AVG §13 Abs3
AVG §73
B-VG Art130 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §8 Abs1
VwGVG §9 Abs1 Z4
VwGVG §9 Abs5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W278.2267672.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Dominik HABITZL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005, den Beschluss:
A)
Die Säumnisbeschwerde wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Am 28.11.2022 langte bei der belangten Behörde ein mit „Säumnisbeschwerde gemäß Art 130 Abs. 1 Z 3 B-VG an das zuständige Verwaltungsgericht“ betitelter Schriftsatz vom 27.11.2022 (im Folgenden: Beschwerde) ein. Darin finden sich Ausführungen zu einer vom Beschwerdeführer gesehenen Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde binnen einer bestimmten Frist. Beantragt wird, dass das Verwaltungsgericht in Stattgebung der Beschwerde in der Sache selbst erkennen und dem anhängigen Antrag stattgeben möge.
Vorgelegt wurde ein Sendebericht vom 28.11.2022, dem Datum des Einlangens der Beschwerde.
2. Mit Schreiben vom 23.02.2023 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Akten des Verfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor. Dort langte die Beschwerde am 27.02.2023 ein.
II. Feststellungen:
1. In der Beschwerde wird zu „Geschäftszahl:“ die „KartenNr. XXXX “ genannt.
2. In der Beschwerde wird weiters Folgendes ausgeführt:
„Ich habe zur obiggenannten Geschäftszahl einen aktenkundigen Antrag auf Zuerkennung von Asyl bei der hiesigen Behörde gestellt, wobei seit Antragstellung nun mehr als sechs Monate vergangen sind.
Seit Antragstellung ist daher die Entscheidungsfrist des § 73 AVG bereits verstrichen. Die Behörde ist säumig. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem bezeichneten Akt.“
3. Der Beschwerdeschrift waren keine weiteren Unterlagen, bis auf einen Sendebericht mit dem Datum der Beschwerde beigefügt.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegten Akten und können als unstrittig gesehen werden.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 VwGVG ist eine Beschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn dieser eine Prozessvoraussetzung fehlt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018], § 28, Anm. 5, m.w.N.).
Dies ist gegenständlich der Fall:
2. Nach § 9 Abs. 1 Z 4 und Abs. 5 VwGVG haben Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (i.) ein Begehren zu enthalten, (ii.) als belangte Behörde die Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache begehrt wurde, und (iii.) ferner ist „glaubhaft“ zu machen, dass die Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG abgelaufen ist.
3. Erkennbar geht es gegenständlich um einen Antrag auf Zuerkennung von internationalem Schutz nach dem AsylG 2005. Die Entscheidungsfrist dafür beträgt gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG in Ermangelung davon abweichender Vorschriften sechs Monate.
4. Zur „Glaubhaftmachung“ ist in diesem Zusammenhang Folgendes vorauszuschicken:
4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die in § 9 Abs. 5 letzter Satz VwGVG umschriebene Obliegenheit zur „Glaubhaftmachung“ lediglich die Prüfung a limine der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde betrifft, wie sie ohne Bezugnahme auf sonstige Erhebungsergebnisse vorzunehmen ist. Weiters, dass für die „Glaubhaftmachung“ im Verständnis der vorzitierten Gesetzesbestimmung in Ermangelung anderer Erhebungsergebnisse etwa der Nachweis der eingeschriebenen postalischen Aufgabe des Antrages jedenfalls ausreicht (vgl. zum Ganzen VwGH 21.11.2017, Ra 2017/12/0069, Rn. 17).
4.2. Zur „Glaubhaftmachung“ nach § 9 Abs. 5 VwGVG führen Pichler/Forster unter Bezugnahme auf die im Vorabsatz erwähnte Entscheidung aus, dass dies in der Regel durch einen Nachweis über den Zeitpunkt, zu dem der die Entscheidungsfrist auslösende Antrag gestellt wurde, u.a. mittels einer Kopie des Antrages samt Eingangsstempel der Behörde, einer Postaufgabebestätigung oder (bei von der Behörde zu Protokoll genommenen Anträgen) einer Protokollabschrift mit Datum erfolgen könne. Aus Sicht der Autoren reiche es für die „Glaubhaftmachung“ allerdings bereits aus, dass der Beschwerdeführer den Ablauf der Entscheidungsfrist entsprechend plausibel darlegt und belegen kann (vgl. Pichler/Forster in Köhler/Brandtner/Schmelz [Hrsg.], VwGVG – Kommentar zum Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz [2020], § 9, Rn. 37).
4.3. Für Leeb muss glaubhaft gemacht werden, dass und wann der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Dafür müsse der Beschwerdeführer Bescheinigungsmittel wie z.B. eine Fotokopie des Schriftsatzes mit Eingangsstampiglie oder Nachweis der Postaufgabe, die Grund zur Annahme geben, der erwähnte Antrag sei bei der belangten Behörde wie behauptet eingelangt. Nicht hinreichend ist hingegen die bloße Behauptung, er habe einen Antrag bei der belangten Behörde eingebracht. Auch durch die bloße Vorlage einer Fotokopie des Antrags – ohne Eingangsstampiglie oder Nachweis der Postaufgabe – würde nicht glaubhaft gemacht, dass die Entscheidungsfrist des § 8 VwGVG in Gang gesetzt wurde (vgl. zu alldem Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 VwGVG [Stand 15.2.2017, rdb.at], Rn. 68, unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 28 Abs. 3 VwGG i.d.F. vor Inkrafttreten der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit).
4.4. Bumberger führt zur „Glaubhaftmachung“ nach § 9 Abs. 5 VwGVG aus, dass die Säumnisbeschwerde anzugeben habe, welchen Antrag die Behörde nicht fristgerecht erledigt habe. Dabei sei das Einlangen des Antrags bei der zuständigen Stelle glaubhaft zu machen (vgl. Bumberger in Bumberger/Lampert/Larcher/Weber [Hrsg.], VwGVG [2019], § 9, Rn. 67, unter Hinweis auf die Entscheidung VwGH 12.05.1989, 88/17/0237).
5. Vor diesem Hintergrund macht der Beschwerdeführer mit den oben unter II. wiedergegebenen Beschwerdeausführungen nicht (zumindest) glaubhaft, dass die Entscheidungsfrist der belangten Behörde bereits abgelaufen wäre. Dazu im Einzelnen:
5.1. Es ist nicht erkennbar, wann der Antrag – hier auf Zuerkennung internationalen Schutzes („Zuerkennung von Asyl“) nach dem AsylG 2005 – überhaupt gestellt wurde. Auch wurde der Beschwerde kein Bescheinigungsmittel, z.B. die Niederschrift über die Erstbefragung nach dem AsylG mit der Dokumentation des Datums der Antragstellung, beigelegt.
5.2. Ebenso ist nicht bescheinigt, dass vom Beschwerdeführer überhaupt ein verfahrenseinleitender Antrag gestellt wurde (etwa durch die Beilage einer Kopie einer ausgestellten Karte der Verfahrenszulassung).
5.3. Das bloße Vorbringen, dass es einen „aktenkundigen Antrag“ gebe, „seit Antragstellung nun mehr als sechs Monate vergangen seien“, die „Entscheidungsfrist des § 73 AVG bereits verstrichen sei“ (zu deuten als: des § 8 Abs. 1 VwGVG) oder sich die Säumigkeit der Behörde „unmittelbar aus dem bezeichneten Akt“ – sei es auch durch Nennung einer „Kartennummer“ zu einer „Geschäftszahl“ – ergebe, reicht auch für eine „Glaubhaftmachung“ i.S.d. § 9 Abs. 5 letzter Satz VwGVG nicht aus. So wird der Zweck dieser Bestimmung darin bestehen, dass sich für eine Prüfung a limine die Säumigkeit bereits aus dem Vorbringen in der Beschwerde oder den der Beschwerdeschrift beigefügten Bescheinigungsmitteln – wenngleich nur nach dem Beweismaß einer „Glaubhaftmachung“ – selbst ergibt. Unter dem Begriff der „Glaubhaftmachung“ versteht die (Verwaltungs-)Rechtsordnung die Überzeugung lediglich von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Tatsache (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2022, Ra 2021/03/0277, Rn. 18). Es würde aber den Zweck von § 9 Abs. 5 letzter Satz VwGVG verfehlen, wenn bereits die Einhaltung dieses Beweismaßes eine weitere Erhebung (durch die Verwaltungsbehörde oder das Verwaltungsgericht) in Form der Einsichtnahme in einen (wenn auch vorhandenen) Verfahrensakt erfordern würde.
5.4. Anderes ist auch dem bereits erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 21.11.2017 nicht zu entnehmen: Im dortigen Fall war der Beschwerde – und im Unterschied zum gegenständlichen Fall – zur Bescheinigung ein Nachweis der Postaufgabe des verfahrenseinleitenden Antrags beigelegt (worin der Verwaltungsgerichtshof bereits eine ausreichendende „Glaubhaftmachung“ hinsichtlich der bereits verstrichenen Erledigungsfrist erblickte). Auch hat der Verwaltungsgerichtshof gerade zum Ausdruck gebracht, dass die von § 9 Abs. 5 VwGVG beabsichtigte Prüfung a limine „ohne Bezugnahme auf sonstige Erhebungsergebnisse“ – dies wäre eben etwa eine Einsicht in den Verfahrensakt der in Verbindung mit der angegebenen „Kartennummer“ (oben II.1.) steht – vorzunehmen ist.
6. Das aus den dargelegten Gründen – gegenständlich auch von einem berufsmäßigen Parteienvertreter verfasste – zur Glaubhaftmachung einer Säumnis der belangten Behörde untaugliche Vorbringen (bzw. dessen nicht ausreichende Bescheinigung) war auch keinem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG (hier i.V.m. § 17 VwGVG) zugänglich: So fehlen in der Beschwerdeschrift Darlegungen zur Säumnis nicht. Vielmehr sind diese inhaltlich unzulänglich (vgl. dazu Leeb, a.a.O, zu § 13, Rn. 32, sowie zu § 9 Rn. 6; aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch etwa VwGH 26.04.2017, Ra 2016/05/0040, Rn. 18, m.w.N.). Auch Pichler/Forster sehen einen Mängelbehebungsbedarf nur bei einem fehlenden Vorbringen (Pichler/Forster, a.a.O., § 9 VwGVG, Rn. 38 [„fehlendes“ Begehren], wobei allerdings deren Ansicht, wonach von einer Mängelbehebung [jedenfalls] abgesehen werden könne, wenn sich aus den dem Verwaltungsgericht vorgelegten Akten eindeutig die Säumigkeit ergebe, aus den Erwägungen oben unter IV.5.3. nicht zu folgen ist).
7. Auch bestand nach der geltenden Rechtslage – anders als etwa im Fall einer angenommenen Verspätung eines Rechtsmittels – auch sonst keine Veranlassung, dem Beschwerdeführer die (vorläufige) Sichtweise des Bundesverwaltungsgerichts zur ausreichenden „Glaubhaftmachung“ einer verletzten Entscheidungspflicht i.S.d. § 9 Abs. 5 letzter Satz VwGVG vor einer (zurückweisenden) Entscheidung mit Äußerungsmöglichkeit vorzuhalten (vgl. zum Vorhalt als verspätetet angesehenen Beschwerde hingegen VwGH 11.03.2016, Ra 2015/06/0088, Rn. 14, m.w.N.).
8. Sohin war die gegenständliche Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG zurückzuweisen.
9. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG konnte diese Entscheidung ohne Durchführung einer – auch in der Beschwerdeschrift nicht beantragten – mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Zu B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von vorliegender bisheriger – oben unter A) zitierter – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch wäre diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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