LVwG Niederösterreich LVwG-AV-1909/001-2021

LVwG NiederösterreichLVwG-AV-1909/001-202121.12.2022

BauO NÖ 2014 §70 Abs6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1909.001.2021

 

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Fally als Einzelrichterin über die Beschwerde des A und der B in ***, vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH in ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 23. September 2021, ohne Zahl, betreffend die Abweisung eines Antrags gemäß § 70 Abs. 6 NÖ Bauordnung 2014 – NÖ BO 2014 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Revision ist nicht zulässig.

 

Rechtsgrundlagen:

zu 1.: § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG  

zu 2.: Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

 

Entscheidungsgründe

 

1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren

 

Mit Eingabe vom 25. Jänner 2021 beantragten A (Beschwerdeführer) und B (Beschwerdeführerin) die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 für das Wohn- und Wirtschaftsgebäude auf dem Grundstück Nr. .***, EZ ***, KG ***, wonach der Hühnerstall und die Nutzung der bewilligten Baulichkeit als Hühnerstall als bewilligt gelten sollten. Der Antrag langte am 26. Jänner 2021 beim Bürgermeister der Marktgemeinde *** (in der Folge: Baubehörde) ein.

 

Mit Bescheid vom 14. Juni 2021, ohne Zahl, wies die Baubehörde den Antrag ab.

 

Die von den beschwerdeführenden Parteien dagegen erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** (in der Folge: belangte Behörde) mit Bescheid vom 23. September 2021, ohne Zahl, ab. Er begründete dies damit, dass der als Hühnerstall genutzte Raum im Bauland-Wohngebiet keinen baulichen Konsens für diese Nutzung aufweise. Im Veterinärinformationssystem, in dem die Haltung von Geflügel infolge der Geflügelpest von 2006 zu melden gewesen sei, würden die beschwerdeführenden Parteien bzw. der Standort nicht aufscheinen. Die seit Mai 2013 wiederholt erhobenen Beschwerden von Nachbarn hätten zu mehreren Mediationsversuchen seitens der Baubehörde geführt. Diese habe mit Bescheid vom 19. September 2019 ein Nutzungsverbot erlassen, das von der belangten Behörde und vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bestätigt worden sei. Beim Verwaltungsgerichtshof sei diesbezüglich ein Revisionsverfahren anhängig. Aus dem Motivenbericht zu § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 ergebe sich, dass ausschließlich nach § 14 NÖ BO 2014 bewilligungspflichtige Abweichungen von ursprünglich bewilligten Gebäuden in einer Übergangsfrist legalisiert werden sollten. Die beantragte Änderung des Verwendungszwecks des Raumes falle nicht darunter, weil es sich um ein anzeigepflichtiges Vorhaben nach § 15 Abs. 1 lit. a NÖ BO 2014 handle.

 

2. Zum Beschwerdevorbringen

 

In ihrer rechtzeitigen Beschwerde vom 27. Oktober 2021 brachten die beschwerdeführenden Parteien vor, dass der Raum seit seiner Errichtung in den 1930er-Jahren, sohin seit mehr als 80 Jahren, durchgehend als Kleintierstall, insbesondere für Hühnerhaltung, genutzt werde. Dies sei bei der Erteilung der Benützungsbewilligung auf Grundlage des Bestandsplanes von 1980 und danach auch weit mehr als 30 Jahre lang nicht beanstandet worden. Der Stall befinde sich im Bauland in einem bewilligten Gebäudeteil. Unter Hinweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung (VwGH vom 25. September 2007, Zl. 2006/06/0011) führten die beschwerdeführenden Parteien aus, dass auch Nutzungsänderungen unter § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 zu subsumieren seien. Es komme für die Bewilligungsfiktion nur darauf an, ob und inwieweit die Baubehörde die Abweichung vom baubehördlichen Konsens beanstandet habe. Wenn man nicht von einem tatsächlichen oder vermuteten Konsens des Hühnerstalls ausgehe, werde der baurechtliche Konsens durch die Nutzung des Gebäudes als Hühnerstall überschritten. Die Hühnerhaltung könne heute nicht nach § 14 NÖ BO 2014 bewilligt werden. Diese Voraussetzung des § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 sei daher erfüllt. Die Beschwerden der Nachbarn seien den beschwerdeführenden Parteien nicht zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt worden. Der Bescheid verstoße daher gegen das Überraschungsverbot. Vor 2019 hätte es keine baubehördlichen Beanstandungen gegeben. Das Fehlen einer Eintragung im Veterinärinformationssystem im Jahr 2006 bedeute nicht, dass keine Hühner gehalten worden seien. In diesem Zusammenhang monierten die beschwerdeführenden Parteien näher genannte Ermittlungs- und Beurteilungsfehler der belangten Behörde. Sie beantragten die Durchführung einer Verhandlung und die Stattgebung der Beschwerde mit der dahingehenden Abänderung des angefochtenen Bescheides, dass festgestellt werde, dass der Hühnerstall und die Nutzung der gegenständlichen Baulichkeit als Hühnerstall als bewilligt gelten, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde.

 

3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren

 

Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2022 stellten die beschwerdeführenden Parteien diverse Beweisanträge und übermittelten einen Lageplan der gegenständlichen Örtlichkeit.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich forderte die Parteien mit Ladung vom 25. Oktober 2022 gemäß § 41 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG unter Hinweis auf die Folgen des § 39 Abs. 4 AVG auf, alle ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel bis 10. November 2022 (bei Gericht einlangend) geltend zu machen, und erteilte die diesbezüglich erforderlichen rechtlichen und organisatorischen Informationen.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gab den beschwerdeführenden Parteien auf deren Ersuchen am 27. Oktober 2022 telefonisch die Namen der geladenen Zeugen bekannt.

 

Mit Schriftsatz vom 10. November 2022 legten die beschwerdeführenden Parteien diverse Urkunden vor und beantragten die Beischaffung des Bauaktes im Original. Am darauffolgenden Tag übermittelte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich diese Unterlagen der belangten Behörde.

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 21. November 2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Verfahrens (im Original) und die in der Verhandlung vorgelegten bzw. erstellten Unterlagen sowie durch Befragung der beschwerdeführenden Parteien, der Zeuginnen D, E, G, F, I, H und J sowie der Zeugen K, L, Mag. M, N und O. Die Zeugin P konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht einvernommen werden. Die anwesenden Parteien und Parteienvertreter verzichteten in der Verhandlung auf die Einvernahme dieser Zeugin.

 

Mit E-Mail vom 28. November 2022 äußerte sich die belangte Behörde zur Beilage ./I der Verhandlungsschrift, mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2022 nahmen die beschwerdeführenden Parteien dazu Stellung.

 

4. Feststellungen

 

Die beschwerdeführenden Parteien sind jeweils zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks Nr. .***, EZ ***, KG ***, mit der Anschrift ***, ***. Die Liegenschaft ist seit 1978 als Bauland-Wohngebiet gewidmet und war zuvor seit 1964 als Bauland-Industriegebiet ausgewiesen.

 

Der Gebäudekomplex auf dem gegenständlichen Grundstück besteht zumindest seit den 1930er Jahren. Die ursprünglichen Pläne sind nicht mehr vorhanden. Den Eltern des Beschwerdeführers wurde die Benutzungsbewilligung für einen Stockwerksaufbau bzw. eine Veranda auf der gegenständlichen Liegenschaft mit Bescheiden vom 19. September 1980 erteilt. Der Bestand wurde im Zuge dieser Zubauten mit dem am 19. September 1980 bewilligten Bestandsplan konsentiert.

 

In dem im Behördenakt befindlichen Bestandsplan vom Juni 1980, der laut Vermerk vom 19. September 1980 bei der Kollaudierungsverhandlung vom 24. Juli 1980 nachträglich baubehördlich genehmigt wurde, sind an der südwestlichen Front des Gebäudes drei Räume mit der Abkürzung: „ABST.R.“ eingezeichnet. Der Plan weist bei einem der drei Räume offenkundig eine Radierung auf (die Bezeichnung erscheint farblich schwächer), der Schriftzug „ABST.R.“ ist jedoch trotzdem deutlich lesbar. Sonstige Nutzungen für den Raum sind im Plan nicht eingetragen.

 

Auf den Bestandsplänen der beschwerdeführenden Parteien vom Juni 1980, von denen einer ebenfalls einen Vermerk vom 19. September 1980 über die baubehördliche Genehmigung enthält, scheinen an der gegenständlichen Front des Gebäudes ebenfalls drei Räume auf. Zwei dieser Räumer sind mit der Abkürzung: „ABST.R.“ versehen, der einer der Räume enthält keine Angaben zu seiner Verwendung. Der Originalplan war beim Baumeister verblieben, den es jedoch nicht mehr gibt.

 

In jenem Raum im Gebäude auf dem Grundstück der beschwerdeführenden Parteien, der im genannten Bestandsplan der Behörde als Abstellraum gekennzeichnet ist und für den in den Plänen der beschwerdeführenden Parteien keine Nutzung vermerkt ist, halten die beschwerdeführenden Parteien Hühner für den Eigenbedarf. Die Hühner werden dort jedoch nicht seit 30 Jahren durchgehend gehalten. Infolge einer der Vogelgrippewellen in den 2000er Jahren war die Haltung von Hühnern für ca. 1,5 Jahre unterbrochen, weil die beschwerdeführenden Parteien trotz aller Bemühungen nach dem Tod der bis dahin verbliebenen Tiere keine neuen Hühner bekamen.

 

Aufgrund des mit der Haltung von Hähnen einhergehenden Lärms beschwerten sich ab 2013 immer wieder Nachbarn beim Bürgermeister. Dieser versuchte zu vermitteln. So hielt er in einem Schreiben vom 2. Februar 2016 an die beschwerdeführenden Parteien und einige Nachbarn unter anderem Folgendes fest:

 

„[...]

Zuletzt mit Schreiben vom 28. Oktober 2015 wurden von den Anrainern […] bei der Marktgemeinde [...] Beschwerde betreffend unzumutbarer Lärmbelästigung durch Hähne- und Hühnerhaltung [...] geführt und der Antrag auf ‚Untersagung/Unterlassung der Haltung von Hühnern samt Hähnen‘ gestellt.

Unterlassungsklagen selbst fallen in die Kompetenz der Zivilgerichte. […]

 

Die Kompetenz der Marktgemeinde […] liegt hier in rechtlicher Sicht lediglich in der Überprüfung der Einhaltung der ortspolizeilichen Lärmschutzverordnung und eventuell in der Prüfung von bau- oder raumordnungsrechtlichen Bestimmungen.

 

In erster Linie sieht sich die Marktgemeinde [...] hier aber - vor Befassung der Zivilgerichte - als Vermittler zwischen den Streitparteien.

 

[…]

 

Die diesbezügliche Besprechung fand am 28. Dezember 2015 [...] am Gemeindeamt statt [...].

 

Besprechungsverlauf:

 [...]

 Vom Bürgermeister wird die Haltung von Hühnern ausschließlich zur Selbstversorgung und in einem angemessenen Ausmaß (d.h. der Größe des Stalles entsprechend und etwa im derzeitigem [sic] Bestandsumfang von 20 Hühnern) gestattet, da hier keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärmentwicklung zu erwarten sei, eine Hühnerhaltung im modernen Trend liege, eine überschaubare Hühnerhaltung in diesem Ortsbereich auf früher üblich war und somit rechtlich auch nicht verboten erscheine.

 Festgestellt wird weiters, dass der gegenständliche Zubau (ca. 6 m²) am Nebengebäude des Objektes [...], die als Hühnerstall dient, im Bauplan der Liegenschaft [...] baubehördlich genehmigt ist, aber keine spezielle Raumwidmung ausweist. Es ist daher auch keine Änderung der Raumwidmung auf Stall notwendig, allerdings gibt es keine dezidierte Stallwidmung. Dazu wird auch festgehalten, dass eine Hühnerhaltung auch über eine mobile Stallanlage möglich wäre und somit gar kein baurechtliches Zugriffsrecht der Baubehörde bestünde.

 Der Bürgermeister sagt zu, der Familie [beschwerdeführende Parteien] fünf Jahre lang jeweils fünf von einer Brüterei gekaufte Küken zu schenken, der Amtsleiter wird diese Verpflichtung für die darauffolgenden fünf Jahre übernehmen. [...]

 [...]

 

[...]

 

Durch die Tatsache, dass die Familie [beschwerdeführende Parteien] im Sinne einer guten Nachbarschaft […] künftig freiwillig auf die Haltung von Hähnen verzichtet, sehe ich meine Aufgabe als Vermittler erfüllt und das Ersuchen der Anrainer vom 28. Oktober 2015 als entsprechend erledigt.

[...]“

 

Mit Bescheid vom 19. September 2019, ohne Zahl, erteilte die Baubehörde den beschwerdeführenden Parteien unter Berufung auf Anzeigen von Anrainern gemäß § 35 NÖ BO 2014 ein Nutzungsverbot des gegenständlichen Raumes als Hühnerstall und verfügte die Umsetzung dieser Maßnahme bis spätestens 30. November 2019, weil die Hühnerhaltung im Bauland-Wohngebiet dem NÖ Raumordnungsgesetz 2014 – NO ROG 2014 widerspreche und daher unzulässig sei. Der Bescheid wurde den beschwerdeführenden Parteien jeweils am 20. September 2019 zugestellt. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel der beschwerdeführenden Parteien wurden von der belangten Behörde und vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof behob die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes aus formalen Gründen. Das Verfahren läuft noch.

 

5. Beweiswürdigung

 

Die Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen an der gegenständlichen Liegenschaft beruhen auf dem Grundbuchsauszug vom 15. November 2022, jene zur derzeitigen und zur vorangegangenen (unstrittigen) Widmung auf dem Schreiben der Baubehörde vom 23. März 2021 an die beschwerdeführenden Parteien.

 

Dafür, dass der Gebäudekomplex zumindest seit den 1930er Jahren besteht, spricht unter anderem der von den beschwerdeführenden Parteien fotografisch festgehaltene Abdruck der NSDAP-Zeitung „Völkischer Beobachter“ vom 15. September 1938 auf der Deckenschalung des Hühnerstalldachs. Die Umrisse des als Fabrikgebäude bezeichneten gegenständlichen Gebäudekomplexes sind im Wesentlichen im Teilungsplan vom 23. Juni 1939, Zl. ***, erkennbar. Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung anschaulich dargetan, dass sein Großvater 1937 – zur Zeit des Zubaus zum Gebäude – zunächst als Pächter auf das Grundstück gezogen ist (S. 4 der Verhandlungsschrift vom 21. November 2022).

 

Dass die ursprünglichen Pläne nicht mehr vorhanden sind, hat die Baubehörde in ihrem Schreiben vom 23. März 2021 und in ihrem Bescheid vom 19. September 2019 dargelegt. Die Ausführungen zu den Benutzungsbewilligungen ergeben sich aus den angeführten Bescheiden vom 19. September 2019, Zlen. *** und ***. Die Konsentierung des Bestandes folgt aus dem entsprechenden Vermerk auf dem Bestandsplan vom 19. September 1980.

 

Die Beschreibung der Bestandspläne der Behörde und der beschwerdeführenden Parteien beruht auf der Einsicht in ebendiese sowie auf der nachvollziehbaren Aussage des Beschwerdeführers, der sich auch zum Verbleib des Originalplans äußerte (S. 5 der Verhandlungsschrift).

 

Die Hühnerhaltung an sich ist unstrittig und wurde von allen Zeuginnen und Zeugen bestätigt. Auch die vorgelegten Fotos und Rechnungen der Q reg. Genossenschaft m.b.H. aus unterschiedlichen Jahren betreffend Lege-Kombis, Futterweizen und dergleichen zeugen von einer langjährigen Haltung von Geflügel. Die beschwerdeführenden Parteien haben stets angegeben, die Hühner für ihre Selbstversorgung mit Eiern zu halten (z.B. Stellungnahme vom 21. April 2021 und Beschwerde vom 27. Oktober 2021). Auch wenn die in der Verhandlung angegebene Anzahl an gehaltenen Hühnern verhältnismäßig hoch erscheint, widerspricht sie nicht der Annahme der Haltung von Hühnern zur Deckung des Eigenbedarfs an Eiern und dem einen oder anderen Suppenhuhn. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einigen der gehaltenen Tiere um Zwerghühner handelt und die Eier daher kleiner als bei anderen Hühnerrassen sind.

 

Die beschwerdeführenden Parteien und ihre Tochter, die Zeugin D, sagten übereinstimmend aus, dass die Hühnerhaltung eine Zeitlang unterbrochen war. Der Beschwerdeführer ging von einem Zeitraum von mehreren Monaten aus (S. 6 der Verhandlungsschrift), die Beschwerdeführerin von einem ganzen Jahr (a.a.O. S. 11) und ihre Tochter von maximal 1,5 bis 2 Jahren (a.a.O. S. 13). K und E konnten nicht sagen, ob auf dem Grundstück durchgehend Hühner gehalten wurden (a.a.O. S. 16 und 19-20), G stellte diesbezüglich nur eine Vermutung an (a.a.O. S. 23). F bestätigte, dass durchgehend Hühner gehalten worden seien und sie diese auch gesehen habe (a.a.O. S. 26), wodurch sie den Aussagen der beschwerdeführenden Parteien und ihrer Tochter widersprach. Es ist allerdings zu bedenken, dass die Zeugin in einer anderen Ortschaft wohnt und selbst angegeben hat, dass sie in letzter Zeit nicht mehr so oft bei den beschwerdeführenden Parteien zu Besuch gewesen sei (a.a.O. S. 26 und 28), was auch erklärt, warum sie von der Geflügelpest nicht viel mitbekommen hat (a.a.O. S. 26). Ihre Aussage vermag die von den beschwerdeführenden Parteien und deren Tochter selbst angegebene Unterbrechung der Hühnerhaltung daher nicht zu widerlegen. Keinen Widerspruch zur Darstellung der beschwerdeführenden Parteien stellen die Aussagen von L (a.a.O. S. 30) und I (a.a.O. S. 34) zur durchgehenden Hühnerhaltung dar, weil beide laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister (in der Folge: ZMR) und Aussage von L (a.a.O. S. 31) erst im Juni 2011 und somit erst nach der Unterbrechung der Hühnerhaltung Nachbarn der beschwerdeführenden Parteien wurden. Dasselbe gilt für die diesbezüglichen Angaben von H, die ihren Angaben zufolge Ende 2010 (a.a.O. S. 38), laut ZMR Ende Februar 2011 in die Nachbarschaft der beschwerdeführenden Parteien zog. J, M, N und P gaben übereinstimmend an, dass die beschwerdeführenden Parteien von 2006 bis 2008 keine Hühner gehalten hätten (a.a.O. S. 42, 47, 50, 51 und 55). Diese Personen sind zwar gegen die Haltung von Hühnern auf dem gegenständlichen Grundstück, doch gibt es keine Anzeichen für eine Absprache oder bewusst falsche Angaben. Es mag zwar sein, dass der Zeuge N zuweilen eigene Wahrnehmungen mit Gehörtem oder im Zuge der Vorbereitung auf die Verhandlung Gelesenem durcheinandergebracht haben könnte bzw. seine Schlussfolgerungen als eigene Wahrnehmungen interpretierte (vgl. zur Haltung von Kaninchen a.a.O. 52-53). Dies bedeutet jedoch nicht, dass dies auf alle seiner Aussagen zutrifft. Er war auch sichtlich bemüht, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, selbst wenn diese seinen Interessen auf den ersten Blick zuwiderzulaufen vermochten (z.B. „Aktive Hühnerhaltung bei den Nachbarn habe ich nicht wahrgenommen. Ich kann sie weder bestätigen noch ausschließen, ich kann mich da einfach nicht mehr daran erinnern.“ a.a.O. S. 50). Die von den beschwerdeführenden Parteien genannten Zeiträume, in denen keine Hühnerhaltung stattfand, erscheinen in Hinblick auf die Aussagen ihrer Tochter und von J, M, N und O als zu kurz gegriffen. Der von den zuletzt genannten Zeugen angegebene Zeitraum erscheint jedoch zu lang angesichts des Umstandes, dass die beschwerdeführenden Parteien auch zu Zeiten der aufgrund der Vogelgrippe verordneten Stallpflicht noch eine Zeitlang Hühner hatten und nicht gesichert ist, ob sich darunter auch ein Hahn befand, der von den Zeugen eher als die Hennen wahrgenommen worden wäre. Das Landesverwaltungsgericht geht daher von aus, dass die Hühnerhaltung ca. 1,5 Jahre unterbrochen war.

 

Eine genaue zeitliche Eingrenzung der Unterbrechung war den beschwerdeführenden Parteien und ihrer Tochter nicht möglich, alle gingen jedoch von den 2000er-Jahre aus (Beschwerdeführer: „2000er-Jahre“ a.a.O. S. 6, Beschwerdeführerin: „2007/2008/2009“ a.a.O. S. 11 und 12, Tochter: „vor 2009“ a.a.O. S. 13 und „vor 2009. Ca. 2007“ a.a.O. S. 15). Dies deckt sich im Grunde auch mit den Angaben der Zeugen J, M, N und O. Das Gericht nimmt daher an, dass die Hühnerhaltung in den 2000er-Jahren unterbrochen war. Die Bemühungen um neue Hühner hat insbesondere die Beschwerdeführerin lebendig geschildert (a.a.O. S. 11 und 12).

 

Das Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich hält fest, dass es bei der Einvernahme aller vernommenen Personen den Eindruck hatte, dass diese ihre Aussage nach bestem Wissen und Gewissen tätigten.

 

Die Beschwerden der Anrainer sind im Akt der belangten Behörde ohne Aktenzahl dokumentiert, die Zeugen J (a.a.O. S. 46), M (a.a.O. S. 47), N (a.a.O. S. 51) und O (a.a.O. S. 55) nahmen ebenfalls darauf Bezug. Der Inhalt des Schreibens des Bürgermeisters vom 2. Februar 2016 ist dem zitierten Dokument entnommen.

 

Die Feststellungen zum Nutzungsverbot ergeben sich aus dem Bescheid der Baubehörde vom 19. September 2019 und den entsprechenden Rückscheinen, dem Bescheid der belangten Behörde vom 23. Dezember 2020, dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 12. Juli 2021, Zl. LVwG-AV-327/001-2021, sowie aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. März 2022, Zl. ***. Dass das Verfahren noch läuft, hat eine interne Recherche beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ergeben.

 

6. Erwägungen

 

6.1 Rechtslage

 

Gemäß § 70 Abs. 16 NÖ BO 2014 sind die am Tag des Inkrafttretens der Bestimmungen der NÖ BO 2014, LGBl. Nr. 32/2021, anhängigen Verfahren – das war der 1. Juli 2021 – nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen. Da das vorliegende Verfahren seit 26. Jänner 2021 anhängig ist (Tag des Einlangens des verfahrenseinleitenden Antrages bei der Baubehörde), sind die Bestimmungen der NÖ BO 2014 i.d.F. LGBl. Nr. 53/2018 anzuwenden.

 

§ 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 lautet auszugsweise wie folgt:

 

„Hat ein Gebäude im Bauland ursprünglich eine Baubewilligung aufgewiesen, wurde von dieser jedoch vor mehr als 30 Jahren ohne baubehördliche Beanstandung abgewichen und kann es nicht nach § 14 neuerlich bewilligt werden, gilt dieses Gebäude als bewilligt, wenn dies unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese Bestimmung beantragt wird, der Behörde die Zustimmung des Grundeigentümers (der Mehrheit der Miteigentümer) nachgewiesen wird und vollständige Bestandspläne vorgelegt werden. Die Baubehörde hat darüber einen Feststellungsbescheid zu erlassen. [...]“

 

6.2 Gegenstand des Feststellungsantrags

 

Der Antrag vom 25. Jänner 2021 wurde wie folgt begründet: „Gebäude in heutigen Umrissen seit 1977 als bestehend dokumentiert Zl.*** sowie AZ *** & *** - ***.wurde 19.9.1980 nachträgl. genehmigt Südwestl. Zubau, seit 1938 als Kleintierstall für Hühner, ehem. auch f. Kaninchen genutzt“. Was festgestellt werden sollte, wurde nicht angegeben. Dass die unter Punkt 1. angeführte Feststellung begehrt wurde, ergibt sich aus der Stellungnahme der beschwerdeführenden Parteien vom 21. April 2021 und ihrer Beschwerde.

 

6.3 Zur Nutzung eines Gebäudeteils als Hühnerstall

 

Der Raum, in dem die Hühner gehalten werden, ist im Bestandsplan der Baubehörde als Abstellraum deklariert und somit nicht für die Haltung von Nutztieren vorgesehen. Es bleibt für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unerfindlich, weshalb die Bestandspläne der Behörde und der beschwerdeführenden Parteien hinsichtlich der Nutzung der als Hühnerstall genutzten Räumlichkeit divergieren. Wenn die Radierung im Bestandsplan der Behörde das Ziel gehabt haben sollte, die Nutzungsart aus dem Plan zu entfernen, so musste sich auch demjenigen, der diese Radierung vorgenommen hat, erschließen, dass diese nach wie vor deutlich zu sehen ist. Warum die Bezeichnung als Abstellraum nicht einfach durchgestrichen und ein entsprechender Vermerk auf den Plan gesetzt wurde, wenn eine Tilgung dieses Wortes tatsächlich beabsichtigt war, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, zumal sich auf dem Plan auch andere handschriftlich mit Bleistift erstellte Anmerkungen finden. Ebenso wenig ist für das Gericht ersichtlich, weshalb kein anderer Verwendungszweck angegeben wurde, wenn die Nutzung als Abstellraum doch nicht vorgesehen gewesen sein sollte. § 92 Abs. 1 Z 5 NÖ BO 1976, der zum Zeitpunkt der Erteilung der Benützungsbewilligungen für den Stockwerksaufbau und die Veranda in Geltung stand, sah eine Bewilligungspflicht für die Änderung des Verwendungszweckes von Bauwerken oder deren Teilen vor, wenn dadurch unter anderem Rechte der Nachbarn verletzt werden könnten. Durch die Haltung von Nutztieren im Wohngebiet wäre dieser Tatbestand im September 1980 verwirklicht worden, weil diese Nutzung zu dieser Zeit im Unterschied zur Nachkriegszeit im Wohngebiet nicht mehr selbstverständlich war. Wenn die Änderung des Verwendungszweckes von Bauwerken oder deren Teilen eine Bewilligungspflicht auslösen konnte, musste der Verwendungszweck in den Bauplänen aufscheinen. Es ist für das Gericht kein Interesse der belangten Behörde erkennbar, ohne Grund Änderungen am Plan vorzunehmen und eine erforderliche Nutzungsangabe ersatzlos zu streichen. Das Gericht geht daher davon aus, dass der als Hühnerstall genutzte Raum den Verwendungszweck „Abstellraum“ aufweist. Dass die Baubehörde in ihrem Schreiben vom 2. Februar 2016 eine andere Rechtsauffassung vertreten hat als in ihrem Bescheid vom 19. September 2019 ändert daran nichts.

 

Abstellräume dienen der Aufbewahrung von Gegenständen und nicht der Haltung von Nutztieren. Die Nutzung als Hühnerstall erfolgt daher konsenswidrig.

 

Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass – wie in den Bauplänen der beschwerdeführenden Parteien – keine Nutzung des gegenständlichen Raumes festgelegt ist, wäre die Haltung von Hühnern dort nicht zulässig. Zum einen sind Räume ohne Festlegung der Nutzung in Wohngebäuden nicht automatisch für die Tierhaltung vorgesehen. Zum anderen ergibt sich die Zulässigkeit der Verwendung für die Nutztierhaltung weder aus der Widmung als Bauland-Wohngebiet noch aus der vorangegangenen Widmung als Bauland-Industriegebiet. Die Haltung von Nutztieren in Wohngebieten widerspricht vielmehr dem NÖ ROG 2014 (siehe Punkt 6.5).

 

Die Nutzung als Hühnerstall würde daher auch in diesem Fall vom bewilligten Konsens abweichen.

 

Im vorliegenden Fall sind die ursprünglichen Baupläne nicht mehr vorhanden. Die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit eines „alten“ Bauzustandes greift allerdings dann nicht, wenn dieser Bauzustand auch nach der zur Zeit seiner Herstellung geltenden Bauordnung gesetzwidrig war, weil nicht angenommen werden kann, dass die Baubehörde die gesetzwidrige Herstellung bewilligt hätte. In einem solchen Fall müsste von der Partei, die den Konsens behauptet, der Nachweis erbracht werden, dass dieser tatsächlich erteilt worden ist (z.B. VwGH vom 20. August 2020, Zl. Ra 2020/05/0151 bis 0156). Dieser Nachweis wurde nicht erbracht. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass das Grundstück in den 1930er-Jahren als Grünland-Agrargebiet gewidmet gewesen wäre oder eine vergleichbare Widmung aufgewiesen hätte. Dazu kommt, dass offenbar nicht einmal die Vorfahren des Beschwerdeführers von einer solchen Konsens ausgegangen sind, weil bei der Einreichung des Bestandsplanes (in jeglicher Ausfertigung) nach der Aktenlage nicht einmal der Versuch unternommen wurde, dem gegenständlichen Raum eine Nutzung zuzuschreiben, die mit der Haltung von Nutztieren kompatibel ist.

 

Es liegt daher auch kein vermuteter Konsens für die Haltung von Hühnern im gegenständlichen Raum vor.

 

6.4 Zum Anwendungsbereich des § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014

 

Der verfahrensgegenständliche Antrag zielt auf die rechtliche Sanierung der konsenswidrigen Nutzung eines Raumes in einem baubewilligten Gebäude ab.

 

Gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 lit. a erster und zweiter Spiegelstrich NÖ BO 2014 ist die Änderung des Verwendungszwecks von Bauwerken oder deren Teilen der Baubehörde schriftlich anzuzeigen, wenn hiedurch Festlegungen im Flächenwidmungsplan oder Bestimmungen des NÖ ROG 2014 betroffen werden könnten. Dass dies im vorliegenden Fall zutrifft, ergibt sich aus den Ausführungen unter Punkt 6.5.

§ 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 gilt im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation auch für solche Abänderungen vom Baukonsens eines Gebäudes, welche als „bloße“ Konsenswidrigkeiten bewilligungspflichtig bzw. anzeigepflichtig waren und es weiterhin sind, jedoch ohne zum Erlöschen des Baukonsenses des Altbestandes geführt zu haben (z.B. VwGH vom 3. August 2020, Zl. Ra 2019/05/0226, m.w.N.).

 

Die gegenständliche konsenswidrige Nutzung führt nicht zum Erlöschen des Baukonsenses des Altbestandes.

 

Die konsenswidrige Nutzung des Raumes ist einer Bereinigung nach § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 daher grundsätzlich zugänglich.

 

6.5 Zur Möglichkeit einer (neuerlichen) Bewilligung bzw. Anzeige

 

Ein Feststellungsbescheid nach § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 ist unter anderem dann zulässig, wenn ein Gebäude im (hier gewidmeten) Bauland nicht nach § 14 NÖ BO 2014 neuerlich bewilligt werden kann. Dies muss nach der unter Punkt 6.4 zitierten Rechtsprechung auch gelten, wenn eine (neuerliche) Anzeige nach § 15 NÖ BO 2014 keine Aussicht auf Erfolg hätte.

 

Nach § 16 Abs. 1 Z 1 NÖ ROG 2014 sind Wohngebiete für Wohngebäude und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude sowie für Betriebe bestimmt, welche in das Ortsbild einer Wohnsiedlung eingeordnet werden können und keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkung auf die Umgebung verursachen.

 

Hühner werden heutzutage typischerweise nicht im Haushalt gehalten, was auch bedingt, dass bauliche Anlagen zur Haltung von Hühnern von der Wohnbevölkerung nicht üblicherweise errichtet werden. Die Hühnerhaltung dient dem Eigenbedarf der beschwerdeführenden Parteien. Das Gebäude (bzw. der darin befindliche Hühnerstall) dient nicht dem täglichen Bedarf der im Wohngebiet wohnenden Bevölkerung und ist daher aus raumordnungsrechtlicher Sicht nicht zulässig (z.B. VwGH vom 19. November 1996, Zl. 96/05/0199, zu § 16 Abs. 1 Z 1 NÖ ROG 1976, der mit der obgenannten geltenden Bestimmung ident ist, und 14. Mai 2021, Zl. Ra 2020/05/0059). Das Vorhaben wäre von der Baubehörde im Falle einer Anzeige daher gemäß § 15 Abs. 6 NÖ BO 2014 wegen Widerspruchs zum NÖ ROG 2014 zu untersagen.

 

Da einer Anzeige nach § 15 NÖ BO 2014 kein Erfolg beschieden wäre, wäre die Erlassung eines Feststellungsbescheides bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zulässig.

 

6.6 Zum mehr als 30-jährigen Bestehen der Abweichung vom Baukonsens

 

Voraussetzung für eine rechtliche Sanierung nach § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 ist, dass von der Baubewilligung – vom Konsens – vor mehr als 30 Jahren abgewichen wurde.

 

Im vorliegenden Fall war die Haltung von Hühnern in den 2000er Jahren für ca. 1,5 Jahre unterbrochen. Dieser Zeitraum liegt eindeutig innerhalb des 30-jährigen Zeitrahmens nach § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014.

 

Auch wenn es sich nur um eine vorübergehende Aussetzung der Hühnerhaltung handelte, ist dieser Zeitraum doch so lang, dass auch bei aufrechtem Willen der beschwerdeführenden Parteien, die Hühnerhaltung beizubehalten, von einer Unterbrechung auszugehen ist, welche der Annahme einer durchgehenden Hühnerhaltung entgegensteht. Dabei kommt es nicht auf ein – gegenständlich nicht erkennbares – Verschulden der beschwerdeführenden Parteien an.

 

Da § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 konsequenter Weise nur Anwendung finden kann, wenn die konsenswidrige Nutzung durchgehend erfolgt ist und sich der Zeitrahmen nicht erst durch Zusammenrechnung verschiedener Zeiträume ergibt, ist diese Voraussetzung als nicht erfüllt anzusehen. Zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Erkenntnisses bestand die konsenswidrige Nutzung nämlich nicht länger als 30 Jahre. Die 30-jährige Dauer wäre auch für den Fall, dass die Frist bereits ab Einbringung des Antrags auf Feststellung zu berechnen wäre, nicht gegeben.

 

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob es – wie von den Zeugen J und M behauptet und implizit von N bestätigt (Hühnerhaltung erst ab 2002/2003 – S. 50 der Verhandlungsschrift) – auch 1998 keine Hühnerhaltung der beschwerdeführenden Parteien gab.

 

6.7 Zur baubehördlichen Beanstandung

 

§ 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 stellt auf ein mehrjähriges Abweichen vom bewilligten Zustand „ohne baubehördliche Beanstandung“ ab.

 

Die Erhebung von Beschwerden durch Nachbarn ist nicht als „baubehördliche Beanstandung“ zu werten, erfordert diese doch ein Tätigwerden der Baubehörde. Der Bürgermeister sah sich jedoch jedenfalls noch im Jahr 2016 als Vermittler im Nachbarschaftskonflikt und schritt seinem Schreiben vom 2. Februar 2016 zufolge gerade nicht als Baubehörde ein.

 

Erst das von der Baubehörde am 19. September 2019 ausgesprochene Nutzungsverbot stellt eine baubehördliche Beanstandung dar. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss die Beanstandung – wie im vorliegenden Fall – noch nicht in Rechtskraft erwachsen sein, um eine Feststellung nach § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 zu versagen. Dafür spricht auch, dass diese Bestimmung offenbar nur seit Jahrzehnten bestehende Bauten, die in dieser gesamten Zeit keinen Anlass zu baubehördlichen Beanstandungen gegeben haben, legitimieren soll. Es würde dem Sinn dieser Regelung widersprechen, wenn die Baubehörde innerhalb dieser Frist Grund zum Einschreiten gehabt haben sollte und dies beispielsweise aufgrund einer langen Verfahrensdauer keine Beachtung finden dürfte. Da die konsenswidrige Abweichung der Nutzung zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (ebenso wenig wie zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags auf Feststellung) nicht seit mehr als 30 Jahren frei von baubehördlichen Beanstandungen war, liegt daher auch diese Voraussetzung nicht vor.

 

Die beantragte Nutzung kann daher nicht als bewilligt gelten. Der Antrag gemäß § 70 Abs. 6 NÖ BO 2014 wurde zu Recht abgewiesen. Der Beschwerde war somit der Erfolg zu versagen.

7. Zur nicht erfolgten Verkündung des Erkenntnisses

 

Gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen in der Regel sogleich zu verkünden, wenn eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden hat.

 

Die Verkündung des Erkenntnisses entfiel gemäß § 29 Abs. 3 Z 2 VwGVG, weil das Erkenntnis nicht sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung gefasst werden konnte. Zum einen wurden in der Verhandlung 14 Personen einvernommen und verschiedene Unterlagen vorgelegt. Die aufgenommenen Beweise bedurften daher einer Würdigung, die mit der gebotenen Sorgfalt im Anschluss an die Verhandlung nicht möglich war (vgl. VwGH vom 13. Dezember 2000, Zl. 2000/03/0269). Zum anderen hat das Gericht den Parteien in der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme zur Beilage ./I eingeräumt und haben die Anwesenden ausdrücklich auf eine Übermittlung der jeweils anderen Stellungnahme sowie auf eine mündliche Erörterung im Rahmen einer Verhandlung verzichtet.

 

Die Einsicht in das Erkenntnis ist jedermann gewährleistet.

 

8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

Die Entscheidung stützt sich auf die zitierte einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage vgl. z.B. VwGH vom 15. Mai 2019, Zl. Ro 2019/01/0006).

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