatik lässt sich aus derzeitiger neurologischer Sicht nicht sicher einem organisch neurologischem Korrelat zuordnen.

Die Bewegungsstörung dürfte auch in Zusammenschau aller bisherigen Befunde funktionell (psychosomatisch) bedingt sein. Empfehle weitere psychotherapeutisch/psychiatrische Behandlung wie eingeleitet. Medikation mit Dronabinol wie eingeleitet, gegebenenfalls Anpassung, gegebenenfalls Weiterbehandlung in einer geeigneten Einrichtung.

 

26.05.2021 und 20.08.2021: Ergänzungsgutachten von E:

Diagnosen: keine neurologische Diagnose, sondern psychische Störung: Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen / artifizielle Störung ((CD-10: F68)

Umfangreiche psychiatrische Betreuung erforderlich, welche keinesfalls zu Hause sichergestelt werden kann. Daher Unterbringung in einem professionell geführten Pflegebetrieb, wo die psychische und somatische Entwicklung versorgt werden kann. Behandlung in einem psychiatrischen Pflegezentrum und intermittierend in einer psychosomatischen Klinik empfohlen.

Einerseits bedarf Frau A der erwähnten psychosomatischen Betreuung und Intervention, andererseits aber auch einer weiterführenden neurotraumatologischen Beurteilung im Rahmen von Fachexpertisen bzw. in einer diesbezüglich fachlich ausgerichteten Klinik. Als Zeitdauer sind jedenfals mehrere Monate ins Auge zu fassen.

Nochmals ist festzuhalten, dass Frau A jedenfalls der weiteren Abklärung sowohl n psychiatrischer als auch neurologischer Hinsicht bedarf.

 

09.06.2021: Fristverlängerung zur Einholung eines privaten Gutachtens gestellt

 

01.07.2021: Arztliches Attest von G : neurologisch-orthopadist» Behinderung bestätigt, somit sei das persönliche Budget zu gewähren

 

17.07.2021: Gutachten vom F, FA für Neurologie, AM:

Diagnosen: V. a. spastische Spinalparalyse im fortgeschrittenen Zustand, zentral-neuropathisches Syndrom, rechtsbetont

Therapie: medikamentöse Therpie mit Dronabinol und Gabapentin, Elektrorollstuhl mit elektrischer Lagerungs- und Aufstehfunktion, Sitzkissen bzw. Sitzschale mit Aussparung, Unterstützung mit häuslicher Pflege, neurologische Rehabilitation mit Anpassung des Rollstuhls

 

23.07.2021: Gutachten L, dipl. Gesundheits- und Krankenpfleger: Es handelt sich beim persönlichen Budget gem. § 22a StBHG offensichtlich nicht um die geeignete Leistung: persönliche Budget: Menschen mit Behinderung zu unterstützen, damit sie an der Gesellschaft in gleicher Weise teilhaben können und ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können und nicht um primär die Pflegeversorgung einer Person sicherzustellen. (Die Leistung entspricht der Bezuschussung einer mobilen Pflege im Rahmen des StSHG (§ 9 Abs. 2)

 

08.09. bis 20.10.2021: Arztbrief, Neurologische Rehabilitation B-Ort, F:

Diagnosen: ZB spastische Spinalparalyse im fortgeschrittenen Zustand, ICD 10: G70.9,

ZB zentral neuropathisches Syndrom rechtsbetont, DD: dissoziative Bewegungsstörung psychogen Therapieempfehlung: konsequentes Weiterfuhren einer ambulanten Physiotherapie, psychologische und psychotherapeutische Weiterbetreuung dringend angeraten, ggf. psychiatrische Rehabilitation (Wiederherstellung der psychischen Fähigkeiten) empfohlen.

 

10.01.2022: Aktueller Pflegestatus von DGKP L: durch medikamentöse Adaptierung (Dronabinol und Hydal) Reduktion der Auslosung von Spastik / Krampfanfallen erreicht, für Transfers weiterhin 2 Pflegepersonen (eine Pflegeassistenz und eine Heimhilfe / Laienhilfe) im Schichtbetrieb erforderlich. Zudem ist eine Person aus dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege für die Erstellung der Pflegeplanung, durch den Pflegeprozess sowie Evaluierung erforderlich.

 

26.01.2022: Hausbesuch, erfolgt durch I in Begleitung von J

 

2.3. Zusammenfassung der Anträge mit vorläufigen Zuerkennungen bzw. Abweisungen des Persönlichen Budgets" von 21.07.-2017:

 

Der erste Antrag vom 21.07.2017 auf „Persönliches Budget“ (PB) wurde beim Sozialamt D-Ort gestellt und wurde nicht zuerkannt.

 

Im Wesentlichen wurde das PB aufgrund der fehlenden neurologischen Diagnose (fehlendes morphologisches Korrelat, 3-Personen-Unterstützung nicht nachvollziehbar, Behandlungsversuch im Rahmen eines psychiatrischen Konzeptes bei V. a. dissoziative Bewegungsstörung sowie Familiengespräch wurde nicht wahrgenommen, abschließender Neurostatus durch Malcomplience (= fehlende Bereitschaft des Patienten bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen mitzuwirken) nicht möglich, medikamentöse Therapien wurden abgelehnt, Medikamentenunverträglichkeiten nicht überprüft)

 

Daraufhin war die Beschwerdeführerin ein ¾ Jahr (21.08.2017-09.04.2018) im Altersheim Pflegezentrum G-Ort untergebracht, danach wurde sie ab 09.04. bis 22.05.2018 in der P auf der Intensiv-Wachkomastation betreut. Dort kam es zu einer Verschlechterung des Zustandsbildes aufgrund wiederholten Trauma-Erfahrung. Laut Dekurs ist sie mit dem Nacken am 18.05.2018 auf die Leibstuhllehne angeschlagen. Die Beschwerdeführerin berichtet über unzumutbares Trauma-Erlebnis (laut Beschwerdeführerin: Sturz mit dem Nacken auf den Duschsessel, Durchfallerkrankung, lallende Zimmernachbarin, inadäquate Unterbringung) im Rahmen des stationären Aufenthaltes, seitdem nicht mehr mit dem Rollstuhl transportfähig, damals waren 4 Personen beim Transfer nötig gewesen.

 

Der 2. Antrag auf PB erfolgte am 04.06.2018:

Zuerkennung des PB von € 5.024 für Juni 2018 und Juni-Sept. 2018: € 15.072 vorläufig vor dem Gutachten des SV-Dienstes, weitere vorläufiger Zuerkennungsbescheid Okt. - Dez. 2018

Weitere vorläufige Zuerkennungsbescheide Jänner und Feb. 2019

Ein PB im Ausmal3 von insgesamt 4.095 Jahresstunden wurde von 01.03.2020 bis 28.02.2021 vorläufig bewilligt.

Am 10.12.2020 wurde die Ausstellung eines endgültigen Bescheides beantragt, dieser wurde am 28.12.2020 zurückgewiesen und mit 19.07.2021 unbegründet abgewiesen.

PB weiterhin befristet für drei Monate für den Zeitraum 01.03.2021 bis 31.05.2021 zuerkannt, wegen Verzögerung durch die Einholung der SV-GA

 

Zu Spruch 1:

Am 11.01.2021 Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit „Gefahr in Verzug“ -> Evaluierung von Amts wegen eingeleitet.

Am 01.02.2021 hat Frau A einen Antrag auf_§2a Persönliches Budget im Gesamtausmaß von 75.581 Stunden pro Jahr eingebracht. > es folgte ein vorläufiger Bescheid, hierbei wurde ein persönliches Budget im Ausmaß von 1024 Stunden (€ 27.299,84) eingeräumt.

Die erneut eingebrachte Beschwerde von Frau A vom 23.04.2021 wurde als unzulässig zurückgewiesen.

Zu Spruch 2:

Erneuter Antrag am 26.05.2021 auf umgehende Genehmigung (Gefahr in Verzug, Lebensgefahr) eines persönlichen Budgets ab 01.06.2021 im Ausmaß von insgesamt 75.107,22 Stunden pro Jahr eingebracht: ärztlicher Entlassungsbrief LKH F-Ort (Entlassung auf Wunsch, Pflegebedarf vorübergehend gewährleistet) beigelegt.

Mit 17.06.2021 erneut der Erlass eines vorläufigen Bescheides auf Auszahlung eines persönlichen Budgets in zuletzt zuerkannter Höhe (4.095 Jahresstunden) beantragt, unter dem Verweis, dass sich die Berührungs- und Vibrationsempfindlichkeit aufgrund der Einnahme von Dronabinol wesentlich verbessert habe. -> nur durch ein PB könne die Notpflegeversorgung der Antragstellerin sichergestellt werden.

Mit 02.07.2021 Ansuchen auf Erlassung eines vorläufigen Bescheides in Ermangelung des Vorliegens der Voraussetzungen mitgeteilt.

Verfahren zur Bestellung einer Erwachsenenvertretung wurde vom Bezirksgericht Graz-Ost am 23.07.2021 eingestellt.

08.09.2021: Beschwerde gegen Bescheid vom 24.08.2021 in welchem die Anträge auf Persönliches Budget abgewiesen wurden.

30.09.2021: Ende des Mietvertrages in der X-Straße, H-Ort. Umzug in die K-Straße, C-Ort.

08.11.2021: Nachtrag zur Beschwerde vom 08.09.2021 Oktober 2021: Zusage für die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (PAA)

Ausbildung zur Assistenzhundetrainerin: PAA für 15 Wochenstunden bis 31.01.2023 genehmigt

 

2.4. Sozialanamnese:

 

Ledig, nach HAK-Matura im Bereich EDV eingearbeitet und ist zuletzt bei Z im Montagebereich- Softwarequalitätssicherungsbereich tätig gewesen. Seit März 2015 gesundheitlich karenziert, erhält Pflegegeld seit März 2016 Letzter Auslandsaufenthalt in Spanien Mai 2014. Sie wohnt allein in einer Wohnung und wird durch Eltern unterstützt. Mobil nur mit Transferlifter, für den Transfer von liegender in sitzende Position sind 2 Personen notwendig.

Bezieht Pflegegeld der Stufe 7 (seit März 2017) und eine Berufsunfähigkeitspension (ab 01.10.2018).

Derzeit macht sie eine Ausbildung zur Assistenzhundetrainerin, diesbezüglich wurde eine PAA für 15 Wochenstunden bis 31.01.2023 genehmigt.

Vorhaben: geringfügige Beschäftigung bei ehemaligem Dienstgeber Z, nach Besserung der Gesamtsituation.

Hobbies: Musik, EDV, vor 2015 sportlich (Reiten, Rafting,...) sehr aktiv gewesen

 

2.5. Medizinische Anamnese:

 

Frau A hatte Anfang März 2015 einen grippalen Infekt mit darauffolgendem Stechen zwischen den Schulterblättern. Eine Abklärung beim Lungenfacharzt erbrachte keinen pathologischen Befund. Vom Orthopäden wurde eine _Einrenkung* empfohlen. Im Rahmen der Manual Therapie an der Wirbelsäule am 05.03.2015 habe sich der ganze Körper verkrampft, unmittelbar darauf trat ein Brennen im Bereich der Wirbelsäule auf, mit Ausstrahlung in die Gliedmaßen. Es folgte ein einschlafendes Gefühl im Rückenbereich, auch Arme und Beine waren betroffen, je nachdem wo der Rücken berührt wurde. Im Verlauf kam bei Anstrengung ein Muskelzittern hinzu. Zuerst waren nur einzelne Muskeln betroffen, in weiterer Folge auch eine Muskelschwäche am ganzen Körper, auf der rechten Seite mehr als links. In den darauffolgenden Wochen und Monaten kam es auch zu einem Muskelschwund und somit auch zu einer Gangstörung. Eine Abklärung auf der Neurologie des AA erbrachte keine Ergebnisse.

Ein Jahr später seit 2016 kamen auch Muskelspasmen und eine Inkontinenz hinzu. Anfang August 2016 habe sie die Finger nicht mehr ganz ausstrecken können.

Die REHA-Aufenthalte in AB haben den Zustand der Gangstörung (Gehen mit Krücken und mit Toe-Off-Schiene (dynamische Knöchel-Fußorthese) etwas stabil halten können.

 

Seit 2017 hat bei jeder Muskelreizung hat ein starkes Zittern begonnen. Die Spastik habe weiter zugenommen, wobei rechts die Beschwerden immer stärker gewesen seien. Das letzte Mal konnte sie im Mai 2017 aufstehen, danach sei sie mit dem Rollstuhl mit E-Fix-Antrieb mobil gewesen.

Durch Dronabinol sei die Aktivität in den Armen wieder besser geworden, sie könne wieder normal Greifen. Davor habe es auch eine Spastik in den Armen gegeben. Berührungen an der rechten Ferse und an der Wirbelsäule (entlang der Brustwirbelkörper) würde eine Zunahme der Beschwerden bewirken.

Seit dem Sturz auf den Duschsessel auf der Wachkomastation der P 2018 Verschlechterung des Krankheitszustandes. Mobilisation inkl. Spaziergänge mit dem Rollstuhl mit E- Fix-Antrieb nicht mehr möglich.

Aktuell verbringt Frau A ihr Leben ausschließlich in ihrer Wohnung. Sie ist im Alltag überwiegend pflegeabhängig. Es ist ihr möglich im Stuhl zu sitzen. Für den Transfer von liegender in sitzende Position ist ein fahrbarer Transferlifter mit Sonderanfertigung und die Unterstützung von 2 Personen notwendig.

 

2.6. Neurologischer Status:

 

Angesichts der Covid-19 Pandemie (Einhalten der Abstandsregel) und der möglichen Gefahr einer Verschlechterung der Spastik bzw. Auslösen von Krampfanfallen durch Vibrationen, Berührungen von vulnerablen Bereichen (Rücken, Ferse) wurde auf eine körperliche Untersuchung im Rahmen des Hausbesuches Abstand genommen.

Der hier angeführte neurologische Status ist aus dem neurologischem Fachbefund von F vom 17.07.2021 entnommen.

 

Neurologischer Status: Derzeit Dauerschmerz als Brennen an beiden Armen (VAS 3-4) und Beine (VAS 7) und im Bereich der Wirbelsäule (VAS 7). Beim Vorstrecken der Zunge Tremor, astarixis- ähnlich (flatternd), Klonus (Muskelkontraktionen) im Platysma (vorderer Hautmuskel des Halses) links bei vorgestreckter Zunge.

verminderte grobe Kraft und Feinmotorik, Flappiger Tremor der rechten OE mehr als links, Ruhetonus rechts > links

UE: linke UE gestreckt mit starker Spastik, rechte Untere Extremität: Allodynie (gesteigerte Schmerzempfindlichkeit) im Bereich der Ferse und der Fußsohle mit verstärkter Auslösung der Spastik

Mobilisierung mit Lifter und 4 Personen, Babinski beidseits positiv Psychischer Status: orientiert, klar, mnestisch und kognitiv nicht eingeschränkt, keine produktive oder suizidale Symptomatik, Antrieb und Stimmung angepasst, und ausgeglichen, Affekt normal

Dronabinol: seit Mai 2021 wieder eingeleitet, seitdem könne sie auch wieder Greifen.

Auslöser des Krampfes im Rücken ist das Streichen über die rechte Ferse oder über den Rücken.

 

2.7. Psychosozialer Status:

 

Auszug aus dem Arztbrief der Reha B-Ort vom 05.11.2021:

Bewusstseinsklar, orientiert in allen Qualitäten. Gedankengang formal geordnet, keine inhaltlichen Denkstörungen, keine produktive Symptomatik. Grundstimmung scheint ausgeglichen, Affekt etwas vermindert schwingungsfähig. Antrieb und Psychomotorik imponieren herabgesetzt. Keine Konzentrationsstörungen, mnestisch und kognitiv nicht eingeschränkt.

Exogene Belastungsstörungsfaktoren: die Grunderkrankung, keine suizidale Symptomatik.

 

2.8. Medizinische Diagnosen:

 

Hauptdiagnosen:

 

Die Hauptdiagnosen sind vom neurologischen Befund von F bzw. Gutachten vom E entnommen.

 

Verdacht auf spastische Spinalparalyse im fortgeschrittenen Zustand (ICD-10: G70.9: neuromuskuläre Krankheit nicht näher bezeichnet)

-Zustandsbild zentral neuropathisches Syndrom rechtsbetont (möglicherweise postinfektios)

 

Differenzialdiagnose:

 

V. a. Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen

V. a. artifizielle Störung

V. a. dissoziative Bewegungsstörung und dissoziative Krampfanfälle

 

Nebendiagnosen:

Bandscheibenschaden C5/C6, Bandscheibenvorfall TH 7/8 mit atypischem Kontakt und Impression des Rückenmarks BWK 7/8

Bogenschlussstörung L5, Spondylose von L5 bei teilsacralisisertem 5 LWK (zum Teil knöcherne Verbindung des letzten Lendenwirbels mit dem Kreuzbein), Hämangiomwirbel (Blutschwamm in einem Wirbelkörper) BWK 4, Beckenschiefstand, allergische Rhinitis (allergischer Schnupfen), Konjunktivitis (Bindehautentzündung der Augen), Haschimoto-Thyreoiditis (Autoimmunerkrankung der Schilddrüse), Refluxkrankheit (Sodbrennen), polyzystisches Ovarsyndrom (Hormonstörung bei vielen Zysten in den Ovarien), multiple Allergien, Zustand nach Cheilo-Gnatho-Palatoschisis (Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) mit 1 Jahr

 

Allergien: Kontrastmittel: Jod, Bienen- u. Wespengift, Pollen, Gräser, Nahrungsmittelunverträglichkeit:

Mango, Erdbeeren, Honig, Roggen, Ananas,

Medikamentenunverträglichkeit: Voltaren, Novalgin, Mexalen, Tramadol, Klacid, Sirdalud, Gabapentin div. Fertigprodukte Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Produkte der Fa. Frosch sind verträglich.

 

2.9. Medizinische Therapie:

 

aktuelle medikamentöse Therapie (erhoben beim Hausbesuch 26.01.2022):

 

Dronabinol 2,5% 2x 5gtt

Hydal Kps. 4mg 2x1

1,3mg Hydal bei Schmerzspitzen

Budesnonid 64ug Nasenspray als Dauermedikation

 

Ergänzung: Die normalerweise übliche med. Therapie mit Baclofen, Sirdalud, Lyrica, Neurontion, Duloxetin) hätten zu keiner Besserung der Symptomatik geführt. Aufgrund der therapieresistenten Spastik und mannigfacher Medikamentenunverträglichkeiten wurde ein Therapieversuch mit Dronabinol (12.06. bis 21.08.2017, REHA I-Ort) eingeleitet.

 

Derzeit findet einmal monatlich eine Physiotherapie statt. Weitere Therapien wie psychotherapeutische Weiterbetreuung oder Kontrolluntersuchungen finden nicht statt.

Die Hauptunterstützung im Alltag (Zubereiten von Essen, Haushaltstätigkeit, Behördengänge) sowie auch beim Transfer mit Transferlift erhält sie von ihren Eltern. Aktuell steht keine Pflegeperson aus dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege für die Erstellung der Pflegeplanung und regelmäßigen Evaluierung zur Verfügung.

 

2. 10. Befunde zur Diagnostik seit 2015:

 

Neuromuskuläre Ambulanz, 01.09.2015: keinerlei morphologisches Korrelat, kein Hinweis auf Neuropathie, kein Hinweis auf Myopathie oder Peroneus Parese.

Gesetzte Ziele der REHA: Wiedererreichbarkeit der Arbeitsfahigkeit, konnten nicht erreicht werden.

Herbst 2015 REHA-Aufenthalt I-Ort 2x für jeweils 3 Monate SEP (sensibel evozierte Potentiale, Bahnen für die Gefühlsempfindung) und MEP (magnetisch evozierte Potentiale, motorische Bahnen) vom 23.02.2016: unauffällig Lumbalpunktion vom 19.03.2015: Normalbefund MRT des Gehirnschädels vom 01.09.2015: unauffällig.

MR-A intrakraniell vom 01.09.2015: Normalbefund bei dominanter Versorgung der rechten AP aus der ACI.

MRT der gesamten Wirbelsäule am 12.01.2017 (letzte bildgebende Diagnostik):

Im Bereich der BWS keine Auffälligkeiten.

Im Bereich der BWS Wirbelkörperhämangiom in BWK 4, 1,2 cm groß, unauffälliges thorakales Myelon.

Im Bereich der LWS unauffälliger Befund.

Befundergänzung: 2mm breite vermutlich verkalkte Bandscheibenvorwölbung paramedian links im Segment Th7/8 mit minimalem Kontakt und Impression des Myelons (Rückenmark). Keine Spinalkanalenge.

 

Tremoranalyse vom 11.05.2017: Befund aufgrund stark wechselnder Frequenz schwierig zuzuordnen, kein Anhaltspunkt für klassischen essenziellen Tremor.

Kein typischer Befund eines orthostatischen Tremors und Parkinson-Tremors.

PET-CT (Nuklearmedizinischer Befund), Uni D-Ort vom 16.05.2017: Kein Hinweis auf Störung des präsynaptischen Dopamintransportsystems.

Psychiatrisch-psychosomatischer Befund vom 07.06.2017:

Diagnose: dissoziative Bewegungsstörung, Psychogen: Aphonie / Dysphonie

Mit der Patientin wird vereinbart, dass sie sich jederzeit an die Station PS 15 bzw. an mich (OA AC) wenden kann, wenn sie sich für einen Behandlungsversuch im Rahmen eines psychiatrischen Konzeptes entscheiden sollte.

 

2.11. Hausbesuch am 26.01.2022:

Befund erhoben durch I in Begleitung von J

 

Frau A wohnt im 1. Stock eines Mehrparteienhauses. Ihre Wohnung (ca. 90m°) ist mit einem Lift wie auch über einen Stiegenaufgang bzw. Laubengang erreichbar. Die Jalousien waren verschlossen, ein Namensschild war nicht angebracht. Die Schuhabtropftasse war leer, Die Mutter von Frau A öffnet die Tür und bringt uns zum Glastisch, wo ihre Tochter im Stuhl mit angelehnten Unterarmen am Tisch und ausgestrecktem linken Bein sowie angewinkeltem rechten Bein sitzt. Der linke Fuß befindet sich auf einem Pappkarton.

Die Wohnung ist sehr gepflegt, sauber und kaum möbliert. Frau A sitzt am Tisch mit Blick zur großen Fensterseite ins Grüne. Wir wurden darauf hingewiesen, dass wir ausreichend Abstand zu Frau A halten sollen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde unsererseits die Maßnahmenregel 2G plus eingehalten und von allen eine FFP2-Maske getragen.

Frau A wird gebeten uns über ihren Tagesablauf zu berichten:

Der Tag beginnt um 9:30 mit dem Frühstück bzw. je nach Verfassung auch mit dem Duschen bis zu 1 Stunde, um eine Verbesserung der Spastik zu erreichen. Unterstützung bei der Mobilisation erfahrt sie aktuell hauptsächlich durch ihre Mutter. Derzeit ist keine Institution, keine angestellten Pflege- oder Hilfskräfte zur Pflege und Betreuung vorhanden. Den Rollstuhl kann sie derzeit nicht benutzen, daher erfolgt der Transfer mit dem mobilen Lifter. Beim Transfer sind zur Unterstützung von liegender in die sitzende Position 2 Personen erforderlich und von sitzender in eine andere sitzende Position 1 Person. Ein spezieller E-Rollstuhl mit elektrischer Lagerungs- und Aufstehfunktion wurde bereits im Mai 2021 angefordert, voraussichtlich würde sie diesen im März 2022 erhalten. Den alten Rollstuhl mit E-Fix hatte sie 2017 bis 2018 benützt. Aufgrund des reduzierten Gesamtzustandes sowie der empfindlichen Stelle am Rücken und rechten Ferse ist die Benutzung des vorhandenen Rollstuhls seit 2018 nicht mehr möglich.

 

Seit Sommer 2020 macht sie eine Ausbildung zur Assistenzhundetrainerin, hierbei lernt sie über eine Oniine-Plattform am PC mit Sprachsteuerung. Eine entsprechende Unterstützung erhalt sie täglich (Montag bis Freitag) von einer PAA (persönliche Assistenz am Arbeitsplatz). Die Ausbildung zur Assistenzhundetrainerin kann auch von Menschen mit Beeinträchtigung gemacht werden, darum wurde ihr diese Ausbildung von mehreren Ärzten empfohlen. Besuch bekomme sie kaum (außer behördliche Angelegenheiten, Rechtsanwalt). Sie spielt gerne Brettspiele oder DKT mit ihrer Famille.

 

Die Organisation der Pflege und den Koch-Plan mache sie selbst, fürs Kochen sind hauptsächlich die Mutter und gelegentlich auch Nachbarn zuständig. Aufwendig sei das Kochen aufgrund der vielen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, hierbei ist darauf zu achten, dass nicht Lebensmittel verwendet werden, welche zu Durchfallen führen. Das Essen und Trinken kann selbst eingenommen werden, wenn alles körpernah bereitgestellt wird.

Eine regelmäßige Physio- und Ergotherapie kann derzeit aufgrund der fehlenden finanziellen Unterstützung nicht in Anspruch genommen werden. Eine Physiotherapie kann sie sich derzeit höchstens einmal im Monat im Rahmen eines Hausbesuches leisten.

Auch die Psychotherapieeinheiten via Skype mit H werden nicht mehr in Anspruch genommen, diese Form der Psychotherapie wurde ihr nur während der Corona-Pandemie Okt. 2020 bis Frühling 2021 angeboten.

Pflegerisch benötige sie Hilfe beim Transfer, bei der Körperpflege, beim Kleiden, bei der Essenszubereitung sowie bei allen Haushaltstätigkeiten. Eine Freizeitgestaltung außer Haus kann derzeit nicht stattfinden, da ihr ein adäquater E-Rollstuhl fehle. Seit 2017 war sie nicht mehr außer Haus, da der Transport derzeit nur mit einem fahrbaren Lifter möglich ist. Berührungen an der rechten Ferse und der BWS lösen Spasmen aus. Diese können durch Anleitung von Frau A und behutsamen Umgang beim Transfer vermieden werden.

Während des Nachtschlafes wird alle 2 Stunden ein Lagewechsel auf einer harten Matratze durchgeführt, sodass durchgehender, ausreichender Schlaf kaum möglich ist.

Erfreut zeigen sich Mutter und Tochter über die diskrete Verbesserung ihrer Bewegungsstörung. Frau A zeigt, dass in letzter Zeit eine minimale Flexion (Beugung) der Großzehen beidseits möglich ist.

Angesprochen auf ihre persönlichen Ziele, wünscht sich Frau A ein normales Leben und möchte mit Behinderung aktiv am Leben teilnehmen und Arbeiten dürfen. Sie hat die Absicht einen eigenen Assistenzhund mit Unterstützung auszubilden, sobald ein Spezial-E-Rollstuhl und eine finanziell gesicherte Pflegeversorgung vorhanden sind. So möchte sie ihr Wissen aus diesem Fachgebiet professionell umsetzten.

Ihre Mutter wünscht sich eine gesicherte finanzielle Versorgung für ihre Tochter, damit sie ein selbstbestimmtes Leben führen kann, denn sie wird nicht immer für sie sorgen können.

 

2.12. Beobachtungen zu ihrem Verhalten:

 

Die Beschwerdeführerin ist allseits orientiert, im Bewusstsein klar und affektiv gut erreichbar. Der Blickkontakt würde gehalten und gesucht. Die Denkinhalte sind gut nachvollziehbar und keineswegs abnorm. Die Stimmung ausgeglichen bis leicht gedrückt.

Freundlich kooperatives Gesprächs- und Kontaktverhalten ohne Sichtbarwerden eines Leidensdruckes in Bezug auf ihre Bewegungsstörung. Im Gespräch durchgehend emotionslos, Affekt flach.

 

3.) Begriffserklärung:

 

Den medizinischen Diagnosen wurde auch der ICD-10 Code hinzugefügt. Der ICD-10 Code ist ein weltweit anerkanntes Klassifikationssystem der Krankheiten und steht für „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems"

 

Artifizielle Störung [absichtliches Erzeugen oder Vortäuschen von körperlichen oder psychischen Symptomen oder Behinderungen] (ICD-10: F68.1) (Quelle: https://www.therapie.de/psyche/info/index/icd-10-diagnose/f6-persoenlichkeits-und-verhaltensstoerungen/f68-andere-persoenlichkeits-und-verhaltensstoerungen/ )

 

Der betroffene Patient täuscht Symptome wiederholt ohne einleuchtenden Grund vor und kann sich sogar, um Symptome oder klinische Zeichen hervorzurufen, absichtlich selbst beschädigen. Die Motivation ist unklar, vermutlich besteht das Ziel, die Krankenrolle einzunehmen. Die Störung ist oft mit deutlichen Persönlichkeits- und Beziehungsstörungen kombiniert.

 

Synonym: Durch Institutionen wandernder Patient [peregrinating patient], Hospital-Hopper-Syndrom, Münchhausen-Syndrom

 

Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (ICD-10: F68.0) (Quelle: https://www.icd-code.de/icd/code/F68.-.html )

 

Körperliche Symptome, vereinbar mit und ursprünglich verursacht durch eine belegbare körperliche Störung, Krankheit oder Behinderung werden wegen des psychischen Zustandes der betroffenen Person aggraviert oder halten länger an. Der betroffene Patient ist meist durch die Schmerzen oder die Behinderung beeinträchtigt; sie wird beherrscht von mitunter berechtigten Sorgen über längerdauernde oder zunehmende Behinderung oder Schmerzen.

 

Synonym: Rentenneurose, Entschädigungsneurose, Begehrungsneurose

 

Dissoziative Bewegungsstörung bzw. Konversionsstörung ((DC-10: F44.4):

(Quelle: Kompendium Praktische Psychiatrie, 2. Auflage, Rothenhäusler, Täscher)

 

Hierbei handelt es sich um rein psychisch bedingte Störungen mit symptomatischen pseudoneurologischen Funktionsausfällen auf dem Gebiet der Willkürmotorik (Gangstörung, Sprechstörung, Armlähmungen Halbseitenlähmungen), Sensorik, Sensibilität (Brennen, Kribbeln, Taubheit) und Bewusstseinsregulation. Es findet sich keine körperliche Erkrankung, welche die dissoziativen Symptome erklären könnte. Sehr wohl ist aber auf eine psychogene Verursachung (relevante psychosoziale Belastungen) der dissoziativen Symptome nachzuweisen.

Differenzialdiagnostisch müssen organische Ursachen (Epilepsie, Multiple Sklerose, Alkohol, LSD, Schädel-Hirn-Trauma, Migräne, Tumoren, Enzephalitis, malignes neuroleptisches Syndrom, metabolische Störungen sicher ausgeschlossen werden.

Eine strenge Unterscheidung ist notwendig zwischen der bewussten und absichtlichen Vortäuschung und Nachahmung von Krankheitssymptomen (Simulation) oder absichtlichen Übertreibung tatsächlich Vorhandener Krankheitssymptome und Empfindungen (Aggravation, psychogene Überlagerung).

Des Weiteren ist zu beachten, dass dissoziative Phänomene bei einer Vielzahl von anderen psychischen Störungen auftreten können. In diesem Zusammenhang sind vor allem folgende psychiatrische Erkrankungen auszuschließen: Schizophrenie, depressive Episoden, posttraumatische Belastungsstörung, Substanzabhängigkeit, Borderline-Persönlichkeitsstörung

Psychotherapeutische Verfahren stellen das Mittel der Wahl zur Behandlung von dissoziativen Störungen: Psychotherapie, gesprächspsychotherapeutische und suggestive Verfahren. Eine medikamentöse Therapie kommt kaum in Betracht.

Weitere Literatur: Fiedler 2001 „Dissoziative Störung und Konversation"

 

Pro Psychotherapie e.V.:

Bei den dissoziativen Störungen der Bewegung und der Sinnesempfindung nehmen Experten an, dass hier psychische Belastungen aus dem Bewusstsein verdrängt und dann durch körperliche Beschwerden sichtbar gemacht werden. Gleichzeitig erhalten die Betroffenen durch die Symptome oft mehr Aufmerksamkeit und Zuneigung als vorher, was dazu beitragen kann, dass die Störung aufrechterhalten wird (sekundärer Krankheitsgewinn).

Diagnostik: CT des Gehirns

 

Dissoziative Krampfanfälle (ICD-10: F44.5)

 

Dissoziative Krampfanfalle können epileptischen Anfällen bezüglich ihrer Bewegungen sehr stark ähneln. Zungenbiss, Verletzungen beim Sturz oder Urininkontinenz sind jedoch selten. Ein Bewusstseinsverlust fehlt oder es findet sich stattdessen ein stupor- oder tranceähnlicher Zustand.

 

Dissoziative Krampfanfälle (ICD-10: F44.5)

Dissoziative Krampfanfalle können epileptischen Anfällen bezüglich ihrer Bewegungen sehr stark ähneln. Zungenbiss, Verletzungen beim Sturz oder Urininkontinenz sind jedoch selten. Ein Bewusstseinsverlust fehlt oder es findet sich stattdessen ein stupor- oder tranceähnlicher Zustand.

 

Dronabinol:

(Quelle: OESG-PATIENTENDIALOG > Cannabis in der Schmerzmedizin, SN 418 SONDERDRUCK-Dronabinol-1.pdf(diagnosia.com ))

Dronabinol ist der internationale Freiname" von THC, wobei THC für Tetrahydrocannabinol steht. Die Wirkungen werden auf die Bindung an Cannabinoid-Rezeptoren (CB) zurückgeführt und setzen nach zirka 30 bis 60 Minuten ein. Die psychotropen Effekte halten 4 bis 6 Stunden, die Appetitstimulation bis zu 24 Stunden an. Durch Bindung an die CB-Rezeptoren hemmen die Cannabinoide unter anderem die Freisetzung von Neurotransmittern aus der präsynaptischen Nervenzelle.

Indikationen:

 

eine muskelentspannende Wirkung (antispastisch), die bei Multipler Sklerose mit therapieresistenter Spastik Anwendung findet

eine antiemetische Wirkung - also eine Beseitigung von Chemotherapie induziertem (durch die Therapie mit Zytostatika ausgelöstem) Erbrechen und Übelkeit

eine appetitanregende Wirkung insbesondere bei Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit im Rahmen von Krebserkrankungen

eine analgetische Wirkung - zur Therapie von chronischen Schmerzen, speziell bei neuropathischen Schmerzen und Schmerzen im Rahmen einer bestehenden MS Erkrankung.

Es zeigt keine Wirksamkeit bei akutem Schmerz!

 

Dosisempfehlungen nach Indikation in drei Bereichen:

Unter 10 mg Dronabinol: Alzheimer (Agitation), Appetitstimulation, Depression

Etwa 10 mg Dronabinol: Tics, ADHD, Dyskinesie / Dystonie, Schlafstörungen, Add-on bei Opiat-Therapie, Neuropathie, Spastizität

Über 10 mg Dronabinol: Fibromyalgie, Multiple Sklerose, Chemotherapie induzierte Übelkeit und Erbrechen

 

THC wird immer als sogenannte Add-on-Medikation" verwendet: Das bedeutet, dass es erst eingesetzt wird, wenn mit der etablierten Therapie keine zufriedenstellende Wirkung erreicht werden konnte. Eine ärztliche Verordnung ist nur nach Bewilligung durch den chefärztlichen Dienst möglich.

 

Spastische Spinalparalyse (75% hereditär) (ICD-10: G11.4): (Literatur: Neurologie, Werner Hacke, 14. Auflage)

 

-Degeneration der Pyramidenbahn und des Gyrus praecentralis, 75% hereditär, 25% sporadisch

-spastische Tonuserhöhung stärker ausgeprägt als die Lähmung (innerhalb der Beinmuskeln), ohne Sensibilitätsstörung, auch Symptome wie Epilepsie, Augenkrankheiten, Blasenentleerungsstörung und Demenz können auftreten

 

-im fortgeschrittenen Stadium an den Rollstuhl angewiesen

-zur Selbstversorgung in der Lage, da Arme nicht betroffen

-Diagnostik: MRT zum Ausschluss sympt. Ursachen der Paraspastik, genetische Untersuchung, neurophysiologische Untersuchung

-neurol. Untersuchung: erhöhte Eigenreflexe

-Liquor: normal

-Differentialdiagnosen einer spastischen Paralyse:

Amyotrophe Lateralsklerose, funikuläre Spinalerkrankung (Vit. B12 Stoffwechsel), Multiple Sklerose, Neuroborreliose, Meningeom, spinale Tumoren, Syringomyelie, AIDS, Neurolues,

Therapie: keine kausale Therapie, Krankengymnastik (Bobath-Methode), Wärmetherapie sympt. Behandlung: z.B. Botulinumtoxin, antispastische Oralmedikation (z.B. Baclofen, Tizanidin)

 

Zentral-neuropathisches Syndrom:

 

(Quelle: Diagnostik und Therapie neuropathischer Schmerzen (aerzteblatt.de )) Entscheidend für die Entstehung eines neuropathischen Schmerzsyndroms ist eine vorangegangene Schädigung von somatosensorischen Nervenstrukturen. Diese Läsion kann sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) auftreten. Eine Vielzahl von mechanischen, metabolischen, toxischen oder entzündlichen Noxen können periphere Nerven verletzen. Die Ursache der zentralen neuropathischen Schmerzen ist in einem primären Prozess des ZNS zu suchen, der bei Störungen im gesamten Bereich der Neuralaxe entstehen kann, das heißt bei Läsionen im Rückenmark, Hirnstamm, Thalamus, in subkortikalen Strukturen und im Kortex.

2017 trat ein neues Gesetz in Kraft („Cannabisgesetz"), mit dem Cannabinoide (Cannabisblüten, Cannabisextrakte, Dronabinol, Nabilon) auf Antrag bei den Krankenkassen erstattungsfähig wurden und mittels Betäubungsmittel (BTM)-Rezept verordnet werden können. Es handelt sich weiterhin um einen off-label use, da keine dieser Substanzen in der Indikation „Schmerz“ zugelassen ist.

 

4.) Gutachten

 

Das Gutachten bezieht sich auf bestehende Diagnosen b2w. Verdachtsdiagnosen, Ausführungen und Empfehlungen der zur Verfügung gestellten Unterlagen im Akt 1 und Akt 2 sowie der Befunderhebung und Beobachtungen im Rahmen des Hausbesuches.

 

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Patientin mit körperlicher Beeinträchtigung in ungewöhnlich komplexer Konstellation einer spastischen Streckung des linken Beines uno spastischen Beugung des rechten Beines und Tons Reduktion aller vier Extremitäten. Die Kniegelenke lassen sich weder aktiv noch passiv bewegen. Zusätzlich besteht eine erhöhte Krampfbereitschaft nach sensibler Provokation (Berührung) im Bereich des Rückens (BWVS) und rechten Ferse als auch bei Vibrationen (z.B. Transport mit dem Auto). Somit liegt auch eine Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen (Körperwahrnehmung) vor. Da Vibrationen und Berührungen an bestimmten Körperstellen bei der Beschwerdeführerin Spasmen und Krampfanfalle, welche bis zur Atemnot fahren können, auslosen, sind momentan außergewöhnliche Pflegemaßnahmen mit erhöhten personellen, sozialen und finanziellen Ressourcen, Therapiemaßnahmen (Physiotherapie Ergotherapie, Psychotherapie, …..) sowie Versorgung mit Heilbehelfen mit individueller spezieller Sonderanfertigung (z.B. Transferlifter, E-Rollstuhl) notwendig. Laut aktuellem Pflegegutachten im Janner 2022 sind für Transfers 2 Pflegepersonen (eine Pflegeassistenz und eine Heimhilfe/ Laienhilfe) im Schichtbetrieb erforderlich.

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Person mit seltener, komplexer und neurologisch schwer erklärbarer Bewegungsstörung, sodass eine Diagnosefindung mehrerer Fachexpertisen bedarf.

 

Am 17.07.2021 wurde vom Neurologen F der V. auf eine spastische Spinalparalyse im fortgeschrittenen Stadium (Erklärung siehe Befundteil), (/CD-10: G70.9, Neuromuskuläre Krankheit, nicht näher bezeichnet) sowie ein zentral-neuropathisches Syndrom (Erklärung siehe Befundteil) festgestellt. Nach Rücksprache mit F wurde der Verdacht auf spastische Spinalparalyse gestellt, weil im Rahmen des neurologischen Status zusätzlich zur bekannten Bewegungsstörung, ein Fibrillieren, Faszikulieren der Muskulatur im Halsbereich (Klonus im Platysma) beobachtet wurde. Eine weiterführende neurologische Diagnostik zur Bestätigung dieser Diagnose wäre jedoch noch einzuholen, diesbezüglich empfiehlt F eine Vorstellung beim AD in der neuromuskulären Ambulanz der AA. Auch das zentral-neuropathische Syndrom sollte an der Neurologie reevaluiert werden.

 

Psychiater und Gerichtsgutachter E hat in seinem Gutachten vom 26.05.2021 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen bzw. eine artifizielle Störung diagnostiziert. Differenzialdiagnostisch komme auch eine dissoziative Bewegungsstörung in Betracht bzw. bedarf einer weiteren Abklärung. Hierbei wurde ausdrücklich hingewiesen, dass es sich bei Frau A mit großer Wahrscheinlichkeit um eine rein psychiatrische und keine neurologische Diagnose handelt.

 

Tatsächlich wurde im Rahmen der Abklärungen bis heute keine Ursache im Sinne eines morphologischen Korrelates für die komplexe Bewegungsstörung gefunden. Die letzte bildgebende Diagnostik (MRT und PET-CT) fand 2017 statt und erbrachte keine pathologischen Ergebnisse. Eine umfassende neurologisch-psychiatrische Diagnostik wird von allen Gutachtern und Fachärzten empfohlen. Der Verdacht auf spastische Spinalparalyse inkl. des zentral-neuropathischen Syndroms kann in einer neuromuskulären Spezialambulanz nachgewiesen werden. Eine neuromuskulare Diagnostik bzw. eine genetische Diagnostik liegt derzeit nicht vor. Ebenso fehlt die in den letzten 7 Jahren wiederholt empfohlene psychiatrische Exploration.

 

Von psychologischer Seite kann anhand der Ausführungen der Psychotherapeutin H gesagt werden, dass die physische und psychische Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin, Frau A als Folge von Trauma Erfahrungen (Einrenkung der BWS, Sturz am Duschsessel, Verschlechterung durch aktive Physiotherapie) zu sehen sind.

 

Mit der Ursachenfindung durch interdisziplinäre neurologisch-psychiatrische Diagnostik und Exploration an einer Universitätsklinik wäre durch ein adäquates Behandlungskonzept auch mit einer positiven Beeinflussung des Krankheitsverlaufes zu rechnen.

 

Zur Beurteilung, ob das persönliche Budget im Sinne des StBHG die geeignete Leistung für den bei Frau A festgestellten Pflegebedarf darstellt, kann ohne gesicherte Diagnose und davon ableitbares adäquates Behandlungskonzept nicht abschließend beantwortet werden.

 

5.) Fragestellungen/Stellungnahme

 

Fragestellung:

~ ob bei der Beschwerdeführerin eine Behinderung im Sinne des § 1a Stmk. Behindertengesetz vorliegt, also eine Beeinträchtigung ihrer physischen Funktionen, intellektuellen Fähigkeit, psychische Gesundheit oder Sinnesfunktionen vorliegt, die im Ausmaß und Schweregrad von der gleichaltrigen Bevölkerung erheblich abweicht und die nicht nur vorübergehend (d.h. voraussichtlich länger als 6 Monate) ist

oder

 

~ ob eine chronische Erkrankung vorliegt.

Eine solche liegt gemäß § 1a StBHG vor, solange der Krankheitsverlauf - ausgenommen bei chronischen psychischen Erkrankungen - noch beeinflussbar ist, wobei diesbezüglich auf die bereits vorhandenen Gutachten, wie etwa jenes von Frau J vom 05.06.2019 ABTO8GP-28999/2019- 7, verwiesen wird und bei gegenteiligem Ergebnis hierzu Stellung genommen werden möge.

 

Stellungnahme:

 

Aus den Befunden ist zusammenfassend zu entnehmen, dass bei der Beschwerdeführerin sowohl eine Beeinträchtigung der physischen Funktionen einhergehend mit körperlichen Sinnesfunktionen

(Krankheitsbild: Tonuserhöhung und Kraftabschwächung aller vier Extremitäten mit wiederkehrenden Krampfzuständen nach sensibler Provokation und Vibrationen, Schmerzsymptome) als auch eine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit (Entwicklung von körperlichen Symptomen aus psychischen Gründen) vorliegt.

Die intellektuelle Fähigkeit wird in keiner der Befunde oder Gutachten in Abrede gestellt. Im Gegenteil, von psychotherapeutischer Seite wird hervorgehoben, in was für bewundernswerten Weise, die Beschwerdeführerin ihr Leben trotz körperlicher Einschränkung meistert und seit vielen Jahren einen sinnhaften Umgang mit ihrer Leidensfähigkeit gestaltet.

Aufgrund der oben angeführten Schwere der körperlichen und psychischen Symptome, weicht die Beeinträchtigung bei der 32-jährigen Frau im Ausmaß und Schweregrad von der gleichaltrigen Bevölkerung erheblich ab.

Eine Chronifizierung der bestehenden körperlichen und psychischen Symptome ist durchaus rückblickend auf die 7 Jahre anzunehmen, ob aber eine chronische Erkrankung vorliegt, kann anhand der vorliegenden Befunde nicht beantwortet werden. Eine interdisziplinäre neurologisch-psychiatrische Diagnostik inklusive psychiatrische Exploration hat bis heute nicht stattgefunden.

Trotz Durchsicht einer ungewöhnlich hohen Anzahl an Befunden, E-Mails, Video- und Tonaufnahmen ist eine objektive abschließende Beurteilung des Gesundheitsproblems von A nach wie vor nicht möglich.

 

Fragestellung:

 

Sollte eine Behinderung im obengenannten Sinne vorliegen, möge weiters beantwortet werden, ob die Beschwerdeführerin

 

~ dadurch an der Teilhabe am Leben der Gesellschaft benachteiligt ist,

~ ob die Beschwerdeführerin erheblich bewegungsbehindert ist;

~ ob die Hilfeleistung „Persönliches Budget" dem individuellen Hilfebedarf entspricht und wenn ja, in welchem Ausmaß (unter Hinweis auf die Höchstgrenze laut Punkt 2.2 in Anlage 1, VII A. LEVO StBHG von 1.600 Jahresstunden, welche in begründeten Einzelfällen überschritten werden kann);

 

Stellungnahme:

 

Es wird nochmal festgehalten, dass zur medizinischen Beurteilung, ob eine Behinderung im Sinne des § 1a Stmk. BHG bzw. eine chronische Erkrankung vorliegt, eine interdisziplinäre Diagnostik der Erkrankungsursache in einer Fachklinik für Neurologie und Psychiatrie erfolgen sollte.

Anhand der komplexen neurologischen Symptome und der medizinischen Anamnese muss man davon ausgehen, dass ein umfangreiches Behandlungskonzept(integratives, symptomorientiertes, verhaltenstherapeutisches, psycho- und familiendynamisches) erforderlich sein wird. Bei komplexen motorischen, sensorischen und psychiatrischen Erkrankungen sind zweifellos Disziplinen übergreifende Interventionen notwendig, die aber zu Beginn zumeist nur im stationären Setting erfolgreich sein können.

Eine Beurteilung, ob die Hilfeleistung „Persönliches Budget" dem individuellen Hilfebedarf entspricht, kann erst erfolgen, wenn eine gesicherte medizinische Diagnose mit adäquatem Behandlungskonzept in Zusammenarbeit von Neurologen und Psychiater erstellt ist. Um zu einer gesicherten medizinischen Diagnose und somit adäquaten Behandlung zu kommen, ist eine Mitwirkung der Beschwerdeführerin und ihrer Angehörigen notwendig.

 

Die medizinische Sachverständige

 

(I)“

 

Nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wurde der geforderte Fragenkatalog zum Gutachten übermittelt.

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark trifft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10. Juni 2022 im Beisein aller Parteien, Zuschaltung der Beschwerdeführerin mittels Videokonferenz und der Amtssachverständigen I nachfolgende Feststellungen:

 

Bei der Beschwerdeführerin liegt eine körperliche Beeinträchtigung in ungewöhnlicher, komplexer Konstellation mit einerseits spastischer Streckung des linken Beines und plastischer Beugung des rechten Beines und Tonus-Reduktion aller vier Extremitäten seit etwa 2015 in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität vor. Es besteht eine erhöhte Krampfbereitschaft nach sensibler Provokation (Berührung) im Bereich des Rückens und der rechten Ferse, sowie auch bei Vibrationen (Berührung der Tischplatte, Transport mit einem Fahrzeug). Diese seltene und komplexe Bewegungsstörung ist neurologisch schwer erklärbar. Eine neurologische Diagnostik zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose F auf spastische Spinalparalyse liegt nicht vor. Es erfolgte weder eine Abklärung bei AD oder einem anderen Arzt an der neuromuskulären Ambulanz der AA noch wurde ein EEG anlässlich eines durch Provokation ausgelösten Krampfanfalls erstellt. Auch wurde keine Abklärung anderer Spezialkliniken wie der N oder dem O in J-Ort oder einer anderen europaweit anerkannten, spezialisierten Klinik für Muskelerkrankungen durchgeführt.

 

Eine Ursache im Sinne eines morphologischen Korrelates wurde bisher nicht gefunden. Pathologische Ergebnisse von bildgebender Diagnostik liegen nicht vor. Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass bei der Beschwerdeführerin eine artifizielle Störung (ICD-10:F68) vorliegt bzw. eine dissoziative Bewegungsstörung. Eine interdisziplinäre Diagnostik der Erkrankungsursache an einer Universitätsklinik für Neurologie und Psychiatrie ist erforderlich. Bisher hat die Beschwerdeführerin an einer solchen Abklärung und Diagnostik nicht mitgewirkt. Die Hilfeleistung „Persönliches Budget“ entspricht derzeit nicht dem individuellen Hilfebedarf der Beschwerdeführerin.

 

III. Beweiswürdigung:

 

Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf das über ausdrücklichen Wunsch der Beschwerdeführerin vom 07.03.2022 eingeholte medizinische Amtssachverständigengutachten I unter Einbeziehung der darin aufgelisteten aktenmäßig vorliegenden Befunde und bisher eingeholten Gutachten. Daraus ergibt sich einerseits, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete neurologische Ursache ihrer Symptome auf keiner bildgebenden, objektiv nachvollziehbaren Diagnostik basiert, sondern lediglich der Verdacht auf eine spastische Spinalparalyse mangels anderer Erklärungen vorliegt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Beschreibung eines Zustandbildes, nämlich einer Tonuserhöhung der Muskulatur und Spinalschwächung, wobei deren Ursache unklar bleibt. Demgegenüber hat E in seinem Gutachten vom 26.05.2021 eine klare und eindeutige Diagnose erstellt, die schlüssig und nachvollziehbar ist, wobei er auch dargelegt hat, weshalb die Beschwerdeführerin nicht wahrhaben will, dass keine neurologische Ursache ihrer Symptome vorliege, da dies zum von ihm beschriebenen Krankheitsbild gehöre. E hat sich umfassend mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt und auch die Meinung eines anerkannten Spezialisten – AH – eingeholt. Dass die Beschwerdeführerin im gesamten bisherigen Verfahren, aber auch davor seit Auftreten der ersten Symptome an einer weiteren Abklärung seit dem MRT vom 12.01.2017 nicht mitwirkt, obwohl eine weitere Abklärung aus allen vorliegenden Befunden, Arztbriefen und Gutachten empfohlen wird, ist evident und schlüssig aus der Aktenlage ersichtlich, da trotz mehrmaliger Aufforderung (Ladung zur Verhandlung beim Landesverwaltungsgericht oder auch durch die belangte Behörde) solche Befunde nicht vorgelegt worden sind. Die Beschwerdeführerin hat zwar viele verschiedene Ärzte aufgesucht, jedoch die empfohlenen Therapieansätze bzw. empfohlenen diagnostischen weiteren Abklärungen der jeweiligen aufgesuchten Ärzte nicht weiter verfolgt. So hat R auf Seite 11 seines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens vom 08.07.2020 festgehalten, dass wie bereits im Vorgutachten angeführt eine neuerliche Durchuntersuchung an einer neurologischen Universitätsklinik angezeigt sei. Bei neuerlich negativem Ergebnis wäre die weitere Abklärung und Therapie über eine psychiatrische/psychosomatische Universitätsklinik angezeigt. Dazu ist auch beweiswürdigend festzuhalten, dass dieses Gutachten auftragsgemäß zum Pflege- und Betreuungsbedarf erstellt worden ist und nicht zur Frage der vorliegenden, zugrundeliegenden Erkrankung. F hat in seinem neurologischen Fachbefund vom 17.07.2021 (Beilage ./B) einen Verdacht auf spastische Spinalparalyse festgehalten, sowie das rechtsbetonte, zentralneuropathische Syndrom. Beim zentralneuropathischen Syndrom handelt es sich um ein Schmerzsyndrom, es beschreibt somit den Zustand eines Schmerzes. F hat dessen Herkunft in seiner Diagnose nicht festgehalten und bei der Spinalparalyse ausdrücklich nur einen Verdacht geäußert. Es handelt sich ausdrücklich um einen neurologischen Fachbefund und kein Gutachten nach Rehabilitation in B-Ort. Ausführlich wird der bisherige Verlauf in der Anamnese geschildert und die bisherige Medikation und eine neurologische Rehabilitation mit Anpassung an den Rollstuhl empfohlen. Das ausgestellte Attest des Hausarztes G vom 01.07.2021 bzw. auch dessen Stellungnahme vom 02.07.2021 geben im Wesentlichen die bisherigen Dauerdiagnosen der Fachärzte wieder und ist keinesfalls auf gleicher fachlicher Ebene. Auch aus dem ärztlichen Entlassungsbrief vom 10.05.2021, des AI, ergibt sich, dass lediglich eine Verdachtsdiagnose zu Beginn des stationären Aufenthaltes gewählt worden sei – diese lautete auf Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen, F68.0. Eine stationäre Übernahme an der neurologischen Abteilung nach einem erfolgten Konzil sei organisiert worden. Die Patientin habe jedoch jedwede diagnostischen Schritte im AI abgelehnt. Die Entlassung nach Hause erfolgte auf Wunsch der Beschwerdeführerin, wobei sie anführte, die weitere Abklärung, Behandlung und Pflege selbstständig mit Unterstützung ihres Anwalts und der Familie zu organisieren. Außer einem Reha-Aufenthalt in B-Ort von 08.09.2021 bis 20.10.2021 wurden keine weiteren Schritte der Beschwerdeführerin zur spezialdiagnostischen Abklärung unternommen und ergibt sich auch aus dem Arztbrief der Reha B-Ort (Seite 3 von 16) vom 05.11.2021 neben dem Bild der massiven Tonussteigerung im Bereich des gesamten Körpers, dass aufgrund der Situationen sowie der wiederholt klinisch-neurologischen Untersuchungen Gedanken an eine dissoziative Störung zugelassen seien. Eine psychiatrische Weiterbehandlung wurde dringend empfohlen. Die Beschwerdeführerin nimmt jedoch lediglich eine psychotherapeutische Behandlung via Skype wahr und attestiert H in ihrer Stellungnahme vom 16.01.2021 der Beschwerdeführerin ein hohes Maß an Resilienz. Sie stelle sich der Aufgabe einen sinnhaften Umgang mit der Leidensfähigkeit zu gestalten. Es wird eine Anpassungsstörung und posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Aus den dargelegten Gründen war hier im gerichtlichen Verfahren die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens daher abzulehnen, da die Beschwerdeführerin bereits mehrfach im Verfahren aufgefordert worden ist weitere aktuelle Befunde vorzulegen, welche dann in das Gutachten der bestellten Amtssachverständigen hätten einfließen können. Die Beschwerdeführerin hat sich auch körperlich bisher von keinem der im Verfahren hinzugezogenen Fachärzte bzw. Gutachter untersuchen lassen, sodass neue Erkenntnisse von einem weiteren Gutachten, ohne die Befundlage zu ergänzen, nicht erwartbar sind. Dass die Behandlung der Beschwerdeführerin überall abgelehnt worden sei, ist nicht sehr glaubhaft und wurde auch nicht belegt. Insgesamt ergibt sich ein Bild der Beschwerdeführerin, dass sie zuhause ohne weitere spezialdiagnostische Abklärung gepflegt werden will und der Selbsteinschätzung, dass bei ihr keine psychiatrische Erkrankung vorliegt.

 

Insgesamt ist daher beweiswürdigend den Ausführungen der beigezogenen Amtssachverständigen, welche sich mit dem Sachverhalt umfassend auseinandergesetzt hat, zu folgen. Das Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, die Sachverständige verfügt über eine entsprechende universitäre Ausbildung und besondere Fachkunde als Amtsärztin. Die Beschwerdeführerin ist diesem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, sodass beweiswürdigend den Folgerungen der Sachverständigen, die nach den Maßstäben der Wissenschaft aus der Befundaufnahme schlüssig und nachvollziehbar getätigt wurden, gefolgt wird.

Insgesamt ergibt sich ein Bild der Beschwerdeführerin, das eine funktionelle Störung wahrscheinlich erscheinen lässt, zumal keine organischen Ursachen, welche zwingend das Krankheitserscheinungsbild der Beschwerdeführerin verursachen – bekannt sind und die im Gutachten aufgezählten Nebendiagnosen bei einer großen Anzahl von Patienten vorliegen und nicht dieselben Auswirkungen haben, wie bei der Beschwerdeführerin.

 

IV. Rechtliche Beurteilung:

 

Die hier massgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Behindertengesetzes LGBl. Nr. 26/2004 idF LGBl Nr.117/2021 (StBHG) lauten auszugsweise wie folgt:

 

§ 1a StBHG:

Menschen mit Behinderung

(1) Menschen mit Behinderung sind Menschen, die aufgrund einer nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung ihrer physischen Funktion, intellektuellen Fähigkeit, psychischen Gesundheit oder Sinnesfunktionen an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft benachteiligt sind.

(2) Als nicht nur vorübergehend im Sinne des Abs. 1 gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten.

(3) Als (nicht nur vorübergehende) Beeinträchtigungen gelten alle Beeinträchtigungen, die im Ausmaß und Schweregrad von der gleichaltrigen Bevölkerung erheblich abweichen.

(4) Nicht als Beeinträchtigungen im Sinne des Abs. 1 gelten

1.

chronische Erkrankungen, solange der Krankheitsverlauf – ausgenommen bei chronischen psychischen Erkrankungen – noch beeinflussbar ist;

2.

vorwiegend altersbedingte Beeinträchtigungen.

  

(5) Menschen mit Behinderung gleichgestellt sind Personen, bei denen eine solche Beeinträchtigung nach den Erkenntnissen der Wissenschaft in absehbarer Zeit eintreten wird, insbesondere Kleinkinder.“

 

§ 2 StBHG:

Voraussetzungen der Hilfeleistungen

(1) Voraussetzung für die Hilfeleistung ist, dass der Mensch mit Behinderung

1. …

(2) Der Mensch mit Behinderung hat einen Rechtsanspruch auf die seinem individuellen Hilfebedarf entsprechende Art der Hilfeleistung (§ 3). Die konkrete Ausformung der Art der Hilfeleistung und die Form der Hilfeleistung (§ 4) sind entsprechend dem individuellen Hilfebedarf von Amts wegen festzulegen.

(3) Ein Rechtsanspruch gemäß Abs. 2 besteht nur, soweit der Mensch mit Behinderung nicht aufgrund anderer gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Regelungen – ausgenommen dem Steiermärkischen Sozialunterstützungsgesetz – gleichartige oder ähnliche Leistungen erhält oder geltend machen kann. Hierbei ist unerheblich, ob dem Menschen mit Behinderung ein Rechtsanspruch auf die Gewährung der gleichartigen oder ähnlichen Leistung zusteht.

…“

 

§ 3 StBHG:

Arten der Hilfeleistungen

Als Hilfeleistung für Menschen mit Behinderung kommen in Betracht:

1. …

13. Persönliches Budget (§ 22a);

…“

 

§ 4 StBHG:

Formen der Hilfeleistungen

(1) Die Hilfeleistungen werden mobil, ambulant, teilstationär, vollstationär bzw. als Geldleistung erbracht. Solange eine mobile Betreuung möglich ist, ist dieser der Vorrang zu geben, sofern die Kosten der mobilen Betreuung die Kosten einer vollstationären oder teilstationären Unterbringung nicht übersteigen . Eine befristete Zuerkennung von Leistungen ist zulässig.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes bedeuten:

1.

Vollstationäre Leistungsinanspruchnahme bedeutet, dass der Mensch mit Behinderung Leistungen im Ausmaß von 24 Stunden am Tag in Einrichtungen der Behindertenhilfe in Anspruch nimmt. Es können auch mehrere teilstationäre Leistungen die Inanspruchnahme einer vollstationären Leistung ergeben.

2.

Teilstationäre Leistungsinanspruchnahme bedeutet, dass der Mensch mit Behinderung Leistungen im Ausmaß von mindestens vier Stunden pro Tag in Einrichtungen gemäß § 43 Abs. 2 oder anderen Einrichtungen, wie insbesondere in Wohnhäusern, Wohngemeinschaften, (heilpädagogischen) Kindergärten oder Tageseinrichtungen in Anspruch nimmt, ausgenommen in Kindergärten mit integrativer Zusatzbetreuung oder in Einrichtungen, die der Erfüllung der Schulpflicht dienen.

3.

Ambulante Leistungsinanspruchnahme bedeutet, dass der Mensch mit Behinderung stundenweise Leistungen in Einrichtungen in Anspruch nimmt, die nicht unter Z. 2 fallen.

4.

Mobile Leistungsinanspruchnahme bedeutet, dass der Mensch mit Behinderung sonstige, nicht unter Z. 1 bis 3 fallende Leistungen in oder außerhalb seiner Wohnung in Anspruch nimmt.

5.

Geldleistung bedeutet, dass die Leistung in Geldeswert erbracht wird.

  

(3) Die Hilfeleistungen können folgendermaßen erbracht werden:

1. …

4.

Mobil: §§ 5, 7, 8, 21, 21a, 22;

5.

Geldleistungen: § 5 bis § 9, § 16 Abs. 2 und 3, § 20, § 21, § 21a, § 22, § 22a, § 24a, § 25a, § 38 und § 47 Abs. 5.

  

(4) Menschen mit Behinderung sind berechtigt, unter den für ihre Bedarfe in Frage kommenden gleichartigen Einrichtungen und Diensten zu wählen.“

 

§ 22 A StBHG:

Persönliches Budget

Die Hilfeleistung ‚Persönliches Budget‘ wird sinnesbeeinträchtigten und/oder erheblich bewegungs-behinderten Menschen unter Bedachtnahme auf pflegebezogene Geldleistungen gewährt, um ihnen ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Wohneinrichtungen gemäß § 18 oder Pflegeheimen gemäß § 19 zu ermöglichen.“

 

§ 42 StBHG:

Verfahren

(1) Anträge auf Hilfeleistungen nach diesem Gesetz sind bei der Gemeinde oder Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen. Die Gemeinde leitet den Antrag unverzüglich unter Anschluss einer allfälligen weiteren Stellungnahme an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde weiter.

(2) Für die Entscheidungen gemäß Abs. 4 Z. 1 ist jene Bezirksverwaltungsbehörde örtlich zuständig, in deren Sprengel der Mensch mit Behinderung seinen Hauptwohnsitz oder in Ermangelung eines solchen in der Steiermark seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(2a) Dem Antrag sind anzuschließen:

1.

2. bei Hilfeleistungen

a)

b) gemäß § 22a der Selbsteinschätzungsbogen.

(3) …

(4) Behörde ist

1.

die Bezirksverwaltungsbehörde in Verfahren betreffend

a)

das Vorliegen oder den Wegfall der Voraussetzungen (§§ 1a und 2),

b)

die zu gewährende Hilfeleistung (§§ 3, 4 iVm 47 Abs. 4 und 5),

c)

die Einstellung und das Ruhen der gewährten Hilfeleistung,

d)

Rückzahlungspflichten (§ 35),

e)

Reisekosten (§ 38),

f)

Beiträge (§ 39) und

g)

der Ersatzpflicht der Erben (§ 39a);

2.

die Landesregierung in allen anderen Angelegenheiten.

  

(5)

1.

Nach Abs. 4 Z. 1 lit. a hat die Bezirksverwaltungsbehörde nur dann gesondert zu entscheiden, wenn eine Behinderung offensichtlich nicht vorliegt.

2. a)

Nach Abs. 4 Z 1 lit. b hat die Bezirksverwaltungsbehörde vor Entscheidung über die Gewährung von Hilfeleistungen gemäß § 8, § 16, § 18, § 19 und § 21 ein Gutachten des Sachverständigenteams gemäß Abs. 6 einzuholen, welches den individuellen Hilfebedarf feststellt. Das Sachverständigenteam hat im Rahmen einer personenzentrierten Begutachtung die individuellen Entwicklungsziele festzulegen. In allen übrigen Verfahren nach Abs. 4 Z. 1 lit. b kann ein Gutachten des Sachverständigenteams eingeholt werden, wenn es die Bezirksverwaltungsbehörde für notwendig erachtet. Menschen mit Behinderung, deren gesetzliche Vertreter und eine Vertrauensperson sind in die Begutachtung einzubeziehen.

b)

Würde durch die Einholung des Gutachtens das Verfahren derart verzögert, dass ein schwerer Nachteil für den Menschen mit Behinderung zu befürchten ist, ist vorläufig zu entscheiden. Sobald das Gutachten vorliegt, ist von Amts wegen zu überprüfen, ob die ursprünglich getroffene Entscheidung im Gutachten Deckung findet. Ist dies nicht der Fall, ist die ursprüngliche Entscheidung entsprechend abzuändern.

c)

Sowohl auf Antrag des Menschen mit Behinderung als auch von Amts wegen ist jedenfalls nach Ablauf eines im ursprünglichen Gutachten vorgeschlagenen Zeitraumes eine Evaluierung der getroffenen Entscheidung zu veranlassen und nach Vorliegen des entsprechenden Sachverständigengutachtens allenfalls eine neue Entscheidung zu treffen. Der Mensch mit Behinderung, dessen gesetzlicher Vertreter und eine Vertrauensperson sind in die Begutachtung einzubeziehen.

  

(6) …“

 

Die Beschwerdeführerin hat rund 75.000 Jahresstunden „Persönliches Budget“ gemäß § 22a StBHG am 01.02.2021 beantragt. Da zu befürchten war, dass für die Beschwerdeführerin ein schwerer Nachteil entsteht, hat die Behörde gemäß § 42 Abs 5 Z 2 lit. b StBHG einen vorläufigen Bescheid am 24.02.2021 erlassen. Nach Vorliegen des Gutachtens vom 26.05.2021 von E hat die Behörde ihre vorläufige Entscheidung vom 24.02.2021 von Amts wegen entsprechend § 42 Abs 5 Z 2 lit. b StBHG überprüft.

 

Zu den Anträgen auf „Persönliches Budget“ ist zunächst einmal grundsätzlich zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin ein Mensch mit Behinderung im Sinne des § 1a StBHG ist und weiter welche Art Hilfeleistung der Beschwerdeführerin nach dem StBHG aufgrund der Anspruchsvoraussetzungen zusteht. Erst in einem weiteren Schritt sind daher die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung der beantragten, konkreten Ausformung der Art und Form also des „Persönlichen Budgets“ gemäß § 22a StBHG zu prüfen.

 

Die Beschwerdeführerin ist ein Mensch, der aufgrund einer derzeit bereits mehr als sechs Monate vorliegenden Beeinträchtigung seiner physischen Funktion an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft benachteiligt ist. Ob eine chronische Erkrankung vorliegt, deren Krankheitsverlauf noch beeinflussbar ist, ist mangels Mitwirkung der Beschwerdeführerin an einer Spezialdiagnostik ebenso wenig mit Sicherheit feststellbar, wie die Ursache der physischen Funktionsbeeinträchtigung.

 

Auch bei amtswegig durchzuführenden Verfahren trifft die antragstellende Partei im Sinne des § 39 AVG eine entsprechende Mitwirkungspflicht insbesondere dort, wo den amtswegigen behördlichen Erhebungen im Hinblick auf die nach den materiell rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind (vgl. VwGH 29.09.2018, Ra 2018/01/0364, 22.02.2013, 2011/02/0232, u. a.). Die Behörde ist zwar in der Lage, ein ärztliches Gutachten anzufordern. Die hierzu erforderliche Durchführung der diagnostischen Abklärung kann jedoch nur vom Patienten ermöglicht werden. Die Beschwerdeführerin hat mehrere angedachte Spezialkliniken nicht aufgesucht und mögliche bildgebende Diagnostik nicht durchgeführt. Die vor Ort befunderhebenden Gutachter durften die Antragstellerin auch nicht berühren und konnten somit keine klinische Untersuchung durchführen.

 

Die Beschwerdeführerin stützt ihre Anträge auf Zuerkennung eines „Persönlichen Budgets“ und einerseits im Hinblick auf das Zuerkennungserfordernis der erheblichen Bewegungsbehinderung im Sinne des § 22a StBHG auf die angeblich vorliegende fachärztliche Diagnose Primarius F und andererseits, dass eine Pflege und Betreuung für sie zuhause möglich wäre, auf das Gutachten der Sachverständigen S und des Gesundheits- und Diplomkrankenpflegers L. Dazu ist festzuhalten, dass sich die Frage, ob eine Pflege und Betreuung für die Beschwerdeführerin zuhause grundsätzlich möglich sei oder nicht, bei Verneinung der Frage, ob eine ausschließliche Pflege und Betreuung ihrem individuellen Hilfebedarf entspricht, gar nicht stellt, sodass in rechtlicher Beurteilung eine Auseinandersetzung mit den genannten Pflegegutachten (S und L) nicht erforderlich ist.

 

Wiederholt legt die Beschwerdeführerin dar, so auch in ihrem Antrag vom 16.12.2021 auf Bestellung eines Amtssachverständigen und Ablehnung des Gutachters E, dass ausschließlich eine neurologische Diagnose vorliege. Die Amtssachverständige hat klar ausgedrückt, dass es sich bei diesen „Diagnosen“ um die Beschreibung eines Zustandsbildes der Beschwerdeführerin im Wesentlichen handelt und kein erklärendes organisches Substrat vorliege. So ist auch festzuhalten, dass R eine stationäre Abklärung durch Untersuchung und Behandlung für notwendig erachtet und auch dieser Arzt eine abschließende Diagnose ebenso wenig gestellt hat wie F.

 

Die Beschwerdeführerin irrt jedenfalls dahingehend, dass unabhängig von der Diagnose die Leistung „Persönliches Budget“ gemäß § 22a StBHG zu gewähren wäre. Die Diagnose ist - wie dargelegt - zur Feststellung des individuellen Hilfebedarfs und somit zur Feststellung der Art und Form der Hilfeleistung unerlässlich und auch bereits im Hinblick auf die in § 1a leg. cit. erforderliche Feststellung des Vorliegens einer chronischen Erkrankung, deren Krankheitsverlauf noch beeinflussbar ist, zur grundlegenden Beurteilung des Vorliegens der Anspruchsberechtigung im Sinne des StBHG entscheidungsrelevant.

 

Weiters ist festzustellen, geht man davon aus, dass die Beschwerdeführerin ein Mensch mit Behinderung ist, dass gemäß § 4 Abs. 1 StBHG der mobilen Betreuung nur dann der Vorrang zu geben ist, sofern die Kosten der mobilen Betreuung die Kosten einer stationären oder teilstationären Unterbringung nicht übersteigen. Die beantragten 75.000 Jahresstunden „Persönliches Budget“ - somit einer mobilen Betreuung – übersteigen wahrscheinlich bei weitem die Kosten einer stationären Unterbringung, was jedoch konkret gar nicht mehr zu prüfen war. Anlage 1, VII. A. der LEVO-StBHG 2015 sieht als Leistungsumfang in Punkt 2.2 eine Höchstgrenze von 1600 Jahresstunden vor. Daraus erhellt sich, dass der Verordnungsgeber bei beantragten 75.000 Jahresstunden keine mobile Leistung vor Augen hatte und ergibt sich daher das Indiz, dass die beantragte Hilfeleistung nicht dem individuellen Hilfebedarf entspricht (vgl. auch Gutachten U, Seite 22), auch wenn das Ausmaß der Hilfeleistung von Amts wegen zu beurteilen ist. Es besteht hierauf nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Erkenntnisse 22.04.2015, 2013/10/0097, 16.03.2016, Ra 2016/10/0013 und 20.12.2019, Ra 2019/10/0126) kein Rechtsanspruch.

 

Ausdrücklich hinzuweisen ist auch, dass die Beurteilung und rechtliche Einstufung als „Mensch mit Behinderung“ nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz eine andere ist, als durch das Sozialministeriumservice bei Ausstellung eines Behindertenpasses. Auch die Zusage einer Leistung für persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (PAA) gemäß einer Richtlinie des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, bildet rechtlich keinerlei Indiz oder Grundlage für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin im Sinne des Steiermärkischen Behindertengesetzes bzw. ihres danach festzustellenden individuellen Hilfebedarfs.

 

Die bisher erlassenen Bescheide entfalten entgegen den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung keine Bindungswirkung, zumal die Feststellung des individuellen Hilfebedarfs der Beschwerdeführerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Erkenntnisses zu beurteilen ist.

 

Da ein konkretes Beweisthema (vgl. VwGH 25. 11. 2015, Ra. 2015/09/0074) der von der Beschwerdeführerin beantragten Zeugen L und AK nicht genannt wurde, waren sie auch zur mündlichen Verhandlung nicht geladen worden. Das in der Verhandlung geltend gemachte Beweisthema, dass bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines persönlichen Budgets vorliegen und keine psychiatrische, sondern eine neurologische Erkrankung vorliege und eine häusliche Pflege möglich sei, ist von den genannten Zeugen AK und L nicht auf gleicher fachlicher Ebene wie das eingeholte Amtssachverständigengutachten beantwortbar. Fragen zur Pflege waren, wie dargelegt, nicht zu klären.

 

Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens ist E als nichtamtlicher Sachverständiger beigezogen worden. Von der erkennenden Richterin wurde E bestellt, um der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Erörterung des Gutachtens zu gewähren. Die Beschwerdeführerin hat sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen und E als befangen abgelehnt. Diesem Antrag wurde mit verfahrensleitendem Beschluss gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AVG nicht stattgegeben wurde, da keine Befangenheitsgründe vorliegen und auch kein Anschein einer Befangenheit. Bei E handelt es sich um einen erfahrenen Gerichtssachverständigen, der während seiner jahrzehntelangen beruflichen Tätigkeit an einer Vielzahl von unterschiedlichen Gerichtsverfahren mitgewirkt hat. Dennoch wurde dem Wunsch auf Beiziehung eines Amtssachverständigen nachgekommen.

 

Zusammenfassend ergibt sich, dass ein Mensch mit Behinderung gemäß § 2 Abs. 2 StBHG einen Rechtsanspruch auf die seinem individuellen Hilfebedarf entsprechende Art der Hilfeleistung (§ 3) hat. Die Form der Hilfeleistung (§ 4) ist entsprechend dem individuellen Hilfebedarf von Amts wegen festzulegen. Auf Basis der vorliegenden Gutachten entspricht die Hilfeleistung gemäß § 3 Z. 13 StBHG (Persönliches Budget) derzeit nicht dem individuellen Hilfebedarf der Beschwerdeführerin. Vielmehr wird das Aufsuchen einer Spezialklinik außerhalb der häuslichen Pflege, also eine stationäre und nicht mobile Leistung wie das „Persönliche Budget“, derzeit als passende individuelle Hilfeleistung gesehen, wenn man davon ausgeht, dass keine chronische Erkrankung, deren Verlauf noch beeinflussbar ist, vorliegt.

 

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und im Wesentlichen Fragen der Beweiswürdigung zum individuellen Hilfebedarf entscheidend waren. Im Übrigen weicht die gegenständliche Entscheidung von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

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