BVwG W184 2132264-1

BVwGW184 2132264-127.6.2017

AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W184.2132264.1.00

 

Spruch:

W184 2132264-1/13E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2016, Zl. 1104290207/160173703, zu Recht erkannt:

 

A)

 

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

 

B)

 

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger von Bangladesch, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.02.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die beschwerdeführende Partei in Ungarn am 17.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Bei der Erstbefragung am 03.02.2016 gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, er sei zuletzt vor einigen Tagen über Ungarn illegal in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist und dann nach Österreich weitergefahren.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 05.02.2016 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmegesuch mit dem Hinweis auf den EURODAC-Treffer an Ungarn, welches unbeantwortet blieb. Mit Schreiben vom 23.02.2016 teilte das Bundesamt der ungarischen Dublin-Behörde mit, dass aufgrund der nicht erfolgten Antwort Verfristung eingetreten und somit Ungarn für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens zuständig sei.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

 

Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

Laut Mitteilung des Bundesamtes vom 03.02.2017 wurde die beschwerdeführende Partei noch nicht nach Ungarn überstellt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Die beschwerdeführende Partei reiste zuletzt im Jänner 2016 über Ungarn illegal in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein, wo er am 17.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. In der Folge begab sich die beschwerdeführende Partei illegal in das österreichische Bundesgebiet und brachte am 03.02.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 05.02.2016 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmegesuch mit dem Hinweis auf den EURODAC-Treffer an Ungarn, welches unbeantwortet blieb. Mit Schreiben vom 23.02.2016 teilte das Bundesamt der ungarischen Dublin-Behörde mit, dass aufgrund der nicht erfolgten Antwort gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-Verordnung Verfristung eingetreten und Ungarn nunmehr für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens zuständig sei.

 

Die beschwerdeführende Partei wurde innerhalb der bis 20.08.2016 laufenden sechsmonatigen Überstellungsfrist nicht nach Ungarn überstellt.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) Aufhebung des angefochtenen Bescheides:

 

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 24/2016 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

 

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrags hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs.2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde."

 

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 25/2016 lautet:

 

"Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

 

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) lauten:

 

Art. 3 Abs. 1 und 2:

 

"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

 

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

 

"

 

Art. 7 Abs. 1 und 2:

 

"(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

 

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt."

 

Art. 13 Abs. 1:

 

"Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

 

Art. 18 Abs. 1:

 

"(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

 

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 aufzunehmen;

 

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

 

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

 

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen."

 

Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2:

 

"(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.

 

(2) Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochen gemäß Abs. 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen."

 

Art. 29 Abs. 2:

 

"Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."

 

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs ist dem Bundesamt zwar darin beizupflichten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Ungarns ergab, und zwar gemäß Art. 13 Abs. 1 und Art. 25 Abs. 2 sowie Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung. Da jedoch die Überstellung der beschwerdeführenden Partei nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wurde, ging gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit mit Ablauf des 20.08.2016 auf die Republik Österreich über. Es ergaben sich auch keine Hinweise auf eine Fristverlängerung gemäß Art. 29 Abs. 2 zweiter Satz Dublin III-Verordnung.

 

§ 21 Abs. 6a BFA-VG lautet:

 

"Unbeschadet des Abs. 7 kann das Bundesverwaltungsgericht über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, der diese von Gesetz wegen nicht zukommt (§ 17) oder der diese vom Bundesamt aberkannt wurde (§ 18), und über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden."

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

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