BauO NÖ 2014 §19 Abs1 Z2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2023:LVwG.AV.327.004.2021
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch HR Mag. Janak-Schlager als Einzelrichter über die Beschwerde des A und der B in ***, beide vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH in ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 23.12.2020, ohne Zahl, betreffend die Anordnung eines Nutzungsverbotes nach der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014), nach Aufhebung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 12.07.2021, LVwG-AV-327/001-2021, durch den Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 15.03.2022, ***, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der baupolizeiliche Auftrag gemäß § 17 VwGVG iVm § 59 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) binnen einer Frist von vier Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu erfüllen ist.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B‑VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren
In den Jahren 1957 und 1960 wurden Baubewilligungen für einen Stockwerksaufbau sowie für den Zubau einer Veranda für das Objekt auf Grundstück Nr. ***, KG ***, erteilt. Mangels Unterlagen zum ursprünglich vorhandenen Bestand wurde im Zuge des Benützungsbewilligungsverfahrens dieser Zubauten am 19.09.1980 ein Bestandsplan über das bestehende Wohnhaus und ehem. Fabriksgebäude bewilligt.
Aufgrund zahlreicher Anrainerbeschwerden und nach Durchführung einer baubehördlichen Überprüfung am 08.03.2019 wurde schließlich mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 19.09.2019 gemäß § 35 NÖ BO 2014 das Verbot zur Nutzung eines als Abstellraum (ca. 2,4 x 3,3 m) genehmigten Gebäudeteiles im südwestlichen Bereich des Objektes ***, ***, als Hühnerstall verfügt. Die Erfüllungsfrist wurde mit 30.11.2019 festgelegt.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** (im Folgenden: belangte Behörde) vom 23.12.2020, ohne Zahl, wurde die dagegen erhobene Berufung in ihren Punkten a) und c) [Antrag auf ersatzlose Behebung bzw. Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung an den Bürgermeister] als unbegründet abgewiesen, Punkt b) [Antrag auf Feststellung nach § 70 Abs 6 NÖ BO 2014] wurde als unzulässig zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die gegenständliche Liegenschaft seit 1978 als Bauland-Wohngebiet gewidmet sei. Davor sei dieser Bereich seit der ersten offiziellen Auflage des Flächenwidmungsplanes im Jahr 1964 als Bauland-Industriegebiet ausgewiesen gewesen. Aufgrund einer Lagedarstellung eines Teilungsplanes aus dem Jahr 1939 sei von einem vermuteten Konsens für den Gebäudekomplex auszugehen, die diesbezüglichen Pläne seien wohl einem Brand am Gemeindeamt zum Opfer gefallen. Deshalb sei im Zuge des Kollaudierungsverfahrens der Zubauten und Adaptierungen ab 1957 ein Bestandsplan für den gesamten Gebäudekomplex gefordert worden, welcher am 19.09.1980 bewilligt worden sei. In diesem Plan seien als westlicher Zubau zum Fabriksgebäude drei Räume jeweils mit der Bezeichnung „Abstellraum“ dargestellt. Eine Raumwidmung für eine Nutzung als Tierhaltung sei nicht festgelegt.
Bei einer baubehördlichen Überprüfung am 08.03.2019 sei festgestellt worden, dass der südwestliche Zubauraum als Hühnerstall genutzt werde. Es seien rund acht Zwerghühner und ein Zwerghahn untergebracht gewesen. Auf einem entfernteren Grundstücksteil seien auch weitere Hühner festgestellt worden. In dem am 19.09.1980 bewilligten Bestandsplan sei gegenständlicher Gebäudeteil eindeutig als „Abstellraum“ bezeichnet. Dass seit den 1930er Jahren eine Nutzung als Kleintierstall stattfinde, sei für gegenständliches Verfahren nicht relevant. Der Bürgermeister habe das Nutzungsverbot richtigerweise auf § 35 NÖ BO 2014 gestützt, da für die Raumwidmung keine Anzeige nach § 15 vorliege. Die möglichweise missverständliche Begründung beziehe sich darauf, dass die Behebung des Gebrechens einer dem Bestandsplan widersprechenden Nutzung des Abstellraumes als Hühnerstall auch durch einen nachträglichen Antrag zur Raumumwidmung gem. § 15 Abs 1 Z 1 lit a NÖ BO 2014 wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan und den Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes nicht zulässig sei. Ein Feststellungsbescheid nach § 70 Abs 6 NÖ BO 2014 liege nicht vor und sei eine Beurteilung der Sachlage in diesem Sinne auch nicht Gegenstand des Verfahrens.
Da laut rechtskräftig bewilligtem Bestandsplan vom 19.09.1980 die Widmung als Abstellraum vorliege, der Raum tatsächlich aber als Hühnerstall benutzt werde, liege eine gesetzwidrige Raumnutzung im Sinne des § 34 NÖ BO 2014 vor. Aufgrund der Widmung als Bauland-Wohngebiet könne auch keine nachträgliche Änderung des Verwendungszweckes des Raumes genehmigt werden. Das vom Bürgermeister verfügte Nutzungsverbot als Hühnerstall bestehe daher zu Recht.
2. Zum Beschwerdevorbringen
Dagegen richtet sich die vorliegende, fristgerecht eingebrachte Beschwerde, mit welcher lediglich die Abweisung der Berufung gegen das Nutzungsverbot [Berufungspunkte a) und c)] angefochten wird, nicht jedoch die Zurückweisung des Feststellungsantrages.
Darin wird von den Beschwerdeführern im Wesentlichen vorgebracht, dass der gegenständliche Raum seit seiner Errichtung in den 1930er Jahren durchgehend als Kleintierstall genutzt werde, was durch Aussagen von Nachbarn und durch Fotos belegt sei. Unzulässigerweise gehe die belangte Behörde von einer Widmung als Abstellraum aus, vielmehr scheine auf den bewilligten Plankopien des Bestandsplanes aus 1980 keine Nutzungsbezeichnung auf. Dies sei auch ebenso wie die Rechtmäßigkeit der Hühnerhaltung in einem Schreiben der Baubehörde vom 02.02.2016 bestätigt worden. Die Vervielfältigung des Bestandsplanes sei in einem trockenen Kontaktkopierverfahren durch Lichtpausen auf Transparentpapier erfolgt, sodass alle auf diese Weise kopierten Versionen auf Transparentpapier exakt gleich sein müssten, der Originalplan sei wohl beim Baumeister verblieben. Im Zusammenhang mit der Frage eines vermuteten Konsenses sei zudem nach der Judikatur ein besonders sorgfältiges Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die belangte Behörde gehe auch rechtsirrig davon aus, der vermutete Konsens betreffe nur die Baulichkeit, nicht aber deren Nutzung. Die Frage, seit wann Räumlichkeiten in einer bestimmten Weise benützt werden, sei sehr wohl für die Beurteilung eines vermuteten Konsenses maßgeblich. Es liege jedenfalls ein vermuteter Konsens auch hinsichtlich der Nutzung als Hühnerstall vor, weshalb der Tatbestand des § 35 Abs 3 NÖ BO 2014 nicht erfüllt sei.
Das Nutzungsverbot werde auf § 35 Abs 3 NÖ BO 2014 und auf § 16 Abs 1 Z 1 NÖ ROG gestützt. Ein Nutzungsverbot gemäß § 35 Abs 3 NÖ BO 2014 dürfe nur wegen eines Verstoßes gegen den baurechtlichen Verwendungszweck verhängt werden, dürfe sich jedoch nicht auf bloßen Widerspruch zum Flächenwidmungsplan stützen.
Die Beschwerdeführer hätten am 25.01.2021 einen Feststellungsantrag gemäß § 70 Abs 6 NÖ BO 2014 gestellt. Ginge man von einer konsenslosen Nutzung aus, so wäre jedenfalls der Tatbestand nach § 70 Abs 6 NÖ BO 2014 erfüllt, weshalb allenfalls eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Feststellungsverfahrens angeregt werde.
Mit Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 19.02.2021 wurden dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Verfahrensakten zur Entscheidung über diese Beschwerde vorgelegt.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren
Da die gegenständliche Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B‑VG nicht zurückzuweisen bzw. das Beschwerdeverfahren nicht einzustellen war, hatte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich darüber gemäß § 28 Abs 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wies die Beschwerde mit seinem Erkenntnis vom 12.07.2021, LVwG-AV-327/001-2021, als unbegründet ab und setzte eine neue Frist zur Erfüllung des baupolizeilichen Auftrages.
Infolge der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision der Beschwerdeführer wurde die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes NÖ vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15.03.2022, ***, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die Beschwerdeführer hätten in ihrer Beschwerde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde unter Vorlage von Lichtbildern, Plänen und Erklärungen der Nachbarn sowie mit dem Beweisanbot der Vorlage des ihnen vorliegenden Originalplans aus dem Jahr 1980 und einem dazu ergangenen Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** aus dem Jahr 2016 bestritten. Das Landesverwaltungsgericht habe vor dem Hintergrund des Inhalts der Beschwerde aber nicht zu Recht davon ausgehen können, dass der Sachverhalt hinsichtlich der Frage, ob die Nutzung des in Rede stehenden Raumes laut Bewilligung auf einen bestimmten Verwendungszweck eingeschränkt ist, geklärt sei. Schon angesichts dessen wäre eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen. Das baubehördliche Nutzungsverbot betreffe einen zivilrechtlichen Anspruch im Sinn des Art 6 EMRK („civil right“), weshalb eine Prüfung der Relevanz der Unterlassung einer mündlichen Verhandlung nicht vorzunehmen sei. Das angefochtene Erkenntnis sei daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte im fortgesetzten Verfahren am 05.04.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der Beweis aufgenommen wurde durch die Verlesung des Bezug habenden Aktes der belangten Behörde und Befragung des Beschwerdeführers A.
Festzuhalten ist, dass über den Antrag der Beschwerdeführer auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 70 Abs 6 NÖ BO 2014 für das Wohn- und Wirtschaftsgebäude auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, wonach der Hühnerstall und die Nutzung der bewilligten Baulichkeiten als Hühnerstall als bewilligt gelten sollen, beim Landesverwaltungsgericht NÖ zur Geschäftszahl LVwG-AV-1909/001-2021 mittlerweile ein Beschwerdeverfahren anhängig war. Der Feststellungsantrag war von der Baubehörde I. Instanz mit Bescheid vom 14.06.2021 abgewiesen worden, eine dagegen erhobene Berufung von der belangten Behörde mit Bescheid vom 23.09.2021. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes NÖ vom 21.12.2022 wurde die gegen den Berufungsbescheid eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Über Antrag der Beschwerdeführer und mit Zustimmung des Vertreters der belangten Behörde in der Verhandlung am 05.04.2023 wurde, um eine Wiederholung der umfangreichen Zeugenbefragungen zu vermeiden, das im Parallelverfahren zu LVwG-AV-1909/001-2021 aufgenommene Verhandlungsprotokoll vom 21.11.2022 samt dem Inhalt des Verfahrensaktes in das gegenständliche Verfahren durch Verlesung miteinbezogen.
Zudem wurde in der Verhandlung insbesondere in eine Postkartenansicht vom Ende des 19. Jh./Anfang des 20. Jh., welche eine Abbildung der D in *** enthält, den Teilungsplan des Zivil-Geometers E in *** vom 23.06.1939, den Naturaufnahmeplan des F, Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen in ***, vom 24.08.1977 und die im Besitz der Beschwerdeführer befindlichen Bestandspläne vom Juni 1980 Einsicht genommen.
4. Feststellungen
Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft *** in ***, EZ ***, KG ***. Die Liegenschaft ist seit 1978 als Bauland-Wohngebiet gewidmet und war zuvor seit 1964 als Bauland-Industriegebiet ausgewiesen.
Die Liegenschaft war ab ca. 1870 Teil des Areals der in *** etablierten und heute nicht mehr existenten „D“.
Der Gebäudekomplex auf dem heutigen Gst.Nr. *** besteht bereits jedenfalls seit zumindest Ende der 1930er Jahre. Im Teilungsplan aus 1939 ist dieses direkt am *** gelegene Objekt als „Fabriksgebäude“ eingetragen. An dessen südwestlicher Außenwand ist ein kleiner Anbau dargestellt, welcher durch einen späteren Zubau, der sich bereits auf dem Vermessungsplan aus 1977 wiederfindet, ersetzt wurde.
[Abweichend vom Original:
…
Bilder nicht wiedergegeben]
Undatierte Darstellung der D Teilungsplan des E aus 1939 ohne
(der rote Pfeil zeigt auf das verfahrensgegenständliche -Zubau
„Fabriksgebäude“ ohne den späteren Zubau)
[Abweichend vom Original:
…
Bild nicht wiedergegeben]
Naturaufnahmeplan des F aus
1977 mit dargestelltem Zubau (roter Pfeil)
Ein baubehördlicher Aktenbestand in Bezug auf diese gewerbliche Betriebsanlage ist bei der Baubehörde der Marktgemeinde *** nicht vorhanden. Die erste im Bauakt befindliche Baubewilligung aus 1957 bezieht sich auf die Aufstockung des nordöstlichen Wohngebäudes. Auf dem dazugehörigen Bauplan ist jedoch lediglich dieses Wohngebäude im Detail dargestellt, nicht jedoch das „Fabriksgebäude“.
Aufgrund des Verlustes der alten Bauakten wurde dessen Bestand im Zuge von Zubauten mit dem am 19.09.1980 bewilligten Bestandsplan des G vom Juni 1980 konsentiert. Dieser Plan beinhaltet auch einen in drei Räume unterteilten Zubau an der westlichen Außenwand des „Fabriksgebäudes“.
In dem im Behördenakt aufliegenden Bestandsplan vom Juni 1980, welcher laut Behördenvermerk des Bürgermeisters vom 19.09.1980 als Auswechslungsplan bei der Kollaudierungsverhandlung vom 24.07.1980 nachträglich baubehördlich genehmigt wurde, sind die drei Räume des an der südwestlichen Front des ehem. Fabriksgebäudes errichteten Zubaus mit der Abkürzung „ABST.R.“ bezeichnet. Der Plan weist beim südwestlichen Raum offenkundig eine Radierung auf, dh. die Schrift ist heller als bei anderen Beschriftungen am Plan, aber trotzdem deutlich lesbar. Eine andere bzw. weitere Raumnutzung ist am Plan nicht vermerkt.
Auf den von den Beschwerdeführern vorgelegten Bestandsplänen vom Juni 1980 - ein Exemplar mit Genehmigungsvermerk des Bürgermeisters vom 19.09.1980 und ein Exemplar ohne Vermerk - sind lediglich zwei der drei Räume des Zubaus mit der Bezeichnung „ABST.R.“ versehen. Der südwestliche Raum des Zubaus mit dem Ausmaß von ca. 2,4 x 3,3 m weist als einziger am Bauplan dargestellte Raum keine Raumbezeichnung auf.
Dass es sich bei diesen beiden Bestandsplänen um keine exakten Kopien des Bestandsplanes der Baubehörde handelt ist daraus zu ersehen, dass am Bestandsplan der Beschwerdeführer mit dem Genehmigungsvermerk im Vorraum des Erdgeschoßes u.a. eine Treppe eingezeichnet ist, welche sich auf den übrigen Plänen nicht wiederfindet.
[Abweichend vom Original:
…
Bilder nicht wiedergegeben]
Zubau am Bestandsplan vom Juni 1980 Zubau am Bestandsplan vom Juni 1980
im Bauakt der Beschwerdeführer
Aus dem Verfahrensakt ist weiters zu ersehen, dass eine Abänderung des mit 19.09.1980 bewilligten Konsenses bis dato nicht vorliegt.
Im südwestlichen Raum des Zubaus mit dem Ausmaß von ca. 2,4 x 3,3 m wird laut Aussage der Beschwerdeführer seit den 1930er Jahren Hühnerhaltung betrieben, welche lediglich infolge der Vogelgrippe in den 2000er Jahren für ca. 1,5 Jahre unterbrochen war.
Aufgrund von Anrainerbeschwerden ab 2013 im Zusammenhang mit dem mit der Haltung von Hähnen einhergehenden Lärm wurde seitens des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** versucht, zwischen den Nachbarn und den Beschwerdeführern zu vermitteln. In dem an die Beschwerdeführer und einige Nachbarn gerichteten Schreiben vom 02.02.2016 führte der Bürgermeister, das Ergebnis von Gesprächsverläufen wiedergebend, im Wesentlichen aus, dass er die Hühnerhaltung zur Selbstversorgung, da diese früher üblich gewesen sei und auch rechtlich nicht verboten erscheine, grundsätzlich gestatte. Mit dem Erstbeschwerdeführer werde vereinbart, dass zwei Zwerghähne entfernt werden würden und der Bürgermeister der Familie der Beschwerdeführer fünf Jahre lang jeweils fünf von einer Brüterei gekaufte Küken schenken werde. Der als Hühnerstall dienende Zubau am Nebengebäude sei baubehördlich genehmigt, weise aber keine spezielle Raumwidmung auf, weshalb auch keine Änderung der Raumwidmung auf Stall notwendig sei, allerdings gebe es keine dezidierte Stallwidmung. Dazu werde auch festgehalten, dass eine Hühnerhaltung auch über eine mobile Stallanlage möglich wäre und somit gar kein baurechtliches Zugriffsrecht der Baubehörde bestünde.
Schließlich wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 19.09.2019 das nunmehr bekämpfte Nutzungsverbot erlassen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hier auf den unter Punkt 1 wiedergegebenen Verfahrensverlauf verwiesen.
5. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen am verfahrensgegenständlichen Grundstück ergeben sich aus dem offenen Grundbuch.
Unstrittig sind die Feststellungen zu den Widmungen des Grundstücks der Beschwerdeführer und zum Bestand der Bauakten am Gemeindeamt der Marktgemeinde ***, welche sich zum einen aus Schreiben der Baubehörde und zum anderen aus Aussagen des Vertreters der belangten Behörde vor dem erkennenden Gericht ergeben, wonach Bauakten offensichtlich verbrannt seien und es in Bezug auf die *** keinerlei historischen Bauakten mehr gebe.
Die Feststellungen zur Hühnerhaltung ergeben sich aus den Aussagen der Beschwerdeführer sowie der dazu einvernommenen Zeugen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.11.2022 im Parallelverfahren zu LVwG-AV-1909/001-2021. Der Erstbeschwerdeführer legte dabei dar, dass sein Großvater 1937 zunächst als Pächter auf das verfahrensgegenständliche Grundstück gezogen sei. Die Errichtung jenes Zubaus, in welchem schließlich auch der Hühnerstall untergebracht wurde, ist in weiterer Folge während der Anschlussjahre ab 1938 zu vermuten, was sich u.a. aus einem von den Beschwerdeführen fotografisch festgehaltenen Abdruck der ***-Zeitung „***“ vom 15.09.1938 auf der Deckenschalung des Hühnerstalldaches erschließt.
Die Beschreibung der Bestandspläne der Baubehörde und der Beschwerdeführer aus dem Jahr 1980 erfolgte entsprechend der Einsichtnahme in die vorgelegten Planunterlagen. Weshalb die Pläne insbesondere in Bezug auf die Bezeichnung jenes Raumes, in welchem sich der Hühnerstall befindet, voneinander abweichen, konnte aufgrund der mittlerweile verstrichenen Zeit nicht mehr geklärt werden. Erhellendes dazu findet sich auch in den schriftlichen Bezug habenden Dokumenten des Bauaktes nicht.
Zu den übrigen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund des gesamten vorgelegten verwaltungsbehördlichen Verfahrensaktes und des Beschwerdeinhaltes, sodass der entscheidungsrelevante Sachverhalt zweifellos aufgrund der im Akt befindlichen Unterlagen, der in der Verhandlung vorlegten Dokumente und den Ausführungen der Verfahrensparteien konstatiert werden konnte.
6. Rechtslage
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls zufolge § 31 Abs 1 VwGVG mit Beschluss.
Soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid zufolge § 27 VwGVG aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder aufgrund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden.
Gemäß § 70 Abs 16 NÖ BO 2014 sind die am Tag des Inkrafttretens der Bestimmungen der NÖ BO 2014, LGBl 32/2021, am 01.07.2021 anhängigen Verfahren nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen. Gegenständlich sind daher die Bestimmungen der NÖ BO 2014 idF LGBl 53/2016 anzuwenden.
Die relevanten Bestimmungen der NÖ Bauordnung 2014 idF LGBl 53/2018 lauten daher auszugsweise wie folgt:
„§ 14
Bewilligungspflichtige Vorhaben
Nachstehende Vorhaben bedürfen einer Baubewilligung:
1. Neu- und Zubauten von Gebäuden;
2. die Errichtung von baulichen Anlagen;
3. die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz, die Belichtung oder Belüftung von Aufenthaltsräumen, die Trinkwasserversorgung oder Abwasserbeseitigung beeinträchtigt oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen könnte;
[…]“
„§ 15
Anzeigepflichtige Vorhaben
(1) Folgende Vorhaben sind der Baubehörde schriftlich anzuzeigen:
1. Vorhaben ohne bauliche Maßnahmen:
a) die Änderung des Verwendungszwecks von Bauwerken oder deren Teilen oder die Erhöhung der Anzahl von Wohnungen ohne bewilligungsbedürftige bauliche Abänderung, wenn hiedurch
– Festlegungen im Flächenwidmungsplan,
– Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung,
– der Stellplatzbedarf für Kraftfahrzeuge oder für Fahrräder,
– der Spielplatzbedarf,
– die Festigkeit und Standsicherheit,
– der Brandschutz,
– die Belichtung,
– die Trockenheit,
– der Schallschutz oder
– der Wärmeschutz
betroffen werden könnten;
[…]“
„§ 19
Bauplan, Baubeschreibung und Energieausweis
(1) Der Bauplan hat alle Angaben zu enthalten, die für die Beurteilung des Vorhabens notwendig sind. Dazu gehören je nach Art des Vorhabens insbesondere:
1. der Lageplan, aus dem zu ersehen sind[…]
2. die Grundrisse, bei Gebäuden von sämtlichen Geschoßen mit Angabe des beabsichtigten Verwendungszwecks jedes neu geplanten oder vom Bauvorhaben betroffenen Raumes, die Fluchtwege und sofern erforderlich die Lage von Zugangspunkten und Netzabschlusspunkten für die hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastrukturen (§ 4 Z 12a und § 43a);
[…]“
„§ 20
Vorprüfung
(1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben
1. die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks, seine Erklärung zur Vorbehaltsfläche oder Aufschließungszone, sofern das Vorhaben nicht der Erfüllung einer Freigabebedingung dient,
2. der Bebauungsplan,
3. der Zweck einer Bausperre,
4. die Unzulässigkeit der Erklärung des betroffenen Grundstücks im Bauland zum Bauplatz,
5. ein Bauverbot nach § 13 oder nach § 42 Abs. 6 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung,
6. bei Hochhäusern, sofern deren Raumverträglichkeit nicht bereits im Widmungsverfahren geprüft wurde, das Unterbleiben der Raumverträglichkeitsprüfung oder deren negatives Ergebnis, oder
7. sonst eine Bestimmung
– dieses Gesetzes, ausgenommen § 18 Abs. 4,
– des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung,
– der NÖ Aufzugsordnung 2016, LGBl. Nr. 9/2017,
– des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210,
– des NÖ Kanalgesetzes, LGBl. 8230, oder
– einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze
entgegensteht.
[…]“
„§ 23
Baubewilligung
(1) Über einen Antrag auf Baubewilligung ist schriftlich zu entscheiden.
Eine Baubewilligung ist zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z 1 bis 7 angeführten Bestimmungen besteht. Bei gewerblichen Betriebsanlagen gilt § 20 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß.
Liegt ein Widerspruch vor, ist die Baubewilligung zu versagen. Die Baubewilligung umfasst das Recht zur Ausführung des Bauwerks und dessen Benützung nach Fertigstellung, wenn die erforderlichen Unterlagen nach § 30 Abs. 2 oder 3 vorgelegt werden.
[…]“
„§ 34
Vermeidung und Behebung von Baugebrechen
(1) Der Eigentümer eines Bauwerks hat dafür zu sorgen, dass dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten und nur zu den bewilligten oder angezeigten Zwecken (z. B. landwirtschaftlicher Betrieb bei landwirtschaftlichem Wohngebäude) genutzt wird. Er hat Baugebrechen zu beheben.
(2) Kommt der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Überprüfung des Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Antrages nach § 14 oder einer anhängigen Anzeige nach § 15, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.
[…]“
„§ 35
Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag
[…]
(3) Die Baubehörde hat die Nutzung eines nicht bewilligten oder nicht angezeigten Bauwerks sowie die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der Anzeige (§ 15) zu ersehenden Verwendungszweck zu verbieten. Abs. 1 und 2 sowie § 34 Abs. 1 und 2 bleiben davon unberührt.
[…]“
Die relevanten Bestimmungen der zum Zeitpunkt der am 19.09.1980 erteilten Bewilligung geltenden NÖ Bauordnung 1976 (NÖ BauO 1976) idF LGBl 8200-0 lauten auszugsweise:
„§ 92
Bewilligungspflichtige Vorhaben
(1) Nachstehende Vorhaben bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde:
1. Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden;
[…]
5. die wesentlichen Änderungen des Verwendungszweckes von Gebäuden, Gebäudeteilen und einzelnen Räumen;
[…]“
„§ 97
Inhalt der Planunterlagen
(1) Die Baupläne haben alle Angaben zu enthalten, die für die baupolizeiliche Beurteilung des Vorhabens notwendig sind. Dazu gehören insbesondere:
1. der Lageplan, in dem darzustellen und einzutragen sind:
[…]
2. die Grundrisse, bei Gebäuden vom Fundament und von sämtlichen Geschossen;
[…]“
Die Verordnung über die Ausführung der Baupläne (Bauplanverordnung) vom 30.11.1978, LGBl 8200/2-0 besagt in § 4:
„(1) Die Baupläne gemäß § 97 Abs. 1 Z. 1, 2 und 3 NÖ Bauordnung 1976 sind nach den Abs. 2 bis 4 zu färbeln.
[…]
(4) Bei Widmungsänderungen von Räumen und Baulichkeiten ist die Beschriftung der bisherigen Widmung gelb und die der künftigen Widmung rot zu unterstreichen.“
Die NÖ Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996) sieht in ihrer Stammfassung LGBl 8200‑0 vor:
„§ 14
Bewilligungspflichtige Bauvorhaben
Nachstehende Bauvorhaben bedürfen einer Baubewilligung:
[…]
4. Die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz oder die hygienischen Verhältnisse beeinträchtigt, ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;
[…]“
„§ 15
Anzeigepflichtige Vorhaben
(1) Folgende Vorhaben sind mindestens 8 Wochen vor dem Beginn ihrer Ausführung der Baubehörde schriftlich anzuzeigen:
1. […]
2. Die Änderung des Verwendungszwecks von Bauwerken oder deren Teilen ohne bewilligungsbedürftige bauliche Änderung, wenn hiedurch
Festlegungen im Flächenwidmungsplan,
der Stellplatzbedarf oder
die hygienischen Verhältnisse
betroffen werden können;
[…]“
„§ 19
Bauplan und Baubeschreibung
(1) Die Baupläne haben alle Angaben zu enthalten, die für die Beurteilung des Vorhabens notwendig sind. Dazu gehören insbesonders:
1. […]
2. die Grundrisse, bei Gebäuden von sämtlichen Geschoßen mit Angabe des beabsichtigten Verwendungszwecks jedes neu geplanten oder vom Bauvorhaben betroffenen Raumes und die Schornsteinquerschnitte;
[…]“
7. Erwägungen
Beim Baubewilligungsverfahren handelt es sich um ein Projektgenehmigungsverfahren. Gegenstand des Verfahrens ist die Beurteilung des in den Einreichplänen und sonstigen Projektunterlagen dargestellten Projektes, für das der in den Einreichplänen und den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist. Die Übereinstimmung des Vorhabens mit den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere auch hinsichtlich des Verwendungszwecks und damit der Flächenwidmung, ist somit anhand des konkreten Projektes (vgl. z.B. Baubeschreibung, Pläne, etc.) zu prüfen (VwGH 2010/05/0200).
Im Falle einer Baubewilligung ist sohin das eingereichte Projekt maßgeblich, unabhängig von einem allenfalls davon abweichenden tatsächlichen Zustand. Grundsätzlich ist dabei der vom Bauwerber angegebene Verwendungszweck im Bauverfahren maßgeblich, weshalb eine allenfalls erteilte Baubewilligung immer nur für diesen im Bauansuchen angegebenen Verwendungszweck gilt (VwGH Ro 2015/05/0012).
Im gegenständlichen Bestandsplan ist aus dem Originalplan ersichtlich, dass alle drei Räume an der südwestlichen Front als „ABST.R.“ deklariert sind, wenngleich an dem südlichsten der drei Räume eine Radierung oder ähnliche Bearbeitung erkennbar ist, die die Bezeichnung des Verwendungszweckes in diesem Raum farblich schwächer, jedoch noch immer deutlich lesbar, erscheinen lässt.
Für das erkennende Gericht bleibt unerklärlich, weshalb der Bestandsplan der Baubehörde von jenem der Beschwerdeführer hinsichtlich der Bezeichnung der als Hühnerstall genutzten Räumlichkeit abweicht, zumal selbst dann, wenn die Radierung im Bestandsplan der Behörde das Ziel gehabt haben sollte, die Nutzungsart aus dem Plan zu eliminieren, es demjenigen, der diese Radierung vorgenommen hatte, klar gewesen sein musste, dass diese nach wie vor deutlich zu lesen ist. Warum die Bezeichnung als Abstellraum nicht einfach durchgestrichen und ein entsprechender Vermerk auf den Plan gesetzt wurde, wenn eine Tilgung der Bezeichnung „ABST.R.“ tatsächlich beabsichtigt war, ist für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, zumal sich auf dem Plan auch andere handschriftlich mit Bleistift vorgenommene Anmerkungen finden.
Ebenso wenig ist für das Gericht ersichtlich, weshalb kein anderer Verwendungszweck angegeben wurde, wenn die Nutzung als Abstellraum doch nicht vorgesehen gewesen sein sollte. § 92 Abs 1 Z 5 NÖ BauO 1976, der zum Zeitpunkt der Erteilung der Benützungsbewilligungen für den Stockwerksaufbau und die Veranda in Geltung stand, sah eine Bewilligungspflicht für die Änderung des Verwendungszweckes von Bauwerken oder deren Teilen vor, wenn dadurch unter anderem Rechte der Nachbarn verletzt werden könnten. Durch die Haltung von Nutztieren im Wohngebiet wäre dieser Tatbestand im September 1980 verwirklicht worden, weil diese Nutzung zu dieser Zeit im Unterschied zur Nachkriegszeit im Wohngebiet nicht mehr selbstverständlich war.
§ 19 Abs 1 Z 2 NÖ BO 2014 sieht nunmehr ausdrücklich vor, dass ein Bauplan (unter anderem) die Angabe des beabsichtigten Verwendungszweckes jedes neu geplanten oder vom Bauvorhaben betroffenen Raumes zu enthalten hat. In diesem Zusammenhang ist der Ansicht der Beschwerdeführer, dass für den Raum KEIN Verwendungszweck ausgewiesen sei, - neben der zwar farblich schwächeren, aber deutlich lesbaren Angabe „ABST.R.“ - entgegenzuhalten, dass daher ein Plan, der einen Raum OHNE Verwendungszweck ausweist, gesetzlich nicht zulässig wäre. Da im gegenständlichen Fall auf dem Bestandsplan für den verfahrensgegenständlichen Raum keine andere Bezeichnung vermerkt wurde, muss - insbesondere auch unter Berücksichtigung des Baubewilligungsverfahrens als Projektgenehmigungsverfahren - davon ausgegangen werden, dass der dort ausgewiesene Verwendungszweck als Abstellraum als bewilligt gilt.
Dies auch unter Beachtung der zum Bewilligungszeitpunkt gültigen NÖ BauO 1976. Diese sieht zwar in § 97 als Inhalt der Planunterlagen die Angabe des Verwendungszweckes für jeden Raum noch nicht ausdrücklich vor, doch ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass § 97 leg.cit. eine bloß demonstrative Aufzählung anführt („insbesondere“) und dass § 92 Abs 1 Z 5 NÖ BauO 1976 für die wesentlichen Änderungen des Verwendungszweckes von Gebäuden, Gebäudeteilen und einzelnen Räumen, eine Bewilligungspflicht vorsieht. Dies setzt voraus, dass in der ursprünglichen Bewilligung ein Verwendungszweck angegeben sein muss, andernfalls dieser Tatbestand ins Leere liefe. In diesem Zusammenhang ist auch auf § 4 Abs 4 der Bauplanverordnung 1978 hinzuweisen, der die Färbelung bei Widmungsänderung von Räumen regelt.
Bereits im Motivenbericht zu einem Änderungsentwurf der NÖ BauO 1976 vom 12.02.1980, somit bereits vor der verfahrensgegenständlichen Bewilligung vom 19.09.1980, findet sich folgendes:
„Zu § 97 Abs. 1 lit. b und c, Abs. 2 Z. 6 und Abs. 3:Zur Wahrung des Anspruches der von den Auswirkungen eines Vorhabens voraussichtlichen Betroffenen auf den Schutz ihrer Gesundheit und ihres Eigentums sowie vor Belästigungen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Siehe Erkenntnis vom 10. März 1975, Zl. 292/73 und vom 14. Februar 1978, Zl. 1518/77) muß außer den schon bisher vorgeschriebenen Angaben über ein Vorhaben noch die Angabe der von seinen Auswirkungen voraussichtlich betroffenen Grundstücke und der Namen und Anschriften ihrer Eigentümer sowie eine eingehende Darstellung des Verwendungszweckes der neuen oder umgestalteten Räume und Anlagen sowie der Betriebsweise der letzteren verlangt werden. Wenn die Vorbegutachtung der Projektsunterlagen durch Sachverständige die Unvollständigkeit dieser Angaben ergibt, muß ihre Ergänzung verlangt werden können. Da die Deckung des zur Erfüllung der Aufgaben der Baubehörde erforderlichen Auftrages zur Nachreichung von Angaben der vorgenannten Arten durch den Einleitungssatz des § 97 Abs. 1 sich als zuwenig eindeutig erwiesen hat, werden die Detailbestimmungen auch diesbezüglich ergänzt.“
Wenngleich dies letztlich nicht Eingang in die NÖ BauO 1976 gefunden hat, so wird schließlich auch im Motivenbericht zur NÖ BauO 1996 vom 07.11.1995 zu §§ 18 und 19 argumentiert:
„Die Regelung der Beilagen von Anträgen auf Baubewilligungen soll übersichtlicher gegliedert und so ergänzt werden, daß die Baubehörde jeweils - möglichst vom Beginn des Verfahrens an - alle Unterlagen zur Verfügung hat, die sie zur Beurteilung des Bauvorhabens in der von ihr verlangten Schnelligkeit benötigt. […] Die Angabe des Verwendungszweckes eines neugeplanten oder vom Vorhaben betroffenen Bauwerks, bei Gebäuden jedes Raumes, sowie bei nichtgewerblichen Betrieben der Art, des Umfanges und der voraussichtlichen Emissionen soll generell vorgeschrieben werden.“
Aus all dem sowie auch insbesondere aufgrund des Bewilligungstatbestandes der Änderung des Verwendungszweckes gemäß § 92 Abs 1 Z 5 NÖ BauO 1976 ergibt sich, dass sowohl zum Zeitpunkt der Bewilligung wie auch zum Zeitpunkt des baupolizeilichen Auftrages (sowie zu jedem dazwischenliegenden Zeitpunkt) jedenfalls ein Verwendungszweck für den Raum im Bauplan angegeben sein musste.
Es ist für das Gericht darüber hinaus kein Interesse der belangten Behörde erkennbar, ohne Grund Änderungen am Plan vorzunehmen und eine erforderliche Nutzungsangabe ersatzlos zu streichen. Das Gericht geht daher davon aus, dass der als Hühnerstall genutzte Raum den Verwendungszweck „Abstellraum“ aufweist und dieser als bewilligt gilt. Dass die Baubehörde in ihrem Schreiben vom 02.02.2016 eine andere Rechtsauffassung vertreten hat als in ihrem Bescheid vom 19.09.2019 ändert daran nichts.
Abstellräume dienen der Aufbewahrung von Gegenständen und nicht der Haltung von Nutztieren. Die Nutzung als Hühnerstall erfolgt daher konsenslos.
Wenn die Beschwerdeführer auf die jahrzehntelange unbeanstandete Nutzung der verfahrensgegenständlichen Räumlichkeit als Hühnerstall verweisen, so ist auch festzuhalten, dass ein dafür erforderlicher baubehördlicher Konsens nicht ersessen werden kann (vgl. VwGH Ra 2018/05/0251).
Gemäß § 34 Abs 1 NÖ BO 2014 hat der Eigentümer eines Bauwerks dafür zu sorgen, dass dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten und nur zu den bewilligten oder angezeigten Zwecken genutzt wird. Er hat Baugebrechen zu beheben.
Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle hat die Baubehörde nach Überprüfung des Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Antrages nach § 14 oder einer anhängigen Anzeige nach § 15, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen, wenn der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs 1 nicht nachkommt.
Gemäß § 35 Abs 3 NÖ BO 2014 hat die Baubehörde die Nutzung eines nicht bewilligten oder nicht angezeigten Bauwerks sowie die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der Anzeige (§ 15) zu ersehenden Verwendungszweck zu verbieten. Abs 1 und 2 sowie § 34 Abs 1 und 2 bleiben davon unberührt.
Wie sich aus § 34 NÖ BO 2014 ergibt, ist der Eigentümer eines Bauwerks gesetzlich dazu verpflichtet, seine Bauwerke in einem „entsprechenden Zustand“ zu halten (Instandsetzungspflicht) und vorhandene Baugebrechen zu beseitigen (Erhaltungspflicht). Der „entsprechende Zustand“ ergibt sich aus der Bauanzeige bzw. Baubewilligung und aus den Bezug habenden Urkunden (z.B. Baubeschreibung und Pläne); siehe dazu W. Pallitsch/Ph. Pallitsch/W. Kleewein, Niederösterreichisches Baurecht9 (2015) S. 474.
Nach den Materialien zu § 34 NÖ BO 2014 ist ein „Baugebrechen“ ein durch
Alter, Abnützung, Verwitterung oder Beschädigung (Verschlechterung) oder
eine bewilligungsbedürftige, aber nicht bewilligte, oder anzeigepflichtige, aber nicht angezeigte Abänderung oder das Fehlen eines unentbehrlichen Bauteils oder Zubehörs (Konsenswidrigkeit)
verursachter Zustand eines Bauwerks. Diese Baugebrechen stellen Bauordnungswidrigkeiten dar und sind daher im öffentlichen Interesse generell zu beseitigen (ohne dass es auf die möglichen Auswirkungen auf das Bauwerk ankommt). Daher ist ein entsprechender baupolizeilicher Auftrag auch dann zu erteilen, wenn ein Antrag auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung nach § 14 oder eine Anzeige nach § 15 eingebracht wurde.
Ein baupolizeilicher Instandsetzungsauftrag ist eine Vollziehungsverfügung, weil durch ihn der Baubehörde die Möglichkeit gegeben werden soll, den vom Gesetz gewollten Zustand erforderlichenfalls mit den Mitteln des Verwaltungszwanges herzustellen. Durch einen baupolizeilichen Auftrag wird die Verpflichtung zur Beseitigung von Baugebrechen nicht erst begründet, sondern nur konkretisiert. Die Beseitigung von Baugebrechen trifft den Bauwerkseigentümer ohne Rücksicht darauf, ob die festgestellten Mängel zu einer Zeit entstanden sind, als er schon Eigentümer war und ob das Bauwerk unter der geltenden Bauordnung errichtet wurde (vgl. VwGH 2001/05/0835). Weiters ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach für die Qualifikation eines Baugebrechens die Ursache grundsätzlich ohne Bedeutung ist, sodass es im Bauverfahren auf die Frage des Verschuldens oder der Verursachung - z.B. durch den Bauwerkseigentümer selbst oder durch Nachbarn bzw. Dritte - überhaupt nicht ankommt. Der Verpflichtung, ein Baugebrechen zu beheben, ist nur dann entsprochen, wenn dieses selbst beseitigt wird, und nicht schon dann, wenn dessen mögliche Auswirkungen gemildert werden (vgl. zu alldem zuletzt VwGH Ra 2014/05/0013).
Voraussetzung der Anwendung des § 34 Abs 2 NÖ BO 2014 ist, dass das Bauwerk nicht in einem der Bewilligung oder Anzeige entsprechenden Zustand ausgeführt bzw. erhalten wurde. Es kommt also zuerst auf die tatsächliche Ausführung an; nur wenn die tatsächliche Ausführung feststeht, kann es zu einem baupolizeilichen Auftrag zur Behebung kommen (vgl. VwGH 2005/05/0001). Vor der Erteilung eines Behebungsauftrages ist daher von der Baubehörde Folgendes festzustellen: in welcher Form das Bauwerk baubehördlich bewilligt worden ist, wie es tatsächlich ausgeführt worden ist, inwiefern damit von dieser Bewilligung abgewichen worden ist, ob für diese festgestellten Abweichungen die erforderlichen baubehördlichen Bewilligungen vorliegen, ob der tatsächlich festgestellte Zustand diesen Bewilligungen entspricht (vgl. VwGH 2005/05/0246).
Diese ständige Judikatur muss gleichermaßen auf § 35 Abs 3 NÖ BO 2014 anwendbar sein, zumal hier ebenso ein (allenfalls) vorhandener Konsens bzw. der darin festgelegte Verwendungszweck zu Grunde zu legen ist.
Geht man im gegenständlichen Fall - wie oben dargelegt - also vom Vorliegen eines bewilligten Abstellraumes aus und berücksichtigt man weiters die unbestritten gebliebene Tatsache, dass dieser Raum als Hühnerstall genutzt wird, so ist zunächst zu prüfen, ob der mit der Bewilligung vom 19.09.1980 erteilte Konsens in der Folge abgeändert wurde. § 92 Abs 1 Z 5 NÖ BauO 1976 normierte eine Bewilligungspflicht für die wesentlichen Änderungen des Verwendungszweckes von Gebäuden, Gebäudeteilen und einzelnen Räumen. Schon allein im Hinblick auf die Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, der seit 1978 die Widmung Bauland-Wohngebiet für gegenständliche Liegenschaft vorsieht, bestand bereits seit dem Zeitpunkt der Bewilligung eine Bewilligungspflicht für die geänderte Nutzung des Abstellraumes für Hühnerhaltung. Auch nach der NÖ BauO 1996 ebenso wie der NÖ BauO 2014 hätte die Hühnerhaltung eine Abänderung des Konsenses erfordert. Ungeachtet dessen, ob man eine Bewilligungspflicht nach § 14 Z 4 NÖ BauO 1996 bzw. § 14 Z 3 NÖ BO 2014 annimmt oder nicht, wäre eine solche geänderte Nutzung jedenfalls nach § 15 Abs 1 Z 2 NÖ BauO 1996 bzw. § 15 Abs 1 Z 1 lit a NÖ BO 2014 ebenfalls bereits allein im Hinblick auf den Flächenwidmungsplan anzeigepflichtig. Dies ungeachtet der Frage, ob ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan durch die Hühnerhaltung im Bauland-Wohngebiet tatsächlich vorliegt, da bereits die bloße Möglichkeit eines solchen Widerspruches für die Anzeigepflicht ausreicht.
Sowohl nach der NÖ BauO 1976, der NÖ BauO 1996 wie auch der NÖ BO 2014 - somit zu jedem Zeitpunkt seit der am 19.09.1980 erteilten Bewilligung - bedurfte und bedarf die Hühnerhaltung der Abänderung des Konsenses, weshalb der genaue Zeitpunkt der abweichenden Nutzung unbeachtlich ist. Nach Angaben der Beschwerdeführer findet seit Ende der 1930er Jahre durchgehend eine Nutzung des Raumes als Kleintierstall statt. Die Hühnerhaltung widerspricht zweifellos der erteilten Bewilligung. Unabhängig von der Konsensfähigkeit einer derart geänderten Nutzung ist eine Abänderung des mit 19.09.1980 bewilligten Konsenses unbestritten bisher nicht erfolgt.
Im Falle einer dem bewilligten Verwendungszweck widersprechenden Nutzung eines Bauwerks hat die Baubehörde gemäß § 35 Abs 3 NÖ BO 2014 diese Nutzung zu verbieten. Diese Anordnung ist somit zwingend vorgesehen.
Durch die Bewilligung des Bestandsplanes vom 19.09.1980 liegt eine baurechtliche Bewilligung für das verfahrensgegenständliche Gebäude vor. Daher bleibt für die Prüfung eines möglicherweise vorliegenden vermuteten Konsenses kein Raum, sodass dahingestellt bleiben kann, ob ein solcher nur das Gebäude oder auch dessen Verwendungszweck mit umfasst. Es liegt eine Bewilligung vor, die für den verfahrensgegenständlichen Raum „Abstellraum“ als Verwendungszweck ausweist. Dem festgelegten baurechtlichen Verwendungszweck wird durch die Hühnerhaltung zweifelsfrei widersprochen.
Selbst wenn man der Argumentation der Beschwerdeführer folgen würde, dass im Zweifel keine Raumwidmung festgelegt werden sollte, so kann nach Ansicht des erkennenden Gerichts daraus nicht der Schluss gezogen werden, damit wäre eine zum Zeitpunkt der Bewilligung im Jahr 1980 im Bauland-Wohngebiet nicht zulässige Hühnerhaltung zugestanden worden.
Die Konsensfähigkeit eines Bauwerks ist nicht Gegenstand des baupolizeilichen Verfahrens, diese wäre ausschließlich im Verfahren zur Erlangung des erforderlichen Konsenses (Anzeige-/Bewilligungsverfahren) zu prüfen. Ein baupolizeilicher Auftrag kann auch während eines anhängigen Baubewilligungsverfahrens erteilt werden. Allerdings darf ein derartiger baupolizeilicher Auftrag während der Anhängigkeit des Baubewilligungsverfahrens nicht vollstreckt werden.
8. Zur Festsetzung der Leistungsfrist
§ 59 Abs 2 AVG bestimmt, dass unter anderem dann, wenn im Spruch des Bescheides die Herstellung eines bestimmten Zustandes ausgesprochen wird, „zugleich“ auch eine angemessene Frist hierzu festzulegen ist. Das im Bescheid der Baubehörde 1. Instanz datumsmäßig bestimmte Leistungsfristende wurde von der belangten Behörde bestätigt und ist mittlerweile verstrichen. Es war vom erkennenden Gericht daher neu festzusetzen. Leistungsfristen müssen objektiv dazu geeignet sein, dem Leistungspflichtigen unter Anspannung all seiner Kräfte nach der Lage des konkreten Falls die Erfüllung der aufgetragenen Leistung zu ermöglichen (VwGH 2011/01/0167). Die im Spruch des Erkenntnisses nunmehr festgesetzte Frist wird als angemessen sowie ausreichend erachtet, um die aufgetragenen Maßnahmen zum Abschluss zu bringen.
9. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der zitierten, als einheitlich zu wertenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Zudem stellen die – hier im Einzelfall beurteilten – Fragen keine „Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung“ (VwGH Ro 2014/01/0033) dar.
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