BVwG W606 2299837-1

BVwGW606 2299837-19.10.2024

BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W606.2299837.1.00

 

Spruch:

 

W606 2299837-1/15E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Thomas ZINIEL, LL.M., BSc über den Antrag der XXXX , vertreten durch die RIHS Rechtsanwalt GmbH, Kramergasse 9/3/13, 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren XXXX , bekanntgemacht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 21.08.2024, Nr. 502066-2024, der Auftraggeberin ÖBB-Holding AG mit allen verbundenen Unternehmen, vertreten durch die ÖBB-Business Competence Center GmbH, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, Bartensteingasse 2, 1010 Wien:

A)

I. Dem Antrag, der Auftraggeberin die Öffnung von Angeboten zu untersagen, wird stattgegeben.Der Auftraggeberin ÖBB-Holding AG mit allen verbundenen Unternehmen wird für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, Angebote zu öffnen.

II. Die Anträge,

a. der Auftraggeberin die Fortsetzung des Vergabeverfahrens zu untersagen,

b. der Auftraggeberin aufzutragen, die Fragen der Antragstellerin vom 04.09.2024 vollständig zu beantworten,

c. die Frist für die Abgabe von Teilnahmeanträgen bis zu einem angemessenen Zeitpunkt, jedoch mindestens 14 Tage nach dem Zeitpunkt nach Beantwortung der Fragen der Antragstellerin zu erstrecken bzw. die Frist für die Einbringung von Teilnahmeanträgen auszusetzen und neu festzusetzen,

d. die Zuschlagsentscheidung mitzuteilen, sowie

e. in eventu, der Teilnahmeantrag der Antragstellerin vom 30.09.2024 sei von der Antragsgegnerin bis zur endgültigen Entscheidung durch das nachprüfende Bundesverwaltungsgericht als zulässig zu qualifizieren und die Antragstellerin sei in das weitere Vergabeverfahren einzubeziehen,

werden abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Begründung:

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Auftraggeberin ÖBB-Holding AG mit allen verbundenen Unternehmen, vertreten von der vergebenden Stelle ÖBB-Business Competence Center GmbH, führt unter der Bezeichnung XXXX , ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung durch. Es handelt sich um einen Lieferauftrag; der CPV-Code (Haupteinstufung) lautet 34150000 Simulatoren. Die unionsweite Bekanntmachung wurde im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 21.08.2024 unter der Nr. 502066-2024 veröffentlicht.

Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt und das Vergabeverfahren wurde auch nicht widerrufen.

1.2. Der geschätzte Auftragswert überschreitet den Wert von EUR 443.000,-.

Die genaue Höhe des geschätzten Auftragswerts ergibt sich weder aus der unionsweiten Bekanntmachung noch aus den von der Auftraggeberin zur Verfügung gestellten Teilnahmeunterlagen. Der geschätzte Auftragswert ist für interessierte Unternehmerinnen auch auf anderem Weg nicht (verfahrens-)öffentlich einsehbar.

1.3. Die Teilnahmeunterlagen lauten auszugsweise (Formatierung abweichend):

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

1.4. Die Teilnahmeantragsfrist endete am 30.09.2024, um 11:00 Uhr.

1.5. Am 04.09.2024 richtete die Antragstellerin über XXXX mehrere Fragen an die Auftraggeberin.

1.6. Am 20.09.2024 übermittelte die Auftraggeberin ein Schreiben an die Antragstellerin. In diesem teilt die Auftraggeberin ihr mit, dass sie nach gründlicher Prüfung die Antragstellerin gemäß § 249 Abs. 2 Z 8 BVergG 2018 vom Vergabeverfahren ausschließe. Aufgrund des Ausschlusses vom Vergabeverfahren betrachte die Auftraggeberin die Fragenbeantwortung sowie „etwaige künftige Anfragen oder Anträge zu diesem Vergabeverfahren als gegenstandslos“.

1.7. Der Antragstellerin war es im Anschluss an das unter Pkt. 1.6. genannte Schreiben nicht mehr möglich, vor Ablauf der Teilnahmeantragsfrist einen Teilnahmeantrag über XXXX elektronisch in dem gegenständlichen Vergabeverfahren zu stellen. Sie wurde nach Erhalt des Schreibens vom 20.09.2024 auf XXXX insoweit durch die Auftraggeberin gesperrt, als sie keinen Teilnahmeantrag mehr stellen konnte.

Am 30.09.2024, um ca. 07:58 Uhr, übermittelte die Antragstellerin per E-Mail an XXXX von der vergebenden Stelle den Nachprüfungsantrag samt Beilagen zur Kenntnis.

Am 30.09.2024, um ca. 11:16 Uhr, übermittelte die Antragstellerin per E-Mail an XXXX von der vergebenden Stelle die Teilnahmeantragsunterlagen, nachdem sie zuvor bemerkt hatte, dass sie über XXXX keinen Teilnahmeantrag stellen konnte. Die Auftraggeberin vermutet lediglich, dass sich darin der Teilnahmeantrag befindet. Ein Teilnahmeantrag der Antragstellerin war der dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Akten jedenfalls nicht zu entnehmen.

1.8. Die Auftraggeberin hat den Teilnahmeantrag oder die Teilnahmeanträge (im Folgenden: Teilnahmeanträge) nach Ablauf der Teilnahmeantragsfrist geöffnet. Zwar wurde auf d XXXX der dafür vorgesehene Knopf nicht gedrückt bzw. der dafür vorgesehene Prozess nicht gestartet, die Auftraggeberin bzw. die vergebende Stelle hat jedoch den gesamten Vergabeakt von XXXX heruntergeladen und auf diesem Weg die Teilnahmeanträge als lesbare Dateien erhalten. Die Teilnahmeanträge bilden ebenso einen (lesbaren) Teil des dem Bundesverwaltungsgericht von der Auftraggeberin vorgelegten Vergabeakts.

1.9. Die Antragstellerin hat in der Vergangenheit an einem Vergabeverfahren der XXXX teilgenommen. Die Auftraggeberin bringt vor, dass mit der Antragstellerin am XXXX eine Rahmenvereinbarung über XXXX abgeschlossen worden sei. Die XXXX sei jedoch am XXXX vom Vertrag zurückgetreten und habe die zugrundliegende Rahmenvereinbarung aufgekündigt. Beim Endabnahmeversuch seien unzählige kritische bzw. schwere Fehler festgestellt worden. In der Folge brachte die XXXX eine Klage gegen die Antragstellerin beim XXXX ein.

1.10. Die Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühren in der Höhe von EUR XXXX für die Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorliegenden Akten einschließlich des vorgelegten Vergabeakts sowie im Besonderen alle eingebrachten Schriftsätze.

Im Einzelnen ergeben sich die getroffenen Feststellungen aus folgenden beweiswürdigenden Erwägungen:

2.1. Die Feststellungen gemäß Pkt. 1.1. folgen aus der unionsweiten Bekanntmachung, deren Inhalt unstrittig ist. Die unionsweite Bekanntmachung war dem Antrag als Beilage ./1 angeschlossen. Überdies erfolgte eine Einsichtnahme in das Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union. Die Informationen zum Vergabeverfahren ergeben sich auch aus den Angaben der Auftraggeberin im Rahmen der Erteilung allgemeiner Auskünfte zum Vergabeverfahren vom 04.10.2024.

2.2. Dass der geschätzte Auftragswert den Wert von EUR 443.000,- (vgl. § 185 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 idF BGBl. II Nr. 374/2023) übersteigt, ergibt sich aus dem geschätzten Auftragswert gemäß den Angaben der Auftraggeberin im Rahmen der Erteilung allgemeiner Auskünfte zum Vergabeverfahren vom 04.10.2024.

Dass der geschätzte Auftragswert von der Auftraggeberin in (verfahrens-)öffentlichen – für interessierte Unternehmerinnen zugänglichen – Unterlagen nicht bekanntgegeben wurde, belegt nicht zuletzt der Umstand, dass die Auftraggeberin am 04.10.2024 den Antrag gestellt hat, den geschätzten Auftragswert von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin auszunehmen.

2.3. Die Feststellungen gemäß Pkt. 1.3. folgen aus den im Vergabeakt einliegenden Teilnahmeunterlagen.

2.4. Das Ende der Teilnahmeantragsfrist ergibt sich bereits aus Pkt. 5.1.12. der unionsweiten Bekanntmachung.

2.5. Die Feststellung gemäß Pkt. 1.5. folgt bereits aus dem von der Auftraggeberin vorgelegten Vergabeakt und deckt sich mit dem Vorbringen im Antrag.

2.6. Die Feststellung gemäß Pkt. 1.6. ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin sowie den als Beilage ./6 vorgelegten Entscheidungen der Auftraggeberin (die auch im Vergabeakt einliegt). Auch die Auftraggeberin verweist in ihren allgemeinen Auskünften vom 04.10.2024 auf das Schreiben vom 20.09.2024 unter dem Punkt „Ausscheidung der Antragstellerin mit Datum“.

2.7. Die Feststellung gemäß Pkt. 1.7. folgt aus dem Vorbringen der Antragstellerin, das die Auftraggeberin auf Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts mit Schreiben vom 08.10.2024 bestätigte. Soweit die Auftraggeberin darauf verweist, dass es aufgrund der technischen Gegebenheiten XXXX einer Unternehmerin nach dem Ausschluss nicht mehr möglich sei, einen Teilnahmeantrag abzugeben, steht dies der Feststellung einer Sperre durch die Auftraggeberin nicht entgegen. Entscheidend ist, dass aufgrund von Handlungen der Auftraggeberin im Zusammenhang mit dem Schreiben gemäß Pkt. 1.6. die Antragstellerin keinen Teilnahmeantrag mehr stellen konnte; auf allein technische Rahmenbedingungen der von der Auftraggeberin genutzten Ausschreibungsplattform kommt es dabei nicht an.

Der Inhalt der E-Mail vom 30.09.2024, um ca. 07:58 Uhr, folgt aus den Angaben der Antragstellerin in ihrer Stellungnahme vom 08.10.2024, samt der als Beilage ./14 übermittelten Kopie der E-Mail-Nachricht.

Der Inhalt der E-Mail vom 30.09.2024, um ca. 11:16 Uhr, ergibt sich aus der von der Auftraggeberin ihrer Stellungnahme vom 08.10.2024 beigelegten Kopie der E-Mail-Nachricht, aus der hervorgeht, dass ein Link zur Dokumentation, die den „Antrag auf Zulassung zur Teilnahme am Verfahren“ enthalte, enthalten sei. Auch die Antragstellerin verweist auf diese E-Mail-Nachricht in ihrer Stellungnahme vom 08.10.2024. Die genaue Uhrzeit konnte nicht festgestellt werden, weil aus der vorgelegten Kopie der E-Mail die Sendezeit mit 11:16 Uhr hervorgeht, gleichwohl im Schriftsatz der Antragstellerin von 11:15 Uhr gesprochen wird. Da jedoch abseits davon der Umstand, dass es die E-Mail gibt, und auch ihr Inhalt unstrittig ist, war auf Basis der vorgelegten E-Mail „ca. 11:16 Uhr“ festzustellen. Dass die E-Mail erst gesendet wurde, nachdem die Antragstellerin bemerkt hatte, dass sie auf der Ausschreibungsplattform keinen Teilnahmeantrag stellen konnte, ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin, das im Lichte der Sperrung der Antragstellerin zur Einbringung eines Teilnahmeantrags schlüssig ist. Dass es sich seitens der Auftraggeberin lediglich um eine Vermutung handelt, folgt aus der Stellungnahme vom 08.10.2024.

2.8. Die Feststellungen gemäß Pkt. 1.8. folgen bereits aus dem Umstand, dass dem Bundesverwaltungsgericht von der Auftraggeberin der Vergabeakt samt darin enthaltener Teilnahmeanträge vorgelegt wurde. Die elektronische Vorlage (USB-Stick) enthält die Teilnahmeanträge als lesbare, nicht passwortgeschützte PDF-Dateien; die Vorlage in Papier enthält ebenfalls die Teilnahmeanträge, ohne dass sich diese bspw. in verschlossenen Kuverts befinden. Dass die Auftraggeberin in ihrer Stellungnahme vom 08.10.2024 vorbringt, dass auf XXXX zwar nicht der zur Öffnung der Teilnahmeanträge vorgesehene Schritt bzw. Prozess vorgenommen wurde, ändert an dem Umstand, dass der Auftraggeberin der Inhalt der Teilnahmeanträge – offenkundig – zugänglich ist, nichts, sodass deren Öffnung festzustellen waren. Die Feststellung betreffend das Herunterladen folgt aus den Angaben der Auftraggeberin (siehe den Aktenvermerk vom 04.10.2024, W606 2299837-1/6Z ua.) und ist im Hinblick auf die Aktenvorlage auch schlüssig.

Hinzuweisen ist darauf, dass die Auftraggeberin im Hinblick auf § 281 Abs. 10 BVergG 2018 beantragt hat, die genaue Anzahl und die Namen der Bewerberinnen geheim zu halten. Der Antrag umfasst jedoch nicht den Umstand an sich, dass es Teilnahmeanträge geben habe (vgl. auch den diesbezüglichen Aktenvermerk vom 09.10.2024, W606 2299837-1/14Z ua.). Aus diesem Grund ist in Pkt. 1.8. zunächst von einem bzw. mehreren Teilnahmeanträgen die Rede, um nicht deren genaue Anzahl festzustellen. Die spätere und nunmehrige Verwendung des Plurals dient allein der sprachlichen Vereinfachung, ohne dass daraus auf die genaue Anzahl von eingelangten Teilnahmeanträgen geschlossen werden kann.

2.9. Die Feststellungen gemäß Pkt. 1.9. folgen aus den von der Auftraggeberin als Teil des Vergabeakts vorgelegten Unterlagen zum in der Vergangenheit liegenden Vergabeverfahren, die jedoch – soweit es um die Gültigkeit des abgeschlossenen Vertrags geht – von der Antragstellerin bestritten werden (siehe insb. Pkt. 7.4.3. und 7.6.2. des Antrags vom 29.09.2024). Die Klage liegt im Vergabeakt ein. Im vorliegenden Provisorialverfahren bedarf es keiner abschließenden Klärung dieser Punkte, weshalb von weiteren Ermittlungsschritten abgesehen werden kann (siehe dazu noch Pkt. 3.3.4.).

2.10. Die Feststellung gemäß Pkt. 1.10. beruht auf dem verwaltungsgerichtlichen Akt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl. I Nr. 65/2018 idF BGBl. I Nr. 100/2018, lauten:

„Einstweilige Verfügungen

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(3) […]

(7) Ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig, wenn trotz Aufforderung zur Verbesserung der Antrag nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.“

3.2. Zur Zulässigkeit:

3.2.1. Da das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt worden ist, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs. 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeberin und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig. Das Bundesverwaltungsgericht geht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs. 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

Über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entscheidet gemäß § 328 Abs. 1 BVergG 2018 iVm § 6 BVwGG das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter.

3.2.2. Gemäß § 350 Abs. 7 BVergG 2018 müssen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ordnungsgemäß vergebührt werden, andernfalls diese nach Aufforderung zur Verbesserung als unzulässig zurückzuweisen sind (vgl. auch VfSlg. 20.307/2019). Die Höhe der zu entrichtenden Gebühr folgt aus § 340 BVergG 2018 iVm der BVwG-PauschGebV Vergabe 2018. Die BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 sieht in § 1 Gebührensätze vor, die in bestimmten Fällen – abhängig vom geschätzten Auftragswert bzw. Auftragswert – gemäß § 2 um ein bestimmtes Vielfaches erhöht werden können.

3.2.2.1. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 14.07.2022 in der Rs. C-274/21 ua., EPIC Financial Consulting, ausgeführt, dass dem Steller eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Modalitäten der Berechnung der Pauschalgebühren, die er im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu entrichten hat, im Voraus bekannt sein können, weil sie sich eindeutig aus § 340 BVergG 2018 in Verbindung mit der BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 ergeben.

Greift der öffentliche Auftraggeber jedoch auf ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zurück, so kann der Rechtsuchende, der einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt hat, weder wissen wie hoch der geschätzte Wert des betreffenden Auftrags ist noch wie viele gesondert anfechtbare Entscheidungen, nach denen sich die Höhe der Pauschalgebühren richtet, der öffentliche Auftraggeber bereits erlassen hat. Daher könne der Rechtsuchende die Höhe der von ihm zu entrichtenden Pauschalgebühren möglicherweise nicht vorhersehen (vgl. EuGH 14.07.2022, Rs. C-274/21 ua., EPIC Financial Consulting, Rz 99 ff.).

Daraus folgt für den Gerichtshof der Europäischen Union, dass eine nationale Regelung, wonach der Rechtsuchende Pauschalgebühren in einer Höhe zu entrichten hat, die bei der Stellung seines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht vorhersehbar ist, die Ausübung seines Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf praktisch unmöglich macht oder sie übermäßig erschwert. Sie verstößt folglich gegen Art. 47 GRC, und zwar auch dann, wenn diese Höhe nur einem ganz geringen Bruchteil des Wertes des betreffenden Auftrags oder der betreffenden Aufträge entspricht (vgl. EuGH 14.07.2022, Rs. C-274/21 ua., EPIC Financial Consulting, Rz 103).

Art. 47 GRC ist daher nach Ansicht des Gerichtshofes der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Rechtsuchende, der einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stellt, Pauschalgebühren in nicht absehbarer Höhe zu entrichten hat, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung bzw. gegebenenfalls ohne spätere Vergabebekanntmachung entschieden hat, sodass der Rechtsuchende möglicherweise nicht wissen kann, wie hoch der geschätzte Wert des betreffenden Auftrags ist und wie viele gesondert anfechtbare Entscheidungen, nach denen sich die Höhe der Pauschalgebühren richtet, der öffentliche Auftraggeber erlassen hat (vgl. EuGH 14.07.2022, Rs. C-274/21 ua., EPIC Financial Consulting, Rz 104 bzw. Tenor, Punkt 6).

3.2.2.2. Aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union folgt somit, dass Art. 47 GRC verlangt, dass ein Antragsteller, der die Erlassung einer einstweiligen Verfügung begehrt, nicht mit einer Situation konfrontiert sein darf, in der er Pauschalgebühren in nicht absehbarer Höhe zu entrichten hat, wenn der Antragsteller nicht in Kenntnis der maßgeblichen Determinanten zur Bemessung der Gebührenhöhe (Höhe des geschätzten Auftragswerts und Anzahl der gesondert anfechtbaren Entscheidungen) ist.

Der Tenor sowie die Begründung des Gerichtshofes der Europäischen Union beziehen sich angesichts der dem Urteil zugrundliegenden Ausgangsverfahren zwar auf Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung und bei noch nicht erfolgter Bekanntgabe. Die Auslegung von Art. 47 GRC ist jedoch ohne weiteres auch auf Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung übertragbar. Bei Einbringung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung muss die Antragstellerin folgerichtig über jene Informationen verfügen, die es ihr ermöglichen, die zu entrichtende Pauschalgebühr zu berechnen, um nicht Pauschalgebühren in nicht absehbarer Höhe entrichten zu müssen.

Die für die Gebührenbemessung maßgeblichen Tatbestandselemente müssen jedoch nach der bestehenden Rechtslage der Antragstellerin nicht notwendigerweise bekannt sein. Selbst bei Durchführung eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung besteht keine gesetzliche Verpflichtung für Auftraggeberinnen, den geschätzten Auftragswert in der Bekanntmachung oder den Ausschreibungsunterlagen anzugeben. Schon aus diesem Grund kann aber eine Antragstellerin regelmäßig nicht bestimmen, ob allenfalls der drei- bzw. sechsfache Pauschalgebührensatz unter Berücksichtigung von § 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 zu entrichten wäre (vgl. dazu auch Ziniel, Der vergabespezifische Rechtsschutz gemäß BVergG 2018 am unionsrechtlichen Prüfstand, ZVB 2023, 70; mwN Reisner, Rechtschutz, in Heid/Reisner [Hrsg.], Handbuch Vergaberecht [1. Lfg., 2024], Rz 145).

Sehen daher § 340 BVergG 2018 iVm § 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 grundsätzlich die Entrichtung einer Pauschalgebühr um ein Vielfaches der in § 1 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 genannten Gebührensätze vor, weil der geschätzte Auftragswert die in § 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 genannten Schwellenwerte jeweils übersteigt, ohne dass die Antragstellerin in Kenntnis des geschätzten Auftragswertes ist, verstößt die nationale Rechtslage gegen Art. 47 GRC, weil die Rechtsschutzsuchende Pauschalgebühren in nicht absehbarer Höhe zu entrichten hat.

3.2.2.3. Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben auch die Gerichte der Mitgliedstaaten zu beachten. Jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaates ist verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen (vgl. mwN VwSlg. 19.330 A/2016).

Nationales Recht, das im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, ist verdrängt. Der Verwaltungsgerichtshof hält dazu in ständiger Rechtsprechung fest, dass im Wege der Verdrängung von innerstaatlichem Recht nur jene von mehreren unionsrechtskonformen Lösungen zur Anwendung gelangt, mit welcher die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers so weit wie möglich erhalten bleibt Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Die Verdrängung darf also bloß jenes Ausmaß umfassen, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen. Dabei sind die unionsrechtlichen Erfordernisse in das nationale Gesetz „hineinzulesen“ (vgl. mwN VwSlg. 19.330 A/2016).

Im Hinblick auf das klar erkennbare Ziel des Gesetzgebers, eine Pauschalgebühr für vergabespezifische Rechtsschutzanträge und damit eine besondere Eingabengebühr vorzusehen (vgl. ErläutRV 69 BlgNR 26. GP , 195), besteht kein Anhaltspunkt dafür, das Pauschalgebührensystem in toto als verdrängt anzusehen. Ist etwa „lediglich“ der geschätzte Auftragswert einer Antragstellerin (zu Recht) nicht bekannt, ist es – zur Herbeiführung einer unionsrechtskonformen Lösung – ausreichend, die in § 2 Abs. 1 und 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 vorgesehenen Multiplikatoren für die Gebührensätze beim Überschreiten bestimmter Schwellenwerte durch den geschätzten Auftragswert nicht anzuwenden. Die Gebührensätze gemäß der Aufstellung in § 1 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 können hingegen bei Kenntnis der maßgeblichen Determinanten weiterhin angewendet werden.

3.2.2.4. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich im Sektorenbereich, was sich bereits aus der unionsweiten Bekanntmachung unter Verweis auf die Anwendbarkeit der RL 2014/25/EU ergibt. Daraus folgt der maßgebliche Gebührensatz in Höhe von EUR XXXX gemäß § 1 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018.

Mangels Kenntnis des geschätzten Auftragswertes durch die Antragstellerin kommen hingegen die erhöhten Gebührensätze gemäß § 2 Abs. 1 oder 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 jedenfalls nicht zur Anwendung.

Folglich hat die Antragstellerin die Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Hinblick auf die mit Nachprüfungsantrag angefochtenen Entscheidungen gemäß § 340 Abs. 1 Z 4 BVergG 2018 iVm § 1 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 ordnungsgemäß vergebührt.

3.3. Zu A) I. Zur Erlassung der einstweiligen Verfügung:

3.3.1. Zur Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren:

3.3.1.1. Die Auftraggeberin wendet zunächst ein, dass die Voraussetzungen für die Erlassung der beantragten einstweiligen Maßnahmen nicht vorliegen würden. Die Antragstellerin bekämpfe den Ausschluss aus dem Vergabeverfahren; es seien noch keine Erstangebote eingeholt worden und auch die Zuschlagserteilung stehe nicht unmittelbar bevor. Der Antragstellerin drohe nicht unmittelbar Schaden, weil aufgrund der gegenständlichen Anfechtung die Ausschlussentscheidung noch nicht rechtswirksam sei. Sie sei daher als eine im Vergabeverfahren verbliebene Bewerberin anzusehen, der eine erst noch zu treffende Zuschlagsentscheidung bzw. Mitteilung, mit welcher Bieterin die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, mitzuteilen sein werde. So lange habe sie auch die Möglichkeit, diese Zuschlagsentscheidung anzufechten.

3.3.1.2. Diesem Vorbringen der Auftraggeberin ist nicht zu folgen: Die Antragstellerin stellte bisher binnen offener Teilnahmeantragsfrist Fragen an die Auftraggeberin gemäß Rz 9 der Teilnahmeunterlagen. Die Antragstellerin konnte jedoch keinen Teilnahmeantrag über XXXX stellen.

Auch die Auftraggeberin geht nicht davon aus, dass die Antragstellerin einen Teilnahmeantrag gestellt hat, in dem sie hinsichtlich der E-Mail vom 30.09.2024 lediglich eine Vermutung äußerte. Ein Teilnahmeantrag der Antragstellerin ist nicht Teil des Vergabeaktes. Wie festzustellen war, verhinderte vielmehr die Auftraggeberin, dass die Antragstellerin überhaupt einen Teilnahmeantrag über die Ausschreibungsplattform stellen konnte.

In jedem Fall sieht Rz 12 der Teilnahmeunterlagen vor, dass ein Teilnahmeantrag elektronisch über XXXX einzureichen ist und eine Einreichung in Papierform nicht zulässig ist. Im Unterschied zu Pkt. 3 der Teilnahmeunterlagen betreffend Fragen sieht Pkt. 4 keine ausnahmsweise Einbringung des Teilnahmeantrags per E-Mail im Fall eingeschränkter Funktionalität der Ausschreibungsplattform vor. In jedem Fall wäre die Übermittlung des Teilnahmeantrags per E-Mail am 30.09.2024 nach Verstreichen der Teilnahmeantragsfrist erfolgt.

3.3.1.3. Gemäß § 2 Z 10 BVergG 2018 handelt es sich bei einer Bewerberin um eine Unternehmerin, die „sich an einem Vergabeverfahren beteiligen will und einen Teilnahmeantrag gestellt oder eine Aufforderung zur Angebotsabgabe erhalten hat“ (Hervorhebung durch das Gericht). Ausweislich der Erläuterungen sind auch „Unternehmer, die ihr Interesse mitgeteilt haben, […] noch keine ‚Bewerber‘, da auch in diesem Fall der Unternehmer einen Teilnahmeantrag zu stellen hat“ (ErläutRV 69 BlgNR XXVI. GP , 8). Da die Antragstellerin keinen Teilnahmeantrag stellen konnte (und offenkundig auch nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde), ist sie folglich nicht als Bewerberin zu qualifizieren.

Durch die Bekämpfung der Entscheidungen vom 20.09.2024 wird die Antragstellerin ebenfalls nicht zu einer, wie die Auftraggeberin vermeint, „im Vergabeverfahren verbliebene Bewerberin“, weil sie mangels Stellung eines Teilnahmeantrags zu keinem Zeitpunkt davor eine Bewerberin war.

3.3.2. In einer derartigen Situation droht daher der Antragstellerin auch, wie von ihr unter Verweis auf ihr Teilnahmeinteresse und getätigte Aufwendungen vorgebracht, eine unmittelbare Schädigung ihrer Interessen, insbesondere der Teilnahme an einem gesetzeskonformen Vergabeverfahren (vgl. Reisner, in Gölles/Casati [Hrsg.], BVergG 2018 [Lfg. 2022], § 350 BVergG 2018, Rz 19).

Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Anträge der Antragstellerin gebunden. Es können nur beantragte Maßnahmen angeordnet werden. Dem steht aber eine Auslegung des Antrags nicht entgegen (vgl. Reisner, in Gölles/Casati [Hrsg.], BVergG 2018 [Lfg. 2022], § 351 BVergG 2018, Rz 13; vgl. idZh auch VfGH 01.03.2022, E 1531/2021). Sobald ein Nachprüfungsantrag fristgerecht gestellt worden ist, kann auch eine einstweilige Verfügung jederzeit bis zum Abschluss des Nachprüfungsverfahrens beantragt werden (vgl. mwN Madl, Rechtsschutz, in Heid/Reisner [Hrsg.], Handbuch Vergaberecht [1. Lfg., 2024], Rz 358). Insoweit sind auch die Anträge in der Stellungnahme vom 08.10.2024 zu beachten.

3.3.3. Zur Interessenabwägung:

3.3.3.1. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs. 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Fortführung des Vergabeverfahrens beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zumindest teilweise zutreffen und sie daher ein Recht hat, an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen zu können. Aufgrund der behaupteten Rechtswidrigkeiten droht ihr am Vergabeverfahren mit allen daraus erwachsenden Nachteilen nicht teilnehmen zu können.

Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher – bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs. 1 BVergG 2018 – die Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und den Erhalt des Zuschlags ermöglichen. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten werden, der auch eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin an dem Vergabeverfahren ermöglicht.

Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass die Auftraggeberin bei ihrer zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat, dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 01.08.2002, B 1194/02) und schließlich, dass gemäß § 351 Abs. 1 BVergG 2018 von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt.

3.3.3.2. Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und der Möglichkeit, an dem Vergabeverfahren überhaupt teilnehmen zu dürfen.

Die Auftraggeberin sprach sich gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus und verwies auf ein bestehendes öffentliche Interesse an einer fristgerechten Vergabe des gegenständlichen Lieferauftrags, um den dringenden Bedarf an einer Ausbildung von Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführer decken zu können.

3.3.3.3. Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenüber und berücksichtigt die Interessen der sonstigen Bewerberinnen iSv § 351 Abs. 1 BVergG 2018, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und der Zuschlagserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch die entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags ist die Auftraggeberin verpflichtet, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Eine besondere Dringlichkeit hat die Auftraggeberin behauptet, jedoch nicht näher belegt, zumal zu bedenken ist, dass der Rücktritt von der vorherigen Rahmenvereinbarung bereits XXXX zurückliegt und das gegenständliche Vergabeverfahren erst im August 2024 mit unionsweiter Bekanntmachung eingeleitet worden ist. Aus diesem Umstand kann nicht geschlossen werden, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nunmehr eine derartige besondere Dringlichkeit besteht, als dass die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens nicht abgewartet werden könnte. Durch die angeordnete Maßnahme wird im Übrigen der Auftraggeberin nicht die Fortsetzung des Vergabeverfahrens an sich, gleichwohl dies nach § 351 Abs. 3 BVergG 2018 eine im Gesetz grundsätzlich vorgesehene Maßnahme ist, untersagt.

3.3.4. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht zu prüfen (vgl. zB VwGH 04.11.2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. a RL 89/665/EWG entscheidet; die Rechtsmittelrichtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (vgl. EuGH 09.04.2003, Rs. C-424/01 , CS Austria, Rz 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor.

Die Rechtmäßigkeit der gegenständlich angefochtenen Entscheidungen kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließend geklärt werden, vielmehr ist sie Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens.

3.3.5. Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die der Antragstellerin bei Zutreffen ihres Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht.

Gemäß § 351 Abs. 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen der Auftraggeberin vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme zu verfügen.

In der vorliegenden Konstellation, in der die Teilnahmeanträge bereits von der Auftraggeberin geöffnet worden sind, kommt die vorläufige Untersagung der Öffnung der Teilnahmeanträge oder die Aussetzung der Teilnahmeantragsfrist nicht mehr in Betracht. Vielmehr hat die Auftraggeberin die Antragstellerin durch Sperre auf der Ausschreibungsplattform daran gehindert, überhaupt einen Teilnahmeantrag stellen zu können. Aufgrund von Entscheidungen der Auftraggeberin war daher die Antragstellerin nicht in der Lage, einen Teilnahmeantrag zu stellen, weswegen sie auch nicht als Bewerberin zu qualifizieren ist (siehe bereits oben).

Die beantragte Untersagung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens, die als solche (Aussetzung) in § 351 Abs. 3 BVergG 2018 auch als Maßnahme vorgesehen ist, ist dennoch als überschießend zu qualifizieren. Sie stellt nicht das gelindeste noch zum Ziel führende Mittel dar, sondern würde die Auftraggeberin über Gebühr belasten und ihr jegliche Handlungsfreiheit, einschließlich der Möglichkeit, die angefochtenen Entscheidungen zurückzuziehen, nehmen.

Zwar hat die Antragstellerin mangels Stellung als Bewerberin vorläufig keine Möglichkeit am weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens mitzuwirken. Sie hat auch kein Recht, von allfälligen Handlungen und/oder Entscheidungen der Auftraggeberin verständigt zu werden oder Kenntnis zu erlangen. Aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich zwar, dass als im Verfahren verbliebene Bieterinnen auch jene Bieterinnen gelten, deren Angebote zwar ausgeschieden wurden, jedoch die Ausscheidensentscheidung noch nicht rechtskräftig ist (vgl. mwN VwGH 08.08.2019, Ro 2018/04/0020). Wie ausgeführt, handelt es sich aber bei der Antragstellerin weder um eine Bieterin noch eine Bewerberin. Sie nimmt daher auch nicht am gegenständlichen Vergabeverfahren als solche teil.

Ohne Erlassung der einstweiligen Verfügung im begehrten Umfang wäre die Auftraggeberin jederzeit in der Lage, das Vergabeverfahren fortzusetzen und letztlich auch den Zuschlag zu erteilen. Durch die angeordnete Maßnahme wird aber sichergestellt, dass dies nicht eintreten kann (unabhängig davon, dass noch keine Angebote gelegt wurden), sodass auch das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens nicht vorweggenommen, sondern ausreichend abgesichert wird. Für den Fall, dass die angefochtenen Entscheidungen im Nachprüfungsverfahren für nichtig erklärt werden sollten, obliegt es gemäß § 347 Abs. 3 BVergG 2018 der Auftraggeberin, in dem betreffenden Vergabeverfahren mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

3.3.6. Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht. Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. Eine Begrenzung der Dauer der angeordneten Maßnahme könnte mit einer besonderen Dringlichkeit der Auftraggeberin begründet werden, wurde aber nicht belegt. § 351 Abs. 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt jedoch keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist.

Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung derzeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt.

3.4. Zu A) II. Abweisung von Anträgen:

3.4.1. Zur Abweisung des Antrags, die Fortsetzung des Vergabeverfahrens grundsätzlich zu untersagen, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen, demnach es sich dabei nicht um das gelindeste Mittel iSv § 351 Abs. 3 BVergG 2018 handelt.

3.4.2. Soweit die Antragstellerin beantragt, der Auftraggeberin aufzutragen, die gestellten Fragen zu beantworten, steht dies zunächst – worauf die Auftraggeberin zu Recht hinweist – im Widerspruch zu dem Hauptbegehren, die Fortsetzung des Vergabeverfahrens zu untersagen. Des Weiteren handelt es sich um keine geeignete Maßnahme, weil damit insbesondere dem Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens vorgegriffen werden würde (vgl. Reisner, in Gölles/Casati [Hrsg.], BVergG 2018 [Lfg. 2022], § 351 BVergG 2018, Rz 15). Die Antragstellerin begehrt vielmehr im Nachprüfungsverfahren die Nichtigerklärung der Entscheidung der Auftraggeberin, die Fragen der Antragstellerin vom 04.09.2024 nicht zu beantworten. Für die Sicherung der Interessen der Antragstellerin ist die Fragenbeantwortung auch vorläufig nicht erforderlich.

3.4.3. Soweit die Antragstellerin die Aussetzung der Teilnahmeantragsfrist und deren Erstreckung beantragt, ist darauf hinzuweisen, dass diese bereits abgelaufen ist und eine Aussetzung somit nicht mehr in Betracht kommt. Die beantragte Neufestsetzung der Teilnahmeantragsfrist durch das Bundesverwaltungsgericht sowie die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung kommen nicht in Betracht, zumal mit ersterem auch dem Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens vorgegriffen werden würde, weil die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren die Nichtigerklärung der Entscheidung der Auftraggeberin, sie vom Vergabeverfahren auszuschließen, begehrt. Dieselben Überlegungen gelten für das Eventualbegehren, die Antragstellerin vorläufig als zulässig zu qualifizieren. Im Übrigens wurde bereits darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass die angefochtenen Entscheidungen im Nachprüfungsverfahren für nichtig erklärt werden sollten, es gemäß § 347 Abs. 3 BVergG 2018 der Auftraggeberin obliegt, in dem betreffenden Vergabeverfahren mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab. Die zu verfügenden Maßnahmen infolge einer Interessenabwägung im Einzelfall weisen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung auf. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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