AsylG 2005 §3
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §7 Abs4 Z1
ZustG §17 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:I403.2301838.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch den Verein Flüchtlingsprojekt Ute Bock, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Tirol, Außenstelle Innsbruck (BFA-T-ASt-Innsbruck) vom 25.07.2024, Zl. XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 14.10.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 25.07.2024 wird gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, vertreten durch den Verein Flüchtlingsprojekt Ute Bock, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Tirol, Außenstelle Innsbruck (BFA-T-ASt-Innsbruck) vom 14.10.2024, Zl. XXXX, mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 03.09.2024 abgewiesen worden war, zu Recht:
A)
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.10.2024 wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 23.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der belangten Behörde, vom 25.07.2024 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.); dem Beschwerdeführer wurde allerdings der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.). Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer laut Zustellverfügung an die im ZMR genannte Adresse zugestellt ( XXXX ; gemeldet seit 20.03.2024 mit Hauptwohnsitz).
Am 30.08.2024 langte eine E-Mail eines Mitarbeiters des Flüchtlingsprojekts Ute Bock bei der belangten Behörde ein, wonach der Beschwerdeführer Beschwerde gegen Spruchpunkt I. einlege; eine Vollmacht und genaue Erläuterung würden nachgereicht werden. Am 02.09.2024 wurde wiederum per E-Mail eine Vollmacht für den Verein Flüchtlingsprojekt Ute Bock, datiert mit 30.08.2024, vorgelegt und Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des – laut Beschwerdevorbringen - am 07.08.2024 zugestellten Bescheides erhoben; der Beschwerdeführer sei in Gefahr, bei einer Rückkehr nach Syrien zum Militärdienst eingezogen zu werden und sei ihm der Asylstatus zuzuerkennen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.
Mit Verspätungsvorhalt vom 03.09.2024 wies die belangte Behörde darauf hin, dass der Bescheid hinterlegt worden sei und die Abholfrist am 31.07.2024 begonnen habe, weswegen die Zustellung an diesem Tag erfolgt sei. Die Beschwerdefrist habe daher am 29.08.2024 geendet.
Am 17.09.2024 wurde ein „Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ bei der belangten Behörde eingebracht und dargelegt, dass der rechtsunkundige Beschwerdeführer von einer Zustellung am 07.08.2024 ausgegangen sei und auch kein Kuvert mehr habe. Für den Verein Ute Bock habe sich kein Hinweis darauf ergeben, dass die Zustellung nicht am 07.08.2024 erfolgt sei. Als „Sicherheitsmechanismus“ sei trotzdem „vorsichtshalber“ bereits am 30.08.2024 ein „formales Rechtsmittel“ eingebracht worden. „Aus demselben Sicherheitsdenken heraus“ sei die Beschwerde als „komplettes Rechtsmittel“ dann bereits am 02.09.2024, also zwei Tage vor dem vermeintlichen Fristende, eingebracht worden. Es sei nicht aus mangelnder Sorgfalt, sondern durch eine „unglückliche Verkettung von ungünstigen Faktoren“ zu diesem Missgeschick gekommen.
Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 14.10.2024 wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.10.2024 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 03.09.2024 gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.).
Mit E-Mail vom 23.10.2024 wurde einerseits „Vorstellung“ gegen die Beschwerdevorentscheidung erhoben und inhaltlich auf das Vorbringen im Antrag auf Wiedereinsetzung verwiesen. Andererseits wurde Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.10.2024 erhoben; inhaltlich wurde vorgebracht, dass die Angaben des Beschwerdeführers logisch und nachvollziehbar erschienen seien und daher der gewillkürte Rechtsvertreter keine Möglichkeit gehabt habe, den „Fehler“ des Beschwerdeführers zu erkennen.
„Vorstellung“ und Beschwerde sowie Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 04.11.2024 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Bescheid der belangten Behörde vom 25.07.2024 wurde dem Beschwerdeführer am 31.07.2024 (Beginn der Abholfrist) zugestellt. Die Beschwerdefrist betrug vier Wochen und endete am 28.08.2024.
1.2. Der Beschwerdeführer behob den Bescheid am 07.08.2024 und gab gegenüber seiner Rechtsvertretung dieses Datum als Tag der Zustellung an.
1.3. Beschwerde gegen den am 31.07.2024 zugestellten Bescheid wurde am 02.09.2024 erhoben. Am 30.08.2024 versandte der Rechtsvertreter ein E-Mail an die belangte Behörde, in welchem auf die geplante Beschwerdeerhebung hingewiesen wurde.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Zustellung des Bescheides ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht vom BFA eingeholten Zustellnachweis und dem Umstand, dass die entsprechende Feststellung im Verspätungsvorhalt und in der Beschwerdevorentscheidung vom Beschwerdeführer unbestritten blieb. Die Beschwerdefrist ergibt sich aus der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides in einer Zusammenschau mit § 7 Abs. 4 VwGVG.
2.2. Die Feststellung zu 1.2. ergibt sich aus dem Vorbringen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
2.3. Dass am 02.09.2024 Beschwerde erhoben wurde und am 30.08.2024 auf dieses Vorhaben hingewiesen worden war, ergibt sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden E-Mails des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers an die belangte Behörde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Rechtsmittel gegen die mit Beschwerdevorentscheidung festgestellte Verspätung der Beschwerde:
Die Beschwerdevorentscheidung ist in § 14 VwGVG geregelt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung steht es im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen.
Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 14.10.2024 wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 23.10.2024 wurde „Vorstellung“ „gegen die Zurückweisung der Beschwerde als verspätet, als Beschwerdevorentscheidung“ erhoben. Eine Vorstellung kann allerdings nur gegen einen Bescheid, der gemäß § 57 Abs. 1 AVG ohne vorausgehendes Ermittlungsverfahren erlassen wurde, erhoben werden, was gegenständlich nicht der Fall ist. Bekämpft werden sollte, wie sich aus dem Schreiben vom 23.10.2024 ergibt, die Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen werden sollte. Beabsichtigt war offenbar die Stellung eines Vorlageantrages: Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird.
Die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels hindert nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (OGH 22.03.2024, RS0036258). Daher wird das als „Vorstellung“ bezeichnete Schreiben vom Bundesverwaltungsgericht als Vorlageantrag behandelt, zumal sich in der Begründung der Antrag auf „Vorlage der Rechtssache an das Bundesverwaltungsgericht“ findet.
Inhaltlich wird vom Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertretung auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwiesen. Aus diesem Vorbringen ist aber für die Frage der Beschwerdevorentscheidung und die Zurückweisung der Beschwerde als verspätet nichts zu gewinnen, da eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ja die Versäumung einer Frist gerade voraussetzt.
Es ist von der sich aus der Beurkundung auf dem Rückschein ergebenden Ordnungsgemäßheit der Zustellung gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz auszugehen, was aber bedeutet, dass die vierwöchige Beschwerdefrist am 02.09.2024 bzw. am 30.08.2024 bereits verstrichen war und vom Beschwerdeführer somit versäumt wurde.
Die in der Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung, dass die Beschwerde nach Ende der Rechtsmittelfrist erhoben wurde, wurde auch nicht bestritten. Selbst wenn man die „formale Beschwerde“ (wie es im Antrag auf Wiedereinsetzung heißt), in der letztlich nur auf die geplante Beschwerdeerhebung verwiesen wurde, als Beschwerde berücksichtigen würde, ist festzuhalten, dass diese ebenfalls erst nach Ende der Beschwerdefrist eingebracht wurde.
Die Zurückweisung der Beschwerde als verspätet erfolgte daher zu Recht.
3.2. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.10.2024 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 03.09.2024 gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.). Angefochten wurde mit der Beschwerde vom 23.10.2024 nur Spruchpunkt I., die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, für dessen Beurteilung die belangte Behörde zu Recht § 33 VwGVG als Grundlage herangezogen hatte (VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).
Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsvertreter argumentieren, dass der unkundige Beschwerdeführer dem Rechtsvertreter das falsche Datum als Zustelldatum genannt habe und die Rechtsvertretung ohnehin als „Vorsichtsmaßnahme“ die Beschwerde einige Tage vor Fristende versendet habe. Abgesehen davon, dass der Umstand, dass der Rechtsvertreter noch am Abend des 30.08.2024 eine von ihm als „formale Beschwerde“ bezeichnete E-Mail an die belangte Behörde versendet hatte, in der er auf noch einzubringende nähere Erläuterungen verwiesen hatte, nahelegt, dass die Rechtsvertretung keineswegs auf die Angaben des Beschwerdeführers über eine Zustellung am 07.08.2024 vertraute, ist das Vorbringen jedenfalls nicht geeignet, einen nur minderen Grad des Versehens glaubhaft zu machen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf daher nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben.
Die Einhaltung der Rechtsmittelfristen erfordert von der Partei oder ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt (vgl. VwGH 27.09.2023, Ra 2021/01/0195, mwN). Der für den Beschwerdeführer einschreitende Vertreter hat sich seinem eigenen Vorbringen zufolge für die Bestimmung des Zeitpunktes der Zustellung des beim Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheides und somit für die Berechnung des Beginns und Endes der Frist für die Erhebung der Beschwerde allein auf die Auskunft des - sich der Bedeutung des Zustellzeitpunktes nicht bewusst gewesenen - Beschwerdeführers verlassen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die anhand der Umstände des Einzelfalls von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung, der Rechtsvertreter wäre fallbezogen angesichts der Wichtigkeit für die Berechnung und Einhaltung der Beschwerdefrist (vgl. dazu, dass ein solcher für die Beachtung einer Rechtsmittelfrist grundsätzlich selbst verantwortlich ist, VwGH 23.02.2005, 2001/14/0021) gehalten gewesen, durch weitere Erkundigungen den Zeitpunkt der Zustellung so zu verifizieren, dass vernünftigerweise kein Raum für Zweifel an dessen Richtigkeit geblieben wäre, und das Unterlassen derartiger Überprüfungen sei nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten, nicht als korrekturbedürftig dar (vgl. etwa zu einem Fall, in dem sich der einschreitende Rechtsanwalt bloß mit der telefonischen Bekanntgabe des Zustelldatums begnügt und keine Maßnahmen zur Kontrolle der Richtigkeit des Zustelldatums gesetzt hat, nochmals VwGH 2001/14/0021).
Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erweist sich daher als unbegründet.
Absehen von der Durchführung einer Verhandlung:
Der Sachverhalt war im gegenständlichen Fall unbestritten; zu beurteilen war, ob der Umstand, dass sich der Rechtsvertreter bei der Frage des Zustelldatums einzig auf die Auskunft des Beschwerdeführers verließ, als minderer Grad des Versehens erachtet werden kann; aufgrund der vorliegenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist diese Rechtsfrage aber bereits umfassend und eindeutig beantwortet, so dass eine diesbezügliche Erörterung in einer Verhandlung, trotz Parteiantrag, nicht notwendig erscheint.
Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich den tragenden Erwägungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid bzw. der Beschwerdevorentscheidung an und wurde diesen auch nicht substantiiert entgegengetreten.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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