FPG §88 Abs2a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W140.2205727.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben.
Dem Beschwerdeführer ist gemäß § 88 Abs. 2a FPG ein Fremdenpass auszustellen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 25.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2019 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 22.11.2020 erteilt. Dem BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.11.2020 die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für 2 Jahre verlängert.
Der BF beantragte am 11.12.2019 die Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte. Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Absatz 2a Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es dem BF zumutbar und möglich sei, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der BF nicht in der Lage sei, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen, da er über keine Tazkira verfüge und auch nicht verfügt habe. Er verfüge über keine Vertrauensperson in Afghanistan, die notwendig sei, um die Ausstellung einer Tazkira zu bewirken. Verfehlt sei ferner das Argument, dass der BF seine Eltern im Iran ersuchen könnte die Ausstellung einer Tazkira zu bewirken. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 31.08.2021 wurde auf die Ereignisse in Afghanistan verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2019 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 22.11.2020 erteilt. Dem BF wurde mit Bescheid des BFA vom 27.11.2020 die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für 2 Jahre verlängert.
Der BF ist nicht in der Lage, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte an die XXXX des BFA eine diesbezügliche Anfrage. Am 23.02.2022 teilte die XXXX des BFA mit, dass laut Informationen des BFA die Afghanische Botschaft in Wien keine neuen Reisepässe ausstellen kann.
Weiters ist der Homepage der Botschaft der „Islamischen Republik Afghanistan“ in Wien (http://www.afghanistan-vienna.org/ ) Folgendes zu entnehmen (deutsche Übersetzung): „Reisepassbeantragung Hinweis! Aufgrund technischer Angelegenheiten sind die neuen Reisepassbetreuungen vorläufig eingestellt.“ (abrufbar unter: http://www.afghanistan-vienna.org/consulate/passport/ , zuletzt eingesehen am 23.02.2022).
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF und zu seinem Status als subsidiär Schutzberechtigte/-r ergeben sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde, dem oben zitierten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes und der Einsicht in den beim Bundesverwaltungsgericht dazu geführten Akt. Die belangte Behörde ist – ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht – von der Identität und der afghanischen Staatsangehörigkeit des BF ausgegangen.
Die Feststellung, dass der BF nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen, ergibt sich aus der Stellungnahme des BFA vom 23.02.2022 aus der hervorgeht, dass laut Informationen des BFA die Afghanische Botschaft in Wien keine neuen Reisepässe ausstellen kann. Weiters ist der Homepage der Botschaft der „Islamischen Republik Afghanistan“ in Wien zu entnehmen, dass aufgrund technischer Angelegenheiten die neuen Reisepassbetreuungen vorläufig eingestellt sind.
Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF ein gültiges Reisedokument von seinem Heimatstaat erhalten kann.
Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Strafregisterauszug.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (vgl. insbesondere § 1 BFA-VG).
§ 28 VwGVG („Erkenntnisse“) regelt die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte und lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[…]“
Zu A)
3.2. Gemäß § 88 Abs. 2a FPG sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, Fremdenpässe auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
§ 88 Abs. 2a FPG regelt die Ausstellung von Fremdenpässen an subsidiär Schutzberechtigte in Umsetzung von Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie, welche vor dem Hintergrund einer Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten unter bestimmten Umständen einen (ansonsten nicht bestehenden) Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses vorsieht.
Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, ua in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedsstaat vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie legt diesbezüglich fest, dass subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedsstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wurde durch § 88 Abs. 2a FPG umgesetzt, in dem subsidiär Schutzberechtigten nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich (Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. 2013/68).
Subsidiär Schutzberechtigte sind dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Dem Fremden muss es konkret (tatsächlich) möglich sein, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Dies ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn dem Antragsteller die Ausstellung eines Reisedokuments seitens der Vertretungsbehörde tatsächlich verweigert wird (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG K8.).
Die bloß abstrakte Möglichkeit im Falle der Vorlage geeigneter Dokumente grundsätzlich willens zu sein, dem Beschwerdeführer ein Reisedokument auszustellen, reicht für die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses nicht aus, vielmehr muss für den Antragsteller die konkrete Möglichkeit bestehen, sich Reisedokumente seines Heimatstaates zu beschaffen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG E7).
Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Schrefler-König/Szymanski [Hrsg], Fremdenpolizei und Asylrecht zu § 88 FPG Anm 2).
3.3. Konkret wurde dem BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2019 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 22.11.2020 erteilt. Dem BF wurde mit Bescheid des BFA vom 27.11.2020 die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für 2 Jahre verlängert.
Wie im Rahmen der Feststellungen und der Beweiswürdigung bereits näher ausgeführt wurde, ist der BF in Anbetracht der Stellungnahme des BFA vom 23.02.2022 sowie des Hinweises auf der Homepage der Botschaft der „Islamischen Republik Afghanistan“ nicht in der Lage, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.
Grundsätzlich kann ein Fremdenpass nur ausgestellt werden, wenn die Identität des Fremden feststeht. In Fällen, in denen ein Identitätsdokument ohne Verschulden des Fremden nicht erlangbar ist, muss dieses Erfordernis aber an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst und somit als relativiert zu gelten haben, wenn insgesamt von der Glaubwürdigkeit des Betreffenden auszugehen ist (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG K10). Die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht sind im asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren von der Identität und der afghanischen Staatsangehörigkeit des BF ausgegangen.
Von der belangten Behörde wurden zum Entscheidungszeitpunkt keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung festgestellt, die gegen die Ausstellung des beantragten Reisedokumentes sprechen würden. Solche sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen. Auch im aktuell eingeholten Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen auf.
3.4. Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden, weshalb dem BF ein Fremdenpass auszustellen ist.
3.5. Gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG obliegt die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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