DSG §9
DSGVO Art17 Abs1
DSGVO Art17 Abs3
DSGVO Art6 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W176.2245370.1.00
Spruch:
Im namen der republik!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Vorsitzenden und den fachkundigen Laienrichter Mag. BOGENDORFER und die fachkundige Laienrichterin Mag. ZIMMER als Besitzer bzw. als Beisitzerin über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 06.07.2021, Zl. D124.2129 2021-0.552.326 (mitbeteiligte Partei: XXXX ), wegen Verletzung im Recht auf Löschung, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit Eingabe vom 18.02.2020, verbessert am 20.04.2020, erhob die nunmehrige mitbeteiligte Partei (im Folgenden: mP) gegen die nunmehrige Beschwerdeführerin (Beschwerdegegnerin vor der Datenschutzbehörde, im Folgenden: BF) Beschwerde an die Datenschutzbehörde (im Folgenden: belangte Behörde), die sie wie folgt begründete:
Die BF (die eine Arztsuch- und Bewertungsportal betreibt) habe eine ausschließlich für sie bestimmte E-Mail-Kommunikation der mP (einem Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten) ohne deren Wissen und Willen veröffentlicht. Dadurch sei der Eindruck entstanden, dass es sich um eine von der mP zur Veröffentlichung bestimmte Antwort auf einen Erfahrungsbericht handle, was nicht der Fall sei. Die mP habe mehrfach schriftlich Widerspruch eingelegt und die Löschung dieses nicht zur Veröffentlichung bestimmten Textes begehrt. Diesem Wunsch sei man jedoch nicht nachgekommen.
2. Die rechtfreundlich vertretene BF brachte dazu in ihrer Stellungnahme vom 15.06.2021 zusammengefasst vor, dass es auf dem von ihr betriebenen Portal einen Eintrag zur mP gebe und ein Nutzer zu diesem einen Erfahrungsbericht veröffentlicht habe. Die mP habe die Meldefunktion auf dem Portal genutzt und am 23.12.2019 den Erfahrungsbericht beanstandet. Der veröffentlichte Erfahrungsbericht sei zwar subjektiv, aber zulässig. Der geschilderte Sachverhalt werde von der mP im Wesentlichen bestätigt, auch wenn die Sichtweise auf den Sachverhalt und dessen subjektive Bewertung abweiche. Die Ausführungen der mP seien informativ und würden dem Leser helfen, den geschilderten Sachverhalt besser einzuschätzen.
Die BF habe den beanstandeten Erfahrungsbericht nicht vom Portal entfernt, aber die Sicht der mP als Ergänzung zu dem Erfahrungsbericht veröffentlicht. Dieser Text sei auf dem Portal derzeit online einsehbar.
Der Betrieb des Portals stehe unter dem Schutz des Grundrechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit gemäß Art. 10 EMRK. Die Verarbeitung und Darstellung der Daten der Ärzte auf dem Portal diene dem öffentlichen Meinungsaustausch und bedürfe somit keiner Zustimmung der Ärzte. Die Veröffentlichung des Standpunktes der mP greife auch nicht in deren Rechte ein. Vielmehr erfolge sie nicht allein im Interesse der Öffentlichkeit, sondern auch in ihrem Interesse, da sie ihre Sichtweise auf den Erfahrungsbericht des Nutzers wiedergebe. Zudem handle es sich nicht um eine private Kommunikation, sondern um einen Bericht über die Stellungnahme des Arztes zu einem öffentlichen Erfahrungsbericht.
Der Bericht sei wahrheitsgemäß erfolgt und stelle die mP in keiner Weise bloß. Da die mP zu einem Thema Stellung genommen habe, das zulässiger Weise veröffentlicht sei sowie im öffentlichen Interesse liege und sie auch nicht in ihrer Privatsphäre betreffe, greife die Veröffentlichung nicht in ihre Rechte ein.
Einem Löschungsanspruch stehe auch entgegen, dass die gegenständliche Verarbeitung der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information iSd Art. 17 Abs. 3 lit. a Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) diene. Weiters sei die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung und Verteidigung von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung auf dem von der BF betriebenen Portal (insb. iZm Missbrauchsmeldungen) erforderlich (Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO).
Auch wird die Einvernahme des Geschäftsführers der BF angeboten.
3. Die mP replizierte darauf – nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens – mit Schriftsatz vom 31.08.2020 zusammengefasst, dass sie die Veröffentlichung eines Erfahrungsberichts eines Nutzers zu dem Eintrag deren Person betreffend für unrichtig und geschäftsschädigend halte. Man habe Vorwürfe gemacht, die ein rechtswidriges Handeln seitens der mP nahelegen.
Auch verstehe sie die einschlägige Rechtsprechung nicht dahingehend, dass alle Daten bzw. eine Geltendmachung von Löschbegehren der Ärzte veröffentlicht werden dürften. Ebenso sei die Begründung des Löschungsbegehrens keine Information über die ärztliche Dienstleistung der mP.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Datenschutzbeschwerde statt und stellte fest, dass die BF die mP dadurch im Recht auf Löschung verletzt habe, indem sie verweigerte, dem Antrag des BF vom 16.01.2021 auf Löschung des durch die BF auf deren Webpage XXXX veröffentlichten Kommentars zu entsprechen (Spruchpunkt 1.) Zugleich trug sie der BF auf, innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei sonstiger Exekution die in Spruchpunkt 1. genannten Daten zu löschen (Spruchpunkt 2.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde zunächst folgende Sachverhaltsfeststellungen:
Die mP praktiziere als niedergelassener Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in XXXX und sei Mitglied bei der Ärztekammer XXXX .
Die BF betreibe unter der Domain XXXX ein Arztsuch- und Bewertungsportal. Die Berufsadresse, Telefonnummer, Ordinationszeiten, Diplome und Zertifikate sowie der Name der mP würden auf der Webseite XXXX in Form eines Arztprofils veröffentlicht.
Patienten könnten in Form einer Bewertungsskala (1 Punkt = geringste Zufriedenheit, 5 Punkte = höchste Zufriedenheit) einen Arztbesuch insgesamt bewerten, wobei auch eine Detailbewertung (in Hinblick auf Einfühlungsvermögen, Vertrauensverhältnis, Behandlung, Serviceangebot, Praxisausstattung, Betreuung in der Praxis, Wartedauer im Warteraum und Wartedauer auf Termin) möglich sei. Darüber hinaus könnten Patienten in Form eines Freitextfelds einen kurzen Erfahrungsbericht verfassen.
Die BF habe diverse Schutzmechanismen implementiert, um der Abgabe unsachlicher Erfahrungsberichte entgegenzuwirken. Neben jedem Erfahrungsbericht befinde sich ein „Flagge-Symbol“, damit Ärzte diesen melden können und der Bericht von der BF nach entsprechender Überprüfung auch wieder vom Arztprofil entfernt wird, sofern dieser gegen die deren AGB verstößt. Des Weiteren bestehe für Ärzte die Möglichkeit, Erfahrungsberichte zu kommentieren.
In den auf der Webseite der BF veröffentlichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen finden sich auszugsweise folgende Passagen (Formatierung nicht 1:1 wiedergegeben):
„7. Qualitätssicherung
- […]
- Die Nutzer/Mitglieder von XXXX sind aus Gründen der Qualitätssicherung weiters aufgefordert, alle verdächtigen Inhalte, die nicht den AGB und Richtlinien entsprechen, unter „Kontakt“ (Thema: „Missbrauch melden“) oder mittels dem "Missbrauch melden"-Link auf der Arztseite selbst umgehend dem Betreiber zu melden.
- Eingegangene Meldungen werden vom Betreiber nach Maßgabe der verfügbaren Ressourcen geprüft und bearbeitet. Sollte sich herausstellen, dass eingestellte Daten nicht den AGB oder den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, steht es im Ermessen des Betreibers, unbeschadet sonstiger Rechte, unzulässige Daten ohne weitere Benachrichtigung zu verändern oder zu entfernen.
- Nutzer/Mitglieder, die sich nicht entsprechend der AGB von XXXX verhalten, insbesondere bei vorsätzlichen Falschmeldungen und dem Missbrauch des Qualitätssicherungssystems, bzw. gesetzliche Bestimmungen missachten, können vom Betreiber sanktioniert werden. Die Sanktionen können, unbeschadet sonstiger Rechte des Betreibers von einer Verwarnung, über eine vorübergehende Sperre des Mitgliedsprofils bis hin zu einer endgültigen Sperre des Mitgliedsprofils sowie des Zugriffes einer bestimmten IP-Adresse reichen. Damit einhergehend ist eine Löschung aller mit diesen Nutzern/Mitgliedern verbundenen Inhalte und Profile bei XXXX ohne weitere Benachrichtigung und ohne Anspruch auf Wiederherstellung möglich. Art und Umfang der jeweiligen Sanktionierung liegt im freien Ermessen des Betreibers.
- Der Betreiber behält sich jedenfalls das Recht vor, rechtliche Schritte bei vorsätzlichen Falschmeldungen und dem Missbrauch des Qualitätssicherungssystems zu unternehmen.
- XXXX hat das Recht, aber nicht die Verpflichtung, die von Nutzern/Mitgliedern eingestellten Daten zu prüfen, insbesondere ob sie den AGB, sowie den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Der Betreiber ist jedenfalls berechtigt, Daten ohne Nennung von Gründen und ohne weitere Benachrichtigung zu löschen oder zu verändern (z.B. zu anonymisieren oder zu kommentieren).“
Des Weiteren findet sich auf der Webseite unter dem Punkt „FAQ für ÄrztInnen“ auszugsweise folgende Erläuterungen:„Kommentarfunktion
Unabhängig ob PatientInnen in ihren Erfahrungsberichten Lob oder konstruktive Kritik aussprechen - ÄrztInnen haben jederzeit die Möglichkeit die Einträge zu kommentieren, sich für das Feedback zu bedanken und / oder ihre persönliche Meinung zu äußern. Dazu steht die Kommentarfunktion bei jeder Bewertung zur Verfügung (siehe dazu die Schaltfläche "Als Arzt kommentieren"). Darüber hinaus können uns Texte auch über unser Kontaktformular zugesendet werden (sofern darin der betroffene Erfahrungsbericht referenziert wird und die Textlänge maximal 4000 Zeichen beträgt). Der Kommentar wird anschließend als Antwort vom Arzt / von der Ärztin gekennzeichnet und unter dem jeweiligen Erfahrungsbericht dargestellt. Ziel ist dabei eine themenbezogene (nicht personenbezogene) Klarstellung offener Fragen bzw. in den Raum gestellter Aussagen. Diese Kommentare müssen gemäß des Berufs-, und Standesrecht für ÄrztInnen verfasst werden und sind zudem an unsere AGB gebunden.
"Bewertung melden" - Funktion
Sofern in einem Erfahrungsbericht (wissentlich) falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt, Gerüchte aus "Hören-Sagen" verbreitet bzw. Beleidigungen oder ähnlichem ausgesprochen werden, besteht über eine Schaltfläche neben jedem Erfahrungsbericht die Möglichkeit einen Missbrauch zu melden bzw. uns dies über das Kontaktformular mitzuteilen (wichtig dabei ist hier die Referenzierung zum betroffenen Arzt und Erfahrungsbericht). In diesem Fall halten wir Rücksprache mit dem registrierten Nutzer / der registrierten Nutzerin, der / die dafür verantwortlich ist und den Erfahrungsbericht veröffentlicht hat. Nach einer sorgfältigen Prüfung werden im Anschluss die entsprechenden Maßnahmen getroffen, die z.B. bei Widerspruch gegen unsere AGB die unwiderrufliche Löschung der falschen Tatsachenbehauptungen beinhaltet.“
Auf dem XXXX -Portal finde sich ein Eintrag zur mP. Zu diesem Eintrag sei durch einen Nutzer ein Erfahrungsbericht veröffentlicht worden, der folgenden Inhalt habe:
Die mP habe am 23.12.2019 die Meldefunktion auf dem Portal der BF genutzt und den Erfahrungsbericht beanstandet, wobei sie die BF aufgefordert habe, den Beitrag zu löschen.
In der Folge habe die BF den Erfahrungsbericht betreffend die mP auf dem XXXX -Portal durch Teile von deren Beanstandungen ergänzt. Diese Ergänzung stellten sich auszugsweise wie folgt dar:
Am 16.01.2020 habe die mP an die BF einen Löschungsantrag gestellt, wozu sie den auf der Webseite der belangten Behörde abrufbaren „Antrag gemäß Art. 17 DSGVO auf Löschung“ verwendet und in der Anlage folgendes Schreiben übermittelt habe (Formatierung nicht 1:1 übernommen):
„Es wurde von XXXX eine ausschließlich für dieses Unternehmen bestimmte E-Mail-Kommunikation ohne mein Wissen und, nach dem Bekanntwerden dieser Tatsache, gegen meinen ausdrücklichen Willen auf der gleichnamigen Plattform auszugsweise veröffentlicht.
Es wurde dieser Text im Anschluss an einen Patientenkommentar mit folgenden Wortlaut beginnend veröffentlicht:
XXXX , wie die Patientin schreibt …
Es entsteht hier der irreführende Eindruck, dass es sich um eine von mir zur Veröffentlichung bestimmte Antwort auf den Kommentar handelt, was nicht der Fall ist.
Ich habe mehrfach schriftlich Widerspruch eingelegt, (persönlich und auch durch die Rechtsabteilung der XXXX Ärztekammer) und die Löschung dieses nicht zu Veröffentlichung bestimmten Textes begehrt. Diesem Wunsch wurde nicht nachgekommen.
Ich erkläre nochmals ausdrücklich, dass diese E-Mail ausschließlich zur internen Verwendung zwecks Klärung des Sachverhaltes für das Unternehmen XXXX gedacht ist.
Das ist deutlich daran zu erkennen, dass die E-Mail mit den Worten beginnt:
Sehr geehrtes Unternehmen …..
Bei diesem Text handelt es sich um keine „ANTWORT DES ARZTES“, welche zur Veröffentlichung bestimmt ist.
Die von XXXX vorgenommene Veröffentlichung erfolgte gegen meinen Willen und verstößt gegen mehrere Gesetzesbestimmungen.“
Die BF habe den beanstandeten Beitrag nicht entfernt und der mP wie folgt geantwortet (Darstellung wie im angefochtenen Bescheid):
Die BF habe bis zum Abschluss des Verfahrens dem Löschungsbegehren der mP nicht entsprochen.
Zur Beweiswürdigung wurde festgehalten, dass die getroffenen Feststellungen auf den unstrittigen Eingaben der mP, der Stellungnahme der BF vom 30.10.2020 sowie einer von ihr durchgeführten Recherche der Webpage XXXX (abgerufen am 06.07.2021) basierten.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:
Sie habe sich bereits in ihrem Bescheid vom 15.01.2019, Zl. DSB-D123.527/0004-DSB/2018, ausführlich mit einer Ärztebewertungsplattform – unter anderem in Hinblick auf den Schutz vor unsachlichen Bewertungen – auseinandergesetzt und sei dabei zum Ergebnis gekommen, dass die Bewertungsplattform bzw. die damit verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten vom Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK sowie Art. 11 GRC umfasst sei und der durch die Bewertungsplattform geschaffene gesellschaftliche Mehrwert bzw. die Interessen der breiteren Öffentlichkeit auch die datenschutzrechtlichen Interessen der Betroffenen überwiegen würden, sodass die Veröffentlichung von Kommentaren durch Nutzer dieser Plattform grundsätzlich auf die Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden könne.
Differenziert zu betrachten seien hingegen die durch die BF veröffentlichten Teile eines E-Mails, welches die mP im Zuge der Meldung eines Beitrags verfasst habe. Wie den Feststellungen zu entnehmen sei, werde zwischen einer „Melde“- und einer „Kommentarfunktion“ unterschieden und habe die mP – wie auch von der BF in deren Stellungnahme selbst ausgeführt – die „Meldefunktion“ verwendet. Diese diene gemäß der von der BF auf der Webseite veröffentlichten Informationen der Aufklärung und Überprüfung der Erfahrungsberichte der Patienten; daher sei die Verwendung der Daten auch ausschließlich für diesen Zweck bestimmt und habe die mP vernünftigerweise nicht mit einer Veröffentlichung rechnen müssen. Überdies werde durch die Wortfolge „ XXXX hat XXXX zu dem Sachverhalt einen Kommentar gesandt“ der Anschein erweckt, dass die mP – trotz Nutzung der Meldefunktion – die Kommentarfunktion genutzt habe.
Wenn die BF vermeine, dass die private Nachricht im öffentlichen Interesse liege, da dadurch eine bessere Darstellung des Gesamtzusammenhanges erkennbar sei und diese daher auch im Interesse der mP selbst liege, verkenne sie, dass bei der Interessenabwägung stets auch das gelindeste Mittel heranzuziehen sei.
Aufgrund der durchgeführten Interessenabwägung ergebe sich, dass eine Verletzung der mP im Recht auf Löschung vorliege, da die berechtigten Interessen der BF bzw. der Portalbenutzer (d.h. der Patienten) gegenüber Beeinträchtigungen der berechtigten Interessen der mP nicht überwiegen.
Soweit die BF der Auffassung sei, dass der Ausnahmetatbestand betreffend Geltendmachung. Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen auch im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung auf deren Portal greife, sei ihr zu entgegnen, dass Ziel des genannten Tatbestandes sei, es zu vermeiden, einen Rechtsanspruch vor Gerichten, in einem Verwaltungsverfahren oder außergerichtlich nicht geltend machen zu können oder die Verteidigungsposition geschwächt wird, weil dies ohne die Verarbeitung (insb. der Offenlegung im Verfahren) sensibler Daten einer anderen Person nicht möglich ist. Die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen liege jedoch erkennbar nicht vor.
Aufgrund Fehlens eines entsprechenden Ausnahmetatbestands sei die Verarbeitung personenbezogener Daten (konkret die Veröffentlichung von Teilen der E-Mail- Korrespondenz) folglich unrechtmäßig und die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO erfüllt.
Nach Art. 58 Abs. 2 lit. c DSGVO sei der BF überdies aufzutragen gewesen, den Kommentar entsprechend Art. 17 DSGVO zu löschen, wobei eine Frist von zwei Wochen angemessen erscheine, um dem Leistungsauftrag zu entsprechen.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte dabei zusammengefasst Folgendes aus:
Trotz entsprechenden Vorbringens der BF und trotz entsprechender Beweisanbote, insbesondere der Einvernahme des Geschäftsführers der BF habe die belangte Behörde keine Erhebungen dahingehend gepflogen, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Veröffentlichung durch die BF um die Verarbeitung von Daten eines Medienunternehmens zu journalistischen Zwecken handelt. Hätte sie entsprechende Ermittlungsschritte gesetzt, hätte sie die Anwendbarkeit Art. 10 EMRK sowie Art. 11 GRC (wegen Vorliegens einer Verarbeitung von Daten eines Medienunternehmens zu journalistischen Zwecken), sowie des datenschutzrechtlichen Medienprivilegs gemäß § 9 Datenschutzgesetz (DSG) bejaht und die Datenschutzbeschwerde der mP abgewiesen.
Weiters bestehe ein Löschungsanspruch nur dann, wenn ein Löschungsgrund gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO vorliege und kein Ausnahmetatbestand nach Abs. 3 zur Anwendung komme. Die belangte Behörde habe jedoch nicht geprüft, ob überhaupt ein Löschungsgrund vorliege, sondern sei offenbar fälschlich von einem unbedingten Löschungsanspruch ausgegangen.
Schließlich unterscheide die belangte Behörde nicht zwischen der Löschung der in Rede stehenden Daten (Inhalt der Beanstandung des Erfahrungsberichts durch die mP), der von der BF (weitgehend unverändert) auf dem XXXX -Portal auch wiedergegeben worden sei, und der Unterlassung der Veröffentlichung. Die Löschung von Daten umfasse die vollständige physische Löschung im Sinne eines unumkehrbaren, nicht rekonstruierbaren unlesbar Machens (Hinweis auf OGH 15. 4. 2010, 6 Ob 41/10p, jusIT 2010/69); dies sei jedoch erkennbar von der mP nicht angestrebt: Diese wolle, dass ihre Beanstandung geprüft und dieser entsprochen werde und nicht, dass diese von der BF gelöscht wird. Die mP strebe daher offensichtlich lediglich die Unterlassung der Veröffentlichung und nicht die Löschung an. Die Frage, ob die BF berechtigt ist, die Beanstandung auf dem XXXX -Portal zu veröffentlichen, sei aber keine datenschutzrechtliche Frage, sondern eine Frage, die in die Zuständigkeit der Zivilgerichte falle.
Zum Beweis dafür, dass BF als Medieninhaberin sowie als Medienhilfsdienst zu qualifizieren sei und ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit bestehe, dass über ärztliche Leistungen transparent und auch kritisch berichtet wird, wird die Einvernahme des Geschäftsführers der BF beantragt.
6. Am 02.08.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen in elektronischer Form vor. Dabei nahm sie zur Beschwerde insoweit Stellung, als sie ausführte, dass die BF kein Medienunternehmen bzw. kein Mediendienst gemäß § 9 Abs. 1 DSG sei und nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Veröffentlichung von Informationen betreffend Arztsuchportalen eine journalistische Tätigkeit darstellt, selbst wenn diese durch Zusatzinformationen wie Bewertungen und Erfahrungsberichten ergänzt werde; dies insbesondere deshalb, da es am geforderten Mindestmaß an journalistischer, wissenschaftlicher, künstlerischer oder literarischer Bearbeitung fehle.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Das Bundesverwaltungsgericht legt seiner Entscheidung denselben Sachverhalt zugrunde, von dem bereits die belangte Behörde ausgegangen ist.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsunterlagen und sind zwischen den Verfahrensparteien nicht strittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde
3.1.1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit .).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
3.1.1.2. Gemäß Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;
c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;
d) die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;
e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
Gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO hat betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:
a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.
b) Die betroffene Person widerruft ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a oder Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung.
c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.
d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.
e) Die Löschung der personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt.
f) Die personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Artikel 8 Absatz 1 erhoben.
Gemäß Art. 17 DSGVO gilt u.a. Abs. 1 leg. cit. nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist
a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information;
b) zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;
c) aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit gemäß Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben h und i sowie Artikel 9 Absatz 3;
d) für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1, soweit das in Absatz 1 genannte Recht voraussichtlich die Verwirklichung der Ziele dieser Verarbeitung unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt, oder
e) zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen.
Gemäß § 9 Abs. 1 DSG finden auf die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes iSd Mediengesetzes (MedienG) zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes die Bestimmungen des DSG sowie von der DSGVO die Kapitel II (Grundsätze), III (Rechte der betroffenen Person), IV (Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter), V (Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder an internationale Organisationen), VI (Unabhängige Aufsichtsbehörden), VII (Zusammenarbeit und Kohärenz) und IX (Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen) keine Anwendung. Die Datenschutzbehörde hat bei Ausübung ihrer Befugnisse gegenüber den im ersten Satz genannten Personen den Schutz des Redaktionsgeheimnisses (§ 31 MedienG) zu beachten.
3.1.2. Der erkennende Senat des Bundesverwaltungsgerichts gelangt aus nachstehenden Gründen zur Auffassung, dass der Beschwerde keine Berechtigung zukommt:
Wie in Hinblick auf den Verweis der Beschwerde auf das „Medienprivileg“ des § 9 Abs. 1 DSG vorab festzuhalten ist, liegen die Voraussetzungen dieser Bestimmung insofern nicht vor, als Bewertungsplattformen nicht unter den Begriff „journalistische Zwecke“ fallen (vgl. etwa Jahnel, Kommentar zur DSGVO, Art.85, Rz 18). Festzuhalten ist dabei, dass die Zuständigkeit der belangten Behörde von der BF aber ohnehin nicht in Abrede gestellt wird.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann weiters nicht gesagt werden, dass die belangte Behörde nicht geprüft habe, ob überhaupt ein Löschungsgrund vorliegt. Vielmehr stützt sich diese erkennbar auf den Tatbestand des Art. 17 Abs. 1 lit. d DGSVO („Die personenbezogenen Daten wurde unrechtmäßig verarbeitet“), zumal sie eine Interessensabwägung iSd Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO durchführt. Auch teilt der Senat die Einschätzung, dass bei einer solchen Interessenabwägung die Interessen der mP, welche nicht damit rechnen musste, dass eine im Rahmen auf der von der BF betriebenen Interseite angebotenen Meldefunktion als Kommentar zum Beitrag eines Users veröffentlicht wird, überwiegen; denn es widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben, bei Nutzung der Meldefunktion, die erkennbar nicht der Veröffentlichung der dort mitgeteilten Informationen dient, diese Daten ohne Zustimmung des Betroffenen zu veröffentlichen. Folglich liegt gegenständlich auch nicht der Ausnahmetatbestand gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO vor.
Soweit die Beschwerde schließlich vorbringt, die mP strebe offensichtlich lediglich die Unterlassung der Veröffentlichung und nicht die Löschung an, kann dem in Hinblick auf die oben dargestellten Ausführungen der mP, denen eindeutig entnommen werden kann, dass sie eine Löschung der betreffenden Daten wünscht, nicht gefolgt werden.
Da dem angefochtenen Bescheid somit eine Rechtswidrigkeit nicht angelastet werden kann, war die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
3.1.3. Von der zeugenschaftlichen Einvernahme des Geschäftsführers der BF konnte abgesehen werden, da sich auch bei Zugrundelegung der Beweisthemen, die durch seine Befragung bewiesen werden sollen, am Ergebnis nichts ändern würde: Denn zum einen liegen wie oben dargelegt die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 DSG ungeachtet der Qualifizierung der BF als Medienunternehmens oder Mediendienstes nicht vor; zum anderen hat der – vom entscheidenden Senat nicht in Abrede gestellte – Umstand, dass ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit daran besteht, dass über ärztliche Leistungen transparent und kritisch berichtet wird, nicht zu Folge, dass die konkrete Verarbeitung der gegenständlich relevanten Daten der mP durch die BF für rechtmäßig zu erachten wäre.
3.1.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unterbleiben.
3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
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