AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W114.2189473.1.00
Spruch:
schriftliche Ausfertigung des am 06.06.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 12.02.2018, Zl. 1094038605-151735419, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.06.2018 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit
§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX , geb. am XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem, stellte am 09.11.2015 durch seinen Vater XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zur selben Zeit stellten auch seine Mutter XXXX und sein Vater für sich selbst und für seine drei Geschwister XXXX , XXXX , und XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Der Beschwerdeführer wird im Asyl- als auch im Beschwerdeverfahren durch seinen Vater vertreten.
3. Für den Beschwerdeführer wurden weder bei der Erstbefragung noch bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eigenständige asylrelevante Fluchtgründe geltend gemacht.
4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich (BFA) vom 12.02.2018, Zl. 1094038605-151735419, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihm wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 12.02.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 15.02.2018 durch Hinterlegung zugestellt.
4. Die Anträge auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten seiner Geschwister und seiner Eltern wurden mit gesonderten Entscheidungen ebenfalls abgewiesen. Den Anträgen auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten wurde jedoch stattgegeben.
5. Gegen Spruchteil I. des Bescheides des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
6. Die Beschwerde sowie die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 16.03.2018 zur Entscheidung vorgelegt.
7. Am 06.06.2018 fand im BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. In dieser Verhandlung wurden die Erkenntnisse mündlich verkündet. Der Schwester des Beschwerdeführers, XXXX , wurde dabei aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der westlich orientierten Frauen der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Unter Berücksichtigung von § 34 Abs. 2 AsylG 2005 wurde im Familienverfahren ihren minderjährigen Geschwistern, ihrer Mutter, ihrem Vater und auch dem Beschwerdeführer als deren minderjährigem Bruder der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
8. Mit Telefax vom 18.06.2018 ersuchte das BFA um Übermittlung der schriftlichen Ausfertigungen der "Urteile" (gemeint sind offensichtlich schriftliche Ausfertigungen der in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2018 verkündeten Erkenntnisse).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist nach Angaben seines Vaters am XXXX geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Angerhöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer stammt aus einem Ort im Distrikt Khwaja Omari in der Provinz Ghazni. Er lebte bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2015 in seiner Heimatprovinz.
1.1.2. Der Beschwerdeführer ist minderjährig und ledig und hat keine Kinder. Seiner Schwester XXXX wurde in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 06.06.2018 wegen ihrer Zugehörigkeit zur in Afghanistan mit maßgeblicher asylrelevanter Wahrscheinlichkeit verfolgten sozialen Gruppe der westlich orientierten bzw. gesinnten Frauen der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
1.1.3. Der Beschwerdeführer reiste mit seiner Familie unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte durch seinen Vater am 09.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Für den Beschwerdeführer wurde keine eigenen asylrelevanten Fluchtgründe geltend gemacht.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie aus den vorgelegten Dokumenten. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asyl- bzw. Beschwerdeverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben; das BVwG hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen zu zweifeln.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen und seiner Einreise nach Österreich waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozioökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel. Die in diesem Zusammenhang getätigten Angaben waren im Wesentlichen plausibel und widerspruchsfrei.
Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus den vom BFA vorgelegten Verfahrensunterlagen.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Allgemeines und Verfahrensrecht:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A):
3.2. Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:
3.2.1. Es mangelt an den Voraussetzungen für die (originäre) Zuerkennung des Status des Asylberechtigten.
3.2.4. Es ist daher zu prüfen, ob bezüglich der Verfahren des Beschwerdeführers und jenem seiner Schwester XXXX , der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 06.06.2018 mündlich verkündet gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigen zuerkannt worden ist, ein Familienverfahren iSd § 34 leg.cit. vorliegt.
Gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gilt ein Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 84/2017 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiter auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
In der gegenständlichen Angelegenheit liegt daher ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren des Beschwerdeführers und jenem seiner Schwester XXXX vor. Der Beschwerdeführer ist der minderjährige Bruder von XXXX und damit Familienangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit., zumal XXXX zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig war. Da der Schwester XXXX des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 bis 2 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Beschwerde ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG und § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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