BVwG W167 2003530-1

BVwGW167 2003530-19.9.2019

ASVG §410
ASVG §44
ASVG §49
B-VG Art. 133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W167.2003530.1.00

 

Spruch:

W167 2003530-1/21E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es in der Anlage zum bekämpften Bescheid betreffend das Jahr 2006 und die Nachverrechnung des Sachbezugs für den handelsrechtlichen Geschäftsführer in der Rubrik "Zeitraum" zu lauten hat: XXXX .

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Bei der nunmehrigen Beschwerdeführerin fand eine Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) für die Jahre 2005 bis 2008 statt (Prüfbericht: VwAkt OZ 1, Niederschrift über die Schlussbesprechung XXXX : VwAkt OZ 4).

 

2. Mit Bescheid vom XXXX verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin der in der Anlage namentlich genannten Dienstnehmer/innen und für die dort bezeichneten Zeiten zur Entrichtung von Beiträgen, Sonderbeiträgen und Umlagen in der Gesamthöhe von EUR 194.678,21.

 

3. Gegen diesen Bescheid erhob die vertretene Beschwerdeführerin (BF) fristgerecht Einspruch. Begründend führte sie aus, dass der Unabhängige Finanzsenat (UFS) die ebenfalls auf der GPLA (Zeitraum 2005 bis 2008) beruhenden Bescheide des Finanzamtes und somit das Ergebnis der Prüfung aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens unter Zurückweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben habe. Da auch der Bescheid der WGKK auf dem Ergebnis dieser GPLA beruhe, werde die Aufhebung des Bescheides und die Neufestsetzung aufgrund der noch durchzuführenden Aufrollung der GPLA beantragt. Weiters wurde auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Einspruchs beantragt.

 

4. Die belangte Behörde legte den Einspruch samt Stellungnahme und Verwaltungsakt dem zuständigen Landeshauptmann vor.

 

5. Aufgrund des Zuständigkeitsüberganges mit 01.01.2014, legte der Landeshauptmann den Einspruch (nunmehr: Beschwerde) samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

 

6. Über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts legte die belangte Behörde vier rechtskräftige Bescheide vor, mit denen die Versicherungspflicht von vier in der Anlage des angefochtenen Bescheides genannten Dienstnehmern festgestellt wurde.

 

7. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an welcher der handelsrechtliche Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, sein Rechtsvertreter und ein Behördenvertreter teilnahmen.

 

8. Im Rahmen des Parteiengehörs wies die belangte Behörde auf einen Schreibfehler in der Anlage betreffend das Jahr 2006 zum Bescheid hin. Dazu wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben; es langte keine Stellungnahme ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Die Entscheidung gründet sich auf folgenden Sachverhalt:

 

1.1. Bei den in der Anlage zum angefochtenen Bescheid für die Jahre 2005 bis 2008 genannten Personen handelt es sich um Dienstnehmer/innen der Beschwerdeführerin. Die in den vorgelegten Unterlagen (siehe unten 1.2.) genannten Personen führten für die Beschwerdeführerin entweder ausschließlich oder zumindest gelegentlich neben ihrer sonstigen Tätigkeit bei der Beschwerdeführerin mit Privat-PKWs Speisezustellungen durch. Eine Zuordnung einzelner Auslieferungen zu den jeweiligen Dienstnehmer/innen ist aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht möglich und wäre aufgrund der nicht mehr existenten Dienstpläne auch bei allfälliger Beschaffung weiterer Unterlagen nicht mehr möglich.

 

1.2. Von der Beschwerdeführerin vorgelegte Unterlagen:

 

1.2.1. Aufstellungen "Zusteller-Fixpersonal/Auszahlungen ....."

 

Für das Jahr 2005 legte die Beschwerdeführerin nur für die Monate Jänner und November Aufstellungen vor.

 

Für das Jahr 2006 legte die Beschwerdeführerin Aufstellungen für das gesamte Jahr vor, wobei für die Monate August und September jeweils zwei Aufstellungen mit unterschiedlichen Personen vorliegen, welche in unterschiedlichen Filialen tätig waren.

 

Für das Jahr 2007 wurden lediglich Aufstellungen für Jänner, Februar, März, April, Juni, Juli und August vorgelegt.

 

Für das Jahr 2008 legte die Beschwerdeführerin keine Aufstellungen vor.

 

Diesen Aufstellungen sind das Monat, die Filiale, die Namen der Zusteller/innen sowie jeweils die sie betreffende Anzahl der Zustellungen, die gefahrenen Kilometer sowie die entsprechende Vergütung zu entnehmen.

 

Vereinzelt sind unter der Überschrift "Fixpersonal" bzw. ohne Überschrift weitere Namen mit der Beifügung laut Anmeldung ("lt. Anmeldung") und teilweise die Anzahl der gefahrenen Kilometer + [...] gef. km à [...]") genannt. Ein Hinweis auf Zustellungen oder deren Anzahl findet sich nicht. Die Kilometerangaben sind in diesen Fällen runde Zahlen und teilweise jeden Monat dieselbe rund Kilometerangabe [vergleiche 2007/06 (VwAkt OZ 38), 2007/04 (VwAkt OZ 36), 2007/03 (VwAkt OZ 35) und 2007/02 (VwAkt OZ 34) bzw. 2006/09 (VwAkt OZ 20) 2006/08 (VwAkt OZ 18)].

 

Einige Aufstellungen sind unten datiert.

 

1.2.2. Formulare "Zustellungen-Kilometer"

 

Es wurden einige Formulare "Zustellungen-Kilometer" vorgelegt, welche jeweils den Namen eines Dienstnehmers aufweisen.

 

Aus den Formularen ist folgendes ersichtlich: Name, Monat/Jahr, Tag und bezogen auf den jeweiligen Tag: Anzahl der Fahrten, km-Anfang, km-Ende sowie Summe der km.

 

Unterschrieben sind die Formulare - trotz dafür vorgesehener Spalte - nicht.

 

1.2.3. Festgehalten wird, dass etliche Personen, denen Kilometergelder ausgezahlt wurde, überhaupt nicht oder betreffend einzelner Jahre nicht in den vorgelegten Aufstellungen und Formularen aufscheinen.

 

1.2.4. Andere Dokumentationen (wie z.B. Fahrtenbücher etc.) wurden nicht vorgelegt.

 

1.3. Die belangte Behörde hat der Nachverrechnung des Kilometergeldes die von der Beschwerdeführerin bekannt gegebenen Auszahlungssummen zugrunde gelegt.

 

1.4. Die Beschwerdeführerin hat für die in der Beilage des bekämpften Bescheides genannten Personen keine Beiträge nach dem Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz berücksichtigt.

 

1.5. Der handelsrechtliche Geschäftsführer vertritt seit dem XXXX selbständig, seine Stammeinlage als Alleingesellschafter der Beschwerdeführerin wurde am XXXX ins Firmenbuch eingetragen (Antrag eingelangt am XXXX ).

 

1.6. In der Anlage zum Bescheid für das Jahr 2006 findet sich ein Tippfehler betreffend die Nachverrechnung des Sachbezugs für den handelsrechtlichen Geschäftsführer: statt XXXX muss es XXXX heißen.

 

1.7. Es liegt keine rechtskräftige Entscheidung der erstinstanzlichen Finanzbehörden vor.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Zu 1.1. bis 1.4. Die Feststellungen ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid, denen die Beschwerdeführerin im Einspruch nicht entgegengetreten ist, sowie aus dem Akteninhalt (Verwaltungs- und Gerichtsakt) und der Verhandlung. Das Vorliegen der Dienstnehmereigenschaft der in der Anlage zum Bescheid angeführten Personen wurde für vier Personen rechtskräftig festgestellt (OZ 4). Für die anderen Personen wurde die Dienstnehmereigenschaft weder im Einspruch, noch in der Verhandlung bestritten, noch sind Zweifel an dieser Beurteilung aufgekommen.

 

Strittig ist im Beschwerdefall betreffend die Dienstnehmer/innen lediglich die Nachverrechnung der Kilometergelder (vergleiche dazu auch Stellungnahme RV, VH-Schrift S. 4, OZ 13).

 

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren Formulare vorgelegt, welche aufgrund der Bekanntgabe der gefahrenen Kilometer teils von den Fahrern selbst, teils von anderen Personen im Betrieb meist am Monatsende erstellt wurden (BF und Rechtsvertreterin=RV in VH-Schrift S. 5). Die Angaben auf den Formularen und Aufstellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt (VwAkt OZ 17 bis 40).

 

Durch eine allfällige EDV-Auswertung könne nach Angabe RV belegt werden, wann und wohin die Zustellung erfolgte (RV VH-Schrift S. 4). Allerdings schränkte die Beschwerdeführerin ein, dass keine Zuordnung der Zusteller zu den jeweiligen Fahrten möglich sei (BF VH-Schrift S. 4). Im finanzrechtlichen Verfahren wurde bekannt gegeben, dass dafür die Dienstpläne erforderlich gewesen wären, welche nach Angabe der Beschwerdeführerin allerdings - mangels Anforderung bei der Prüfung - entsorgt worden wären (im Rahmen der Beschwerde vorgelegter Bescheid des Unabhängigen Finanzsenats [UFS] S. 5). Der Bescheid des Finanzamtes über den Prüfungsauftrag stammt zeitnah zum Prüfungszeitraum vom XXXX ; datiert mit XXXX hat RV bestätigt, dass ihm dieser zur Kenntnis gebracht und eine Ausfertigung ausgefolgt wurde (VwAkt OZ 2). Auch in Schlussbesprechung der GPLA XXXX , an welcher die Beschwerdeführerin und RV teilnahmen, wurde u.a. erörtert, dass die Kilometergelder ohne entsprechende Aufzeichnungen nachverrechnet werden (VwAkt OZ 4). Somit war der Beschwerdeführerin jedenfalls bekannt, dass diesbezügliche Erhebungen durchgeführt werden und grundsätzlich die Vorlage aller Unterlagen erforderlich ist bzw. erforderlich werden kann.

 

Nicht bestritten wurde von der Beschwerdeführerin, dass die WGKK ihre Nachverrechnung der Kilometergelder auf Grundlage der von der Beschwerdeführerin bekannt gegebenen Kilometergelder durchgeführt hat (RV und BF, VH-Schrift S. 5 letzter Absatz).

 

Zu 1.5.: Die Feststellungen ergeben sich aus dem (historischen) Firmenbuchauszug der Beschwerdeführerin.

 

Zu 1.6.: Der Tippfehler wurde von der WGKK nachvollziehbar aufgeklärt, die Beschwerdeführerin hat dagegen keine Einwendungen erhoben. Im korrigierten Zeitraum war die genannte Person zwar handelsrechtlicher Geschäftsführer, aber noch nicht Alleingesellschafter der Beschwerdeführerin.

 

Zu 1.7. Das Fehlen einer rechtskräftigen Entscheidung der Finanzbehörden ergibt sich aus der Vorlage eines Bescheides des UFS im Rahmen der Beschwerde sowie den diesbezüglichen Ermittlungen (OZ 8, 9, 10, 15).

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zu A) Abweisung der Beschwerde

 

3.1.1. Beschwerdegegenstand

 

Im Beschwerdefall schrieb die belangte Behörde der Beschwerdeführerin Sozialversicherungsbeiträge, welche von der Beschwerdeführerin nicht entsprechend den Bestimmungen der §§ 44 und 49 ASVG bemessen wurden, und Beiträge nach dem Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz (BMVG), welche die Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt hat, vor. Die in den Anlagen des Bescheides genannten Personen wurden von der WGKK als Dienstnehmer/innen im Sinn des § 4 Absatz 2 ASVG qualifiziert, da diese persönlich und wirtschaftlich abhängig gegen Entgelt beschäftigt waren.

 

Die Beschwerdeführerin verwies in der Beschwerde auf einen Bescheid des UFS, der den Bescheid der Abgabenbehörde aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens behoben habe. Die Beschwerdeführerin erhob kein substantiiertes Vorbringen gegen die Feststellung der Beitragsgrundlagen. In der Verhandlung wurde klargestellt, dass sich die Beschwerdeführerin nur gegen die Nachverrechnung der Kilometergelder als sozialversicherungspflichtiges Entgelt wendet.

 

§ 49 Absatz 3 Ziffer 1 ASVG sieht Ausnahmen vom Entgeltbegriff vor, soweit Beträge nach § 26 EStG 1988 nicht der Einkommenssteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. Bei der Steuerfreiheit handelt es sich insoweit um eine Vorfrage für die Beitragspflicht; sobald eine rechtskräftige Entscheidung der Finanzbehörden vorliegt, ist diese auch im Beitragsverfahren bindend (Blume in Sonntag, ASVG, 9. Auflage mit Judikaturverweis).

 

Im Beschwerdefall liegt aufgrund der rechtskräftigen Aufhebung und Zurückverweisung des UFS derzeit keine rechtskräftige Entscheidung der Finanzbehörden vor. Für das Bundesverwaltungsgericht besteht keine Bindung, zumal insbesondere auch die Rechtsfrage betreffend § 26 EStG 1988 vom UFS nicht beantwortet wurde.

 

Es ist somit im Beschwerdeverfahren zu prüfen, ob die Sozialversicherungsbeiträge von der Beschwerdeführerin entsprechend den Vorschriften der §§ 44 und 49 ASVG zu bemessen sind (siehe unten 3.2.1.). Dabei ist als Vorfrage zu klären, ob die ausbezahlten Kilometergelder nach § 26 EStG 1988 der Steuerpflicht unterliegen. Die Qualifikation der in der Anlage des Bescheides genannten Personen, welchen Kilometergeld ausbezahlt wurde, als Dienstnehmer/innen ist allerdings nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (siehe Feststellungen 1.1.). Gegen die vorgeschriebenen Beiträge nach dem betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz und betreffend die Wohnbauförderung sowie gegen die Nachverrechnung des Sachbezugs des Geschäftsführers für die Zeit seiner Tätigkeit als Dienstnehmer wurden keine Einwendungen erhoben.

 

3.2.1. Qualifikation des ausbezahlten Kilometergeldes

 

3.2.1.1. Maßgebliche Bestimmungen

 

Maßgebliche Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) in den zeitraumbezogen maßgebenden Fassungen:

 

Gemäß § 44 Absatz 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte grundsätzlich der im Beitragszeitraum gebührende auf Cent gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Absatz 2.

 

Gemäß § 49 Absatz 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Sonderzahlungen, das sind Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie zum Beispiel ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, sind als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfaßt werden, zu berücksichtigen (Absatz 2).

 

§ 49 Absatz 3 ASVG zählt auf, was nicht als Entgelt im Sinne des Absatz 1 gilt, so u.a. Ziffer 1: Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlaßten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988 ist sinngemäß auch auf Vergütungen, die Versicherten nach § 4 Abs. 4 gezahlt werden, anzuwenden. Unter Tages- und Nächtigungsgelder fallen auch Vergütungen für den bei Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeit an den ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Übernachtungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen uä.;

 

Die maßgebliche Bestimmung § 26 Ziffer 4 Einkommenssteuergesetzes 1988 (EStG 1988) betreffend Leistungen des Arbeitgebers, die nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit fallen, ist in der jeweils zeitraumbezogen Fassung anzuwenden.

 

§ 26 Ziffer 4 bestimmt, "Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nicht: Beträge, die aus Anlaß einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden. Eine Dienstreise liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers

 

 

 

Bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, tritt an die Stelle des Dienstortes der Wohnort (Wohnung, gewöhnlicher Aufenthalt, Familienwohnsitz).

 

Für die Jahre 2005 bis 2007:

 

Enthält eine lohngestaltende Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 eine besondere Regelung des Begriffes Dienstreise, ist diese Regelung anzuwenden. Gemäß lit. a sind als Kilometergelder sind höchstens die den Bundesbediensteten zustehenden Sätze zu berücksichtigen. [...]

 

Für den Bezugszeitraum gemäß § 124b Z 140 EStG, zum Entfall des 4.

Satzes siehe VfGH 22.06.2006, G147/05 ua:

 

Gemäß lit. a sind als Kilometergelder höchstens die den Bundesbediensteten zustehenden Sätze zu berücksichtigen. Fahrtkostenvergütungen (Kilometergelder) sind auch Kosten, die vom Arbeitgeber höchstens für eine Fahrt pro Woche zum ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) für arbeitsfreie Tage gezahlt werden, wenn eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und für die arbeitsfreien Tage kein steuerfreies Tagesgeld gezahlt wird. Werden Fahrten zu einem Einsatzort in einem Kalendermonat überwiegend unmittelbar vom Wohnort aus angetreten, liegen hinsichtlich dieses Einsatzortes ab dem Folgemonat Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vor. [...]

 

Zahlt der Arbeitgeber höhere Beträge, so sind die die genannten Grenzen übersteigenden Beträge steuerpflichtiger Arbeitslohn.

 

3.2.1.2. Auszüge aus Verwaltungsgerichtshof (VwGH) 28.05.2008, 2006/15/0280

 

Im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens darf ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern erstattete Reisekosten nur unter der Voraussetzung als nicht steuerbare Einnahmen (damit steuerfrei) behandeln, dass entsprechende Nachweise vorliegen. Die Richtigkeit der vom Arbeitgeber vorgenommenen Beurteilung muss jederzeit für das Finanzamt leicht nachprüfbar, vor allem aus Lohnaufzeichnungen, Geschäftsbüchern oder sonstigen Unterlagen ersichtlich sein. Unter einem Nachweis dem Grunde nach ist der Nachweis zu verstehen, dass im Einzelnen eine Dienstreise vorliegt und die dafür gewährten Tagesgelder, die je nach der Dauer der Dienstreise bemessenen Tagesgelder des § 26 Z. 4 EStG 1988 nicht überschreiten. Dies ist zumindest durch das Datum, die Dauer, das Ziel und den Zweck der einzelnen Dienstreise darzulegen und durch entsprechende Aufzeichnungen zu belegen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. April 1992, 87/14/0192, vom 21. Oktober 1993, 92/15/0001, und vom 20. Juni 2000, 98/15/0068).

 

Der wiedergegebene Beleg lässt die Erfüllung der von der Judikatur geforderten Voraussetzungen nicht erkennen. Dass damit die Dauer der Dienstreise auch nur "implizit" nachgewiesen sei, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon übersieht die Beschwerdeführerin, dass ein Nachweis erst dann gegeben ist, wenn neben dem Nachweis einer einzelnen tatsächlich angetretenen Reise auch insbesondere deren exakte Dauer belegt werden kann. Diese Umstände sind für die Beurteilung maßgebend, ob die geltend gemachten Reisekostenersätze oder Entfernungszulagen nach § 26 Z 4 EStG 1988 nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören. Bei den behaupteten Dienstreisen ist nämlich die Höhe des nach § 26 Z. 4 EStG 1988 nicht steuerbaren Taggeldes u.a. von der exakten Dauer der Dienstreise abhängig. Auch der Zweck der Dienstreise kann diesen Aufzeichnungen nicht entnommen werden. Der allgemeine Hinweis in der Beschwerde auf den Unternehmensgegenstand der Beschwerdeführerin beseitigt nicht die den Aufzeichnungen anhaftenden Mängel. Auch das Ziel der Dienstreisen - wie etwa in der Beschwerde behauptet, die Verbringung von Gütern von einem Kunden zu einem Entsorgungsbetrieb - lässt sich keinesfalls "jederzeit leicht" nachprüfen. Sind die Voraussetzungen einer nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit fallenden Leistung des Arbeitgebers nach den Abgabenvorschriften nicht dem Grunde nach nachgewiesen, erübrigt sich auch die - auf Grund der nunmehr bereinigten Rechtslage - vorzunehmende Prüfung, ob überhaupt eine Dienstreise im Sinne des EStG 1988 vorgelegen ist.

 

3.2.1.3. Für den Beschwerdefall bedeutet das:

 

Im Beschwerdefall ist zu prüfen, ob das ausbezahlte Kilometergeld als beitragsfreier Entgeltbestandteil gemäß § 49 Absatz 3 Ziffer 1 ASVG zu werten ist.

 

Jede Zahlung an den Dienstnehmer, die auf Grund eines Dienstverhältnisses aus welchen Gründen immer (auch ohne Rechtsanspruch) tatsächlich geleistet wird, stellt gemäß § 49 Absatz 1 ASVG beitragspflichtiges Entgelt dar, sofern nicht eine Ausnahme von der Beitragspflicht nach § 49 Absatz 3 ASVG vorliegt (vgl. VwGH 29.10.2008, 2005/08/0218).

 

§ 49 Absatz 3 Ziffer 1 ASVG verweist bezüglich der Fahrkostenvergütungen auf § 26 EStG, welcher taxativ Leistungen des Arbeitgebers aufzählt, die nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit fallen. Gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 gehören nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergeld) gezahlt werden.

 

Nach der oben angeführten Judikatur darf ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern erstattete Reisekosten nur unter der Voraussetzung als steuerfrei behandeln, dass entsprechende Nachweise vorliegen und die Richtigkeit so jederzeit leicht nachprüfbar ist. Für einen Nachweis dem Grunde nach ist zumindest das Datum, die Dauer, das Ziel und der Zweck der einzelnen Dienstreise darzulegen und durch entsprechende Aufzeichnungen zu belegen. Kann der Zweck der Dienstreise den Aufzeichnungen nicht entnommen werden, so beseitigt auch der allgemeine Hinweis in der Beschwerde auf den Unternehmensgegenstand der Beschwerdeführerin nicht die den Aufzeichnungen anhaftenden Mängel. Auch das Ziel muss angegeben sein.

 

Festgehalten wird, dass nicht für den gesamten beschwerdegegenständlichen Zeitraum und auch nicht für alle Dienstnehmer/innen Unterlagen vorgelegt wurden. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen genügen nicht den oben angeführten Anforderungen. Insbesondere geht aus den Unterlagen nicht das Ziel der einzelnen Fahrten der jeweiligen Dienstnehmer/innen hervor. In den Aufzeichnungen Zusteller-Fixpersonal/Auszahlungen ist darüber hinaus kein Datum für einzelne Fahrten ersichtlich. Den vereinzelten Aufzeichnungen Zustellungen-Kilometer ist nur die Angabe der Gesamtkilometer pro Tag und Dienstnehmer zu entnehmen. Die vorgelegten Unterlagen decken weder den beschwerdegegenständlichen Zeitraum ab, noch genügen sie den oben angeführten Kriterien des VwGH für den erforderlichen Nachweis einer Steuerfreiheit.

 

Da die Beschwerdeführerin somit aber die Voraussetzungen einer nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit fallenden Leistung des Arbeitgebers nach den Abgabenvorschriften nicht dem Grunde nach nachgewiesen hat, erübrigt sich auch die Prüfung, ob überhaupt eine Dienstreise im Sinne des EStG 1988 vorlag.

 

Somit hat die belangte Behörde das ausbezahlte Kilometergeld zu Recht als Entgeltbestandteil angenommen und Beiträge nachverrechnet.

 

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

 

Da einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommt und im Materiengesetz keine Ausnahme vorgesehen ist, kam auch der gegenständlichen Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu. Ein gesonderter Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erübrigt sich daher.

 

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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