WaffG 1996 §25 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.639.001.2022
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin Mag. Steger über die Beschwerde der A, ***, ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 23.05.2022, GZ. ***, betreffend Entziehung der Waffenbesitzkarte nach dem Waffengesetz 1996 (WaffG),
zu Recht :
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 23.05.2022, GZ. ***, wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 2 und 3 iVm § 8 Abs. 1 und Abs. 5 Z 1 des Waffengesetzes 1996 die ihr von der Landespolizeidirektion Wien am 07.03.2006 ausgestellte Waffenbesitzkarte, Nr. ***, entzogen. Diese Waffenbesitzkarte und sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Schusswaffen der Kategorie B seien binnen zwei Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt zu übergeben. Dies gelte für die Schusswaffen dann nicht, wenn die Beschwerdeführerin die Schusswaffen nachweislich einem zum Erwerb solcher Waffen Befugten überlassen habe.
Begründend führte dazu die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zusammengefasst aus, dass mit Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 25.07.2021 mitgeteilt worden sei, dass sich die Beschwerdeführerin am 25.07.2021 um 07.31 Uhr nach einer Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei geweigert habe, ihren Alkoholgehalt der Atemluft messen zu lassen. Trotz mehrmaliger Fehlversuche und Belehrung sei es zu keinem Ergebnis gekommen.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt – rechtskräftig am 23.12.2021 – sei die Beschwerdeführerin deshalb wegen § 99 Abs. 1 lit.b iVm § 5 Abs. 2 2. Satz Z 1 StVO mit einer Geldstrafe in der Höhe von 1.700,-- Euro bestraft worden.
Bei den weiteren Erhebungen sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin damit in den letzten 5 Jahren bereits insgesamt zum dritten Mal einschlägig bestraft worden sei. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt –rechtskräftig am 24.10.2020 – wegen § 99 Abs. 1 lit.a iVm § 5 Abs. 1 StVO mit einer Geldstrafe in der Höhe von 1.600,-- Euro und mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt – rechtskräftig am 18.12.2018 – wegen § 99 Abs.1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 und § 5 Abs. 4 StVO mit einer Geldstrafe in der Höhe von 1.600,-- Euro.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes sei bei der Beschwerdeführerin die Verlässlichkeit gemäß § 8 Abs. 5 Z 1 WaffG nicht gegeben, da sie öfter als zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung bestraft worden sei.
Die Absicht der Behörde, der Beschwerdeführerin ihre Waffenbesitzkarte Nr. *** zu entziehen, sei ihr mit Schreiben vom 12.04.2022 nachweislich zur Kenntnis gebracht und ihr auch eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt worden. Hiezu habe sie jedoch keine Stellungnahme abgegeben.
Mangels Verlässlichkeit im Sinne des Waffengesetzes sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
In ihrer durch ihren Rechtsvertreter fristgerecht mit Schriftsatz vom 13.06.2022 erhobenen Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde möge diese Beschwerde dem zuständigen Verwaltungsgericht vorlegen, welches eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen, die beantragten Beweise aufnehmen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben sowie das Verfahren auf Entziehung der Waffenbesitzkarte einstellen möge; in eventu nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und Aufnahme der beantragten Beweise den angefochtenen Bescheid beheben und zur Ergänzung an die belangte Behörde zurückverweisen möge.
Begründend führte dazu die Beschwerdeführerin nach Wiedergabe des angefochtenen Bescheides und wiederum der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zusammengefasst aus, dass nach ständiger Judikatur § 8 Abs. 1 WaffG in generalklauselhafter Weise die waffenrechtliche Verlässlichkeit im Sinne einer Prognosebeurteilung definiere. Die vorzunehmende Prognose betreffe den Umstand, dass die zu bewertende Person in der Zukunft voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen werde, dass sie Waffen nicht missbräuchlich oder leichtfertig verwende, mit Waffen nicht unvorsichtig umgehe und diese sorgfältig verwahren werde sowie, dass sie Waffen nicht Menschen überlassen werde, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt seien.
Diese Prognose zukünftiger Verhaltensweisen sei auf Basis des Wissensstandes der Gegenwart zu treffen, und zwar in der Weise, dass von (beweispflichtigen) „Tatsachen“ nach den Regeln der Denkgesetze auf das zu erwartende zukünftige Verhalten eines Menschen geschlossen werde. Der Ausgangspunkt der Prognoseentscheidung, die „Tatsachen“, seien nicht eingeschränkt; es komme jede Verhaltensweise, jede Charaktereigenschaft der zu beurteilenden Person in Betracht, die nach den Denkgesetzen und der Erfahrung einen Schluss auf deren zukünftiges Verhalten zulasse.
Demgegenüber stehe § 8 Abs. 5 WaffG, der Gründe aufzähle, die die Verlässlichkeit ex lege ausschließe. Das Vorliegen eines derartigen Umstandes erübrige eine weitere Prüfung der Verlässlichkeit im Sinne des § 8 Abs.1 WaffG. Es handle sich um unwiderlegbare Rechtsvermutungen, das Tatsachensubstrat sei in abschließender Weise präzisiert, es entfalle die von der Behörde anzustellende Prognoseentscheidung im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG.
Die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid auf § 8 Abs. 1 und Abs. 5 Z 1 WaffG 1996 gestützt. Für ein Stützen des angefochtenen Bescheides auf § 8 Abs. 1 WaffG ermangle es sowohl an diesbezüglichen Feststellungen als auch an einer unbedingt anzustellenden Prognoseentscheidung. Selbst wenn eine Prognoseentscheidung durchgeführt worden wäre, wäre diese zu Gunsten der Beschwerdeführerin auszufallen. Nach ständiger Judikatur könne nach der Rechtsprechung des VwGH – abgesehen von den Fällen nach § 8 Abs. 2 Z 1 und Abs. 5 – Alkoholkonsum nur dann die Annahme fehlender Verlässlichkeit gemäß § 8 Abs. 1 WaffG rechtfertigen, wenn ein „waffenrechtlicher Bezug“, wie etwa im Falle des Mitführens von Schusswaffen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, gegeben sei.
Da es an jeglichen Feststellungen zu einem „waffenrechtlichen Bezug“ fehle, wobei auszuführen sei, dass ein „waffenrechtlicher Bezug“ auch niemals gegeben gewesen wäre, habe die Prognoseentscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführerin auszugehen und liege keine Unverlässlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG vor.
§ 8 Abs. 5 Z 1 WaffG normiere eine Unverlässlichkeit betreffend Personen, die öfter als zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung bestraft worden seien, sofern keine Tilgung vorliege. Die belangte Behörde habe nun festgestellt, dass die Beschwerdeführerin sich nach einer Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei geweigert hätte, ihren Alkoholgehalt der Atemluft messen zu lassen. Trotz mehrmaliger Fehlversuche wäre es zu keinem Ergebnis gekommen.
Aus diesen Gründen sei es offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin keinesfalls öfter als zweimal wegen einem im Zustand der Trunkenheit begangenen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung bestraft worden sei; wie die Behörde selbst festgestellt habe, seien bei der Überprüfung mehrmalige Fehlversuche vorgelegen und sei es zu keinem Ergebnis gekommen. Eine im Zustand der Trunkenheit begangene Verwaltungsübertretung sei sohin nicht erwiesen. Es sei zwar eine Verwaltungsübertretung erwiesen, ob diese im Zustand der Trunkenheit begangen worden sei oder nicht, sei nicht festgestellt worden und sei im Hinblick auf die Ergebnislosigkeit der Untersuchung auch nicht feststellbar. Aus diesen Gründen liege sohin auch keine Unverlässlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 5 Z 1 WaffG vor.
Im angefochtenen Bescheid werde ausgeführt, dass die Absicht der Behörde der Beschwerdeführerin ihre Waffenbesitzkarte zu entziehen ihr mit Schreiben vom 12.04.2022 nachweislich zur Kenntnis gebracht worden sei. Ein telefonischer Rückruf bei der belangten Behörde habe ergeben, dass die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mittels RSb Brief am 19.05.2022 zugestellt worden sein soll. Mittels des am 19.04.2022 zugestellten RSb Briefes sei aber der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 12.04.2022 und nicht die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt worden, sodass letztlich auch das rechtliche Gehör verletzt worden sei.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 17.06.2022 legte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Verwaltungsakt zur GZ. *** zur Entscheidung über die Beschwerde vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen von der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vorgelegten Verwaltungsakt.
4. Feststellungen:
Der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 07.03.2006 eine Waffenbesitzkarte mit der Nummer *** ausgestellt und besitzt die Beschwerdeführerin eine Pistole des Fabrikanten Glock mit der Nummer ***, Modell 34.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt zur GZ. ***, rechtskräftig seit 18.12.2018, wurde die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 und 4 StVO iVm § 99 Abs. 1 lit. b StVO zu einer Geldstrafe in der Höhe von 1.600,-- Euro bestraft.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt zur GZ. ***, rechtskräftig seit 24.10.2020, wurde die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO zu einer Geldstrafe in der Höhe von neuerlich 1.600,-- Euro bestraft.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt zur GZ. ***, rechtskräftig seit 23.12.2021, wurde die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 2. Satz Z 1 StVO iVm § 99 Abs. 1 lit. b StVO zu einer Geldstrafe in der Höhe von 1.700,-- Euro bestraft.
Keine dieser Verwaltungsübertretungen hatte einen waffenrechtlichen Bezug.
5. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ist insgesamt unstrittig und ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes, insbesondere aus den im Verwaltungsstrafakt erliegenden Ausdrucken der Polizeiinspektion *** vom 12.04.2022 und aus dem Verwaltungsstrafregister sowie aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, die bezogen auf die Tatsachenfeststellungen von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde unbestritten blieb.
6. Rechtslage:
Folgende Bestimmungen sind im gegenständlichen Beschwerdeverfahren von Relevanz:
§ 8 Waffengesetz 1996 (WaffG):
„(1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er
1. Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2. mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;
3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.
(2) Ein Mensch ist keinesfalls verlässlich, wenn er
1. alkohol- oder suchtkrank ist oder
2. psychisch krank oder geistesschwach ist oder
3. durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen.
(3) Als nicht verlässlich gilt ein Mensch im Falle einer Verurteilung
1. wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden oder wegen Zuhälterei, Menschenhandels, Schlepperei oder Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder
2. wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels oder
3. wegen einer durch fahrlässigen Gebrauch von Waffen erfolgten Verletzung oder Gefährdung von Menschen oder
4. wegen einer in Z 1 genannten strafbaren Handlung, sofern er bereits zweimal wegen einer solchen verurteilt worden ist oder
5. wegen Anführung oder Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 278b des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974.
(4) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Trotz einer nicht getilgten Verurteilung im Sinne des Abs. 3 kann ein Mensch verlässlich sein, wenn das ordentliche Gericht vom Ausspruch der Strafe abgesehen hat (§ 12 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 - JGG, BGBl. Nr. 599); gleiches gilt, wenn das ordentliche Gericht sich den Ausspruch der Strafe vorbehalten hat (§ 13 JGG) oder die Strafe - außer bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten - ganz oder teilweise bedingt nachgesehen hat, sofern kein nachträglicher Strafausspruch oder kein Widerruf der bedingten Strafnachsicht erfolgte.
(5) Weiters gilt ein Mensch als nicht verlässlich, der öfter als zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung bestraft worden ist, sofern keine dieser Bestrafungen getilgt ist.
(6) Schließlich gilt ein Mensch als nicht verlässlich, wenn aus Gründen, die in seiner Person liegen, die Feststellung des für die Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes nicht möglich war. Als solcher Grund gilt jedenfalls, wenn der Betroffene sich anlässlich der Überprüfung seiner Verlässlichkeit weigert, der Behörde
1. Waffen, die er nur auf Grund der nach diesem Bundesgesetz ausgestellten Urkunde besitzen darf, samt den zugehörigen Urkunden vorzuweisen;
2. die sichere Verwahrung der in Z 1 genannten Waffen nachzuweisen, obwohl auf Grund bestimmter Tatsachen Zweifel daran bestehen, dass er die Waffen sicher verwahrt.
(7) Bei erstmaliger Prüfung der Verlässlichkeit hat sich die Behörde davon zu überzeugen, ob Tatsachen die Annahme mangelnder waffenrechtlicher Verlässlichkeit des Betroffenen aus einem der in Abs. 2 genannten Gründe rechtfertigen. Antragsteller, die nicht Inhaber einer Jagdkarte sind, haben ein Gutachten darüber beizubringen, ob sie dazu neigen, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Der Bundesminister für Inneres hat durch Verordnung geeignete Personen oder Einrichtungen zu bezeichnen, die in der Lage sind, dem jeweiligen Stand der psychologischen Wissenschaft entsprechende Gutachten zu erstellen, sowie die anzuwendenden Testverfahren und die dabei einzuhaltende Vorgangsweise festzulegen. Ergibt ein Gutachten, dass der Betroffene dazu neigt, mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden, haben die zur Erstellung eines Gutachtens ermächtigten Personen oder Einrichtungen der Behörde den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum des Betroffenen, das Ergebnis sowie das Datum des erstellten Gutachtens zu melden. Wird innerhalb von sechs Monaten ab Erstellung eines solchen Gutachtens ein weiteres Gutachten erstellt, darf dieses die Behörde in einem Verfahren zur Überprüfung der Verlässlichkeit nicht verwerten. Wurden der Behörde drei Gutachten im Sinne des zweiten Satzes gemeldet, ist die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte oder eines Waffenpasses zehn Jahre ab Erstellung des dritten Gutachtens unzulässig.“
§ 25 Abs. 1 bis 3 WaffG:
„(1) Die Behörde hat die Verlässlichkeit des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen, wenn seit der Ausstellung der Urkunde oder der letzten Überprüfung fünf Jahre vergangen sind.
(2) Die Behörde hat außerdem die Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Sofern sich diese Anhaltspunkte auf einen der in § 8 Abs. 2 genannten Gründe oder darauf beziehen, dass der Betroffene dazu neigen könnte, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden, ist die Behörde zu einem entsprechenden Vorgehen gemäß § 8 Abs. 7 ermächtigt.
(3) Ergibt sich, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, so hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen. Von einer Entziehung auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung ist abzusehen, wenn das Verschulden des Berechtigten geringfügig ist, die Folgen unbedeutend sind und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt wird.“
§ 99 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO):
„(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,
wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,
wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,
(Verfassungsbestimmung) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.“
§ 55 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG):
„(1) Ein wegen einer Verwaltungsübertretung verhängtes Straferkenntnis zieht, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, keinerlei Straffolgen nach sich und gilt mit Ablauf von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft als getilgt.
(2) Getilgte Verwaltungsstrafen dürfen in amtlichen Auskünften für Zwecke eines Strafverfahrens nicht erwähnt und bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren nicht berücksichtigt werden.“
7. Erwägungen:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes und der zitierten gesetzlichen Bestimmungen wie folgt erwogen:
Gemäß § 25 Abs. 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, wobei von einer Entziehung auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung abzusehen ist, wenn das Verschulden des Berechtigten geringfügig ist, die Folgen unbedeutend sind und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt wird.
§ 8 Abs. 1 WaffG definiert in Form einer Generalklausel die waffenrechtliche Verlässlichkeit im Sinne einer Prognosebeurteilung (VwGH 13.11.2018, Ra 218/03/0099), wobei der Begriff der „Verlässlichkeit“ im WaffG mit hinreichender Bestimmtheit umschrieben wird und eine Auslegung anhand anderer Gesetze nicht erforderlich ist (VwGH 17.09.1986, 85/01/0085). Die Beurteilung der Verlässlichkeit setzt eine Prognose über die zukünftige Verhaltensweise des zu Beurteilenden voraus, in diese Prognose haben die gesamte Geisteshaltung und Sinnesart, konkrete Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften des zu Beurteilenden, insbesondere auch der Ausdruck seiner Wesenheit (vgl. dazu VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0038) einzufließen; die Tatsachen im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG als Ausgangspunkt der Prognoseentscheidung sind somit nicht eingeschränkt, vielmehr kommt jede Verhaltensweise, jede Charaktereigenschaft in Betracht, die nach den Denkgesetzen und der Erfahrung einen Schluss auf das zukünftige Verhalten zulässt (VwGH 15.03.2019, Ra 219/03/0026).
Diese vorzunehmende Prognose betrifft aber nicht eine allgemeine Verlässlichkeit, sondern den Umstand, dass der Betreffende in Zukunft voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird, Waffen nicht missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird, mit Waffen nicht unvorsichtig umgehen und diese sorgfältig verwahren wird, sowie dass er Waffen nicht Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind (VwGH 14.11.2006, 2005/03/0072; VwGH 15.03.2019, Ra 2019/03/0026).
Angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses ist nach Sinn und Zweck des WaffG bei der Prüfung der Verlässlichkeit jedoch ein strenger Maßstab anzulegen (VwGH 09.05.2018, Ra 2018/03/0046, VwGH 24.03.2010, 2009/03/0156). Die solcherart anzustellende Verhaltensprognose kann daher bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluss rechtfertigen, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde (VwGH 14.11.2006, 2005/03/0072).
Die im § 8 Abs. 2, 3, 5 und 6 WaffG genannten Verlässlichkeitsausschlussgründe begründen demgegenüber unwiderlegbare Rechtsvermutungen und sie umschreiben Tatbestände, bei deren Zutreffen die waffenrechtliche Verlässlichkeit aufgrund bestimmter Verhaltensweisen oder Eigenschaften der zu beurteilenden Person im Sinne einer unwiderleglichen Rechtsvermutung jedenfalls zu verneinen ist (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0563). Bei diesen Tatbeständen wird ex lege auf die mangelnde Verlässlichkeit geschlossen, gleichzeitig entfällt die von der Behörde – sonst – anzustellende Prognoseentscheidung (VwGH 30.06.2011, 2008/03/0063; VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0022; vgl. auch Hauer/Keplinger, Waffengesetz 1996, 39).
Wie auch von der Beschwerdeführerin selbst ausgeführt wird, stützt sich die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt in ihrer Bescheidbegründung auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 WaffG. Demnach gilt ein Mensch als nicht verlässlich und ist demnach im Hinblick auf das Vorliegen eines Verlässlichkeitsausschlussgrundes von einer unwiderlegbaren Rechtsvermutung auszugehen, dass die erforderliche Verlässlichkeit nicht (mehr) vorliegt, der öfter als zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung bestraft worden ist, sofern keine dieser Bestrafungen getilgt ist; bei Zutreffen dieses Verlässlichkeitsausschlussgrundes hat eine sonst anzustellende Prognoseentscheidung zu entfallen.
Der Begriff „schwerwiegende Verwaltungsübertretung“ ist weder im Waffengesetz noch im AVG oder in der StVO definiert. Das Waffengesetz 1986 wurde durch das WaffG 1996 BGBl I Nr. 12/1997 aufgehoben. In der Regierungsvorlage zum WaffG 1996 wurde im besonderen Teil zu § 8 unter anderem ausgeführt, dass der § 8 sinngemäß dem § 6 des geltenden Waffengesetzes (gemeint Waffengesetz 1986) entsprechen würde. Eine inhaltliche Änderung der Verlässlichkeitskriterien sei nicht vorgenommen worden. Des Weiteren wird speziell zum § 8 Abs. 5 ausgeführt, dass Abs. 5 den Umstand berücksichtige, dass Verwaltungsübertretungen, insbesondere wenn sie im Zustand der Trunkenheit begangen worden seien, Betroffene als unverlässlich erscheinen lassen würden. Unter schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen seien jedenfalls die Übertretungen des § 99 Abs. 1 StVO, aber in der Regel auch jene des § 83 SPG zu verstehen.
Aus der Regierungsvorlage ergibt sich sohin, dass es Intention des Gesetzgebers war, jedenfalls alle Übertretungen des § 99 Abs. 1 StVO (wohl in seiner damaligen Fassung), als schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 8 Abs. 5 WaffG zu verstehen. § 8 Abs. 5 WaffG wurde seit dessen Inkrafttreten am 01.07.1997 nicht novelliert. Aus diesen Gründen ist von einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung im Zustand der Trunkenheit im Sinne des § 8 Abs. 5 WaffG stets dann auszugehen, wenn nicht nur tatsächlich die Grenze des Alkoholgehaltes der Atemluft von 0,4 mg/l bzw. 0,8 Promille überschritten wird, sondern unzweifelhaft auch, wenn ein Verstoß gegen § 99 Abs. 1 lit. b StVO vorliegt, demnach wenn sich der Betreffende bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.
Insgesamt ist daher auszuführen, dass die Beschwerdeführerin dreimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung m Sinne des § 8 Abs. 5 WaffG rechtskräftig bestraft wurde. Diese Bestrafungen erfolgten in den Jahren 2018, 2020 und 2021. Gemäß § 55 Abs. 1 VStG zieht ein wegen einer Verwaltungsübertretung verhängtes Straferkenntnis, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, keinerlei Straffolgen nach sich und gilt mit Ablauf von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft als getilgt; keine dieser verfahrensgegenständlichen Bestrafungen ist daher zum derzeitigen Zeitpunkt getilgt.
Da bei Erfüllung des Tatbestandes des § 8 Abs. 5 WaffG die zu beurteilende Person nicht als verlässlich gilt, bedarf es keiner weiteren Prüfung der Verlässlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG. Es ist daher irrelevant, dass die schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen keinen waffenrechtlichen Bezug aufwiesen und es noch nie zu einem Vorfall mit einer Waffe gekommen ist.
Die Rechtsausführungen der Beschwerdeführerin gehen somit im Ergebnis ins Leere und sind zudem auch zum Teil widersprüchlich, wenn die Beschwerdeführerin zunächst selbst auf das Vorliegen eines gesetzlichen Verlässlichkeitsauschlussgrundes verweist, in weiterer Folge jedoch eine vermeintlich durchzuführende, von der belangten Behörde aber unterlassene Prognoseentscheidung rügt. Was zudem den behaupteten Verfahrensmangel betrifft, war darauf nicht weiter einzugehen, zumal ein solcher durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren jedenfalls als geheilt anzusehen wäre.
Die Waffenbesitzkarte wurde der Beschwerdeführerin demnach zu Recht gemäß § 8 Abs. 5 WaffG entzogen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Verwaltungsgericht ungeachtet des darauf gerichteten Antrages der Beschwerdeführerin von einer Verhandlung absehen, weil die Akten erkennen ließen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und der Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstanden. Der Sachverhalt ist auch insgesamt unstrittig und waren lediglich Rechtsfragen zu klären.
8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es wird insbesondere auf die zitierte höchstgerichtliche Judikatur verwiesen. Zudem handelt es sich gegenständlich um eine Einzelfallentscheidung, sodass der gegenständlichen Entscheidung auch keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
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