AVG §18 Abs3
AVG §18 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W237.2252316.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX , gegen die Erledigung der Pensionsversicherungsanstalt vom 21.12.2021, AZ. VR/NPLR-19/21:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 und 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
1. Feststellungen:
Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom 21.12.2021 (im Folgenden auch: Bescheid) wies die Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Beschwerdeführers vom 14.10.2021 auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustands betreffend den Antrag vom 27.11.2017 auf Feststellung des Vorliegens von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum vom 01.07.2002 bis 31.03.2018 ab.
1.1. Die im (elektronischen) Verwaltungsakt befindliche Urschrift des Bescheids nennt auf der ersten Seite – neben der Bezeichnung der Behörde, dem Beschwerdeführer als Adressaten, dem Spruch des Bescheids, der beginnenden Begründung, dem Datum sowie der Verfahrenszahl samt fallbezogener Versicherungsnummer – „ XXXX “ als Bearbeiter. Auf der letzten Seite der Urschrift befinden sich die Rechtsmittelbelehrung, Kontakthinweise sowie der abschließende Vermerk:
„PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT
Der Landesstellendirektor
XXXX “
Sonstige Vermerke liegen nicht vor; insbesondere ist kein Hinweis auf eine elektronische Genehmigung oder eine eigenhändige Abzeichnung vorhanden.
1.2. Die Pensionsversicherungsanstalt adressierte eine Ausfertigung dieser Erledigung an den Beschwerdeführer persönlich, die sich mit der Urschrift vollinhaltlich deckt. Zusätzlich befindet sich neben dem im Abschlussvermerk genannten Namen folgender eigenhändiger Schriftzug samt Stempel der Pensionsversicherungsanstalt:
1.3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Der Beschwerdeschriftsatz sowie der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der Pensionsversicherungsanstalt am 04.03.2022 dem Bundesverwaltungsgericht in elektronischer Form vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt bzw. der darin enthaltenen Urschrift des angefochtenen Bescheids sowie den Angaben des Beschwerdeführers, gegen welchen behördlichen Akt sich seine Beschwerde richtet. Auf Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts legte der Beschwerdeführer am 21.06.2022 die ihm zugegangene Bescheidausfertigung in eingescannter Kopie vor, weshalb die Feststellungen zu dieser Ausfertigung unzweifelhaft getroffen werden können.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz aufgestellt, dass jede Erledigung zu genehmigen ist, und zwar durch die Unterschrift eines (hiezu berufenen) Organwalters. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).
Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die – interne – Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).
1.1. Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389).
Im gegenständlichen Fall ist die Bescheidurschrift im vorgelegten Verwaltungsakt weder unterschrieben noch lässt sie erkennen, dass ein Verfahren nach E-GovG durchgeführt wurde.
1.2. Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist.
1.2.1. Die dem Beschwerdeführer zugegangene Bescheidausfertigung trägt – im Gegensatz zu den im Akt aufliegenden, den Beschwerdeführer ebenso betreffenden Bescheiden vom 02.05.2018 und 11.09.2019 – keine Amtssignatur (§ 19 E-GovG).
1.2.2. Was die handschriftliche Abzeichnung dieser Ausfertigung betrifft, ist Folgendes festzuhalten:
1.2.2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn der genannten Vorschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen (vgl. für viele VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 20.04.2017, Ra 2017/20/0095 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hielt aber wiederholt fest, dass eine Paraphe keine Unterschrift ist (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 04.09.2000, 98/10/0013 und 0014; s. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 23 mwH).
1.2.2.2. Die handschriftliche Abzeichnung der dem Beschwerdeführer zugegangenen Bescheidausfertigung lässt sich dem namentlich ausgewiesenen Landesstellendirektor nicht zuordnen. Dessen Nachname „ XXXX “ besteht aus acht Buchstaben, während sich der Abzeichnung gerade einmal drei bis vier handschriftlich geschwungene Buchstaben entnehmen lassen. Diese sind auch – mit Ausnahme allenfalls des zweiten Buchstabens „a“ – mit dem Nachnamen des Landesstellendirektors nicht in Einklang zu bringen. Selbst wenn in Kenntnis des Nachnamens des Landesstellendirektors und unter größtmöglicher Abstrahierungstoleranz der erste Buchstabe der Abzeichnung als „S“ gelesen werden könnte, wäre aus der den Schriftzug abschließenden, nach rechts unten verlaufenden Schlaufe kein einziger (weiterer) Buchstabe erkennbar, der auch nur irgendwie zur Klärung der Identität der genehmigenden Person beitragen würde (vgl. im Gegensatz dazu VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051, wo im zugrundeliegenden Fall die ersten Buchstaben eines Namens mit sechs Buchstaben deutlich erkennbar waren; es liegt somit im gegenständlichen Fall auch keine infolge eines starken Abschleifungsprozesses abstrahierende Linie vor, aus der – im Lichte sonstiger erkennbarer Buchstaben – auf weitere Buchstaben geschlossen werden könnte).
Im vorliegenden Fall ist aber ohnedies nicht zu erkennen, dass es sich beim Landesstellendirektor um den unterfertigenden Genehmiger des Bescheids handelt, weil dem in Rede stehenden Schriftzug ein handschriftliches Kürzel vorangestellt ist, das in plausibler Würdigung des Gesamtzusammenhangs nur als „iV“ gelesen werden kann. Dies lässt den Schluss zu, dass die unterzeichnende Person die Bescheidausfertigung in Vertretung des Landesstellendirektors abzeichnete. Die einzige andere namentlich im Bescheid angeführte Person der Behörde ist der Bearbeiter „ XXXX “ (erste Seite des Dokuments). Soweit es sich dabei überhaupt um eine volle Namensbezeichnung handelt, ist der in Rede stehende Schriftzug auf der letzten Seite des Dokuments diesem Namen in keiner Weise zuordenbar.
1.2.2.3. Sollte mit der handschriftlichen Abzeichnung schließlich ein Beglaubigungsvermerk der Kanzlei intendiert sein, so ist festzuhalten, dass ein derartiger Vermerk lediglich die Genehmigung einer Erledigung im Sinne des § 18 Abs. 3 AVG beglaubigt (vgl. auch § 2 Beglaubigungsverordnung – BeglV). Eine solche Genehmigung gab es im vorliegenden Fall allerdings – wie ausgeführt (vgl. Pkt. II.1.1.) – nicht. Abgesehen davon wäre die Beglaubigung auch nicht mit einer entsprechenden Klausel gemäß § 4 BeglV erfolgt.
2. Der (als Bescheid bezeichneten) Erledigung der belangten Behörde vom 21.12.2021 fehlt es mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen eine als Bescheid absolut nichtige Erledigung richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge; das Verfahren über den Antrag vom 14.10.2021 auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustands gemäß § 247a ASVG ist stattdessen nach wie vor vor der Pensionsversicherungsanstalt anhängig.
Die Beschwerde ist daher schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch BVwG 26.05.2020, W234 2127997-2; 16.07.2020, W237 2225489-1; 26.03.2021, W112 2217194-1 ua.).
3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Genehmigungs- bzw. Unterschriftsanforderungen im Sinne des § 18 AVG ist im Lichte des vorliegenden Falles klar und kohärent.
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