LVwG Steiermark LVwG 50.14-2263/2017

LVwG SteiermarkLVwG 50.14-2263/201728.8.2018

BauG Stmk 1995 §13 Abs4
BauG Stmk 1995 §13 Abs6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGST:2018:LVwG.50.14.2263.2017

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Dr. Merli über die Beschwerde des Herrn DI Dr. C D und der Frau Mag. E F MA, beide vertreten durch G H, Rechtsanwälte GmbH, Sgasse, G, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz vom 14.06.2017, GZ: A17-BAB-061922/2016/0032,

 

z u R e c h t e r k a n n t:

 

I. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013 (im Folgenden VwGVG), wird die Beschwerde, soweit die Verletzung von Nachbarrechten geltend gemacht wird, auf Grundlage der Projektänderungen vom 17.04.2018 als unbegründet abgewiesen, darüber hinaus als unzulässig zurückgewiesen.

 

Die Planunterlagen zur Projektänderung (Änderungs- und Austauschpläne „Untergeschoß Tiefgarage“ mit Planänderung vom 02.08.2018, „Erdgeschoß“ und „Lageplan“, alle datiert mit 13.04.2018, verfasst von der I J GmbH) bilden einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses.

 

II. Die A B GmbH hat binnen zwei Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses für die Vidierung der Planunterlagen gemäß Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 2016, LGBl. Nr. 73/2016, TP A.7. (9 Vidierungsvermerke á € 6,20) Verwaltungsabgaben in Höhe von € 55,80 zu entrichten:

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz, BGBl. Nr. 10/1985 idgF (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

1. Bekämpfter Bescheid

 

1.1.Mit dem Bescheid vom 14.06.2017, GZ: A17-BAB-061922/2016/0032, Spruch I, erteilte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz (im Folgenden belangte Behörde) gemäß den Bestimmungen der §§ 19 und 29 Steiermärkisches Baugesetz 1995, idF LGBl. Nr. 117/2016 über Ansuchen der A BGmbH die Baubewilligung zur plan- und beschreibungsgemäßen Errichtung eines mehrgeschossigen Wohngebäudes mit 41 Wohneinheiten, einer Tiefgarage mit 61 PKW-Abstellplätzen, einem Fahrradabstellplatz, Einfriedungen und Geländeveränderungen auf den Grundstücken Nr. ***, ***, und ***, alle KG ***** Gdorf, unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen.

 

1.2. Im Bauverfahren haben unter anderem DI Dr. C D und Mag. E F MA als Nachbarn des Bauvorhabens – die in ihrem Miteigentum stehende Liegenschaft, Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***** Gdorf, mit der Adresse G, R-W-Gasse, grenzt unmittelbar an den Bauplatz an – umfangreiche Einwendungen gegen das Bauvorhaben (u.a. auch Nichteinhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften, unzulässige und unzumutbare Lärm-, Geruchs- und Luftschadstoffimmissionen, Rechtswidrigkeit des Bebauungsplanes) erhoben.

 

1.3. Die Einwendungen der Nachbarn wurden von der belangten Behörde, soweit sie subjektiv-öffentliche Nachbarrechte betrafen, mit Verweis auf die näher dargestellten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (u.a. Einholung von Fachgutachten aus dem Bereich Bautechnik, Schalltechnik, Immissionstechnik) als unbegründet abgewiesen. Den aus Sicht der belangten Behörde vollständigen, schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen in den Sachverständigengutachten zufolge halte das Bauvorhaben die gesetzlichen Abstandsbestimmungen ein. Die Fahrbewegungen im Zusammenhang mit der Nutzung der Tiefgaragenplätze seien mit keinen unzumutbaren Lärm-, Geruchs- und Luftschadstoffimmissionen für die Nachbarn verbunden. Eine allfällige Rechtswidrigkeit des Bebauungsplanes sei von der belangten Behörde nicht aufzugreifen.

 

2. Bescheidbeschwerde

 

2.1. In der fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 24.07.2017 brachten die Nachbarn DI Dr. C D und Mag. E F MA (im Folgenden Beschwerdeführer) nachstehende Beschwerdegründe vor:

 

2.2. Durch die geplante eingehauste Tiefgaragenzufahrtsrampe über die R-W-Gasse würden die Abstandsvorschriften des § 13 Abs 2 Stmk. BauG (Grenzabstand) verletzt werden. Die ihrem Grundstück zugekehrte Außenwandfläche der Einhausung liege zu mehr als 50 %, mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände. Damit bilde die Einhausung ein Geschoß im Sinne des § 13 Abs 4 Stmk. BauG, weshalb die Einhausung der Tiefgarage zur Nachbargrenze einen Grenzabstand von mindestens 3 m – und nicht nur den geplanten Abstand von maximal 1,25 m – einzuhalten habe.

 

2.2.1. Die Argumentation der belangten Behörde, es sei „nachgewiesen“, dass die Außenwandfläche der eingehausten Tiefgaragenrampe im Mittel unter 1,50 m über dem natürlichen Gelände liege, sei nicht stichhaltig, weil ein solcher Nachweis nicht erbracht worden sei (wird näher ausgeführt). Nachdem selbst die behördeninterne Stellungnahme auf eine mittlere Höhe von 1,48 m, also gerade einmal 2 cm unter dem gesetzlichen Grenzwert komme, und es sich dabei nur um eine „grafische Annäherung“ handle, werde eine exakte Vermessung und Berechnung beantragt. Dies insbesondere auch deshalb, weil sowohl die Deckenkontur der Einhausung als auch der natürliche Geländeverlauf von einem für den Flächenvergleich herangezogenen Dreieck abweiche. Eine exakte Berechnung hätte gezeigt, dass die mittlere Höhe der Einhausung mehr als 1,5 m betrage.

 

2.2.2. Selbst wenn die von den Beschwerdeführern beantragte exakte Vermessung und Berechnung in weiterer Folge eine mittlere Höhe von weniger als 1,5 m ergeben würde, wäre ein Grenzabstand von 3 m einzuhalten. In diesem Fall wäre § 13 Abs 6 Stmk. BauG zu beachten, wonach Restgeschoßhöhen von mehr als 1,5 m als Geschoß anzurechnen seien (vgl. VwGH vom 22.04.1999, Zl. 97/06/0220). Dabei spiele es keine Rolle, dass Teile der Rampe unter dem natürlichen Gelände liegen würden. Die Höhe der dem Grundstück der Beschwerdeführer zugekehrten Außenwand der Tiefgarageneinhausung (Rampe) betrage zwischen 0,0 m und 3,1 m über dem anschließenden Gelände. Die Tiefgarageneinhausung habe somit eine Geschoßhöhe von mehr als 1,5 m, womit sie als Geschoß anrechenbar sei.

 

2.3. Auch durch das geplante Wohngebäude würden die gesetzlichen Abstandsvorschriften verletzt werden. Die Einhaltung des geplanten Grenzabstandes von lediglich 5 m sei auch unter Berücksichtigung eines „zurückspringenden“ vierten und fünften Geschoßes nicht ausreichend, weil die „Balkone“ an der Südseite des Gebäudes auf allen drei Ebenen (vom ersten bis zum dritten Stock) durchgehend über die gesamte, den Beschwerdeführern zugekehrte Seite verlaufen würden, und die „Balkone“ so in ihrer Mächtigkeit gleichsam als „vorgeschobene Gebäudefront“ in Erscheinung treten würden. Die mit massiven Stäben ausgestaltete Metallbrüstung verleihe den treffender als „Veranden“ zu bezeichnenden „Balkonen“ besondere Dominanz. Die Ansicht der belangten Behörde, die „Balkone“ seien deshalb nicht abstandsrelevant, weil „transparente Metallstäbe“ als Geländer vorgesehen seien und die „Balkone“ weniger als 50 % der Außenfläche einnehmen würden, könne sich weder auf die Einreichunterlagen (keine „Transparenz der Metallstäbe“, keine genaue Farbe der Stäbe erkennbar) noch auf konkrete Sachverhaltsermittlungen stützen.

 

2.4. Die bestimmungsgemäße Benützung der unmittelbar neben dem Wohngebäude der Beschwerdeführer geplanten Tiefgaragenzu- und Abfahrt über die R-W-Gasse, werde das ortsübliche Ausmaß übersteigende und gesundheitsgefährdende Lärm-, Geruchs- und Luftschadstoffimmissionen verursachen, die zufriedenstellende Wohnbedingungen unmöglich machen würden. Aus den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten der Dr. K L GmbH zu den Themen „Luft“ und „Schall“ sei für eine Konsensfähigkeit des Projekts nichts zu gewinnen, weil diese Gutachten, bzw. bereits deren Befund so gravierende Mängel aufweisen würden, dass sie keine verlässliche Beurteilungsgrundlage bilden könnten.

 

2.4.1. Das Gutachten K L zum Thema „Luft“ lasse jede Begründung dafür vermissen, weshalb die klimatologischen Daten der Messstelle "Dach M N“ für den Standort Gstraße, bzw. der geplanten Zu-/Abfahrt in der R-W-Gasse aussagekräftig sein sollten (die frei angeströmte Messstelle G-Nord des Amtes der Stmk. Landesregierung erscheine hier passender), woher die im Gutachten verwendeten Ausbreitungsklassen stammen würden, warum sie hier verwendet worden seien und weshalb die Ergebnisse der Messstelle G-Ost (die in einem gänzlich anderen Umfeld liege) als Grundlage für die Vorbelastung der Luftgüte herangezogen worden seien. Mangels Angaben des Berechnungsgitters seien die Ergebnisse der Ausbreitungsberechnung, basierend auf dem Ausbreitungsmodell MISKAM, weder qualitativ noch quantitativ beurteilbar. Das K L-Gutachten gehe mit keinem Wort auf den besonders kritischen Feinstaubwert PM2,5 ein. Im Gutachten seien auch die Auswirkungen der wartenden PKW vor dem Garagentor bei Gegenverkehr in der ca. 45 m langen Rampe nicht berücksichtigt worden. Darüber hinaus habe die belangte Behörde eine Reihe von Behauptungen aufgestellt, für die weder das Gutachten K L, noch andere Aktenbestandteile eine Grundlage liefern würden. Die aufgezeigten Mängel seien auch durch die (von den Beschwerdeführern in Auftrag gegebene) gutachterliche Stellungnahme des Herrn ao Univ.-Prof. DI Dr. O P von der TU G belegt, der in der Stellungnahme zum Ergebnis komme, dass die Vorgaben der Technischen Grundlage zur Qualitätssicherung in der Luftschadstoff-Ausbreitungsrechnung, herausgegeben vom BMWFJ, aus dem Jahr 2012, zur Einhaltung von Mindeststandards für ein Gutachten im Bereich der Luftreinhaltung in mehreren (näher ausgeführten) Punkten nicht berücksichtigt worden seien.

 

2.4.2. Das Gutachten K L zum Thema „Schall“ sei deshalb mangelhaft und nicht aussagekräftig, weil im Gutachten die Auswirkungen der Garagenentlüftung nicht genau untersucht worden seien und in keiner Weise auf die Lärmimmissionen durch die in die Garage einfahrenden PKW eingegangen worden sei, die aufgrund der Länge der Rampe vor der Garage länger warten müssten. Das Garagentor in der R-W-Gasse, unmittelbar neben dem Wohngebäude der Beschwerdeführer, werde erfahrungsgemäß nach kurzer Zeit zu quietschen oder zu knarren anfangen. Dieser vor allem in der Nacht unzumutbare Zustand wäre im Gutachten zu berücksichtigen gewesen. Auch seien die Ausführungen im Gutachten in mehreren Punkten unschlüssig. Obwohl beide Gutachten (zu den Themen „Luft“ und „Schall“) vom selben Gutachter stammen, würden sich z.B. die angenommenen PKW-Bewegungen im Gutachten „Luft“ (98 PKW pro 24 h und eine Spitze von 10 PKW pro h) von jenen im Gutachten „Schall“ (am Tag 70 PKW Bewegungen pro 13 h, am Abend von 19 pro 3 h und in der Nacht von 9 pro 8 h bzw. 4 pro h) unterscheiden.

 

2.4.3. Zu den von den Beschwerdeführern in ihren Einwendungen problematisierten Geruchsimmissionen habe die Behörde überhaupt keine Erhebungen angestellt und kein Gutachten eingeholt, und gehe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit keinem Wort auf diesen Teil der Einwendungen der Beschwerdeführer ein.

 

2.5. Der Bebauungsplan der Stadt Graz, auf dem das gegenständliche Bauvorhaben basiere („Bebauungsplan 03.20.0 „Gstraße – R-W-Gasse – Bgasse – Lweg – Kgasse“) widerspreche dem örtlichen 4.0 Stadtentwicklungskonzept (STEK) der Stadt Graz. Dies deshalb, weil nach § 26 Abs 26 4.0 STEK die Bebauung von Innenhöfen nur in Ausnahmefällen möglich sei. Obwohl ein solcher nicht vorliege (die im Erläuterungsbericht für den Bebauungsplan angeführte Begründung überzeuge nicht) würden im Bebauungsplan die im oberen Teil der R-W-Gasse östlich der Gstraße noch erhaltenen Vorgärten eliminiert. Es werde (entgegen der weiteren Vorgaben für die Sicherung bestehender Grünräume, wie § 26 Abs 3 4.0 STEK) eine für das Kleinklima, den Luftaustausch und die Luftgüte bedeutsame Grünfläche von über 3.500 m2 „zubetoniert.“ Der Bebauungsplan widerspreche auch § 41 Stmk. ROG, weil im Bebauungsplan weder die bereits bestehende Zu- und Abfahrt zum Grundstück *** über die Bgasse, noch die auf dem Grundstück *** bereits existierenden Parkplätze (ca. 15 bis 20) eingezeichnet seien.

 

2.6. Die Beschwerdeführer beantragten, das Landesverwaltungsgericht Steiermark möge eine mündliche Verhandlung durchführen und zu dieser Herrn ao Univ.-Prof. DI Dr. O P, p.A. Ustraße, Edorf, als Zeugen laden, sowie in der Sache selbst erkennen und den angefochtenen Baubewilligungsbescheid des Stadtsenats der Landeshauptstadt Graz vom 14.06.2017, zu GZ: A17-BAB-061922/2016/0032 dahingehend abändern, dass der Antrag auf Bewilligung des gegenständlichen Bauvorhabens abgewiesen wird. In eventu wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

 

2.7. Weiters regten die Beschwerdeführer an, das Landesverwaltungsgericht Steiermark möge an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 135 Abs 4 iVm Art 89 Abs 2 B-VG und Art 139 Abs 1 B-VG einen Antrag auf Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 01.10.2015 wegen Gesetzwidrigkeit richten, mit der der 03.20.0 Bebauungsplan „Gstraße - R-W-Gasse – Bgasse – Lweg – Kgasse“ beschlossen worden sei.

 

 

3. Beschwerdegegenschrift

 

3.1. Im Schriftsatz vom 13.09.2017 tritt die Bauwerberin dem Beschwerdevorbringen hinsichtlich aller vorgebrachten Beschwerdegründe entgegen. Die Tiefgarageneinhausung sei nach § 13 Abs 4 Stmk. BauG nicht abstandsrelevant; es werde auf die Ergebnisse des erstinstanzlichen Bauverfahrens verwiesen (Außenwandfläche der Einhausung liege im Mittel bei 1,48 m – sohin unter 1,50 m). Die mittlere Höhe der Außenwandfläche ergebe sich im Detail aus den Einreichunterlagen, insbesondere dem Einreichplan "Untergeschoß, Tiefgarage" vom 03.02.2017. Der vorliegende Einreichplan biete eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für das geplante Bauvorhaben. Der Verlauf des Geländes sei umfassend und exakt vermessen worden (vgl. Vermessungsplan des Ziviltechnikerbüros Q R GmbH vom 23.03.2016). Die vermessenen Geländepunkte seien dem Einreichplan "Untergeschoß, Tiefgarage" zugrunde gelegt worden. Die belangte Behörde habe die Tiefgarageneinhausung in Bezug auf die Abstandsvorschriften auch richtig beurteilt. Das von den Beschwerdeführern zitierte Erkenntnis des VwGH vom 22.04.1999, 97/06/0220 sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil kein vergleichbarer Sachverhalt vorliege (wird näher ausgeführt). Daher sei der Anwendungsbereich des § 13 Abs 6 Stmk. BauG von vornherein nicht eröffnet.

 

3.2. Die geplanten Balkone des Wohngebäudes in gewöhnlichem Ausmaß seien nicht abstandsrelevant, es werde der erforderliche gesetzliche Grenzabstand eingehalten. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer seien die Balkone nach ihrem Gesamteindruck nicht massiv gefasst. Dies bestätige sich darin, dass die Balkone nicht überdacht seien, keine blickdichte, durchgehend geschlossene Balkonbrüstung, sondern eine durch Gitterstäbe aufgelockerte Balkonumrandung geplant sei, die Balkone im Verhältnis zur jeweils dahinterliegenden Gebäudeaußenwand nicht überwiegend in Erscheinung treten würden, und die Balkone im Obergeschoß nicht über die Balkone im Untergeschoß hervortreten würden. Es gäbe auch Ebenen, in denen überhaupt keine Balkone geplant seien (5. Obergeschoß, keine Balkongeländer im Erdgeschoß). Daher könne von vornherein keine frontbildente Wirkung entstehen.

 

3.3. Aus dem Betrieb der Tiefgarage seien keine unzumutbaren Immissionen zu erwarten. Das geplante Bauvorhaben befinde sich laut gültigem Flächenwidmungsplan der Stadt Graz im "allgemeinen Wohngebiet". Tiefgaragen seien in Wohngebieten schlechthin zulässig. Immissionen, die – wie im vorliegenden Fall – von einer dem Stand der Technik entsprechenden Tiefgaragenzu- und Abfahrt zu erwarten seien, seien jedenfalls für ein Wohngebiet typisch, zumutbar und durch die Beschwerdeführer hinzunehmen. Hinzu komme, dass laut rechtskräftigem Bebauungsplan bis zu 65 PKW-Stellplätze (nicht nur wie geplant 61) zulässig errichtet werden könnten (§ 7 des Bebauungsplanes).

 

3.3.1. Die konkret zu erwartenden Immissionen aus dem Bauvorhaben seien bereits mehrfach umfassend sachverständig beurteilt worden. Sowohl im Bebauungsplanverfahren als auch Baubewilligungsverfahren seien detaillierte luft- und schalltechnische Gutachten zur Abklärung der durch den PKW-Tiefgaragenverkehr zu erwartenden Immissionen eingeholt worden. Sämtliche Gutachten seien einhellig und übereinstimmend zum Ergebnis gelangt, dass aus immissionstechnischer Sicht "keine Bedenken gegen das Bauvorhaben" bestünden.

 

3.3.2. Die Gutachten selbst würden keine relevanten Mängel aufweisen. Zahlreiche der von den Beschwerdeführern geäußerten Bedenken gegen die vorliegenden Gutachten (so u.a. auch jene gegen die gewählten Messstellen) ließen sich – wie dies auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid beispielhaft aufgezeigt habe – bereits aus den eingeholten immissionstechnischen und lufttechnischen Gutachten selbst rasch und unkompliziert ausräumen. Auch das im Auftrag der Beschwerdeführer erstattete Privatgutachten des ao Univ.-Prof. Dr. O P sei nicht geeignet, die Schlüssigkeit der zweifach geprüften lufttechnischen Gutachterergebnisse zu widerlegen (wird näher ausgeführt). Den schalltechnischen Gutachten der Dr. K L GmbH seien die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

 

3.4. Mit dem Vorbringen zur behaupteten Rechtswidrigkeit des 03.20.0 Bebauungsplans "Gstraße – R-W-Gasse – Bgasse – Lweg – Kgasse" der Stadt Graz, A14-053825/2014, hätten die Beschwerdeführer weder eine Verletzung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten behauptet, noch eine Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplanes aufgezeigt (wird näher ausgeführt). Vor diesem Hintergrund ergebe sich auch keine Veranlassung zu einer gerichtlichen Verordnungsprüfung. Die Bauwerberin beantragte, das Landesverwaltungsgericht Steiermark möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde zurück- bzw. abweisen.

 

4. Ermittlungsverfahren und Projektänderung

 

4.1. Das Ermittlungsverfahren hat sich auf jenes Beschwerdevorbringen zu beschränken, das einen Bezug zu den Nachbarrechten gemäß § 26 Abs 1 Stmk. BauG aufweist.

 

4.2. In der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2017 wurde das eingereichte Bauvorhaben in Hinblick auf das Beschwerdevorbringen mit den Verfahrensparteien erörtert. Die der Baubewilligung zu Grunde liegende bautechnische Beurteilung und die beiden Gutachten der Dr. K L GmbH vom 17.01.2017 wurden von den, dem Verfahren beigezogen Amtssachverständigen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung aus den Bereichen Bautechnik (DI S T), Immissionstechnik (Mag. U V) und Schalltechnik (Ing. W X) einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Den Lärmeinwand betreffend die Garagenentlüftung nahmen die Beschwerdeführer zurück; hinsichtlich des Lärmeinwandes betreffend das Garagentor (Quietschens und Knarren) war darauf hinzuweisen, dass das Garagentor dem Stand der Technik zu entsprechen hat, und eine Wartungsplicht besteht. Die Bauwerberin reichte den Plan, „Detail Geländer mit Sprießel“ datiert mit 05.12.2017, betreffend die Ausführung der Geländer, und eine Darstellung des geplanten Garageneinfahrtstores als Projektkonkretisierung nach.

 

4.2.1. Zu den noch offenen Themenbereichen war als Zwischenergebnis der Verhandlung festzustellen, dass

- die der Liegenschaft der Beschwerdeführer zugewandte Außenwandfläche der Tiefgarageneinhausung im Mittel nicht mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände liegt;

- es durch die geplanten 61 Tiefgaragenplätze unter Zugrundelegung der anzusetzenden maximalen Wechselzahlen (119 PKW-Fahrbewegungen im Tageszeitraum, 20,5 PKW-Fahrbewegungen im Abendzeitraum, 10 PKW-Fahrbewegungen im Nachtzeitraum, und 5,5 PKW-Fahrbewegungen in der ungünstigsten Nachtstunde von 22:00 bis 23:00 Uhr) zu einer Anhebung des IST-Maßes (Mittelwert) um aufgerundet 1 dB (von 52 dB auf 52,6 dB) kommt; und

- dass betreffend die Luftschadstoffe PM10 (Feinstaub) und NO2 (Stickstoffdioxid), Zusatzbelastungen an der Nachbargrenze in der Größenordnung von rund 0,4 mg/m3 PM10 und etwas über 1 mg/m3 NO2 im Jahresmittel zu erwarten sind, wobei die für PM10 errechnete Zusatzbelastung aufgrund der Grundbelastung in G als relevant im Sinne von „erheblich“ anzusehen ist.

 

4.3. Aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2017 gab die Bauwerberin mit dem Schriftsatz vom 17.04.2018 eine Projektänderung bekannt; die Projektänderung lautet wie folgt:

 

„Die Einfahrtsituation zur Tiefgarage wird insofern geändert, als dass die Einhausung bei der abgewandten Seite des Beschwerdeführers nach Westen verschwenkt wird. Die Einfahrt wird im Inneren der Einhausung weiter vom Grundstück des Beschwerdeführers abgerückt . Das gesamte Erscheinungsbild der dem Grundstück des Beschwerdeführers zugewandten Außenwandfläche der Tiefgarageneinhausung bleibt unverändert .

 

In der Tiefgarage sind (wie bereits im ursprünglichen, in erster Instanz genehmigten Bauvorhaben) 61 Stellplätze für PKW mit Verbrennungsmotoren geplant. Wie in der ursprünglichen Einreichung sind nach wie vor keine Besucherparkplätze vorgesehen. Die geplanten PKW-Stellplätze in der Tiefgarage werden von den Bewohnern (zum Teil als Abstellplätze für Zweitfahrzeuge) genutzt werden.“

 

4.3.1. Dem Schriftsatz wurden zwei Sachverständigengutachten der Dr. K L GmbH, beide datiert mit 16.04.2018, beigelegt; in den Gutachten werden die immissionstechnischen Auswirkungen der Projektänderung auf die Nachbargrenze beschrieben. Gleichzeitig legte die Bauwerberin Änderungs- und Austauschpläne („Untergeschoß Tiefgarage“, „Erdgeschoß“ und „Lageplan“, verfasst von der I J GmbH, datiert mit 13.04.2018) vor.

 

4.3.2. Im Einreichplan „Untergeschoß, Tiefgarage“ stellt sich die geänderte Einfahrtssituation wie folgt dar:

 

[Bild durch Evidenzbüro auf Grund von personenbezogenen Daten entfernt.]

 

4.3.3. In der Stellungnahme zur Projektänderung 28.05.2018 wendeten die Beschwerdeführer eine wesentliche Änderung des bisherigen Projektes ein. Darüberhinaus wiederholten sie ihr bisheriges Vorbringen und ihre Anträge im Beschwerdeschriftsatz (vgl. 2.). Die ihrem Grundstück zugewandte Außenwandfläche der Tiefgarageneinhausung halte nach wie vor den Grenzabstand von mindestens 3 m nicht ein. Die Dr. K L-Gutachten vom 16.04.2018 würden die bereits aufgezeigten, und auch neue Mängel aufweisen, weshalb auch diese Gutachten keine verlässliche Beurteilungsgrundlage bieten könnten. Die Beschwerdeführer wären weiterhin bereit, die bereits mehrmals angesprochene Projektvariante zur Tiefgaragenzu- und Abfahrt (Zurückversetzen des Einfahrtsbereiches auf die Höhe der Garage der Beschwerdeführer samt Schallschutzelement entlang der Grundgrenze) mit der Bauwerberin mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung zu erörtern. Diese alternativen Lösungsvorschläge seien von der Bauwerberin bislang allerdings ohne klar erkennbare Gründe ignoriert worden.

 

4.3.4. In der Gegenäußerung vom 26.07.2018 brachte die Bauwerberin (zutreffend) vor, dass es sich bei der Projektänderung um eine geradezu typische Änderung im Laufe eines Bauverfahrens als Folge gutachterlicher Beurteilung handle, die mit keiner wesentlichen Änderung des Bauvorhabens verbunden sei. Darüber hinaus werden das Vorbringen und der Antrag in der Beschwerdegegenschrift wiederholt (vgl. 3.).

 

4.4. In der Fortsetzungsverhandlung vom 02.08.2018 wurde mit den Verfahrensparteien die Frage der Abstandsrelevanz der Tiefgarageneinhausung vor dem Hintergrund des VwGH-Erkenntnisses vom 22.04.1999 erörtert, und die von den Beschwerdeführern vorgeschlagene Bauvariante (ohne Ergebnis) diskutiert. Die Amtssachverständigen aus den Bereichen Immissionstechnik (Mag. U V), Schalltechnik (Ing. W X) Bautechnik (DI S T) und Humanmedizin (Dr. Y Z) beurteilten auf Basis der Gutachten der Dr. K L GmbH vom 16.04.2018 die geänderte Tiefgaragenzu- und Abfahrt im Hinblick auf die zu erwartenden Lärm- und Schadstoffimmissionen an der Nachbargrundgrenze, bzw. deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus.

 

4.4.1. Die Bauwerberin änderte das Projekt noch dahingehend, dass die Höhe der Tiefgaragenrampe (Dachsaum über natürlichem Gelände) auf maximal 3 m abgesenkt wird. Die Änderung stellt sich im Einreichplan „Untergeschoß, Tiefgarage“ wie folgt dar:

 

[Bild durch Evidenzbüro auf Grund von personenbezogenen Daten entfernt.]

 

4.4.2. Weiters wurde von Bauwerberseite neuerlich festgehalten, das (entgegen der Projektangaben in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2017) keine Besucherparkplätze geplant sind; alle 61 Parkflächen in der Tiefgarage werden den Wohnungsnutzern zugeordnet.

 

5. Feststellungen

 

5.1. Die A B GmbH beabsichtigt auf den Grundstücken Nr. ***, ***, und ***, alle KG ***** Gdorf, die Errichtung eines mehrgeschossigen Wohngebäudes (Untergeschoß, Erdgeschoß, vier Obergeschoße) mit insgesamt 41 Wohneinheiten, sowie die Errichtung eine Tiefgarage mit insgesamt 61 KFZ-Abstellplätzen für die Bewohner im Untergeschoß des Wohnhauses. Die Tiefgarage wird durch eine Zu-und Abfahrt von der öffentlichen Verkehrsfläche R-W-Gasse erreicht.

 

5.2. Das Bauvorhaben stellt sich im Lageplan vom 13.04.2018 im Hinblick auf die Verteilung der Baumassen und die Nachbarliegenschaft wie folgt dar:

 

[Bild durch Evidenzbüro auf Grund von personenbezogenen Daten entfernt.]

 

5.3. Das Wohngebäude weist im Erdgeschoß und im 1. Obergeschoß eine Geschoßhöhe von 3,08 m, im 2. Obergeschoß 3,33 m, im 3. Obergeschoß 3,25 m, und im 4. Obergeschoß rund 2,73 m auf. Der Abstand des Wohngebäudes zur Grundgrenze mit dem Grundstück Nr. *** (Grundstück der Beschwerdeführer mit Hauptgebäude und Garage) beträgt in den drei unteren Geschoßen 5,28 m, und in den beiden obersten Geschoßen 7,05 m.

 

5.4. Zum Nachbargrundstück hin (Ansicht Süd) sind im ersten, zweiten und dritten Obergeschoß Balkone ausgeführt. Die Vorderkante der Balkone verläuft parallel zur Grundgrenze. Die Balkone sind im ersten und zweiten Obergeschoß zwischen 1,75 m im Nordosten, und rund 2,3 m im Südwesten tief. Die Länge der Balkone beträgt rund 25,23 m, wobei die Balkone auch gegen Nordosten und Südwesten auskragen. Die Sprießel der Balkongeländer in allen drei Geschoßen sind Flachstähle (schwarz) mit einer Breite von 10 mm und einer Tiefe von 60 mm; der Achsabstand beträgt 11 mm. Der Handlauf besteht auch aus Flachstahl der gleichen Abmessung wie die Sprießel. In den ersten beiden Obergeschoßen ist die Stirnseite der Balkonplatten 39,5 cm, im dritten Obergeschoß 67 cm stark. Die Geländerkonstruktion reicht 14 cm unter die Unterkante der auskragenden Balkone. In den jeweiligen Geschoßen sind zwei Wohnungen – getrennt durch einen Sichtschutz am Balkon – angeordnet. Die blickdichten Sichtschutzwände sind rund 1,56 m breit und rund 2 m hoch; sie sind (ausgenommen an der Oberseite) von der Fassade, dem Boden, bzw. dem Geländer mit einem Abstand von rund 5 cm ausgeführt. Die dahinterliegende Gebäudefront mit rund 21,10 m Länge besteht beinahe durchgehend aus einer Stahl-Glas-Konstruktion mit teilweise Füllungen.

 

 

(Plan „Detail Geländer mit Sprießel“, datiert mit 05.12.2017, Systembild Wettbewerb, Ansicht SÜD)

 

5.4.1. Der Balkonfrontanteil beträgt 17,8 %, der Flächenanteil an erkennbarer dahinterliegender Gebäudefront 82,2 %. An der Grundgrenze der Beschwerdeführer zum Wohngebäude hin wird bei einer angenommenen Betrachtungshöhe von 1,6 m bis 1,7 m die Gebäudefront des ersten Obergeschoßes noch klar, jene des zweiten Obergeschoßes zum Teil erkennbar sein. Die Gebäudefront des dritten Obergeschoßes wird verdeckt werden, und die Gebäudefront des vierten Obergeschoßes zu einem kleinen Teil sichtbar sein. Bei zunehmend schräger Betrachtung des Wohngebäudes wird sich das Erscheinungsbild verändern. Durch die Stabtiefe des Geländers von 6 cm und die lichte Breite von 11 cm tritt ein Lamellen-Effekt ein, welcher bei rund 61 Grad Einblickwinkel zu einem geschlossenen Bild führen wird. Ab diesem Betrachtungswinkel zum Wohngebäude von rund 61 Grad bis 90 Grad verschleifend wird der Anteil der blickdichten Flächen pro Laufmeter 42,2 % betragen. Die dahinterliegende Gebäudefront wird immer noch überwiegend in Erscheinung treten.

 

5.5. Die allseitig eingehauste und zweispurig zu befahrende Tiefgaragenzu- und Abfahrt (getrennte Ein- und Ausfahrt) befindet sich in der R-W-Gasse unmittelbar an der Grenze des Grundstückes Nr. *** (vgl. Schnitt D-D); die Tiefgaragenzu- und Abfahrt verläuft parallel zum Grundstück Nr. *** der Beschwerdeführer. Das aus Stahlbeton bestehende Bauwerk tritt rund 35 m von der Dr. R-W-Gasse entfernt im Bereich der Garage am Grundstück Nr. *** aus dem Gelände hervor (vgl.5.2 .). Der Abstand des Bauwerkes von der Nachbargrenze beträgt durchgehend 1,25 m.

 

5.5.1. Im Einfahrtsbereich ist die Tiefgaragenzu- und Abfahrt um etwa 50 cm erhöht ausgeführt, um die etwa 5 m zurückversetzte Toranlage unterzubringen und den Hohlraum für schallabsorbierende Elemente zu schaffen. Das Bauwerk erreicht im Einfahrtsbereich eine Gebäudehöhe von maximal 3 m (vgl.4.4.1 .). Im Bereich zwischen Einfahrt und Toranlage beträgt das Gefälle weniger als 5 %; die Rampe selbst weist ein Gefälle von weniger als 8 % auf. Über die gesamte Rampe hin ist unmittelbar an den beiden Wänden und an der Decke schallabsorbierendes Material angebracht. Die Geschoßhöhe liegt in allen Bereichen unter 3 Meter (im unmittelbaren Einfahrtsbereich rund 2,57 m, im Bereich unter der Decke des montierten Rolltores max. 2,80m, im Bereich zwischen Rolltor und ebener Tiefgarage von 2,38 m). Die Tiefgaragenzu- und Abfahrt weist durchgehend eine Raumhöhe von 2,30 m auf. Nach der Rampe schließt das Bauwerk an die Tiefgarage an.

 

5.5.2. Die dem Grundstück der Beschwerdeführer zugewandte Außenwandfläche über dem natürlichen Gelände beträgt (unter Berücksichtigung der Projektänderung vom 02.08.2018) 47,363 m², die Länge der Außenwandfläche über dem natürlichen Gelände 36,353 m. Die Außenwandfläche liegt im Mittel 1,303 m über dem natürlichen Gelände.

 

5.5.3. Zum Öffnen der Toranlage werden die Bewohner der Anlage über ein technisches Gerät verfügen, mit dem das Garagentor per Funk geöffnet werden kann, sodass der Einbiegevorgang inkl. Öffnung des Garagentors zügig von Statten geht.

 

5.6. Der laut ÖNORM S 5021 für das allgemeine Wohngebiet vorgegebene Planungsrichtwert für zulässige Schallimmissionen (für den Zeitraum Tag zwischen 06.00 Uhr und 19.00 Uhr 55 dB, für den Zeitraum Nacht zwischen 19.00 Uhr und 22.00 Uhr 50 dB, und für den Zeitraum Nacht zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr 45 dB) wird im Abend- und Nachtzeitraum bereits durch die bestehende IST-Situation (52 dB bzw. 49 dB) überschritten (vgl. 24 Stunden-Schallpegelmessung vom 16.03.2015, 12.00 Uhr bis 17.03.2015, 13.00 Uhr der Dr. K L GmbH).

 

5.7. Der für die zu erwartenden Schallimmissionen aus der Einfahrt/Ausfahrt zur Tiefgarage relevante Immissionspunkt an der Grundgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführer ist der IP 2, auf den sich die folgenden Feststellungen beziehen.

 

[Bild durch Evidenzbüro auf Grund von personenbezogenen Daten entfernt.]

 

(Darstellung im Gutachten der Dr. K L GmbH „Lärm“ vom 16.04.2018)

 

5.8. Durch die Verbreiterung des Portalbereiches und Verlegung der Tiefgaragenzu und Abfahrt nach Südwesten (Projektänderung vom 17.04.2018) werden schallmindernde Effekte erzielt, mit dem Ergebnis, das durch die bestimmungsgemäße Nutzung der Tiefgaragenzu- und Abfahrt auch unter Zugrundelegung der maximalen Wechselzahlen aus der Bayrischen Parkplatzlärmstudie in der Tabelle 33 (119 PKW-Fahrbewegungen im Tageszeitraum, 28 PKW-Fahrbewegungen im Abendzeitraum, 10 PKW-Fahrbewegungen im Nachtzeitraum, und 6 PKW-Fahrbewegungen in der ungünstigsten Nachtstunde von 22 Uhr bis 23:00 Uhr) der Planungsrichtwert für den Beurteilungszeitraum Tag an der Nachbargrenze eingehalten werden kann, und der bereits durch die vorherrschende Situation überschrittene Planungsrichtwert in den Zeiträumen Abend und Nacht – auch unter Einbezug allenfalls auftretender Wartezeiten innerhalb der Tiefgaragenzu-und Abfahrt vor dem Garagentor – nicht weiter angehoben wird.

 

5.9. Die Schallpegelspitzen aus den Fahrbewegungen werden an der Nachbargrenze in allen Beurteilungszeiträumen einen prognostizierten Wert von 59 dB erreichen. Dieser Wert liegt deutlich unter jenen Schallpegelspitzen, die bei der Messung der IST-Situation an der Nachbargrenze erhoben worden sind (im Tagzeitraum von 66,6 bis 79,3 dB, im Arbeitszeitraum von 67,8 bis 77,9 dB, im Nachtzeitraum von 66 und 75,2 dB). Gleichzeitig kann der aus den WHO-Guidelines medizinisch abgeleitete Richtwert für Schallpegelspitzen in der Höhe von 60 dB eingehalten werden.

 

5.10. Durch die Aufweitung des Portalbereiches der Tiefgaragenzu- und Abfahrt verschleppen sich auch die projektbedingten Schadstoffimmissionen Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10) nach Südwesten, wodurch gegenüber dem ursprünglichen Projekt auch eine Verminderung der Luftschadstoffe an der Nachbargrenze erreicht wird. Auch bei einem konservativen Ansatz der angenommenen Stellplatzwechsel laut Tabelle 33 der Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz mit täglichen Fahrbewegungen von 157 pro Tag werden sich die zusätzlichen Schadstoffimmissionen aus dem Kfz-Verkehr an der Nachbargrenze auf maximal 0,13 µg PM10/m³ und 0,51 µg NO2/m³ im Jahresmittel belaufen.

 

5.10.1. Nachdem das Stadtgebiet von Graz gemäß Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011 (LGBl. Nr.2/2012, i.d.F. LGBl. Nr.11/2018) als Sanierungsgebiet für Stickstoffdioxid NO2 und Feinstaub PM10 ausgewiesen ist, sind unter Heranziehung des Schwellenwertkonzeptes des Immissionsschutzgesetzes-Luft (BGBl. I Nr.115/1997, i.d.F. BGBl. I Nr.58/2017 - IG-L) lediglich Zusatzimmissionen zulässig, die hinsichtlich ihrer Höhe als irrelevant angesehen werden können.

 

5.10.2. Die Zusatzbelastung für PM10 von 0,13 µg PM10/m³ im Jahresmittel ist als irrelevant zu bezeichnen; das Irrelevanzkriterium für PM10 liegt bei 0,26 µg/m³ im Jahresmittel. Für den Schadstoff PM10 gilt ein Jahresmittelgrenzwert gemäß IG-L von 40 µg/m³. Ausgehend von der für PM10 anzusetzenden Vorbelastung von 23 µg/m³ ergibt sich unter Addition der Zusatzbelastung von 0,13 µg PM10/m³ im Jahresmittel eine rechnerische Gesamtbelastung von 23,13 µg/m³, die weit unter dem Jahresmittelgrenzwert von 40 µg/m³ liegt. Wenn die strengeren Grenzwerte für PM10 eingehalten werden, trifft dies auch auf PM2.5 zu.

 

5.10.3. Die Zusatzbelastung von 0,51 µg NO2/m³ ist eine relevante Zusatzbelastung nach dem Schwellenwertkonzept; die Irrelevanzschwelle ist mit 0,35 µg NO2/m³ im Jahresmittel definiert. Allerdings kann diese Relevanz insofern relativiert werden, als die NO2-Belastungen weit inhomogener verteilt sind als bei PM10, und für das Projektgebiet von einem Einhalten der Grenzwerte für NO2 in der Vorbelastung auszugehen ist. Unter Verwendung der aus dem Immissionskataster berechneten Vorbelastung von maximal 30 μg/m³ NO2 ist bei Addition der errechneten Zusatzbelastungen von maximal 0,51 µg NO2/m³ von einer rechnerischen Gesamtbelastung von unter 31 μg/m³ NO2 im Jahresmittel auszugehen, wodurch der Jahresmittelgrenzwert für NO2 gemäß IG-L von 35 µg/m³ auch bei Realisierung des Bauvorhabens sicher eingehalten werden kann.

 

5.10.4. Aus der Einhaltung der oben dargestellten Grenzwerte nach dem IG-Luft ist abzuleiten, dass die dem Bauvorhaben zuzurechnenden Zusatzbelastungen für PM10 und NO2 an der Nachbargrenze keinen Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben werden.

 

5.11. Die örtliche Geruchssituation wird sich nicht verändern. Geruchsimmissionen im Zusammenhang mit der Nutzung der Tiefgaragenzu- und Abfahrt könnten an der Nachbargrenze – wenn überhaupt – nur in Ausnahmefällen, kurzzeitig und bei hohen spezifischen Emissionen (2-Takt-Motor, Oldtimer) wahrnehmbar sein.

 

6. Beweiswürdigung

 

6.1. Die Feststellungen zum Bauvorhaben (Wohngebäude und Tiefgaragenzu- und Abfahrt) ergeben sich aus der Baubeschreibung, den Einreichunterlagen und deren Darstellung durch den bautechnischen Amtssachverständigen in den mündlichen Verhandlungen vom 11.12.2017 und 02.08.2018. Auf die beweisbildenden Planunterlagen wurde im Text verwiesen, bzw. wurden sie auch auszugsweise dargestellt.

 

6.2. Die Feststellungen zur Außenwandfläche der dem Grundstück der Beschwerdeführer zugewandten Tiefgaragenzu- und Abfahrt, bezogen auf die Bestimmung des § 13 Abs 4 Stmk. BauG, basieren auf den Ausführungen und Berechnungen des bautechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2017 („Die Höhenmesspunkte im Vermesserplan liegen nahe dem Bereich der geplanten Außenwandfläche der Tiefgaragenabfahrt. Diese Höhenmesspunkte finden sich ident im Schnitt D-D wieder. (...) Gemäß den Begriffsbestimmungen des Stmk. BauG reicht ein Geschoß von der Fußbodenoberkante bis zur Fußbodenoberkante des darüber liegenden Geschoßes oder von der Fußbodenoberkante bis zur Unterfläche des Daches. Aus bautechnischer Fachsicht wird die Unterfläche des Daches mit der Unterkante der Stahlbetonkonstruktion der Tiefgaragenabfahrt angenommen und daher die Außenwandfläche des Geschoßes auch mit dieser Oberkante gerechnet. In der Baubeschreibung bzw. in der Gegenschrift ist von einem Mittel von 1,48 m über dem natürlichen Gelände die Rede. Hier wurde offensichtlich als obere Bezugsgrenze des Geschoßes der Dachsaum herangezogen. Anhand der vom Planer zu Verfügung gestellten digitalen Planunterlangen kann die Außenwandfläche des Geschoßes über dem natürlichen Gelände mit 47,986 m² ermittelt werden, die Länge des Bauwerkes über dem natürlichen Gelände beträgt 36,355 m. Somit liegt die Außenwandfläche des Geschoßes im Mittel 1,32 m über dem natürlichen Gelände.“), auf die vom Amtssachverständigen dargelegten Grundlagen seiner Berechnung (Beilage ./A zur VHS vom 11.12.2017), und auf seine ergänzende Berechnung vom 21.08.2018, die im Hinblick auf die Projektänderung von 02.08.2018 vorzunehmen war. Durch die Herabsetzung der Gebäudehöhe im Einfahrtsbereich auf 3 m (vgl. 4.4.1.) hat sich auch die Fläche der Außenwand – und damit auch das Mittel über dem natürlichen Gelände – geringfügig von 1,32 m auf 1,303 m verändert.

 

6.2.1. Bei der Berechnung hat der ASV berücksichtigt, dass die Außenwandfläche die geometrische Form eines Polygons aufweist, weil das natürliche Gelände nicht eben und der Einfahrtsbereich erhöht ausgeführt ist. Er hat das Polygon in geometrische Teilflächen zerlegt und ein arithmetisches Mittel der mittleren Teilhöhen der Teilflächen (Dreieck und Vierecke) über die Länge gewichtet, gebildet (mittlere Teilhöhen x Einzellängen, daraus die Summe : durch Gesamtlänge). Diese Mittelwertbildungsmethode gewährleitet, dass die sich aus der Mittelung ergebende bandförmige Äquivalenzfläche gleicher Höhe über dem natürlichen Gelände flächengleich ist mit dem Ausgangspolygon.

 

6.2.2. Mit ihrem Einwand, es wäre nicht das geometrische Mittel eines „Dreieckes“, sondern vielmehr das jeweilige Mittel der einzelnen geometrischen Figuren im Polygon zu berechnen gewesen (was im Übrigen als Zwischenschritt auch geschehen ist), vertreten die Beschwerdeführer die Ansicht, dass bei der Berechnung nach § 13 Abs 4 Stmk. BauG nicht auf die gesamte Außenwandfläche, sondern auf einzelne Teilflächen des Polygons abzustellen wäre. Diese Argumentation würde weitergedacht dazu führen, dass dann, wenn zumindest eine Teilfläche der Außenwandfläche im Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände liegt (was hier im Einfahrtsbereich der Fall wäre), das Geschoß als abstandsrelevant heranzuziehen wäre. Diese Betrachtungsweise findet allerdings im Gesetz keine Deckung. Nach § 13 Abs 4 Stmk. BauG ist das Mittel der Außenwandfläche der jeweiligen Gebäudefront zu bestimmen. Nachdem der oberirdische Teil der Tiefgarageneinhausung zum Grundstück der Beschwerdeführer hin nur eine einheitliche und ebenmäßige Gebäudefront (ohne flächenparallele Versetzungen oder einen Knick in der Fläche) bildet, ist die Außenwandfläche dieser einen Gebäudefront auch einheitlich (und nicht aufgeteilt in geometrische Teilflächen) zu beurteilen.

 

6.3. Die Feststellungen zu den zu erwartenden Immissionen aus dem Kfz-Verkehr im Bereich der geplanten Tiefgaragenzu- und Abfahrt waren anhand der gutachtlichen Ausführungen des immissionstechnischen und schalltechnischen Amtssachverständigen in den mündlichen Verhandlungen vom 11.12.2017 und 02.08.2018 zu treffen.

 

6.3.1. Dabei konnten sich die Amtssachverständigen auf die von der Bauwerberin vorgelegten Gutachten der Dr. K L GmbH vom 16.04.2018 stützen, die als Grundlagen für die Beurteilung der zu erwartenden Veränderungen der örtlichen Verhältnisse geeignet waren, weil die von den Beschwerdeführern zu Recht aufgezeigten Mängel (und dazu bedurfte es keiner ergänzenden Befragung des ao Univ.-Prof. DI Dr. O P) in der Wahl der Messstellen sowie in der Dokumentation und Aufbereitung der Berechnungsvorgänge nicht zu einer Unbrauchbarkeit der Berechnungsergebnisse führten.

 

6.3.2. Der immissionstechnische Amtssachverständigen hat in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2017 eine schlüssige und nachvollziehbare Mängelbewertung vorgenommen. Der Amtssachverständige führte aus, dass die Messstation „Dach M N“ mit einer Messhöhe von 45 m für den Bezirk Gdorf in der Tat nur sehr bedingt als repräsentativ anzusehen sei. Allerdings sei das übergeordnete Windfeld für die relevanten Fragestellungen eher von untergeordnete Bedeutung, da sich das Projekt in einem stark verbauten Bereich befinde und das lokale bodennahe Windfeld stärker von den Baukörpern moduliert werde als von der übergeordneten Strömung beeinflusst. Auch sei die Verwendung der Messstelle Ost zur Abschätzung der Luftschadstoffvorbelastung nicht die nächstgelegene Luftgütemessstelle des Landes. Aufgrund der dortigen relativ hohen Belastung könne sie allerdings als konservativer Ansatz akzeptiert werden. Generell sei die numerische Abschätzung der Vorbelastung ohnedies nur für den Schadstoff Stickstoffdioxid von Bedeutung, da für Feinstaub-PM10 hinsichtlich des Tagesmittelgrenzwertes gemäß IG-L ohnedies bereits in der Vorbelastung von einer Überschreitung der Vorgaben auszugehen sei. Für Stickstoffdioxid würden die Modellierungen des Immissionskataster Steiermark für den straßennahen Bereich der R-W-Gasse einen NO2-Jahresmittelwert von max. 30 μg/m³ ergeben, der gut mit den Messwerten an der Messstelle G Ost korrespondieren würde. Letztendlich wären auch zur Ausbreitungsrechnung ergänzende Ausführungen zu den verwenden Ausbreitungsklassen, zu einzelnen Emissionseingangsfaktoren sowie Angaben zu den Berechnungsparametern des verwendeten Modells MISKAM wünschenswert gewesen. Die Dokumentationsmängel hätten die Nachvollziehbarkeit der Gutachtensergebnisse erschwert, jedoch nicht verunmöglicht.

 

6.3.3. Die von den Beschwerdeführen eingeforderte schalltechnische Berücksichtigung von Immissionen von KFZ-Fahrzeugen innerhalb der Tiefgaragenzu- und Abfahrt vor der Toranlage, die aufgrund von Wartezeiten entstehen könnten, führt zu keiner anderen Gesamtbeurteilung, weil diese Immissionen keinen nennenswerten Beitrag zu den zu erwartenden Gesamtimmissionen leisten. In diesem Zusammenhang ist auf die Ausführungen des schalltechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2017 zu verweisen, die sich noch auf die für die Beschwerdeführer ungünstigere Einfahrtssituation vor Projektänderung, und auf 10 Besucherparkplätze beziehen (vgl. VHS vom 11.12.2017, Seite 14).

 

6.3.4. Der Vorhalt der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2018, wonach die Annahme einer durchschnittlichen Wartezeit von 10 Sekunden vor dem Garagentor einer Überprüfung nicht standgehalten hätte (Eigenversuche der Beschwerdeführer hätten ergeben, dass man es in 10 Sekunden nicht schaffe, ein nicht näher bekanntes Tiefgaragentor bis zum vollständigen Öffnen des Tores und der Freigabe der Einfahrt, dafür würden 22 Sekunden benötigt werden) bezieht sich auf eine Annahme des Amtssachverständigen zu nicht mehr projektierten Besucherparkplätzen. Jedenfalls wird im schalltechnischen Gutachten der Dr. K L GmbH vom 16.04.2018 ein typischer Vorgang beim Befahren einer Rampe zu einer Tiefgarage und die mit einem solchen Vorgang verbundenen Emissionen beschrieben. Die Emissionsansätze erfolgten entsprechend der Bayrischen Parkplatzlärmstudie, die eine taugliche Grundlage für die Berechnung von Schallemissionen aus Tiefgaragen liefert (vgl. auch Ausführungen des schalltechnischen ASV, VHS vom 02.08.2018, Seiten 6f).

 

6.4. Den beweisbildenden, schlüssigen und nachvollziehbaren gutachtlichen Ausführungen der Amtssachverständigen in den Verhandlungen vom 11.12.2017 und 02.08.2018 sind die Beschwerdeführer inhaltlich nicht entgegengetreten.

 

7. Rechtliche Grundlagen

 

Die einschlägigen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59/1995, in der jeweils geltenden Fassung (LGBl. Nr. 29/2014, LGBl. Nr. 61/2017, LGBl. Nr. 34/2015) lauten auszugsweise:

 

„§ 19

Baubewilligungspflichtige Vorhaben

 

Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:

1.Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen sowie größere Renovierungen (§ 4 Z 34a)

2. (…)

3. die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von Abstellflächen für Kraftfahrzeuge, Garagen und Nebenanlagen;

4.(…)“

 

„§ 4:

Begriffsbestimmungen

 

Die nachstehenden Begriffe haben in diesem Gesetz folgende Bedeutung:

(…)

Z 18: Bebauungsweise: Verteilung der Baumassen auf dem Bauplatz in Bezug auf den Bauplatzgrenzen

a) offene Bebauungsweise:

- allseits freistehende bauliche Anlagen oder

- einseitig an die Grenze angebaute bauliche Anlagen;

b) gekuppelte Bebauungsweise: an einer Grenze aneinandergebaute bauliche Anlagen;

c) geschlossene Bebauungsweise: an mindestens zwei Grenzen aneinander gebaute bauliche Anlagen;

(…)

Z 29: Gebäude: überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene Bauwerke;

(…)

Z 30: Gebäudefront: Außenwandfläche eines Gebäudes ohne vorspringende Bauteile, wie z. B. Balkone, Erker, Vordächer jeweils in gewöhnlichen Ausmaßen; an Gebäudeseiten ohne Außenwände gilt die Vertikalebene entlang des Dachrandes als Gebäudefront;

(…)

Z 33: Gesamthöhe eines Gebäudes: der vertikale Abstand zwischen dem tiefsten Punkt der Geländeverschneidung (natürliches Gelände) mit den Außenwandflächen und der höchsten Stelle des Gebäudes, wobei kleinvolumige Bauteile, wie Rauchfänge, Rohraufsätze u. dgl., unberücksichtigt bleiben;

(…)“.

Z 34: Geschoß: Gebäudeabschnitt zwischen den Oberkanten der Fußböden übereinanderliegender Räume oder lichter Abschnitt zwischen der Oberkante des Fußbodens und der Unterfläche des Daches, wenn die jeweils geforderte Raumhöhe erreicht wird. Gebäudeabschnitte, die zueinander bis einschließlich der halben Geschoßhöhe versetzt sind, gelten als ein Geschoß;

(…)

Z 45: Nachbargrenze: Grenze zwischen Grundstücken verschiedener Eigentümer; (…).“

 

„§ 13

Abstände

 

(1) (…)

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muss von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschoße, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) (...)

(4) Als Geschoße in der jeweiligen Gebäudefront sind jene anzurechnen,

- die eine Mindestraumhöhe von 2,10 m aufweisen und

- deren Außenwandfläche im Mittel mindestens 1,50 m hoch über dem natürlichen Gelände liegt.

(5) Nicht als Geschosse anzurechnen sind an der

- Traufenseite: Dachgeschosse bzw. für Aufenthaltsräume ausbaufähige Dachböden, sofern die Höhe eines allfälligen Kniestockes 1,25 m nicht übersteigt und die Dachneigung nicht mehr als 70 Grad beträgt;

- Giebelseite: das unterste Dachgeschoß bzw. der unterste für Aufenthaltsräume ausbaufähige Dachboden, sofern die Höhe eines allfälligen Kniestockes 1,25 m nicht übersteigt und die Dachneigung nicht mehr als 70 Grad beträgt.

(6) Bei Gebäuden oder Gebäudeteilen ohne die übliche Geschoßeinteilung oder mit Geschoßhöhen von über 3,0 m ist die Abstandsermittlung unter Zugrundelegung einer fiktiven Geschoßeinteilung mit einer Höhe von 3,0 m an jeder Gebäudeecke über dem natürlichen Gelände vorzunehmen. Restgeschoßhöhen von mehr als 1,5 m sind als Geschoß anzurechnen.

(…)

(12) Lässt der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine unzumutbare oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarn erwarten oder ist dies zum Schutz des Ortsbildes erforderlich, hat die Behörde größere Abstände vorzuschreiben. Zu den unzumutbaren oder das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen zählen jedenfalls nicht Geräuscheinwirkungen von Kinderspielplätzen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen für Schulpflichtige oder ähnlichen Anlagen.

(…).“

 

„§ 26

Nachbarrechte

 

(1) 4.2. Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

2. die Abstände (§ 13);

3. den Schallschutz (§ 77 Abs 1)

4. die brandschutztechnische Ausführung der Außenwände von Bauwerken an der Nachbargrenze (§ 52 Abs 2)

5. die Vermeidung einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung bzw. unzumutbaren Beeinträchtigung (§ 57 Abs 2, § 58, § 60 Abs 1, § 66 zweiter Satz und § 88)

6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs 6).“

 

 

8. Rechtliche Beurteilung – Grenzabstand und Wohngebäude

 

8.1. Das fünfstöckige Wohngebäude hält den gesetzlichen Grenzabstand nach § 13 Abs 2 Stmk. BauG zur Nachbargrenze von 5 m bzw. 7 m ein.

 

8.2. Die Ansicht der Beschwerdeführer, die Balkone in der ihrem Grundstück zugewandten Gebäudefront seien so „mächtig“, dass sie als „vorgeschobene Gebäudefront“ in Erscheinung treten würden, kann aus nachstehenden Gründen nicht geteilt werden:

 

8.3. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass in § 4 Z 30 Stmk. BauG 1995 weder absolute Maße normiert sind, mit welchen solche Bauteile in den Grenzabstand ragen dürfen, noch konkrete relative Maße, beispielsweise die Abmessung solcher Bauteile im Verhältnis zu einer Höhe oder Länge der Gebäudefront. Die Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Bauteilen ist nach den Umständen des Einzelfalles zu ziehen. Dabei ist insbesondere auf die Dimensionen des Bauteiles in Relation zur Gebäudefront abzustellen (vgl. etwa VwGH vom 10.04.2012, 2012/06/0021).

 

8.4. Im vorliegenden Fall beträgt die Relation zwischen Balkonfrontanteil und dahinterliegender Gebäudefront in Stahl-Glas-Konstruktion 17,8 %, zu 82,2 %, wobei selbst bei Eintritt des unter 5.4.1. beschriebenen Lamellen-Effektes die dahinterliegende Gebäudefront noch immer überwiegend (mehr als 50 %) in Erscheinung treten wird. Nicht zuletzt zeigt das unter 5.4. dargestellte Erscheinungsbild der Gebäudefront des Wohngebäudes zum Nachbargrundstück hin, dass die Balkone nicht als „vorgeschobene Gebäudefront“ wahrgenommen werden. Die Balkone sind noch als "vorspringende Bauteile im gewöhnlichen Ausmaß" nach § 4 Z 30 BauG anzusehen, deren Ausgestaltung nicht in den Schutzzweck des § 13 Abs 2 Stmk. BauG – Sicherstellung einer gehörigen Belichtung und Belüftung der Gebäude – eingreift.

 

9. Rechtliche Beurteilung – Grenzabstand und Tiefgaragenzu- und Abfahrt

 

9.1. Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 13 Abs 2 Stmk. BauG ist, dass der Tiefgaragenrampe Gebäudeeigenschaft zukommt. Ob Tiefgaragenrampen als Gebäude, als Gebäudeteil oder als vorgeschobene Gebäudefront zu qualifizieren sind, hängt wiederum von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. etwa VwGH vom 22.02.2012, 2011/06/0193).

 

9.2. Die Gebäudeeigenschaft im Sinne des § 4 Z 29 Stmk. BauG ist zu bejahen. Die gänzlich eingehauste Tiefgaragenzu- und Abfahrt ist im oberirdischen Teil als selbstständiges Gebäude oder zumindest als Gebäudeteil der Tiefgarage zu qualifizieren, das/der in offener Bebauungsweise nach § 4 Z 18 lit a Stmk. BauG errichtet wird. Das oberirdische Bauwerk bildet daher an der, der Nachbargrenze zugewandten Seite eine Gebäudefront im Sinne des § 4 Z 30 Stmk. BauG. Damit kommen grundsätzlich die auf Gebäude anzuwendenden Abstandsvorschriften des § 13 Abs 2 Stmk. BauG zum Tragen.

 

9.3. Die eingehauste Tiefgaragenzu- und Abfahrt bildet auch ein eigenständiges und getrennt von der Tiefgarage zu beurteilendes Geschoß im Sinne des § 4 Z 34 Stmk. BauG aus. Mit der Raumhöhe von 2,30 m wird die nach der OIB-Richtlinie 3, Ausgabe März 2015, Punkt 11.3.1. erforderliche lichte Raumhöhe (für nicht als Aufenthaltsräume dienenden Räumen) von mindestens 2,10 m erreicht.

 

9.4. Für die Abstandsthematik ist nur der aus dem Gelände hervortretende oberirdische Teil des Geschoßes relevant.

 

9.5. Zur Frage, ob dieses teilweise über das natürliche Gelände hervortretende Geschoß abstandsrelevant oder nicht, nehmen die Verfahrensparteien unterschiedliche Rechtspositionen ein. Die Beschwerdeführer vertreten, gestützt auf das Erkenntnis des VwGH vom 22.04.1999, 97/06/0220, die Auffassung, dass das über dem natürlichen Gelände hervortretende Geschoß – entweder unter Anwendung der Vorschrift des § 13 Abs 4 Stmk. BauG oder unter Anwendung der Vorschrift des § 13 Abs 6 Stmk. BauG – bei der Berechnung des Grenzabstandes anzurechnen sei. Die Bauwerberin vertritt hingegen den Standpunkt, dass die Tiefgaragenzu- und Abfahrt keine unübliche Geschoßeinteilung aufweise, weshalb sie auch nur nach den Berechnungsvorschriften des § 13 Abs 4 Stmk. BauG zu beurteilen wäre. Es handle sich überhaupt nur um ein Geschoß, wobei (und hier hat die Bauwerberin die alte Fassung des § 13 Abs 4 Stmk. BauG im Auge) dieses Geschoß überwiegend, mehr als 50 %, unter dem natürlichen Gelände liege, und im Mittel weniger als 1,5 m gegenüber der Nachbarliegenschaft herausrage, demnach nicht abstandsrelevant sei.

 

9.6. Nach neuerlichem Studium des Erkenntnisses des VwGH vom 22.04.1999, 97/06/0220, und des diesem zugrundeliegenden Bauaktes der Stadt Graz aus dem Jahre 1998 schließt sich das Landesverwaltungsgericht im Ergebnis der Rechtsansicht der Bauwerberin an. Die in der Verhandlung vom 02.08.2018 geäußerte vorläufige Rechtsansicht wird aus nachstehenden Gründen nicht weiter aufrechterhalten:

 

9.7. Aus der Systematik des § 13 Stmk. BauG geht zunächst hervor, dass im Hinblick auf die Berechnung des Grenzabstandes zwischen Gebäuden mit einer üblichen, und Gebäuden mit einer unüblichen Geschoßeinteilung zu unterscheiden ist. Bei einer üblichen Geschoßeinteilung (in der Regel übereinanderliegende horizontale Geschoße) und bei Geschoßhöhen bis zu 3 m ist der erforderliche Grenzabstand nach § 13 Abs 4 Stmk. BauG, bei einer unüblichen Geschosseinteilung und bei Geschoßhöhen von über 3 m der Grenzabstand nach § 13 Abs 6 Stmk. BauG zu ermitteln. Für die Anwendung beider Vorschriften auf ein und dieselbe Gebäudefront bietet das Gesetz keine Grundlage. Nur in Ausnahmefällen, wenn Gebäudefronten sowohl Gebäudeteile mit einer üblichen als auch mit einer unüblichen Geschoßeinteilung aufweisen, können beide Berechnungsvorschriften – allerdings bezogen auf jeweils verschiedene Gebäudeteile – zum Tragen kommen (vgl. Erkenntnis des VfGH vom 04.03.1998, GZ: G330/97, G 331/97).

 

9.8. Im Erkenntnis des VwGH vom 22.04.1999, 97/06/0220, hatte der VwGH eine Tiefgaragenrampe zu beurteilen, die an das Hauptbauwerk (einem mehrgeschossigen turmähnlichen Zubau mit einem Tonnendach zu einem bestehenden Wohnhaus) angebaut worden ist. Der Tiefgaragenrampe wurde (nach dem damals geltenden Gebäudebegriff) als Teil des Hauptbauwerkes Gebäudeeigenschaft und damit auch eine Abstandsrelevanz zugestanden. Die nähere Begründung dafür lautet:

 

„Zunächst ist auf die Frage einzugehen, ob die verfahrensgegenständliche Tiefgarageneinfahrt, deren Außenwand mit den nunmehr geplanten Maueröffnungen ca. 70 cm bis 80 cm von der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Beschwerdeführers hin gelegen ist, die Abstandsbestimmungen des § 13 Stmk. BauG verletzt.

 

Der Beschwerdeführer ist im Recht, dass die unmittelbar vor der nach Nordosten gerichteten Außenwand der überdachten Rampe (die mit dem übrigen Gebäude in einem untrennbaren Zusammenhang steht) errichtete, in ihrer Funktion in einem untrennbaren Zusammenhang mit dieser stehenden Schallschutzmauer als zusammengehörig mit dem Gebäude angesehen werden muss und insofern die für die Abstandsberechnung maßgebliche Gebäudefront bildet.

 

Weiters ist zu beantworten, welcher Abstand sich konkret für die vorliegende Rampe aus § 13 Stmk. BauG ergibt. § 13 Abs 4 BauG kommt nicht zur Anwendung, da die dem Grundstück des Beschwerdeführers zugekehrte Außenwandfläche der Rampe bzw. Schallschutzmauer nicht zu mehr als 50 % mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände liegt. Für Gebäude u.a. ohne die übliche Geschoßeinteilung ist gemäß § 13 Abs 6 Stmk. BauG aber die Abstandsermittlung unter Zugrundelegung einer fiktiven Geschoßeinteilung mit einer Höhe von 3,0 m an jeder Gebäudeecke über dem natürlichen Gelände vorzunehmen. Restgeschoßhöhen von mehr als 1,5 m sind als Geschoß anzurechnen. Die Höhe der dem Grundstück des Beschwerdeführers zugekehrten Außenwand der vorliegenden Rampe bzw. der Schallschutzmauer beträgt zwischen 0,2 m bis 2,50 m über dem anschließenden Gelände. Dieser Gebäudeteil hat somit eine Geschoßhöhe von mehr als 1,5 m im Sinne des § 13 Abs 6 Stmk. BauG und ist somit als Geschoß im Sinne dieser Bestimmung anzurechnen. Für diesen Gebäudeteil kommt eine Ausnahme gemäß § 12 Abs 1 Stmk. BauG nicht in Betracht. Es ergibt sich somit für diesen Gebäudeteil das Gebot der Einhaltung eines Abstandes gemäß § 13 Abs 2 leg cit von 3 m. Diesen Abstand hält die vorliegende Rampe samt Schallschutzmauer nicht ein. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit in dieser Hinsicht als inhaltlich rechtswidrig.“

 

9.9. Diesem Erkenntnis liegt insofern ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, als auch der VwGH eine entlang einer Nachbargrenze verlaufende Tiefgaragenrampe mit Gebäudeeigenschaft (Gebäude bzw. Gebäudeteil) zu beurteilen hatte. Allerdings – und hier endet die Vergleichbarkeit – war diese Rampe an der maßgeblichen Gebäudefront des Hauptbauwerkes angebaut. Im vorliegenden Fall tritt jedoch die Tiefgaragenzu- und Abfahrt gegenüber der Nachbargrenze als solitäres Bauwerk in Erscheinung, das im oberirdischen Bereich vom Wohngebäude mit darunterliegender Tiefgarage durch eine Wiesenfläche getrennt ist (vgl. 5.2.).

 

9.10. Das Verhältnis zwischen § 13 Abs 4 und § 13 Abs 6 Stmk. BauG wird im zitierten VwGH-Erkenntnis offengelassen. Obwohl von der „Nichtanwendung“ des § 13 Abs 4 Stmk. BauG gesprochen wird, wendet der VwGH diese Bestimmung an, indem er deren Voraussetzungen prüft und zum Ergebnis gelangt, dass sie nicht vorliegen. Die „Nichtanwendung“ des § 13 Abs 4 Stmk. BauG wird jedenfalls nicht damit begründet, dass keine übliche Geschoßeinteilung vorliegt bzw. die Geschosshöhe mehr als 3 m beträgt. Gleichzeitig wendet der VwGH aber auch § 13 Abs 6 Stmk. BauG an. Worin die unübliche Geschoßeinteilung des Gebäudes (Zubau mit angebauter Tiefgaragenrampe) gelegen ist, die erst zur Anwendbarkeit des 13 Abs 6 Stmk. BauG führt, wird nicht näher ausgeführt. Es wird jedenfalls auch nicht ausgesprochen, dass (allein) im Bauwerk der aus dem Gelände hervortretenden Tiefgaragenrampe eine unübliche Geschoßeinteilung zu erblicken wäre.

 

9.11. Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes ist das Verhältnis zwischen den beiden Anwendungsvorschriften so gelagert, dass § 13 Abs 4 Stmk. BauG die Grundregel liefert, der auch Vorrangstellung gegenüber dem Abs 6 leg. cit. einzuräumen ist. Nur dann, wenn ein Bauwerk projektiert ist, dass nach der Grundregel des § 13 Abs 4 Stmk. BauG nicht beurteilt werden kann (bei einer unüblichen Geschoßeinteilung), oder die Geschoßhöhe von 3 Meter überschritten wird, ist der einzuhaltende Grenzabstand nach § 13 Abs 6 Stmk. BauG als Sonderregelung für Bauwerke dieser Art zu ermitteln. Im ersten Anwendungsfall der Sonderregelung muss unüblich die Geschoßeinteilung sein, und nicht das Geschoß an sich.

 

9.12. Angewendet auf den vorliegenden Fall führen die obigen Überlegungen zu folgendem Ergebnis: Die eingehauste Tiefgaragenzu- und Abfahrt bildet nur ein Geschoß mit einer Geschoßhöhe unter 3 m aus (vgl. 5.5.1). Daher kann weder von einer unüblichen Geschoßeinteilung gesprochen werden, noch liegt der zweite Anwendungsfall des § 13 Abs 6 Stmk.BauG (Geschoßhöhe über 3 m) vor. Die Abstandsrelevanz der den Beschwerdeführern zugewandten Gebäudefront des Bauwerkes ist daher – ähnlich jener von teilweise oberirdischen Kellergeschoßen – nach der Grundregel des § 13 Abs 4 Stmk. BauG, und nur nach dieser zu bestimmen.

 

9.13. Die Abstandsrelevanz ist nicht – auch wenn man anderes aus dem Erkenntnis des VwGH vom 22.04.1999, 97/06/0220 herauslesen könnte – unter sukzessiver Anwendung beider Anrechnungsregeln – zunächst nach § 13 Abs 4 Stmk. BauG, und, wenn sich daraus keine Abstandsrelevanz ergibt, nach § 13 Abs 6 Stmk. BauG mit gegenteiligem Ergebnis – zu prüfen. Dies käme einer Vorgangsweise gleich, die auch mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Die Prüfung ein und desselben Sachverhaltes nach unterschiedlichen Regeln, die jedoch dem gleichen Ziel dienen (Beantwortung der Frage ob ein Gebäude oder Gebäudeteil abstandsrelevant sein soll oder nicht) müsste im Hinblick auf den Schutzzweck der Abstandsbestimmungen auch zu gleichen Ergebnissen führen.

 

9.14. Die Prüfung nach § 13 Abs 4 Stmk. BauG hat erbracht, dass die oberirdisch in Erscheinung tretende Außenwandfläche der allseitig eingehausten Tiefgaragenzu- und Abfahrt im Mittel nicht mindestens 1,50 m hoch über dem natürlichen Gelände liegt (vgl. 5.5.2. und 6.2.). Mangels eines anrechenbaren Geschoßes ist zur Nachbargrenze der Beschwerdeführer kein Grenzabstand einzuhalten. Eine Verletzung des Nachbarrechtes nach § 13 Abs 2 Stmk. BauG liegt nicht vor.

 

10. Rechtliche Beurteilung – Immissionsschutz

 

10.1. Mit dem Beschwerdevorbringen (vgl. 2.4.) haben die Beschwerdeführer jeglichen Immissionsschutz eingefordert, der ihnen als Nachbarn im Bauverfahren zukommt (§ 26 Abs 1 Z 1 Stmk. BauG, § 26 Abs 1 Z 2 Stmk. BauG über § 13 Abs 12 Stmk. BauG).

 

10.2. Der Immissionsschutz gemäß § 26 Abs 1 Z 1 Stmk. BauG bestimmt sich nach der Flächenwidmung des Baugrundstückes (hier: „Allgemeines Wohngebiet“). Dabei sind die Festlegungen in einem Flächenwidmungsplan grundsätzlich nach jener Rechtslage auszulegen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes gegolten hat, sofern der Gesetzgeber nichts Abweichendes anordnet (VwGH vom 20.04.2004, Zl: 2003/06/0088 mwN).

 

10.3. Nachdem der Bauplatz jedenfalls bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des 3.0. Flächenwidmungsplanes der Stadt Graz als „Allgemeines Wohngebiet“ ausgewiesen war, kommt noch die Definition für „Allgemeine Wohngebiete“ in § 23 Abs 5 lit b des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 zum Tragen:

 

"b) Allgemeine Wohngebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können."

 

10.4. Damit beschränkt sich der Immissionsschutz aus der Flächenwidmung darauf, dass nicht der Wohnnutzung zuzuordnende Gebäude und Betriebe keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen hervorrufen. Hinsichtlich der durch die Widmung „Allgemeines Wohngebiet“ in erster Linie beabsichtigten Wohnnutzung besteht kein Immissionsschutz. Demnach ist im Rahmen des § 26 Abs 1 Z 1 Stmk. BauG lediglich zu prüfen, ob der in der ÖNORM S 5021 für die Baulandkategorie „Allgemeines Wohngebiet“ festgelegte Planungsrichtwert (sog. Widmungsmaß) für maximal zulässige Schallimmissionen eingehalten wird. Dabei darf die Summe der vorhandenen Grundbelastung (des sogenannten Ist-Maßes) und der aus dem Bauvorhaben hervorgehenden Zusatzbelastung (des sogenannten Prognosemaßes) das Widmungsmaß (Beurteilungspegel als Summenmaß) an der Baugrundgrenze nicht überschreiten (VwGH vom 08.06.2011, Zl: 2011/06/0048, VwGH vom 22.02.2012, Zl: 2011/06/0193). Wird – wie im gegenständlichen Fall – das Widmungsmaß der Baulandkategorie bereits durch das Ist-Maß überschritten, darf das IST-Maß durch Hinzukommen der Immissionen aus dem Bauvorhaben nicht weiter angehoben werden.

 

10.5. Diese Vorgabe wird durch die Projektänderung vom 17.04.2018 erreicht (vgl. 5.7, 5.8.). Besondere (schalltechnisch relevante) Umstände, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen (wie etwa Lüftungen in der Tiefgarage mit besonderen Schallverhältnissen, vgl. VwGH vom 30.01.2014, Zl: 2012/05/0177), ergeben sich weder aus dem Bauprojekt selbst, noch wurden solche Umstände von den Beschwerdeführern geltend gemacht.

 

10.6. Unabhängig von der Flächenwidmung des Baugrundstückes gewährt § 26 Abs 1 Z 2 Stmk. BauG über § 13 Abs 12 Stmk. BauG einen gewissen eigenständigen Immissionsschutz (VwGH vom 20.09.2012, zu Zl. 2012/06/0084), der neben dem Schutz gegen Schallimmissionen auch den Schutz vor Luftschadstoffimmissionen (VwGH zu Zl: 2012/05/0025) beinhaltet. Bei der Beurteilung, ob der Verwendungszweck von baulichen Anlagen (hier: Tiefgaragenzufahrt) eine unzumutbare oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarn erwarten lässt, ist gleichfalls auf die Immissionsbelastungen an der Nachbargrenze abzustellen (VwGH vom 15.05.2012, Zl: 2009/05/0048, VwGH vom 30.01.2014, Zl: 2012/05/0177).

 

10.7. Die Befürchtungen der Beschwerdeführer, die widmungsgemäße Nutzung der Tiefgaragenzu- und Abfahrt würde zu Lärm-, Geruchs- und Staubimmissionen führen, die das ortsübliche Ausmaß übersteigen und gesundheitsgefährdend sein würden, sind nach Vornahme der Projektänderung vom 17.04.2018 unbegründet. Es war festzustellen, dass mit der Projektänderung

- der bereits überschrittene Planungsrichtwert für ein „Allgemeines Wohngebiet“ im Abend- und Nachtzeitraum nicht weiter angehoben wird (vgl. 5.8.),

- die Schallpegelspitzen aus den Fahrbewegungen den medizinisch relevanten Richtwert für Schallpegelspitzen von 60 dB nicht überschreiten (59 dB), und die Schallpegelspitzen auch weit unter jenen liegen, die in der IST-Situation an der Nachbargrenze gemessen worden sind (vgl. 5.9.),

- die Zusatzbelastung an Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10) an der Nachbargrenze keine Auswirkungen auf den menschlichen Organismus nach sich ziehen werden (vgl. 5.10.), und

- dass sich die örtliche Geruchssituation nicht verändern wird (5.11.)

 

10.8. Daraus kann begründet abgeleitet werden, dass mit der Umsetzung des geplanten Bauvorhabens keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Beschwerdeführer zu erwarten ist. Die Zusatzbelastungen werden im Rahmen der Begriffsdefinition von Ortsüblichkeit nach § 4 Z 53 Stmk. BauG („Ortsübliche Belästigungen: Die in den betroffenen Gebieten tatsächlich vorhandenen, zumindest jedoch die in Gebieten dieser Art üblicherweise auftretenden Immissionen;“) bleiben.

 

10.9. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass auch aus dem Titel „Immissionsschutz“ keine Notwendigkeit besteht, der Bauwerberin gemäß § 13 Abs 12 Stmk. BauG größere Abstände zum Grundstück der Beschwerdeführer als geplant vorzuschreiben oder ihr eine weitere Projektänderung nahezulegen.

 

 

 

 

11. Einwendungen gegen den Bebauungsplan

 

11.1. Auf das Vorbringen der Beschwerdeführer zum Bebauungsplan 03.20.0 der Stadt Graz ist nicht näher einzugehen, weil es sich auf Themenbereiche bezieht, zu denen den Nachbarn im Bauverfahren kein Mitspracherecht eingeräumt wird. In diesem Umfang war die Beschwerde auch als unzulässig zurückzuweisen.

 

11.2. Die Anregung der Beschwerdeführer, das Landesverwaltungsgericht möge beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Prüfung des Bebauungsplanes stellen, war schon mangels Präjudizialität der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 01.10.2015 für die vorliegende Entscheidung nicht aufzugreifen (kein Immissionsschutz im Bebauungsplan).

 

12. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, weil zu der im Beschwerdeverfahren aufgeworfenen Rechtsfrage zum Verhältnis zwischen den Anwendungsregeln des § 13 Abs 4 und 13 Abs 6 Stmk. BauG noch keine gefestigte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, und der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es wird auf die in der Entscheidung dargestellte VwGH-Judikatur verwiesen (vgl. 9.5 ff).

 

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