BVwG W134 2298339-3

BVwGW134 2298339-321.10.2024

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §340
BVergG 2018 §341
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W134.2298339.3.00

 

Spruch:

 

W134 2298339-2/30E

W134 2298339-3/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

 

1)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Vorsitzenden sowie Mag. Wolfgang Pointner als fachkundiger Laienrichter der Auftraggeberseite und Mag. Julia Weiss als fachkundige Laienrichterin der Auftragnehmerseite über den Nachprüfungsantrag der XXXX , vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Schubertring 6, 1010 Wien, vom 30.08.2024, betreffend das Vergabeverfahren "EWP/Einwegpfand: Sortierdienstleistungen für die Region Westösterreich“ der Auftraggeberin EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH, vergebende Stelle Schramm Öhler Rechtsanwälte, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag „die Widerrufsentscheidung vom 20.8.2024 für nichtig zu erklären“ wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2)

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Thomas Gruber über den Antrag der XXXX , vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Schubertring 6, 1010 Wien, vom 30.08.2024, betreffend das Vergabeverfahren "EWP/Einwegpfand: Sortierdienstleistungen für die Region Westösterreich“ der Auftraggeberin EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH, vergebende Stelle Schramm Öhler Rechtsanwälte, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, folgenden Beschluss:

A)

Der Antrag gerichtet auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Vorbringen der Parteien:

Mit Schreiben vom 30.08.2024, beim BVwG eingelangt am gleichen Tag, begehrte die Antragstellerin die Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung vom 20.08.2024, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht, den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Begründend wurde von der Antragstellerin im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Ausgeschrieben sei ein Dienstleistungsauftrag betreffend die Erbringung von Dienstleistungen für das Projekt "EWP/Einwegpfand: Sortierdienstleistungen für die Region Westösterreich" nach Durchführung eines Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich. Mit Mitteilung der Widerrufsentscheidung vom 30.07.2024 habe die Auftraggeberin erstmals die Absicht erklärt, das Vergabeverfahren zu widerrufen. Mit Mitteilung vom 06.08.2024 sei die (erste) Widerrufsentscheidung zurückgezogen und das Vergabeverfahren (formell) fortgesetzt worden. Am 20.08.2024 sei der Antragstellerin eine zweite und damit die gegenständlich bekämpfte Widerrufsentscheidung über die Vergabeplattform zugestellt worden.

Angefochtene Entscheidung sei die (zweite) Widerufsentscheidung vom 20.08.2024.

Zur Rechtswidrigkeit der Widerrufsentscheidung vom 20.08.2024 gab die Antragstellerin zusammengefasst folgendes an (die diesbezüglichen Überschriften des Nachprüfungsantrages werden zur besseren Übersicht übernommen):

1. „Kein zwingender Widerrufsgrund liegt vor“:

Die Argumentation der Auftraggeberin bezogen auf die vermeintlich zu hohen Angebotspreise beruhe ausschließlich darauf, dass eine im Vorfeld der Ausschreibung durchgeführte Markterkundung andere Sortierkapazitäten (ausreichend Bieter) und vor allem ein anderes Preisniveau habe erwarten lassen. Weder sei aber in den Widerrufsentscheidungen in Folge die angeblich zu geringe Zahl an Bietern begründend angeführt worden, noch handle es sich bei diesen Gründen um zwingende Widerrufsgründe iSv § 149 Abs 1 Z 1 und 2 BVergG 2018. Bei Zweifel an der Angemessenheit der angebotenen Preise, hätte die Auftraggeberin (allenfalls nach einer entsprechenden Angebotsprüfung) eine Verhandlungsrunde durchführen können. Die Auftraggeberin habe sich jedoch ohne die Letztangebote abzuwarten für einen sofortigen Widerruf des Vergabeverfahrens entschieden. Zwingende Widerrufsgründe würden sich aus den Ausführungen der Auftraggeberin nicht ergeben.

2. „Kein fakultativer Widerrufsgrund liegt vor“:

Die Auftraggeberin stütze ihre Widerrufsentscheidung auch auf fakultative Widerrufsgründe, nämlich:

▪ Eine im Vorfeld der Ausschreibung durchgeführte Markterkundung habe andere (bereits bestehende) Sortierkapazitäten erwarten lassen,

▪ eine im Vorfeld der Ausschreibung durchgeführte Markterkundung habe ein anderes Preisniveau erwarten lassen und

▪ nach dem Ausscheiden von Angeboten sei nur noch ein Angebot im Verfahren verblieben.

Kein der vorstehend genannten Gründe halte einer näheren Prüfung stand. Weder die Markterkundung noch die gegenständliche Ausschreibung seien auf bestehende Sortierkapazitäten eingeschränkt gewesen. Solche Kapazitäten seien insbesondere von der Antragstellerin angeboten worden. Es seien von der Antragstellerin die bestehenden freien Sortierkapazitäten und keine neue Betriebsanlage angeboten worden. Es habe daher entgegen den Ausführungen der Auftraggeberin sehr wohl ein Wettbewerb stattgefunden. Die konkrete Anzahl der erwarteten Bieter im gegenständlichen Vergabeverfahren sei nie gegenüber den Interessenten kommuniziert worden. Aus Sicht der Antragstellerin würden drei Unternehmen für den gegenständlichen Auftrag, als Bieter in Frage kommen. Von diesen hätten offenbar zumindest zwei an der gegenständlichen Ausschreibung teilgenommen. Bloße unverhandelte Erstangebotspreise würden keinen verlässlichen Schluss auf das endgültige Preisniveau des Bestbieters zulassen. Eine Überschreitung "im Mittel" sei irrelevant. Zur Schätzung der Preisspanne durch die Auftraggeberin sei festzuhalten, dass die "erkundeten" Preise von bestehenden Sortieranlagen nicht in ihrer absoluten Höhe herangezogen werden könnten, da es in Österreich bis dato keine auf Sortierung von Pfandgebinden spezialisierte Anlage gebe. Ein Widerruf wegen nur eines verbleibenden Angebots sei unsachlich und damit nicht zulässig, wenn der mit der Ausschreibung angestrebte Wettbewerb tatsächlich stattgefunden habe. Da mehrere Angebote eingelangt seien, habe damit bereits ein Wettbewerb stattgefunden. Das Ausscheiden des oder der betroffenen Angebote könne nur aus formalen Gründen erfolgt sein. Die Widerrufsenscheidung halte daher keiner Prüfung stand.

Die Antragstellerin habe ein Interesse am Vertragsabschluss, es drohe ihr ein Schaden und ihre Rechte würden verletzt werden.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 04.09.2024 gab diese bekannt, dass Auftraggeberin die EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH, vergebende Stelle Schramm Öhler Rechtsanwälte, diese vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH sei. Bei dem gegenständlichen Vergabeverfahren handle es sich um einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich der in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung mit EU-weiter Bekannmachung nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden solle. Die Bekanntmachung in der EU und in Österreich sei am 10.11.2023 erfolgt. Am 20.08.2024 seien den Bietern via der Vergabeplattform ANKÖ die Widerrufsentscheidung mitgeteilt worden.

Mit ergänzender Stellungnahme vom 04.09.2024 brachte die Auftraggeberin vor, dass die Auftraggeberin entgegen den Anforderungen an einen öffentlichen Auftraggeber gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. c BVergG 2018 1) nicht überwiegend von öffentlichen Auftraggebern gemäß Z. 1 oder anderen Einrichtungen im Sinne der Z. 2 finanziert werde oder 2) hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht nicht durch diese unterliege oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern bestehe, die von öffentlichen Auftraggebern gemäß Z. 1 oder anderen Einrichtungen im Sinne der Z. 2 ernannt worden seien.

Mit Schreiben vom 09.09.2024 nahm die Auftraggeberin zum Antragsvorbringen Stellung. Sie brachte darin, soweit in entscheidungsrelevant, vor, dass sie keine öffentliche Auftraggeberin sei, dass ein Widerrufsgrund gemäß § 149 Abs. 2 Z. 2 BVergG 2018 vorliege, da Angebote von zwei Bietern vorgelegen seien, wobei das Angebot des einen Bieters ausgeschieden worden sei, sodass nach dem Ausscheiden von Angeboten nur ein Angebot verblieben sei.

Mit Schreiben der Antragstellerin vom 19.09.2024 brachte diese im Wesentlichen vor, dass die Auftraggebereigenschaft der Auftraggeberin gegeben und die Antragstellerin antragslegitimiert sei.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 07.10.2024 sowie vom 08.10.2024 brachte diese weitere Widerrufsgründe vor. Durch die von der Antragstellerin angebotene Sortieranlage am Standort XXXX in Osttirol und Weitertransport zu den Recyclern in Ostösterreich entstünden der Auftraggeberin durch die Transportstrecken in der Mengenzuführung von den Rücknahmepunkten (unsortierte Ware) und der anschließenden Mengenauslieferungen zu den Recyclingunternehmen (sortierte Ware) erhebliche logistische Mehraufwände. Die abgelegene Lage der Sortieranlage in Osttirol (kein Anschluss an ein höherrangiges Verkehrsnetz, die nächste Autobahnanschlussstelle befinde sich in 135,2 km Entfernung) bedinge hohe Projektmehrkosten im Bereich Logistik. Weiters gab die Auftraggeberin einen Überblick über den Sortiergutstrom und die damit verbundenen Logistikleistungen der Auftraggeberin.

Mit Schreiben der Antragstellerin vom 14.10.2024 gab diese eine ergänzende Sellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)

Die Auftraggeberin hat einen Dienstleistungsauftrag, betreffend die Erbringung von "EWP / Einwegpfand: Sortierdienstleistungen für die Region Westösterreich“ im Wege eines Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip ausgeschrieben. Die Bekanntmachung in Österreich und in der EU ist am 10.11.2023 erfolgt. (Schreiben der Auftraggeberin vom 04.09.2024).

Mit Mitteilung der Widerrufsentscheidung vom 30.07.2024 hat die Auftraggeberin erstmals die Absicht erklärt, das Vergabeverfahren zu widerrufen. Mit Mitteilung vom 06.08.2024 wurde die (erste) Widerrufsentscheidung zurückgezogen und das Vergabeverfahren fortgesetzt. (Schreiben der Auftraggeberin vom 09.09.2024)

Die hier angefochene Widerrufsenscheidung wurde am 20.08.2024 versendet. (Schreiben der Auftraggeberin vom 09.09.2024).

Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine zentrale Stelle iSd § 7 Pfand-VO. (Stellungnahme der Auftraggeberin zum Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung vom 04.09.2024, Rz 28)

Die Auftraggeberin wurde in Form einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet. (Errichtungserklärung der Auftraggeberin vom 15.12.2023)

Es langten in der zweiten Verfahrensstufe des Vergabeverfahrens zwei Erstangebote ein. Ein Angebot wurde von der Antragstellerin und ein weiteres Angebot von einer 2. Bieterin gelegt. Das Angebot der 2. Bieterin wurde mit Ausscheidensentscheidung vom 07.08.2024 aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden. Die entsprechende Stillhaltefrist endete am Montag den 19.08.2024. Diese Entscheidung wurde nicht angefochten. (Akt des Vergabeverfahrens; Schreiben der Auftrageberin vom 07.10.2024; Einsicht in die Amtstafel des BVwG unter www.bvwg.gv.at )

2. Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den in Klammer genannten Quellen, deren Echtheit und Richtigkeit außer Zweifel steht und im Verfahren unstrittig waren.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.a Zur Auftraggebereigenschaft

Die Auftraggeberin bestreitet, dass es sich bei ihr um eine öffentliche Auftraggeberin iSd § 4 Abs 1 BVergG 2018 handelt und somit die Vergabekontrollzuständigkeit des BVwG. Die maßgeblichen Entscheidungen der Auftraggeberin über die Einleitung des Vergabeverfahrens sowie über dessen Widerruf seien auftraggeberintern schon vor dem Juli 2024 getroffen worden. § 14d AWG sei demgegenüber erst am 17.07.2024 in Kraft getreten. Zu prüfen ist somit, ob es sich bei der Auftraggeberin um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 4 BVergG 2018 handelt.

Gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 sind öffentliche Auftraggeber unter anderem Einrichtungen, die a) zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, b) zumindestens teilrechtsfähig sind und c) hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch öffentliche Auftraggeber unterliegen.

Ad a) Die Auftraggeberin wurde zu dem besonderen gemeinnützigen Zweck gegründet, den Umwelt- und Naturschutz durch die Errichtung eines Einwegpfandsystems für Getränkeverpackungen zu fördern. Dieser Zweck liegt unzweifelhaft im Allgemeininteresse und wird nach dem Errichtungsvertrag gemeinnützig und nicht in gewerblicher Art betrieben.

Ad b) Die Auftraggeberin wurde in Form einer GmbH gegründet und ist damit gemäß § 61 GmbHG eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und damit rechtsfähig.

Ad c) Bei der Auftraggeberin handelt es sich entsprechend ihren eigenen Angaben um eine zentrale Stelle iSd § 7 Pfand-VO. Damit handelt es sich bei der Auftraggeberin ebenfalls um eine zentrale Stelle Sinne des § 14 c, d und e AWG.

§ 14 d AWG lautet:

„Aufsicht über die zentrale Stelle

§ 14d. (1) Die zentrale Stelle im Sinne des § 14c Abs. 2 unterliegt der Aufsicht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Die Aufsicht bezieht sich auf die Erfüllung der Verpflichtungen der zentralen Stelle entsprechend den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen und Bescheide.

(2) Folgende Maßnahmen stehen zur Verfügung:

1. die Abgabe von Empfehlungen für Maßnahmen zur Behebung von Mängeln und zur Verbesserung der Erfüllung der Verpflichtungen;

2. die Erteilung von Aufträgen, mit denen Maßnahmen im Sinne der Z 1 verbindlich vorgeschrieben werden, die innerhalb angemessener Frist zu setzen und der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie nachzuweisen sind.

(3) Die zentrale Stelle hat der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie alle für die Aufsicht erforderlichen Unterlagen auf Verlangen zu übermitteln.“

Als zentrale Stelle im Sinne des §§ 14c Abs. 2 AWG unterliegt die Auftraggeberin gemäß § 14 d Abs. 1 AWG der Aufsicht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (kurz: BMK). Die BMK kann der zentralen Stelle gemäß § 14 d Abs. 2 Z 2 AWG unter anderem Aufträge erteilen, mit denen Maßnahmen zur Behebung von Mängeln und zur Verbesserung der Erfüllung der Verpflichtungen vorgeschrieben werden. Da die BMK öffentliche Auftraggeberin ist, unterliegt die Auftraggeberin somit hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch einen öffentlichen Auftraggeber. Die Auftraggeberin als zentrale Stelle ist somit öffentliche Auftraggeberin und „unterliegt als Einrichtung des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018) dem persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018“ (Erläuterungen zur Einwegpfandverordnung Getränkeverpackungen, 4, zu § 8). Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 327 BVergG 2018 für den Rechtsschutz in der gegenständlichen Sache zuständig.

Wenn die Auftraggeberin vorbringt, dass die maßgeblichen Entscheidungen der Auftraggeberin über die Einleitung des Vergabeverfahrens sowie über dessen Widerruf auftraggeberintern schon vor dem Juli 2024 getroffen worden seien und die Bekanntmachung des Widerrufs ein reiner Formalakt sei, übersieht sie, dass gesondert anfechtbare Entscheidungen gemäß § 2 Z. 15 a) BVergG 2018 nur nach außen in Erscheinung tretende Entscheidungen sind. Wann die auftraggeberinterne Entscheidungsfindung dazu stattgefunden hat ist rechtlich in diesem Zusammenhang nicht relevant. Die hier angefochtene Widerrufsentscheidung wurde am 20.08.2024 erlassen. § 14 d Abs. 1 AWG wurde mit BGBl. I Nr. 84/2024 eingefügt und trat gemäß § 91 Abs. 48 AWG mit dem der Kundmachung folgenden Tag, also dem 18.07.2024, in Kraft. Zum Zeitpunkt der Erlassung der hier angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung vom 20.08.2024 war somit § 14 d Abs. 1 AWG jedenfalls bereits in Kraft getreten.

3.b Zu den Widerrufsgründen

Die Auftraggeberin begründet ihre Widerrufsentscheidung vom 20.08.2024 unter anderem damit, dass nach dem Ausscheiden von Angeboten nur ein Angebot verblieben sei.

Wie dem Vergabeakt zu entnehmen ist, langten in der zweiten Verfahrensstufe des Vergabeverfahrens zwei Erstangebote ein. Ein Angebot wurde von der Antragstellerin und ein weiteres Angebot von einer 2. Bieterin gelegt. Das Angebot der 2. Bieterin wurde mit Ausscheidensentscheidung vom 07.08.2024 aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden. Die entsprechende Stillhaltefrist endete am Montag den 19.08.2024. Diese Entscheidung wurde nicht angefochten.

Dazu brachte die Antragstellerin vor, ein Widerruf wegen nur eines verbleibenden Angebots sei insbesondere dann unsachlich und nicht zulässig, wenn der mit der Ausschreibung angestrebte Wettbewerb tatsächlich stattgefunden habe. Dies sei gegenständlich der Fall, da mehrere Angebote eingelangt seien und damit bereits ein Wettbewerb stattgefunden habe. Wenn zwei Angebote vorliegen würden, dann hätten rund zwei Drittel der Kunststoffsortieranlagen im Westen Österreichs angeboten. Das Ausscheiden sei offensichtlich nur aus verfahrenstaktischen Erwägungen vorgenommen worden, was schon für sich betrachtet einer zulässigen Ermessensentscheidung in Richtung eines Widerrufs entgegenstehe. Seien nämlich ursprünglich mehrere Angebote eingelangt und würden diese nur aus formalen Gründen ausgeschieden, stelle dies keinen sachlichen Widerrufsgrund im Sinne des § 149 Abs. 2 Z. 1 BVergG dar.

Die Erläuterungen 69 dB XXVI. GP, 160, zu § 148 Abs 2 BVergG 2018 lauten auszugsweise ( zu § 149 Abs 2 Z 2 BVergG 2018 ist den Erläuterungen unmittelbar nichts zu entnehmen):

„Ein Widerruf des Vergabeverfahrens ist nunmehr in jedem Fall zulässig, wenn sachliche Gründe dies rechtfertigen. Abs. 2 erstreckt sich auf jene Konstellationen, in denen nachträglich (dh. nach der Ausschreibung) sonstige wesentliche Änderungen von für das Vergabeverfahren relevanten Umständen vorliegen. Im Hinblick auf die einschlägige ständige Judikatur des EuGH (Rs C-27/98, Metalmeccanica, C-92/00, Hospital Ingenieure, C-244/02, Kauppatalo Hansel Oy, und C-440/13, Croce Amica One) ist darauf hinzuweisen, dass an die Bestimmung kein strenger Maßstab anzulegen ist, denn nach dem EuGH ist der Widerruf eines Vergabeverfahrens nicht vom Vorliegen schwerwiegender oder gar außergewöhnlicher Umstände abhängig. (Der EuGH hat in der Rs C-244/02 etwa ausgesprochen, dass aus den vergaberechtlichen Richtlinien „nicht hervorgehe, dass die in dieser Richtlinie implizit anerkannte Befugnis des öffentlichen Auftraggebers, auf die Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden habe, zu verzichten, auf Ausnahmefälle begrenzt sei oder in jedem Fall voraussetze, dass schwerwiegende Gründe angeführt würden.“ Weiters hat der EuGH ausgeführt, … „dass ein Auftraggeber, der beschließe, die Ausschreibung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu widerrufen, den Bewerbern und Bietern zwar die Gründe für seine Entscheidung mitteilen müsse, dass er danach aber nicht verpflichtet sei, das Vergabeverfahren zu Ende zu führen.“)“

Wie den oben zitierten Erläuterungen zu entnehmen ist, ist grundsätzlich an die Bestimmung des Widerrufs kein strenger Maßstab anzulegen, denn nach dem EuGH ist der Widerruf eines Vergabeverfahrens nicht vom Vorliegen schwerwiegender oder gar außergewöhnlicher Umstände abhängig. Was den von der Auftraggeberin herangezogenen Widerrufsgrund gemäß § 149 Abs. 2 Z. 2 BVergG 2018 betrifft, so kann ein Auftraggeber ein Vergabeverfahren dann widerrufen, wenn nach dem Ausscheiden von Angeboten nur ein Angebot verbleibt. Im Gesetz werden keine weiteren Bedingungen für die Möglichkeit des Auftraggebers das Vergabeverfahren in dieser Situation zu widerrufen genannt. Im gegenständlichen Fall möchte die Auftraggeberin des Vergabeverfahren widerrufen, wobei nach dem Ausscheiden eines Angebotes nur ein Angebot verblieben ist, weshalb sich die gegenständliche Widerrufsentscheidung als rechtmäßig erweist, da alle Anforderungen des § 149 Abs. 2 Z. 2 BVergG 2018 erfüllt sind.

Wenn die Antragstellerin dazu vorbringt, ein Widerruf wegen nur eines verbleibenden Angebots sei insbesondere dann unsachlich und nicht zulässig, wenn der mit der Ausschreibung angestrebte Wettbewerb tatsächlich stattgefunden habe, übersieht sie, dass sie damit eine zusätzliche Bedingung für den Widerruf in den Gesetzestext hineininterpretieren möchte, den dieser nicht enthält. Die Frage, ob der mit der Ausschreibung angestrebte Wettbewerb tatsächlich stattgefunden hat oder nicht stellt sich somit nicht. Eine (zusätzliche) Sachlichkeitsprüfung wie sie die Anrtragstellerin fordert ist nicht erforderlich, weil durch die Aufnahme der Fallkonstellation des § 149 Abs. 2 Z. 2 BVergG 2018 in den Gesetzestext diese Fallkonstellation per se einen rechtmäßigen und zulässigen Grund für den Widerruf darstellt.

Wenn die Antragstellerin vorbringt, das Ausscheiden sei offensichtlich nur aus verfahrenstaktischen Erwägungen und mit formalen Gründen vorgenommen worden, übersieht sie, dass § 149 Abs. 2 Z. 2 BVergG 2018 keine Unterscheidung trifft, aus welchen Gründen des § 141 BVergG 2018 das Ausscheiden von Angeboten erfolgte.

3.c Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 339 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 kann die mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrags entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass dem verfahrenseinleitenden Antrag stattzugeben oder dass er abzuweisen ist, soweit dem weder Art 6 EMRK, noch Art 47 GRC entgegenstehen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Die Parteien hatten die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen. Die von der Auftraggeberin vorgenommenen Schwärzungen betrafen nicht den entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Das Unterbleiben einer Verhandlung beeinträchtigt die aus Art 6 EMRK und Art 47 GRC erfließenden Rechte in diesem Fall nicht. Die Parteien konnten ihre Standpunkte in den Schriftsätzen ausreichend darlegen. Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG iVm § 333 BVergG 2018 kann eine mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrags auch entfallen, wenn eine mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtsfrage nicht erwarten lässt. Dazu muss der entscheidungserhebliche Sachverhalt feststehen, was in der gegenständlichen Sache der Fall ist. Die gegenständliche Entscheidung beruht auf Tatsachen, die unstrittig feststehen und sich ausschließlich aus dem Akteninhalt ergeben. Sie wurden auch von den Verfahrensparteien nicht bestritten. Eine ergänzende Erörterung von Tatsachen war daher nicht erforderlich, um den entscheidungsrelevanten Sachverhalt festzustellen.

4. Zu Spruchpunkt 2.) A) - Gebührenersatz:

Da die Antragstellerin nicht obsiegt hat, hat sie gemäß § 341 BVergG 2018 keinen Anspruch auf Gebührenersatz durch die Auftraggeberin.

5. Revision (Spruchpunkte 1) B) und 2) B)):

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.

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