BVergG 2006 §129 Abs2
BVergG 2006 §131 Abs1
BVergG 2006 §2 Z16 lita
BVergG 2006 §2 Z8
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2
BVergG 2006 §312 Abs1
BVergG 2006 §312 Abs2 Z1
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §321 Abs1
BVergG 2006 §322 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs2
BVergG 2006 §329 Abs1
BVergG 2006 §4
B-VG Art.133 Abs4
B-VG Art.133 Abs9
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W123.2179259.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Einzelrichter über den Antrag der XXXX, XXXX vertreten durch Stolz Rechtsanwalts-GmbH, Schernbergstraße 19, 5550 Radstadt, betreffend das Vergabeverfahren "zentrales Lehr- und Lerngebäude der medizinischen Universität Innsbruck, MSR, Fritz-Pregl-Straße 3, 6020 Innsbruck" des Auftraggebers Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H., Trabrennstraße 2c, 1020 Wien, vom 11.12.2017 beschlossen:
A)
Die Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen werden gemäß §§ 328 Abs. 1 und 329 Abs. 1 BVergG 2006 abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schriftsatz vom 11.12.2017 leitete die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren gegen das im Spruch ersichtliche Vergabeverfahren ein.
Als bekämpfte, gesondert anfechtbare Entscheidung bezeichnete die Antragstellerin die "Verständigung vom 01.12.2015 (Anmerkung: gemeint offensichtlich "2017") betreffend die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung".
Der Hauptantrag lautete: "Das Bundesveraltungsgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Zuschlagsentscheidung vom 01.12.2017 für nichtig erklären."
In der Begründung zur Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung wies die Antragstellerin insbesondere darauf hin, dass ihr Angebot durch die Auftraggeberin gemäß §§ 129 Abs. 1 Z 7 iVm 129 Abs. 2 BVergG ausgeschieden worden sei. In weiterer Folge legte die Antragstellerin ihre Gründe dar, warum die Ausscheidensentscheidung der Auftraggeberin zu Unrecht erfolgt sei.
2. Die Auftraggeberin erstattete am 14.12.2017 allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und verzichtete ausdrücklich auf eine Stellungnahme zum Vorbringen der Antragstellerin betreffend die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
3. Das Schreiben der Auftraggeberin vom 01.12.2017 trägt die Überschrift "Ausscheidens- und Zuschlagsentscheidung". Die Auftraggeberin gab der Antragstellerin sowohl bekannt, dass der Zuschlag an die XXXX erteilt werden soll, als auch, dass das Angebot der Antragstellerin gemäß §§ 129 Abs. 1 Z 7 iVm 129 Abs. 2 BVergG auszuscheiden war.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
Rechtliche Beurteilung
Zu A)
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und Zulässigkeit der Anträge
Gemäß Art 135 Abs. 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 292 Abs. 1 BVergG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 291, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über die oben wiedergegebenen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Auftraggeber im Sinne des § 2 Z 8 BVergG ist die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. Diese ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Bauauftrag iSd § 4 BVergG. Nach den Angaben der Aufraggeberin handelt es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich.
Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren ist entsprechend § 312 Abs. 1 und 2 BVergG iVm Art 14b Abs. 2 Z 1 lit e B-VG gegeben.
Da laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren weder widerrufen noch ein Zuschlag erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht in concreto gemäß § 312 Abs. 2 Z 1 BVergG zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 320 BVergG nicht offensichtlich fehlen.
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 328 Abs. 1 BVergG zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 328 Abs. 2 BVergG vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.
Inhaltliche Beurteilung
Gemäß § 328 Abs. 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß § 329 Abs. 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Artikel 2 der Richtlinie 89/665 ist dahin auszulegen, dass er es den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, vorzusehen, dass eine für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz, die über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen entscheidet, die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Aufhebung einer Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, der mit der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung begründet wird, berücksichtigen muss oder darf (EuGH 09.04.2013, Rs C-424/01, CS Communications).
Wird ein Antragsteller mit seinem Nachprüfungsantrag absehbar nicht durchdringen, gebietet es die Interessensabwägung gemäß § 329 Abs. 1 BVergG 2006, den Auftraggeber nicht durch eine einstweilige Maßnahme am Vorantreiben des Beschaffungsvorgangs zu hindern; bzw. sind auch für die sonstigen an der Vergabe interessierten Unternehmern Zeitverzögerungen hinsichtlich deren vergabebezüglichen Handlungen zu vermeiden (BVA 14.09.2006, N/0074-BVA/08/2006-21 unter Verweis auf EuGH Rs C-424/01, CS Communications).
Nach Ansicht des erkennenden Richters ist bereits im jetzigen Verfahrensstadium abzusehen, dass die Erfolgsaussichten des gegenständlichen Nachprüfungsantrages als sehr gering einzustufen sind bzw. zu erwarten ist, dass die Antragstellerin mit ihrem Begehren auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung nicht durchdringend wird. Dies aufgrund nachstehender Erwägungen:
Gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. aa BVergG ist im offenen Verfahren das "Ausscheiden eines Angebotes" eine gesondert anfechtbare Entscheidung.
Gemäß § 322 Abs. 1 Z 1 und 7 BVergG hat ein Nachprüfungsantrag ("jedenfalls") die genaue Bezeichnung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung bzw. einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung zu enthalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2004/04/0105, unter Bezugnahme auf seine Vorjudikatur ausgesprochen, dass der Prozessgegenstand im antragsgebundenen Verfahren durch den Inhalt des Antrags determiniert wird, wobei zu beachten ist, dass es für die Frage des Inhalts eines Antrags als Prozesshandlung lediglich auf die Erklärung des Willens und nicht auf den - davon abweichenden - tatsächlichen Willen des Antragstellers ankommt. Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es daher unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut nicht unmittelbar erschlossen werden kann (VwGH 22.06.2011, 2007/04/0037).
Wie bereits unter I., Rn 1, hervorgehoben, hat die Antragstellerin ausdrücklich die Zuschlagsentscheidung vom 01.12.2017 als gesondert anfechtbare Entscheidung bezeichnet sowie lediglich einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gestellt, nicht aber einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung. Ein allfälliger Antrag auf Nichtigerklärung der am 01.12.2017 mitgeteilten Ausscheidensentscheidung kann nunmehr auch nicht mehr gestellt werden, da die Frist für diesen Nachprüfungsantrag gemäß § 321 Abs. 1 BVergG bereits abgelaufen ist.
Ein Auftraggeber ist gemäß § 131 Abs. 1 BVergG verpflichtet, den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern nachweislich mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. Die Erläuterungen zur BVergG-Novelle 2009 weisen darauf hin, "dass ein Bieter dann als im Vergabeverfahren verblieben gilt, wenn sein Angebot nicht ausgeschieden wurde bzw das Ausscheiden des Angebotes noch nicht bestandsfest geworden ist (Art. 2a Abs. 2 zweiter Unterabsatz der RMRLen spricht von einem "endgültigen" Ausschluss). Dies ist der Fall, wenn das Ausscheiden des Angebotes von der zuständigen Vergabekontrollbehörde für rechtmäßig erkannt wurde oder wenn es keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann" (RV 327 BlgNR XXIV. GP , 24 unter Bezugnahme auf RV 1171 BlgNR XXII. GP , 85). Gemäß Art 2a Abs 2 der RMRL ist die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter abzusenden. Bieter gelten demnach als betroffen, wenn sie noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden. Ein Ausschluss ist endgültig, wenn er den betroffenen Bietern mitgeteilt wurde und entweder von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann. Die bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2007/66/EG bestehende Verpflichtung zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß § 131 Abs. 1 BVergG steht damit in Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Verbliebene Bieter sind (neben jenen Bietern, die nicht ausgeschlossen wurden bzw. deren Angebot nicht ausgeschieden wurde) auch jene Bieter, welche die sie betreffende Ausscheidenentscheidung noch fristgerecht bekämpfen können oder welche die Ausscheidensentscheidung rechtzeitig angefochten haben und das betreffende Nachprüfungsverfahren noch nicht beendet ist (J. Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 131 Rz 16).
Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ausscheidens- und Zuschlagsentscheidung (01.12.2017) galt die Antragstellerin noch als eine "im Vergabeverfahren verbliebene Bieterin", weshalb die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung an die Antragstellerin zwingend erforderlich war. Durch die Nichtanfechtung der ebenfalls am 01.12.2017 mitgeteilten gesondert anfechtbaren Ausscheidensentscheidung ist die Antragstellerin aber nunmehr als "rechtskräftig" bzw. "bestandsfest" ausgeschiedene Bieterin im Vergabeverfahren zu bezeichnen, da ihr Ausscheiden – wegen Verfristung – keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann. Daher kann aber der Antragstellerin auch kein Schaden mehr durch eine allfällige Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung entstehen, da ihr Angebot – durch das faktische Ausscheiden – für eine Zuschlagserteilung nicht mehr in Betracht kommt. Für die gegenständlichen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bedeutet dies, dass im konkreten Fall eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung entstandene oder sonstige unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin, die im Sinne des § 328 Abs. 1 BVergG zu beseitigen oder zu verhindern wären, nicht ersichtlich ist.
Die Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung waren daher mangels Erfolgsaussichten im Nachprüfungsverfahren abzuweisen.
Zu B Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu VwGH 22.06.2011, 2007/04/0037) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Siehe zudem die Rechtsprechung des EuGH in Rs C-424/01, CS Communications).
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