BVwG W134 2107889-2

BVwGW134 2107889-230.6.2015

BVergG §129 Abs1 Z7
BVergG §3 Abs1 Z2
BVergG §312
BVergG §318 Abs1
BVergG §319
BVergG §320 Abs1
BVergG §324 Abs3
BVergG §325 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
BVergG §129 Abs1 Z7
BVergG §3 Abs1 Z2
BVergG §312
BVergG §318 Abs1
BVergG §319
BVergG §320 Abs1
BVergG §324 Abs3
BVergG §325 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W134.2107889.2.00

 

Spruch:

W134 2107889-2/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Vorsitzender sowie Mag. Susanne Wixforth als fachkundiger Laienrichter der Auftraggeberseite und Ing. Wilhelm Weinmeier als fachkundiger Laienrichter der Auftragnehmerseite im Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren "Kücheneinrichtung (TMS-Lehrküchen 1-3), Kennzeichen WIFI 537-2015", der Auftraggeberin Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Mariazeller Straße 97, 3100 Sankt Pölten, vertreten durch XXXX aufgrund des Antrages der XXXXvertreten durch XXXX, vom 01.06.2015 zu Recht erkannt:

A)

I. Dem Antrag "das Bundesverwaltungsgericht möge die angefochtene Zuschlagsentscheidung vom 20.05.2015 für nichtig erklären" wird gemäß § 312 BVergG 2006 stattgegeben. Die Zuschlagsentscheidung vom 20.05.2015 wird für nichtig erklärt.

II. Dem Antrag "das Bundesverwaltungsgericht möge die Auftraggeberin zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von Euro 3078 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen des ausgewiesenen Antragstellervertreters gemäß § 319 BVergG verpflichten" wird gemäß § 319 BVergG stattgegeben. Die Auftraggeberin ist verpflichtet, der Antragstellerin zu Handen des ausgewiesenen Antragstellervertreters binnen 14 Tagen Euro 3078 zu bezahlen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 01.06.2015, beim BVwG eingelangt am gleichen Tag, begehrte die Antragstellerin nach Durchführung eines Verbesserungsauftrages im Wesentlichen die Nichtigerklärung der angefochtenen Zuschlagsentscheidung vom 20.05.2015, Akteneinsicht, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin.

Begründend wurde von der Antragstellerin im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die Auftraggeberin beabsichtige die Beschaffung der Lieferung und Installation von 9 Stück "Doppelherdblock/Schulküche", "komplett betriebsfertig montiert und installiert", "Sonst lt. Beiliegender Zeichnung" "Leitprodukt (oder gleichwertig):" "Fabrikat:

Menusystem", "Type: Premium".

Beim Studium der Festlegungen der Antragsgegnerin ergebe sich, dass diese ausdrücklich ein "Pfannentyperkennungssystem" und nicht nur ein "Pfannenerkennungssystem" als zwingendes Leistungs-Soll (Mindestkriterium) festgelegt habe. Das von der Antragstellerin angebotene System sei das einzige am Markt erhältliche System, das über eine derartige spezifische "Pfannentyperkennung" verfüge.

Weiters sei das von der Antragstellerin angebotene System auch das einzige, das mittels Anzeige auch die jeweilige Topftype anzeige. Diese Anzeige erfolge durch die geforderte "digitale, lichtstarke Mehrsegment-Informationsanzeige". Die Angebote der Mitbewerber würden dementsprechend nur über "Ein"-Segment-Anzeigen und nicht über die geforderte "Mehrsegment-Informationsanzeige" verfügen. Aufgrund der Marktkenntnis der Antragstellerin gehe sie davon aus, dass die 3 vorgereihten Angebote auch diese bestandsfeste Festlegung nicht erfüllen könnten, da diese nicht über entsprechende Anzeigen verfügen würden.

Weiters sei das von der Antragstellerin angebotene System auch das einzige, das über das geforderte "Slidecontrol-System" samt der explizit geforderten Flächenspulen verfüge. Die Angebote der Mitbewerber würden nur über Systeme verfügen, die aufgrund der nicht flächigen Bauart der Spule die Erwärmung der Pfanne verändere.

Die angefochtene Zuschlagsentscheidung sei rechtswidrig, da sämtliche Angebote, ausgenommen das Angebot der Antragstellerin, den Ausscheidensgrund des § 129 Abs. 1 Z. 7 BVergG erfüllen würden und daher nicht für den Zuschlag in Betracht kämen. Sämtliche vorgereihten Angebote seien zwingend auszuscheiden, da diese den bestandsfesten Festlegungen der Ausschreibung widersprächen und insbesondere das geforderte Leistungsbild faktisch und rechtlich nicht erfüllen würden.

Die Antragstellerin habe ein Interesse am Vertragsabschluss, es drohe ihr ein Schaden und ihre Rechte würden verletzt.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 05.06.2015 gab diese bekannt, dass Auftraggeberin das Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Niederösterreich sei. Bei dem gegenständlichen Vergabeverfahren handle es sich um einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich der in einem offenen Verfahren nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden solle. Die Bekanntmachung in Österreich sei am 24.02.2015, in der EU am 09.03.2015 erfolgt. Die Zuschlagsentscheidung vom 20.05.2015 sei am gleichen Tag per E-Mail den Bietern zugestellt worden. Der Zuschlag sei noch nicht erfolgt.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 05.06.2015 hat diese allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren erteilt. Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 08.06.2015 hat diese, soweit entscheidungsrelevant, vorgebracht, dass es der Antragstellerin an der Antragslegitimation fehlen würde. Dies deshalb, weil selbst wenn das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auszuscheiden sei, nicht ihr, sondern der zweitgereihten Bieterin, subsidär der drittgereihten Bieterin der Zuschlag zu erteilen sei.

Mit Schreiben der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin vom 10.06.2015 hat diese Einwendungen im Sinne des § 324 Abs. 3 BVergG erhoben.

Mit Schreiben der Antragstellerin vom 18.06.2010 hat diese eine ergänzende Stellungnahme abgegeben.

Am 24.06.2015 hat im Bundesverwaltungsgericht darüber eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Auftraggeberin hat darin an ihrer Behauptung festgehalten, dass es der Antragstellerin an der Antragslegitimation mangeln würde, weil das Angebot der Firma XXXX der Antragstellerin vorgereiht sei; dies obwohl der Auftraggeberin vorgehalten wurde, dass in ihrem eigenen Prüfbericht vom 12.05.2015 der Prüfende zu dem Ergebnis gekommen war, dass das Angebot der Firma XXXX auszuscheiden ist. Ein entsprechendes diesbezügliches Vorbringen betreffend das Angebot der Firma XXXX wurde von der Auftraggeberin zurückgenommen. Weiters wurde sowohl von der Auftraggeberin als auch von der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin zugestanden, dass die in den Ausschreibungsunterlagen unter "Organisatorisches/Naturmasse", erster Satz, vorgesehene Besichtigung durch die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin nicht vorgenommen wurde. Es würde sich dabei jedoch lediglich um organisatorische Richtlinien für die Abwicklung des Auftrages handeln, zwingenden Angebotsinhalte seien damit nicht festgelegt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Niederösterreich hat einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich in einem offenen Verfahren nach dem Bestbieterprinzip ausgeschrieben. Die Bekanntmachung in Österreich ist am 24.02.2015, in der EU am 09.03.2015 erfolgt. Die Zuschlagsentscheidung vom 20.05.2015 zugunsten der XXXX ist am gleichen Tag per E-Mail den Bietern zugestellt worden. Der Zuschlag ist noch nicht erfolgt. (Schreiben der Auftraggeberin vom 05.06.2015).

Der "Prüfbericht und Empfehlung für die Vergabe Kochblock Schulküche" der "XXXX" vom 12.05.2015 lautet auszugsweise:

"6. Auswertung der Angebote

6.1 XXXX XXXX

Angebotseinreichung Nr. 2

Erläuterung:

[...] Im Aufklärungsgespräch hat die XXXX zugestanden, dass die angebotenen Induktionskochfelder der Firma XXXX nicht allen gewünschten Anforderungen des LVs bzw. des Leitprodukts entsprechen. [...] Aus unserer Sicht wäre die Firma die XXXX daher auszuscheiden." (Prüfbericht und Empfehlung für die Vergabe Kochblock Schulküche" der "XXXX" vom 12.05.2015, Akt des Vergabeverfahrens)

Die Ausschreibungsunterlage lautet auszugsweise:

"Organisatorisches

Naturmasse

Der AN ist vor der Angebotsabgabe verpflichtet sich die Örtlichkeiten und die Einbringungsmöglichkeiten anzusehen. Ebenso sind die vorhandenen Herdblöcke zu besichtigen um ein entsprechendes Angebot abgeben zu können." (Ausschreibungsunterlage)

Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin hat die in den Ausschreibungsunterlagen unter "Organisatorisches/Naturmasse", 1. und 2. Satz, vorgesehene Besichtigung nicht durchgeführt (Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2015; Vergabeakt: "Protokoll über ein kommissionelles Aufklärungsgespräch im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung" mit der Firma XXXX vom 11.05.2015, Punkt 7)

2. Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den in Klammer genannten Quellen, deren inhaltliche Richtigkeit außer Zweifel steht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Ausschreibungsunterlagen sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (VwGH 22.11.2011, 2006/04/0024).

3. a) Zum Nachprüfungsantrag (Spruchpunkt A) I.):

Auftraggeberin ist das Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Dieses ist nach ständiger Rechtsprechung Auftraggeber gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 BVergG (zuletzt BVwG 7.8.2014, W 139 2010245 - 1).

Die Auftraggeberin hat vorgebracht, dass es der Antragstellerin an der Antragslegitimation fehlen würde. Dies deshalb, weil selbst wenn das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auszuscheiden sei, nicht ihr, sondern der zweitgereihten Bieterin, subsidär der drittgereihten Bieterin der Zuschlag zu erteilen sei.

Dieses Vorbringen der Auftraggeberin widerspricht ihrem eigenen Prüfbericht vom 12.05.2015, worin sie (bzw. die von ihr betrauten Sachverständigen) festgestellt hat, dass die zweitgereihten und drittgereihten Bieter auszuscheiden seien. Die Ausführungen der Sachverständigen sind schlüssig und nachvollziehbar, weshalb kein Grund besteht, die Antragslegitimation der Antragstellerin anzuzweifeln.

Gemäß der Ausschreibungsunterlage Punkt "Organisatorisches/Naturmasse" ist der Auftragnehmer vor der Angebotsabgabe verpflichtet sich die Örtlichkeiten und die Einbringungsmöglichkeiten anzusehen. Ebenso sind die vorhandenen Herdblöcke zu besichtigen, um ein entsprechendes Angebot abgeben zu können. Dieser Verpflichtung der bestandsfest gewordenen Ausschreibungsunterlage ist die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin nach ihren eigenen Angaben sowie den Angaben der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin hat somit ein den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot gelegt das die Mindestanforderungen nicht erfüllt, da sie entgegen den Verpflichtungen aus der Ausschreibungsunterlage sich die Örtlichkeiten und die Einbringungsmöglichkeiten sowie die vorhandenen Herdblöcke vor Angebotsabgabe nicht angesehen hat, weshalb ihr Angebot gemäß § 129 Abs. 1 Z. 7 BVergG 2006 auszuscheiden gewesen wäre (vgl VwGH 27.10.2014, 2012/04/0066). Da die Besichtigung vor Angebotsabgabe zu erfolgen hat, kann die Besichtigung auch nicht nachträglich nachgeholt werden. Die Zuschlagsentscheidung erfolgte daher rechtswidrig. Diese Rechtswidrigkeit ist iSd § 325 Abs 1 BVergG 2006 für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss.

B) Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 22.11.2011, 2006/04/0024; VwGH 27.10.2014, 2012/04/0066) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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