GSVG §2 Abs1 Z4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W228.2233597.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von Mag. XXXX , vertreten durch den Steuerberater Kommerzialrat Mag. Ing. XXXX , gegen den Bescheid der SVS (Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen) vom 10.06.2020, VSNR: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 10.06.2020, VSNR: XXXX , hat die SVS (Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen) gemäß § 410 ASVG iVm § 194 GSVG festgestellt, dass Mag. XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) im Zeitraum von 01.01.2018 bis 31.12.2018 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG unterlag. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als geschäftsführender Gesellschafter der Ing. XXXX GmbH gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG pflichtversichert gewesen sei. Aufgrund des Antrages vom 27.12.2017 sei die Löschung als Geschäftsführer im Firmenbuch veranlasst sowie die Vertretung als Prokurist eingetragen worden. Der Beschwerdeführer sei seit 22.12.2017 Prokurist der Ing. XXXX GmbH sowie zu 75 % als Gesellschafter an der Gesellschaft beteiligt. Eine Pflichtversicherung nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz aufgrund der Stellung als Prokurist liege nicht vor. Die bloße Beteiligung an einer GmbH sei keine Erwerbstätigkeit. Eine Erwerbstätigkeit liege jedoch dann vor, wenn der Gesellschafter zum Geschäftsführer der GmbH bestellt werde oder eine andere Funktion, insbesondere als Prokurist, innehabe. Aufgrund der Stellung des Beschwerdeführers als Prokurist sowie damit einhergehend der das Unternehmen beherrschenden gesellschaftsrechtlichen Stellung sei jedenfalls davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ausübe. Es sei daher die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG festzustellen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 03.07.2020 fristgerecht Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass die Prokuristen-Bezüge des Beschwerdeführers für 2018 lediglich € 39.254,40 ausmachen würden, bei der restlichen Summe handle es sich um Pensionsabfindungen und würden diese keinesfalls unter die SVS-Pflichtversicherung fallen. Ein Prokurist unterstehe immer dem Geschäftsführer und könne daher nicht selbständig sein. In der Bescheidbegründung werde kein Argument für die Versicherungspflicht eines Prokuristen mit Mehrheitsbeteiligung genannt.
Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 31.07.2020 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 12.08.2020 der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers das Beschwerdevorlageschreiben der SVS übermittelt.
Am 01.09.2020 langte eine mit 27.08.2020 datierte Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde ausgeführt, dass es bis dato keine Entscheidungen darüber gebe, dass nicht nur geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH, sondern auch ein Prokurist versicherungspflichtig sei. Wenn sich die SVS auf § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG berufe, so treffe auch dieser keinesfalls zu.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer war als geschäftsführender Gesellschafter der Ing. XXXX Gesellschaft m.b.H., FN XXXX , gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG pflichtversichert. Aufgrund des Antrags vom 27.12.2017 wurde die Löschung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer im Firmenbuch veranlasst sowie seine Vertretung als Prokurist („Vertretung seit 22.12.2017“) eingetragen.
Der Beschwerdeführer bezieht seit 01.11.2017 eine Alterspension bei der SVS.
Der Einkommenssteuerbescheid des Beschwerdeführers für das Jahr 2018 weist Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 275.853,22 aus.
Der Beschwerdeführer ist seit 22.12.2017 Prokurist der Ing. XXXX Gesellschaft m.b.H. und ist zu 75% an dieser Gesellschaft beteiligt.
Eine Pflichtversicherung nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz aufgrund der Stellung des Beschwerdeführers als Prokurist liegt nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Sachverhaltsfeststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten der SVS und des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der Sachverhalt ist in den entscheidungsrelevanten Bereichen unstrittig. Vorliegend handelt es sich sohin um eine reine Beurteilung einer Rechtsfrage.
Zum Vorbringen in der Beschwerde, wonach die Prokuristen-Bezüge für 2018 lediglich € 39.254,40 ausmachen würden und es sich bei der restlichen Summe um Pensionsabfindungen handle, ist festzuhalten, dass im gegenständlich angefochtenen Bescheid ausschließlich über das Vorliegen der Versicherungspflicht, nicht jedoch über die Höhe der Beitragsgrundlage abgesprochen wurde, sodass auch die Höhe der Bezüge als Prokurist für die Beurteilung des gegenständlichen Sachverhalts unerheblich ist. Ein Bezug über der maßgeblichen Versicherungsgrenze liegt unstrittig vor, selbst wenn man dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgen würde, wonach die Prokuristen-Bezüge für 2018 nur € 39.254,40 ausmachen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 194 GSVG gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung dieses Bundesgesetzes die Bestimmungen des Siebenten Teiles des ASVG. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. Nach § 194 Z 5 GSVG sind die Abs. 2 und 3 des § 414 ASVG, welche die Entscheidung eines Senates auf Antrag einer Partei in Angelegenheiten des § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG vorsehen, in Verfahren zur Durchführung des GSVG jedoch nicht anzuwenden. Da die Entscheidung durch einen Senat auch sonst nicht vorgesehen ist, liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Den Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet die Frage, ob die belangte Behörde im Anlassfall zu Recht das Bestehen einer Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG im Zeitraum 01.01.2018 bis 31.12.2018 festgestellt hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 erster Satz GSVG unterliegen der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund der betrieblichen Tätigkeit nicht schon eine Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszwei(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen.
Die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG richtet sich nach der Einkommensteuerpflicht, sodass bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem die die Versicherungsgrenzen übersteigenden Einkünfte der in § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG genannten Art hervorgehen, Versicherungspflicht nach dieser Bestimmung besteht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum weiter ausgeübt wurde und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist (VwGH 24.01.2006, Zl. 2003/08/0231).
Mit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG hat der Gesetzgeber auch das "Ziel der Harmonisierung mit dem Steuerrecht" verfolgt und dazu ausdrücklich auf bestimmte Einkunftsarten nach dem EStG 1988 Bezug genommen, die eine selbständige, auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Erwerbstätigkeit voraussetzen, nämlich auf Einkünfte aus "selbständiger Arbeit" im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 3 iVm. § 23 EStG 1988, somit aus einer "selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt" (§ 23 Z. 1 EStG 1988). Einkünfte, die steuerlich diesen Einkunftsarten zuzuordnen sind, können daher nicht als der Privatsphäre zugehörig angesehen werden (vgl. VwGH 11.09.2008, Zl. 2006/08/0243 mwN).
Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer seit 22.12.2017 Prokurist der Ing. XXXX Gesellschaft m.b.H. und ist zu 75% an dieser Gesellschaft beteiligt.
Die bloße Beteiligung an einer GmbH stellt keine Erwerbstätigkeit dar. Dem Beschwerdeführer wurde jedoch eine Prokura erteilt. Die Prokura ist eine Vollmacht mit gesetzlich umschriebener Vertretungsbefugnis und kann im Außenverhältnis nicht beschränkt werden.
Mit Erkenntnis vom 11.09.2018, Zl. 2006/08/0041, hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Stellung als alleiniger Gesellschafter die Möglichkeit einräume, die unternehmerische Tätigkeit der GmbH & Co KG entscheidend zu beeinflussen. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass der Beschwerdeführer nicht Geschäftsführer der GmbH gewesen ist und kam der VwGH zu dem Ergebnis, dass schon im Hinblick auf seinen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG auf Grund der Stellung des dortigen Beschwerdeführers als Kommanditist in der GmbH & Co KG zu bejahen war.
Auch wenn das Erkenntnis vom 11.09.2018, Zl. 2006/08/0041, nicht deckungsgleich mit vorliegendem Sachverhalt ist, zumal der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren Prokurist, jedoch nicht Kommanditist ist, zeigt das genannte Erkenntnis auf, dass sich bei einer Gesellschaftereigenschaft mit Mehrheitsbeteiligung die Möglichkeit ergibt, die Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft entscheidend zu beeinflussen. Im gegenständlichen Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer an der GmbH zu 75 % beteiligt ist und kann er somit bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH nehmen.
Aufgrund der erteilten Prokura wurden dem Beschwerdeführer, zusätzlich zu seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung, entsprechende Geschäftsführunsgbefugnisse eingeräumt. Ihm kommt als Prokurist jedenfalls das Recht zu, im Außenverhältnis wirksam Vertretungsakte zu setzen. Aufgrund seiner Stellung als Prokurist sowie dem Umstand, dass er aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft einen beherrschenden Einfluss auf diese ausüben kann, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im verfahrensrelevanten Zeitraum eine selbständige Erwerbtätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ausübte.
Für die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG ist weiters maßgeblich, dass aufgrund der gegenständlichen Tätigkeit nicht bereits eine Pflichtversicherung nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz (z.B. § 4 Abs. 2 oder Abs. 4 ASVG) eingetreten ist. Wie festgestellt, liegt gegenständlich eine Pflichtversicherung des Beschwerdeführers nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz aufgrund seiner Stellung als Prokurist nicht vor.
Da der Beschwerdeführer im Jahr 2018 aus seiner Tätigkeit als Prokurist Einkünfte aus selbständiger Arbeit über der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Versicherungsgrenze (diese lag bei EUR 5.256,60 für das Jahr 2018) erzielte, sind somit sämtliche Kriterien für das Vorliegen einer Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG erfüllt.
Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis kommt, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Zeitraum auf Grund der Prokura eine für § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG relevante Rechtsstellung in der GmbH innegehabt hat und damit der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung und Pensionsversicherung nach der genannten Bestimmung unterlegen ist.
Da der Beschwerdeführer der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlag, war darüber hinaus die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG festzustellen.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob ein Prokurist einer GmbH der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliegt.
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