LVwG Niederösterreich LVwG-AV-718/001-2021

LVwG NiederösterreichLVwG-AV-718/001-202121.10.2021

BauO NÖ 2014 §35

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.718.001.2021

 

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch HR Mag. Janak-Schlager als Einzelrichter über die Beschwerde des A und des B, beide in ***, sowie der C in *** (Deutschland), alle vertreten durch die D rechtsanwaelte gmbh in ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 18.03.2021, ***, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag nach der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) wegen Lagerung von Betonleitwänden, zu Recht:

 

1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B‑VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

 

Aus dem Inhalt des von der Marktgemeinde *** vorgelegten unbedenklichen Verfahrensaktes ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 23.09.2020 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 35 Abs 2 Z 2 NÖ BO 2014 der baupolizeiliche Auftrag erteilt, „den Abbruch (vollständige Entfernung) der ohne vorangegangene Anzeige gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 lit. f) NÖ Bauordnung 2014 auf dem Grundstück Nummer ***, EZ *** KG *** Grundbuch ***, seit zumindest 7 Monaten gelagerten 35 Stück „Betonblöcke“, ein Produkt der E, Type ***, mit einem Eigengewicht von je 510kg, zu veranlassen, somit einen Zustand, der dem vorherigen entspricht, herzustellen.“ Für die Erfüllung dieses baupolizeilichen Auftrages wurde eine Frist von vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides festgesetzt.

 

Über die dagegen fristgerecht erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18.03.2021 wie folgt entschieden:

 

„1. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 dahingehend geändert, dass Herrn A, Herrn B und Frau C, alle vertreten durch D rechtsanwaelte gmbh, ***, ***, die Verwendung des in ihrem Miteigentum stehenden Grundstücks Nummer ***, EZ *** KG *** Grundbuch ***, als Lagerplatz für Material aller Art, nämlich als Lagerplatz für 37 Stück „Betonblöcke“, ein Produkt der E, Type ***, mit einem Eigengewicht von je 510 kg, gemäß § 35 Abs. 3 NÖ BO 2014 verboten wird (Unterlassungsauftrag) .

 

2. Die Frist für die Erbringung des Nachweises dafür, dass die Verwendung des unter Punkt 1. näher ausgeführten Grundstücks nicht mehr als Lagerplatz für Material aller Art verwendet wird, wird gemäß § 59 Abs. 2 AVG 1991 idgF mit 4 (vier) Wochen ab Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheids festgesetzt; die Baubehörde ist über die Erfüllung des Unterlassungsauftrags umgehend und unaufgefordert schriftlich zu verständigen.“

 

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das Grundstück Nr. ***, KG ***, seit 09.01.2020 als Lagerplatz im Sinne des § 15 Abs 1 Z 1 lit f) NÖ BO 2014 verwendet werde, indem mindestens 37 Stück „Betonblöcke“, seit wenigstens 7 Monaten gelagert würden. Zuletzt habe die Baubehörde festgestellt, dass die Betonblöcke am 31.07.2020 zwar umgelagert, aber nicht entfernt worden seien. Der angefochtene Bescheid und dessen baupolizeilicher Auftrag werde ausschließlich und eindeutig auf § 35 Abs 2 Z 2 NÖ BO 2014 sowie auf § 15 Abs 1 Z 1 lit f NÖ BO 2014 gestützt. Gemäß § 35 Abs 2 letzter Satz NÖ BO 2014 seien auch jene Vorhaben nach §§ 14 und 15 zu erfassen, die keine Bauwerke sind. Der Anzeigetatbestand des § 15 Abs 1 Z 1 lit f NÖ BO 2014 sei, wie näher ausgeführt wird, erfüllt. Wesentlich für den baupolizeilichen Auftrag sei zum einen die Feststellung gewesen, dass auf dem Grundstück Material aller Art abgelagert worden sei und die Lagerung einen Zeitraum von zwei Monaten überschritten habe, wodurch die für die Entscheidung essentiellen Feststellungen der Anzeigepflicht und des Verstoßes gegen diese nachgewiesen worden sei. Weitere Ermittlungen seien nicht erforderlich gewesen. Auch eine zwischenzeitig erstattete Anzeige hätte der Erlassung des baupolizeilichen Auftrages nicht entgegengestanden, dass aber eine solche erfolgt sei, hätten die Berufungswerber gar nicht behauptet.

Zu prüfen sei jedoch gewesen, inwieweit der herangezogene § 35 Abs 2 Z 2 letzter Satz NÖ BO 2014 Rechtsgrundlage für einen Entfernungsauftrag biete. Zwar normiere § 35 Abs 2 Z 2 letzter Satz NÖ BO 2014 unter anderem auch die Grundlage für die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages hinsichtlich Vorhaben, die keine Bauwerke seien (etwa auch Ablagerung von Humus auf einem unbebauten Grundstück, vgl. VwGH 99/05/0220), doch komme nach ständiger Rechtsprechung gegen eine gemäß § 35 Abs 3 NÖ BO 2014 zu unterbindende rechtswidrige Verwendung eines Grundstückes nicht ein Abbruchauftrag, sondern nur ein Unterlassungsauftrag in Betracht (VwGH 2001/05/0387; LVwG-AV-1320/002-2016).

Zwar könne die Baubehörde die in Anwendung der Bestimmung des § 15 Abs 1 Z 1 lit f NÖ BO 2014 angezeigte Verwendung eines Grundstücks als Lagerplatz für Material aller Art nur aus den in § 15 Abs 6 NÖ BO 2014 genannten Gründen untersagen, doch seien diese Voraussetzungen im baupolizeilichen Verfahren nicht zu prüfen. Es sei lediglich die Frage zu beantworten, ob für die konkrete Verwendung eine vom Gesetz geforderte Anzeige bei der Baubehörde vorliege.

Hinsichtlich des bereits in erster Instanz vorgebrachten Unzuständigkeitseinwandes habe sich die Baubehörde I. Instanz ausführlich gewidmet. Dem sei nichts hinzuzufügen und werde von den Berufungswerbern auch gar nicht ins Treffen geführt, dass der für die Kompetenzverschiebung maßgebliche Eisenbahnbetrieb noch aufrechterhalten werde, sondern würden sie selbst auf ein – im Übrigen seit 2011 – anhängiges Eisenbahnauflassungsverfahren verweisen.

 

2. Zum Beschwerdevorbringen:

 

In ihrer fristgerechten Beschwerde gegen diesen Bescheid führten die rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass auf Grund der anzuwendenden Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957 die Zuständigkeit bei der Landeshauptfrau von Niederösterreich liege. Es liege kein Lagerplatz iSd § 15 Abs 1 Z 1 lit f NÖ BO 2014 vor, die belangte Behörde unterlasse Feststellungen zur konkreten Lage, konkreten Nutzung, Zweck und Verwendung der Betonleitwände. Der Spruch des angefochtenen Bescheides sei insofern mangelhaft, als er keine Angaben zur Dauer der Verwendung des Grundstückes als Lagerplatz für Material aller Art enthalte, obwohl § 15 Abs 1 Z 1 lit f NÖ BO 2014 „einen Zeitraum von mehr als 2 Monaten“ als Tatbestandsmerkmal normiere. Die Unzuständigkeit der Baubehörden gründe sich daher auch auf einen nicht unter §§ 14, 15 NÖ BO 2014 zu subsumierenden Sachverhalt. Darüber hinaus stütze die belangte Behörde den Auftrag nunmehr auf die Bestimmung des § 35 Abs 3 NÖ BO 2014, während die Baubehörde I. Instanz den Auftrag auf § 35 Abs 2 Z 2 NÖ BO 2014 gestützt habe. Bei den Betonleitwänden handle es sich schließlich auch nicht um ein Bauwerk iSd § 4 Z 7 NÖ BO 2014, sodass die Bestimmung des § 35 Abs 3 NÖ BO 2014 nicht zur Anwendung gelangen könne.

 

Mit Schreiben der Marktgemeinde *** vom 19.04.2021 wurden dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Verfahrensakten zur Entscheidung über diese Beschwerde vorgelegt.

 

3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

 

Da die gegenständliche Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG nicht zurückzuweisen bzw. das Beschwerdeverfahren nicht einzustellen war, hatte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich darüber gemäß § 28 Abs 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden.

 

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den unbedenklichen Verfahrensakt der belangten Behörde und das öffentliche Grundbuch.

 

4. Feststellungen und Beweiswürdigung:

 

Die Beschwerdeführer sind je zu einem Drittel Eigentümer des Grundstückes Nr. ***, EZ ***, in der Katastralgemeinde ***.

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 23.09.2020 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 35 Abs 2 Z 2 NÖ BO 2014 ein baupolizeilicher Auftrag zum Abbruch bzw. zur vollständigen Entfernung der auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, gelagerten 35 Stück Betonblöcke erteilt.

 

Mit Berufungsbescheid vom 18.03.2021 änderte die Berufungsbehörde den Bescheid dahingehend ab, dass den Beschwerdeführern die Verwendung des Grundstückes Nr. ***, KG ***, als Lagerplatz für Material aller Art gemäß § 35 Abs 3 NÖ BO 2014 verboten wird (Unterlassungsauftrag).

 

Das genannte Grundstück wurde ehemals als Bahnhofsgelände des Bahnhofs *** genutzt. Aktuell ist ein eisenbahnrechtliches Auflassungsverfahren anhängig, das unbestritten noch nicht abgeschlossen ist.

 

Zu diesen im Wesentlichen unstrittigen Feststellungen gelangt das erkennenden Gericht aufgrund des gesamten vorgelegten verwaltungsbehördlichen Verfahrensaktes, sodass der entscheidungsrelevante Sachverhalt zweifellos aufgrund der im Akt befindlichen Unterlagen konstatiert werden konnte. Die Feststellungen ergeben sich insbesondere auch aus dem angefochtenen Bescheid ebenso wie aus der vorliegenden Beschwerde.

 

5. Rechtslage:

 

Gemäß § 70 Abs 16 NÖ BO 2014 idgF sind die am Tag des Inkrafttretens der Bestimmungen der NÖ Bauordnung 2014, LGBl 32/2021, (Abs 14) anhängigen Verfahren nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen.

 

§ 35 NÖ BO 2014 idF LGBl 50/2017 (Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag) lautet auszugsweise:

„(1) Die Baubehörde hat alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich sind, insbesondere die Untersagung der Nutzung sowie die Räumung von Gebäuden oder Teilen davon anzuordnen.

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Antrages nach § 14 oder einer anhängigen Anzeige nach § 15 anzuordnen, wenn

1. mehr als die Hälfte des voll ausgebauten umbauten Raumes eines Gebäudes durch Baugebrechen unbenützbar geworden ist und der Eigentümer einem Auftrag nach § 34 Abs. 2 innerhalb der ihm darin gewährten Frist nicht entsprochen hat oder

2. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt.

Für andere Vorhaben gilt Z 2 sinngemäß.

(3) Die Baubehörde hat die Nutzung eines nicht bewilligten oder nicht angezeigten Bauwerks sowie die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der Anzeige (§ 15) zu ersehenden Verwendungszweck zu verbieten. Abs. 1 und 2 sowie § 34 Abs. 1 und 2 bleiben davon unberührt.

(…)“

 

§ 66 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet:

„(1) Notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens hat die Berufungsbehörde durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen.

(2) Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

(3) Die Berufungsbehörde kann jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.“

 

6. Erwägungen:

 

Zur Zuständigkeit der Baubehörde im Zusammenhang mit dem eisenbahnrechtlichen Auflassungsverfahren betreffend das Grundstück Nr. ***, KG ***, ist festzuhalten, dass gemäß § 1 Abs 2 Z 1 NÖ BO 2014 die Zuständigkeit des Bundes für z.B. Eisenbahnanlagen durch die NÖ Bauordnung nicht berührt wird.

 

Hinsichtlich der Abgrenzung der Kompetenzen Baurecht – Eisenbahnrecht wird im Kommentar zum NÖ Baurecht von Pallitsch/Pallitsch/Kleewein, 10. Auflage, auf S. 28 ff ausgeführt, dass Eisenbahnanlagen nach § 10 des Eisenbahngesetzes 1957 unter den Kompetenztatbestand „Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen“ fallen. Bezüglich bahnfremder Bauten sind jedoch die Länder auf Grund des Art 15 Abs 1 B‑VG (Bauangelegenheiten) – unbeschadet der Bestimmungen des Art 15 Abs 5 B‑VG – berechtigt, Bauvorschriften zu erlassen (VwGH 1830/60).

 

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Anschauung, dass der Kompetenztatbestand „Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen“ nicht schlechthin jede Bauführung auf Eisenbahngrund umfasst und damit jede Zuständigkeit der Baubehörde nach Art 15 B‑VG ausschließt. Eine solche Auslegung des Kompetenztatbestandes würde dem föderalistischen Prinzip der Bundesverfassung widerstreiten (VwGH 2175/64).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof ist nicht der Auffassung, dass jeder Bau eines bahnfremden Dritten, welchen bahnfremden Zwecken dieser Bau auch immer dient, unter den Begriff einer Eisenbahn als Teil des Verkehrswesens zu subsumieren ist (VfGH 02.07.1965, Slg 5019).

 

Die Zuständigkeit der Gemeinde zu Maßnahmen im eigenen Wirkungsbereich ist dann nicht ausgeschlossen, wenn ein Grundstück zwar im Eisenbahnbuch verzeichnet ist, der Eisenbahn aber gar nicht dient (VfGH 5.10.1967, Slg 5578).

 

Das verfahrensgegenständliche Grundstück dient unbestritten nicht mehr Zwecken einer Eisenbahn und ist diesbezüglich ein eisenbahnrechtliches Auflassungsverfahren anhängig. Dass die Baubehörden im gegenständlichen Fall ihre Zuständigkeit in Anspruch genommen haben, ist daher nicht zu beanstanden.

 

Die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte ist keine unbegrenzte; der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die „Sache" des bekämpften Bescheides; innerhalb des so eingeschränkten Prüfungsumfanges findet noch einmal eine weitere Beschränkung insofern statt, als Parteibeschwerden iSd Art 132 Abs 1 Z 1 B‑VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (VwGH Ro 2014/03/0066).

 

Zufolge § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid nur im angefochtenen Umfang, das heißt hinsichtlich der in der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdepunkte und Beschwerdebegründung zu prüfen.

 

„Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat.

 

Gegenstand des Verfahrens vor dem erkennenden Gericht ist somit allein der Spruch der belangten Behörde, mit dem der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert wurde, dass nunmehr ein Unterlassungsauftrag an Stelle des Entfernungsauftrages erteilt wurde. Die Rechtmäßigkeit des Entfernungsauftrages der Baubehörde I. Instanz ist nicht Verfahrensgegenstand.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist – sofern die Gesetze nicht anderes anordnen – „Sache“ des Berufungsverfahrens der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, d.h. jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheides der Unterinstanz gebildet hat (vgl. u.a. VwGH 99/08/0146). Die Berufungsbehörde darf daher sachlich nicht über mehr absprechen, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz war und nicht zusätzlich zu einem in erster Instanz erteilten Auftrag einen vom ersten Auftrag trennbaren weiteren Auftrag erlassen (VwGH 99/06/0008).

 

Spricht die Berufungsbehörde über eine Angelegenheit in der Sache ab, die nicht Gegenstand des unterinstanzlichen Bescheides gewesen ist, leidet der Berufungsbescheid an Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Rechtsmittelbehörde, weil eine derartige Entscheidung nicht in ihre funktionelle Kompetenz fällt (vgl. VwGH 2003/20/0138).

 

Überdies verletzt die Sachentscheidung das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Partei auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (VfSlg 9537/1982; 14.087/1995).

 

Indem die belangte Behörde eine Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend vorgenommen hat, dass an Stelle des Entfernungsauftrages ein Unterlassungsauftrag, nämlich das Verbot der Verwendung des Grundstückes als Lagerplatz für Material aller Art, erlassen wurde, überschritt sie die „Sache des Berufungsverfahrens“, sodass die Entscheidung infolge Unzuständigkeit aufzuheben war.

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich der mit Bescheid des Bürgermeisters vom 23.09.2020 erteilte baupolizeiliche Auftrag zum Abbruch bzw. zur vollständigen Entfernung der auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, gelagerten 35 Stück Betonblöcke. Hierüber hat der Gemeindevorstand im fortgesetzten Verfahren zu entscheiden.

 

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG war von einer Verhandlung abzusehen, da die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (vgl. VwGH 2012/05/0087). Der entscheidungswesentliche Sachverhalt stand fest.

 

7. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der zitierten, als einheitlich zu wertenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Zudem stellen die – hier im Einzelfall beurteilten – Fragen keine „Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung“ (VwGH Ro 2014/01/0033) dar.

 

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