BBG §41
BBG §42
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W218.2269142.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerin über die Beschwerden des XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 15.03.2023 betreffend
I. Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung sowie
II. Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass,
zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 02.02.2023 wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass ab. Es wurde ausgesprochen, dass die Voraussetzungen der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ vorliegen.
Dem Bescheid zugrunde gelegt wurde das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von einer Fachärztin für Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.11.2022 und der Stellungnahme vom 01.02.2023, mit denen ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erhoben wurde.
2. Gegen den Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass im Vergleich zum Vorgutachten nunmehr ein Diabetes Typ I anstelle des Diabetes Typ II vorliege, woraus sich auch eine Polyneuropathie entwickelt habe. Darüber hinaus liege eine M. Dupuytren beidseitig vor und habe sich sein Knieleiden verschlechtert, es sei eine schwere Vargusgonarthrose diagnostiziert worden. Es läge daher eine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung vor.
Es wurde weiters vorgebracht, dass beim Beschwerdeführer aufgrund der Arthrose im Kniegelenk eine Gehbehinderung vorliege, es bestehe zudem eine leichte Lähmung des rechten Fußes und ein Taubheitsgefühl in den Fußrücken und in der Unterschenkelvorderseite. Er könne sich durch das Leiden M. Dypuytren beidseits in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht anhalten. Durch den vorliegenden Schwankungsschwindel sei ein sicherer Stand nicht möglich. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar.
3. Mit Bescheid vom 15.03.2023 hat die belangte Behörde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde gemäß §§ 41, 42, 43, 45 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen.
Diesem Bescheid wurden das Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin, Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage vom 08.03.2023, das Sachverständigengutachten eines HNO Facharztes, basierend auf der Aktenlage vom 10.03.2023 sowie die Gesamtbeurteilung vom 13.03.2023 der Fachärztin für Innere Medizin, Ärztin für Allgemeinmedizin, zugrunde gelegt.
4. Mit Schreiben, eingelangt bei der belangten Behörde am 23.03.2023, beantragte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 27.03.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.
Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:
1. Aufbrauchzeichen des Stütz- und Bewegungsapparates, Pos.Nr.: 02.02.02, Grad der Behinderung 40%
2. Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage, Pos.Nr.: 09.02.02, Grad der Behinderung 40%
3. Hörstörung beidseits, Pos.Nr.: 12.02.01, Grad der Behinderung 20%
4. Schilddrüsenunterfunktion, Pos.Nr.: 09.01.01, Grad der Behinderung 10%
5. Zustand nach Gallenblasenentfernung, Pos.Nr.: 07.06.01, Grad der Behinderung 10%
Da beim Beschwerdeführer weiterhin ein Gesamtgrad der Behinderung von 50% (fünfzig v.H.) vorliegt, sind die Voraussetzungen für die Neufestsetzung des Grades der Behinderung nicht erfüllt.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig und nachvollziehbar, sie weisen keine Widersprüche auf.
In den medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin, Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage vom 08.03.2023, eines HNO Facharztes, basierend auf der Aktenlage vom 10.03.2023, sowie in der Gesamtbeurteilung der Fachärztin für Innere Medizin, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 13.03.2023 wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Das führende Leiden 1 „Aufbrauchzeichen des Stütz und Bewegungsapparates“ wurde von der medizinischen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.02.02 mit einem Grad der Behinderung von 40 vH eingestuft, da eine mittelgradige Funktionsminderung ohne motorische Defizite und ohne Wurzelreizzustand objektivierbar ist. In dieser Beurteilung sind die Gonarthrose links und auch die Dupuytrensche Kontraktur in der Hand bereits mitberücksichtigt. Eine Verschlechterung des führenden Leidens 1 im Vergleich zum Vorgutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 18.02.2019, konnte durch die vorliegenden medizinischen Befunde nicht festgestellt werden.
Das Leiden 2 „Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage“ wurde von der internistischen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 09.02.02 mit einem Grad der Behinderung von 40 vH eingestuft, da sich der Beschwerdeführer täglich Insulin verabreichen muss und eine sehr gute Stoffwechselkontrolle vorliegt. Unter dieser Funktionseinschränkung ist die objektivierbare Polyneuropathie bereits berücksichtigt. Im Vergleich zum Vorgutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 18.02.2019, kam es sohin zur Erhöhung des Grades der Behinderung um eine Stufe, da nunmehr ein insulinpflichtiger Diabetes vorliegt. Eine weitere Erhöhung des Grades der Behinderung ist nicht vorzunehmen, dem aktuellsten im Verfahrensakt aufliegenden Blutbefund vom 16.01.2023 ist ein HbA1c Wert von 6,1 zu entnehmen und liegt der Wert somit im Referenzbereich.
Das Leiden 3 „Hörstörung beidseits“ wurde von einem HNO Facharzt unter der Positionsnummer 12.02.01 mit dem oberen Rahmensatz einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft. Dabei ist die resultierende Diskriminationsschwäche bereits ausreichend berücksichtigt. Der medizinisch Sachverständige führte aus, dass aus den vorliegenden medizinischen Befunden sich ein prozentualer Hörverlust rechts von 36 % und links von 34 % ergibt. Im Vergleich zum Vorgutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 18.02.2019, konnte eine Verschlechterung objektiviert werden und wurde der Grad der Behinderung um eine Stufe erhöht.
Die beim Beschwerdeführer vorliegende „Schilddrüsenunterfunktion“ wurde von der internistischen Sachverständigen unter der Positionsnummer 09.01.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft, da die Substitutionstherapie problemlos funktioniere.
Das Leiden 5 „Zustand nach Gallenblasenentfernung“ wurde von der medizinischen Sachverständigen unter der Positionsnummer 07.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft, da eine gute Organanpassung erfolgte.
Der Gesamtgrad der Behinderung wird mit 50 vH eingestuft, da das führende Leiden 1 „Aufbrauchzeichen des Stütz und Bewegungsapparates“ durch die Leiden 2 „Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage“ und 3 „Hörstörung beidseits“ um insgesamt eine Stufe erhöht wird, da eine funktionelle Relevanz vorliegt. Die Leiden 4 „Schilddrüsenunterfunktion“ und 5 „Zustand nach Gallenblasenentfernung“ erhöhen den Gesamtgrad der Behinderung aufgrund ungenügender funktioneller Relevanz nicht weiter.
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte die medizinische Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar aus, dass der Beschwerdeführer eine Wegstrecke im Ausmaß von 300 bis 400 Metern selbstständig zurücklegen sowie Niveauunterschiede überwinden kann. Im Bedarfsfall ist dem Beschwerdeführer die Benützung einer Gehhilfe zumutbar. Diesbezüglich ist auf den orthopädischen Arztbrief vom 26.01.2023 zu verweisen, wonach dem Beschwerdeführer als Therapie weiterhin Bewegung angeraten wurde, es sollten dabei jedoch Überlastungen sowie „Stop and Go Sportarten“ vermieden werden. Dabei ist zudem auf den Arztbrief Neurologie Ambulanz vom 16.08.2022 zu verweisen, wo im Zuge der Statuserhebung objektiviert werden konnte, dass dem Beschwerdeführer die Kniebeugung sowie die Kniestreckung beidseitig bei voller Kraft möglich ist, die Fußhebung und Zehenhebung war links bei voller Kraft möglich, rechts bei Kraftgrad 3-4, die Fußsenkung und Zehensenkung beidseitig wiederum bei voller Kraft. Eine Gehbehinderung, welche die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen würde, lässt sich aus der vorliegenden Befundlage nicht ableiten.
Dem Beschwerdeführer ist trotz Vorliegens einer incipienten Dypuytrenschen Kontraktur die Benützung von Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel ausreichend sicher möglich, der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist somit gewährleistet.
Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Ebenso wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf der Aktenlage, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer sind den getroffenen Feststellungen nicht entgegengetreten, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde gelegt hat.
Mit dem Beschwerdevorbringen haben sich die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten ausführlich auseinandergesetzt. Die Leiden 2 und 3 haben sich im Vergleich zum Vorgutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.02.2019 verschlechtert und wurde der Grad der Behinderung jeweils um eine Stufe erhöht. Aufgrund der funktionellen Relevanz erhöhen diese Leiden den Grad der Behinderung des führenden Leidens 1 um eine Stufe. Eine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zum Vorgutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.02.2019, erfolgte jedoch nicht.
Es wurde dem Vorbringen des Beschwerdeführers somit nachvollziehbar, schlüssig und vollständig entgegen getreten und kann somit den Einwendungen des Beschwerdeführers angesichts des Inhalts des Gutachtens nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer konnte weder eine Unschlüssigkeit noch eine Unvollständigkeit des Gutachtens aufzeigen. Auch sind an der Person der Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die eingeholten Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde und des Gutachtens, geht der erkennende Senat davon aus, dass die Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel der Entscheidung zugrunde zu legen ist.
Die eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Auch wurde im Antragsverfahren ein internistisches Gutachten eingeholt, welches im Ergebnis mit den neuerlich erstellten Sachverständigengutachten übereinstimmt.
Die erhobenen Einwände und vorgelegten Unterlagen waren somit nicht geeignet, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften.
Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.(§ 40 Abs. 1 BBG)
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. -2.(...)
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.(§ 1 Abs. 2 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 3 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
Zum Nachweis, dass der Behindertenpassinhaber/die Behindertenpassinhaberin, der/die über die Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, die im § 29b Abs. 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ist ihm/ihr ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit" ist der Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gleichzuhalten.
(§ 3 Abs. 1 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
Zu § 1 Abs. 2 Z 3:
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, "Leben am Land") oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258).
Betreffend die Beurteilung ob eine dauernd starke Gehbehinderung iSd § 29b StVO1960 in der Fassung vor dem 01.01.2014 vorliegt, ist der Verwaltungsgerichtshof von einer möglichen Wegstrecke von mehr als 300 m ausgegangen.
Es ist von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen.
Bei dem Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Sowohl die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit als auch die cardiopulmonale Belastbarkeit sind ausreichend.
Daher ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Da weiterhin ein Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) vH festgestellt wurde, sind die Voraussetzungen für die Neufestsetzung des Grades der Behinderung nicht erfüllt.
Es ist festgestellt worden, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass rechtfertigt.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).
Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde von der beschwerdeführenden Partei in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.
Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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