EisenbahnG 1957 §48 Abs3
EisenbahnG 1957 §49 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.123.001.2019
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Franz Kramer über die Beschwerden 1. der A AG, vertreten durch die B Rechtsanwälte OG, ***, ***, sowie 2. der Marktgemeinde ***, vertreten durch die C Rechtsanwälte OG, ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 19. Dezember 2018, Zl. ***, betreffend eine Kostenentscheidung nach dem Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag der A AG vom 19. September 2016 auf Kostenentscheidung gemäß § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG zurückgewiesen wird.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§§ 48 Abs. 2 bis 4, 49 Abs. 2 EisbG (Eisenbahngesetz 1957, BGBl. Nr. 60/1957 idgF)
§§ 24, 27, 28 Abs. 1 bis 2 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF)
§ 25a Abs. 1 VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 idgF)
Art. 133 Abs. 4 B-VG (Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF)
Entscheidungsgründe
1. Sachverhalt
Mit Bescheid vom 27. September 2013, ***, ordnete der Landeshauptmann von Niederösterreich gemäß § 49 Abs. 2 EisbG an, dass die Eisenbahnkreuzung im Kilometer *** der ***-Strecke *** –*** mit einer Gemeindestraße unter der Bedingung, dass das elektronische Stellwerk in ***/*** errichtet wird und die örtlich zulässige Geschwindigkeit auf der Bahn in beiden Richtungen von 120 km/h auf 140 km/h erhöht wird, nach Maßgabe näher bezeichneter Planunterlagen gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 durch Lichtzeichen mit Schranken zu sichern wäre, wobei die Sicherungsanlage als Lichtzeichen mit Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszuführen sei. Die so festgelegte Sicherung sei bis spätestens 30. September 2015 auszuführen.
In der Folge stellte die A AG eine entsprechende Lichtzeichenanlage mit Vollschranken her und errichtete ein Stellwerk im Sinne des angeführten Bescheides, erhöhte jedoch die örtlich zulässige Geschwindigkeit nicht, welche im Bereich der Eisenbahnkreuzung weiterhin maximal 120 km/h beträgt.
Mit Antrag vom 19. September 2016 begehrte die A AG unter Bezugnahme auf den vorgenannten Bescheid und unter Nennung ziffermäßig exakt bezeichneter Herstellungs- und Erhaltungs/Inbetriebhaltungskosten die Entscheidung der Behörde, dass die Marktgemeinde *** als Trägerin der Straßenbaulast 50 % der Kosten für die Errichtung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der in Rede stehenden Eisenbahnkreuzung mit einer Gemeindestraße zu tragen hätte.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, in dessen Zuge ein Gutachten der Sachverständigenkommission nach § 48 Abs. 4 EisbG eingeholt wurde, erließ die Landeshauptfrau von Niederösterreich den nun in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 19. Dezember 2018, ***. Mit diesem wurden die mit der Errichtung der in Rede stehenden Sicherungsanlage verbundenen Gesamtkosten ziffernmäßig festgesetzt und entschieden, dass diese zu 70 % von der A AG und zu 30 % von der Marktgemeinde *** zu tragen seien. Weiters wurden die Kosten der Erhaltung und Inbetriebhaltung der Sicherungsanlage bestimmt und im selben Ausmaß auf die Beteiligten verteilt. Schließlich wurden die von der Marktgemeinde *** konkret zu bezahlenden Beträge unter Festsetzung einer Leistungsfrist festgelegt.
Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die Marktgemeinde *** als auch die A AG Beschwerde. Während jene die Unzulässigkeit des Antrags mangels Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG auf die konkrete Sachverhaltskonstellation geltend macht und mit weiteren Gründen das Bestehen einer Verpflichtung der Marktgemeinde *** zur Leistung eines Kostenbeitrags dem Grunde und der Höhe nach bestreitet, wendet sich die A AG ausschließlich gegen die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für Erhaltung und Inbetriebhaltung der Sicherungsanlage.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte in der Angelegenheit am 11. Juli 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei welcher die Marktgemeinde *** unter anderem vorbrachte, dass die mit Bescheid vom 27. September 2013 festgelegte Bedingung der Erhöhung der Geschwindigkeit nicht erfüllt worden sei.
Über Aufforderung des Gerichts teilte die A AG mit Schriftsatz vom 25. Juli 2019 unter anderem mit, dass die örtliche Zulässigkeit der Geschwindigkeit im Bereich der Eisenbahnkreuzung im Kilometer *** der ***-Strecke *** –*** 120 km/h betrage und legte diesbezüglich das Verzeichnis der örtlich zulässigen Geschwindigkeit vor.
2. Beweiswürdigung
Diese Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf den unbedenklichen Akten der belangten Behörde sowie des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich bzw. hinsichtlich der örtlich zulässigen Geschwindigkeit im Bereich der in Rede stehenden Eisenbahnkreuzung auf den von der A AG vorgelegten Unterlagen und sind unstrittig. Weiterer Feststellungen bedarf es, wie sich aus der rechtlichen Beurteilung ergeben wird, im konkreten Fall nicht.
3. Erwägungen des Gerichts
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat sich bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten lassen:
3.1. Anzuwendende Rechtsvorschriften
EisbG
§§ 48. (…)
(2) Sofern kein Einvernehmen über die Regelung der Kostentragung zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast erzielt wird, sind die Kosten für die bauliche Umgestaltung der bestehenden Kreuzung, für die im Zusammenhang mit der Auflassung schienengleicher Eisenbahnübergänge allenfalls erforderliche Umgestaltung des Wegenetzes oder allenfalls erforderliche Durchführung sonstiger Ersatzmaßnahmen, deren künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung je zur Hälfte vom Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast zu tragen. Die Kosten für die im Zusammenhang mit der Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges erforderlichen Abtragungen und allenfalls erforderlichen Absperrungen beiderseits der Eisenbahn sind zur Gänze vom Eisenbahnunternehmen zu tragen. Die Festlegung der Art und Weise allenfalls erforderlicher Absperrungen beiderseits der Eisenbahn hat im Einvernehmen zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast zu erfolgen.
(3) Falls es das Eisenbahnunternehmen oder der Träger der Straßenbaulast beantragen, hat die Behörde ohne Berücksichtigung der im Abs. 2 festgelegten Kostentragungsregelung zu entscheiden,
1. welche Kosten infolge der technischen Anpassung der baulichen Umgestaltung (Abs. 1 Z 1) im verkehrsmäßigen Ausstrahlungsbereich der Kreuzung erwachsen, oder
2. welche Kosten für eine allfällige Umgestaltung des Wegenetzes oder für die Durchführung allfälliger sonstiger Ersatzmaßnahmen im verkehrsmäßigen Ausstrahlungsbereich der verbleibenden oder baulich umzugestaltenden Kreuzungen zwischen Haupt-, Neben-, Anschluss- oder Materialbahn mit beschränkt-öffentlichem Verkehr einerseits und einer Straße mit öffentlichem Verkehr andererseits infolge der Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges erwachsen,
und demgemäß in die Kostenteilungsmasse einzubeziehen sind und in welchem Ausmaß das Eisenbahnunternehmen und der Träger der Straßenbaulast die durch die bauliche Umgestaltung oder durch die Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges und die durch die künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung der umgestalteten Anlagen oder durchgeführten Ersatzmaßnahmen erwachsenden Kosten zu tragen haben. Diese Festsetzung ist nach Maßgabe der seit der Erteilung der Baugenehmigung für die Kreuzung eingetretenen Änderung des Verkehrs auf der Eisenbahn oder des Straßenverkehrs, der durch die bauliche Umgestaltung der Verkehrswege, der durch die nach Auflassung verbleibenden oder im Zusammenhang mit der Auflassung baulich umgestalteten Kreuzungen, des umgestalteten Wegenetzes und der durchgeführten Ersatzmaßnahmen erzielten Verbesserung der Abwicklung des Verkehrs auf der Eisenbahn oder des Straßenverkehrs, der hierdurch erzielten allfälligen Ersparnisse und der im Sonderinteresse eines Verkehrsträgers aufgewendeten Mehrkosten zu treffen. Eine derartige Antragstellung ist nur innerhalb einer Frist von drei Jahren ab Rechtskraft einer Anordnung nach Abs. 1 zulässig. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vom Eisenbahnunternehmen und vom Träger der Straßenbaulast zu tragenden Kosten gilt die im Abs. 2 festgelegte Kostentragungsregelung.
(4) Die Behörde hat sich bei der Kostenfestsetzung des Gutachtens einer Sachverständigenkommission zu bedienen. Die Geschäftsführung der Sachverständigenkommission obliegt der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH. Die Sachverständigenkommission besteht aus einem Vorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern. Für jedes Mitglied ist ein Ersatzmitglied zu bestellen. Die Mitglieder und die Ersatzmitglieder sind vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu bestellen. Der Vorsitzende (Ersatzmitglied) muss rechtskundig sein. Von den weiteren Mitgliedern muss eines eine technische Fachperson des Eisenbahnwesens sowie eines eine technische Fachperson des Straßenwesens sein. Bei Kreuzungen mit Straßen, die nicht Bundesstraßen sind, soll die Fachperson des Straßenwesens mit dem Straßenwesen des in Betracht kommenden Landes besonders vertraut sein. Die Mitglieder der Sachverständigenkommission haben Anspruch auf Ersatz der angemessenen Reisekosten und Barauslagen sowie auf ein Sitzungsgeld. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen unter Bedachtnahme auf den Umfang der von der Sachverständigenkommission wahrzunehmenden Gutachtenstätigkeit durch Verordnung pauschalierte Beträge für das Sitzungsgeld der Mitglieder festlegen.
§ 49. (…)
(2) Über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung hat die Behörde nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse zu entscheiden, wobei die Bestimmungen des § 48 Abs. 2 bis 4 mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden sind, dass die Kosten der Sicherungseinrichtungen für Materialbahnen, ausgenommen solche mit beschränkt-öffentlichem Verkehr, vom Eisenbahnunternehmen alleine zu tragen sind, sofern nicht eine andere Vereinbarung besteht oder getroffen wird.
(…)
VwGVG
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(…)
VwGG
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(…)
B-VG
Artikel 133. (…)
(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.
(…)
3.2. Rechtliche Beurteilung
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde, nachdem eine Einigung über die Regelung der Kostentragung für Errichtung und Betrieb einer Sicherungsanlage für die Eisenbahnkreuzung im Kilometer *** der ***-Strecke *** –*** zwischen dem Eisenbahnunternehmen und der Trägerin der Straßenbaulast nicht erzielt wurde, auf Grund eines Antrags des Eisenbahn-unternehmens eine Entscheidung im Sinne des § 48 Abs. 3 EisbG getroffen.
Soweit die Marktgemeinde *** geltend macht, dieser Antrag der A AG sei deshalb unzulässig, weil sich die Sicherungsart seit der vorangegangenen Sicherungsanordnung aus dem Jahre 1979 nicht geändert hätte, ist ihr entgegenzuhalten, dass immer dann, wenn nach § 49 Abs. 2 EisbG ein Ausspruch über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung erfolgt, die Bestimmungen des § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG sinngemäß anzuwenden sind und es in einem solchen Fall auch dem Eisenbahnunternehmen (oder dem Träger der Straßenbaulast) offen steht, eine behördliche Entscheidung über die Kostentragung herbeizuführen (vgl. VwGH 21.05.2019, Ro 2018/03/0050).
Allerdings erweist sich der Antrag der A AG im konkreten Fall aus einem anderen Fall als unzulässig.
Nach dem ausdrücklichen und eindeutigen Wortlaut des Spruches des Bescheides vom 27. September 2013 ist die von der belangten Behörde getroffene Sicherungsanordnung an zwei kumulativ zu erfüllende Bedingungen geknüpft, von denen die eine, nämlich die Erhöhung der örtlich zulässigen Geschwindigkeit auf der Bahn in beiden Richtungen von 120 km/h auf 140 km/h bisher nicht erfüllt wurde. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass die Erfüllung der Bedingung unmittelbar absehbar wäre.
Das Wesen einer Bedingung besteht darin, dass sie den Eintritt der Rechtswirkungen des Hauptinhaltes eines Bescheides vom Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängig macht (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11, Rz 413/1).
Anzumerken ist, dass von der bloßen Bezeichnung einer Nebenbestimmung eines Bescheides nicht zwingend auf ihre Rechtsnatur geschlossen werden kann. Vielmehr bestimmt sich diese nach deren Inhalt bzw. Zweck, wobei in jedem einzelnen Fall zu prüfen ist, was nach der Absicht der Behörde und nach der objektiven Wirkung der Nebenbestimmung wirklich vorliegt (vgl. VwGH 23.10.2012, 2012/10/0018 mit Hinweis auf die E vom 17.05.2004, 2002/06/0003). Allerdings ergeben sich im konkreten Fall weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des zuletzt genannten Bescheides Anhaltspunkte dafür, dass mit der Formulierung, die Sicherungsart unter den genannten Bedingungen zu verfügen, nach dem aus dem Bescheid zum Ausdruck gelangenden Willen der Behörde in Wahrheit nicht eine Bedingung, sondern eine Nebenbestimmung mit anderer Rechtsnatur verfügt werden sollte. Die Behörde hat in ihren rechtlichen Erwägungen im Bescheid vom 27. September 2013 keinerlei Begründung gegeben, weshalb sie die inkriminierte Formulierung in den Spruch des Bescheides aufgenommen hat. Allerdings findet sich in der Begründung des Bescheides die wörtliche Widergabe zweier eisenbahn-technischer Gutachten, aus denen hervorgeht, dass die Erhöhung der Geschwindigkeit für die Festlegung der Sicherungsart maßgeblich war (vgl. Seite 4 Mitte „unter Zugrungelegung der Erhöhung der örtlichen zulässigen Geschwindigkeit auf der Schiene für beide Richtungen auf 140 km/h ist … zu sichern“; sowie Seite 6 „unter Berücksichtigung der Erhöhung der örtlich zulässigen Geschwindigkeit auf der Schiene für beide Richtungen auf 140 km/h ist … zu sichern“; Unterstreichung durch das Gericht). Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die Behörde die Erhöhung der Geschwindigkeit auf 140 km/h als entscheidende Voraussetzung für die Anordnung der von ihr verfügten Sicherungsart ansah und die dem Eisenbahnunternehmen obliegende Entscheidung über die Erhöhung der Geschwindigkeit (vgl. zuletzt VwGH 08.04.2019, Ro 2018/03/0014; deshalb verbietet sich übrigens auch eine „Umdeutung“ in eine behördliche Festlegung der Geschwindigkeit) zur Bedingung für die angeordnete Sicherungsart machen wollte. Damit wurden die Rechtswirkungen des Bescheides, nämlich die konkrete Sicherungsart (damit aber auch die festgelegte Erfüllungsfrist), insgesamt bis zum Eintritt des genannten Ereignisses, nämlich der Festlegung einer höheren Geschwindigkeit, hinausgeschoben. Es liegt somit eine (aufschiebende) Bedingung im Rechtssinne vor. Ob diese Sicherungsart richtigerweise nicht auch bei Beibehaltung der Geschwindigkeit von 120 km/h geboten gewesen wäre und ob die bedingte Anordnung der Sicherung überhaupt rechtmäßig war, spielt im Hinblick auf die Rechtskraft des Bescheides vom 27. September 2013 keine Rolle.
Es erhebt sich die Frage, ob die A AG im konkreten Zusammenhang berechtigt war, den Antrag nach § 48 Abs. 3 EisbG zu stellen, obwohl sie die Bedingung, die die Behörde rechtskräftig festgelegt hat, nicht erfüllt hat. Aus der Wendung „innerhalb einer Frist von drei Jahren ab Rechtskraft“ in § 48 Abs. 3 (vorletzter Satz) EisbG ist jedenfalls abzuleiten, dass der Antrag zulässigerweise erst nach „Rechtskraft“ des Bescheides gestellt werden kann. Ob im vorliegenden Fall die Antragstellungsfrist bereits zu laufen begonnen hat, hängt davon ab, wie man im konkreten Zusammenhang den Begriff „Rechtskraft“ in § 48 Abs. 3 leg.cit versteht. Legt man das herkömmliche Verständnis des Begriffs der Rechtskraft zugrunde (vgl. dazu etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, aaO, Rz 451 ff) ergibt sich, dass durch die Wirkung einer aufschiebenden Bedingung (um eine solche handelt es sich gegenständlich) nicht etwa die Wirkungen der Rechtskraft aufgeschoben werden, sondern setzt das Wirksamwerden der Bedingung die Rechtskraft voraus. Wäre also dieser Begriff in § 48 Abs. 3 EisbG bei einer Bescheidgestaltung wie im vorliegenden Fall in diesem Sinne zu verstehen, ginge das Eisenbahnunternehmen – aber auch der Träger der Straßenbaulast – ihrer Antragsmöglichkeit nach Ablauf von drei Jahren auch dann verlustig, wenn bis zu diesem Zeitpunkt der Eintritt der Bedingung nicht erfolgt ist, und müsste der Antrag fristwahrend selbst dann gestellt (und in der Folge darüber entschieden) werden, wenn gar nicht feststeht, ob der Kostentragungsfall jemals eintreten wird. Es ist evident, dass in einem solchen Fall nicht nur der Eintritt der Leistungsverpflichtung, sondern auch die für Ausmaß und konkrete Höhe der Kostenteile, die auf die Parteien entfallenden könnten, maßgeblichen Rahmenbedingungen und Faktoren ungewiss sind bzw. sich zwischen einer diesfalls vor Bedingungseintritt erfolgenden Entscheidung und dem (allfälligen) Eintritt der Bedingung noch wesentlich – und im Falle der Unabsehbarkeit des Zeitpunktes des Bedingungseintritts bei der Entscheidung der Behörde bzw. des Gerichts auch unkalkulierbar – ändern können.
Es sprechen daher – auch wenn man davon ausgeht, dass § 48 Abs. 3 leg.cit nicht fordert, dass die Kosten im Antrags- oder Entscheidungszeitpunkt bereits erwachsen sind – die besseren Gründe dafür, im Falle einer bedingten Sicherungsanordnung den Begriff „Rechtskraft“ in § 48 Abs.3 leg.cit. im Sinne des (unbedingten) Wirksamwerdens der Sicherungsanordnung zu verstehen; dies mit der Konsequenz, dass die Antragstellungsfrist für eine behördliche Kostentragungsregelung erst mit Bedingungseintritt (und Unanfechtbarkeit des Bescheides) zu laufen beginnt. Daran ändert es auch nichts, dass im konkreten Fall die Sicherung selbst im Sinne des in Rede stehenden Bescheid bereits hergestellt worden ist, erfolgte dies doch nach dem zuvor Gesagten – in Hinblick auf das Nichteintreten einer der beiden festgelegten Bedingungen – ohne Deckung durch eine rechtswirksame behördliche Anordnung.
Dieses Verständnis zugrunde gelegt, erweist sich der Antrag der A AG als verfrüht und damit als unzulässig. Die belangte Behörde hätte ihn daher zurückweisen müssen. Das Gericht hat daher den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuändern.
Diese Entscheidung steht freilich einer neuerlichen Antragstellung nach Eintritt der Bedingung (Erhöhung der zulässigen Geschwindigkeit auf 140 km/h) bzw. im Fall einer unbedingten Sicherungsanordnung durch die belangte Behörde nicht entgegen.
Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des Begriffes „Rechtskraft“ im § 48 Abs. 3 EisbG liegt nach Kenntnis des Landesverwaltungs-gerichtes Niederösterreich bisher nicht vor. Es handelt sich dabei – ungeachtet davon, wie man die Zulässigkeit einer bedingten Sicherungsentscheidung nach § 49 Abs.2 EisbG beurteilt – im Hinblick auf die über den Einzelfall hinausgehende Relevanz um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, sodass die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen dieses Erkenntnis zulässig ist.
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