B-VG Art.133 Abs4
FPG §61 Abs1
AsylG 2005 §5 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W184.2012909.1.00
Spruch:
W184 2012909-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ghana, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2014, Zl. 13 17.522/13-831752209/1759668, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Ghanas, brachte nach der illegalen Einreise in Österreich am 28.11.2013 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die beschwerdeführende Partei am 10.02.2004 und 03.01.2005 in Italien sowie am 24.06.2013 in der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Bei der Erstbefragung am 28.11.2013 gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, er sei im Februar 2004 illegal aus Libyen nach Italien eingereist. Er habe zwei Asylanträge gestellt, die abgewiesen worden seien. Dann habe er in der Schweiz einen Asylantrag gestellt und sei hierauf nach Mailand rücküberstellt worden. Dort habe er keine Unterkunft bekommen und deshalb sei er nach Österreich gefahren. Seinen Herkunftsstaat habe er verlassen, weil er keine Arbeit gehabt habe. In Italien habe er sich neun Jahre lang an verschiedenen Orten aufgehalten.
Das Bundesasylamt richtete am 02.12.2013 ein Informationsersuchen gemäß Art. 21 Dublin II-Verordnung an die Schweiz. Am selben Tag richtete das Bundesasylamt ein auf Art. 16. Abs. 1 lit. c Dublin II-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Mit einem am 03.12.2013 eingelangten Schreiben stimmte Italien dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 2 Dublin II-Verordnung ausdrücklich zu. In einem Antwortschreiben vom 06.12.2013 teilte die Schweiz mit, dass die beschwerdeführende Partei am 06.09.2013 im Rahmen eines Dublin-Verfahrens von der Schweiz nach Italien überstellt worden sei.
Bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 12.12.2013 sagte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen aus, dass er nicht nach Italien zurückkehren wolle, weil der Papst ihn töten wolle. In Italien habe er ein Aufenthaltsrecht gehabt, welches aber nicht verlängert worden sei.
Die beschwerdeführende Partei legte in der Folge eine Stellungnahme vom 20.12.2013 zur Lage von Asylwerbern in Italien vor.
Ab dem März 2014 war die beschwerdeführende Partei unbekannten Aufenthaltes, was dem Mitgliedstaat Italien schriftlich mitgeteilt wurde.
Die beschwerdeführende Partei wurde vom 03.04.2014 bis 27.06.2014 wegen einer psychotischen Störung in einer Krankenanstalt stationär aufgenommen und nach Stabilisierung des Zustandes mit der entsprechenden Empfehlung einer medikamentösen Therapie entlassen.
Laut einem psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 14.05.2014 liegen bei der beschwerdeführenden Partei die Diagnosen paranoide Schizophrenie und Zustand nach Cannabismissbrauch vor.
In der gutachterlichen Stellungnahme einer Ärztin für Allgemeinmedizin sowie psychosomatische und psychotherapeutische Medizin vom 22.06.2014 wurde von derselben Diagnose ausgegangen und die Prüfung einer Sachwalterbestellung angeregt.
Mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichtes vom 12.08.2014 wurde das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters eingestellt, weil zum Entscheidungszeitpunkt kein Bedarf für einen Sachwalter vorlag.
Laut psychiatrischem Befund vom 23.09.2014 steht die beschwerdeführende Partei in regelmäßiger ambulanter Behandlung und befindet sich unter einer bestimmten antipsychotischen medikamentösen Therapie in einem psychisch stabilen Zustand. Eine weitere ambulante psychiatrische Behandlung ist notwendig. Anzeichen auf Selbst- oder Fremdgefährdung liegen nicht vor.
Die beschwerdeführende Partei legte in der Folge eine weitere Stellungnahme vom 24.09.2014 zur Lage von Asylwerbern in Italien vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 16. Abs. 2 Dublin II-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.
Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich die Lage für Asylwerber in Italien dar. Demnach sind grundsätzlich der Zugang zum Asylverfahren sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung für Asylwerber gewährleistet. Auch Kritikpunkte am italienischen Asylwesen werden näher dargestellt. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
"Kürzlich vorgenommene Änderungen im italienischen Asylsystem betreffen zum einen die Übernahme in nationales Recht der Neufassung der EU-QualifikationsRL (2011/95/EU).
Dadurch wurden mehr Schutzvorkehrungen für unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) getroffen, die Aufenthaltsgenehmigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde jener von Flüchtlingen angeglichen und auf 5 Jahre erhöht und Subschutzberechtigte erhielten mehr Rechte, speziell im Bereich Familienzusammenführung. Für das nationale Unterbringungssystem SPRAR wurde eine Aufstockung der Kapazität von momentan 13.020 auf bis zu 20.000 Plätze bis 2016 beschlossen (AIDA 4.2014).
Asylanträge sollen binnen 8 Tagen eingebracht werden, eine "verspätete" Antragsstellung hat aber keine negativen Auswirkungen auf das Verfahren.
Asylanträge können in jeder Grenzpolizeidienststelle, die den Asylwerber (AW) dann zum zuständigen lokalen Polizeipräsidium (Questura) weiterleitet, oder gleich bei der Questura gestellt werden. Für Reisekosten von der Grenze zur zuständigen Questura kommt der Staat nicht auf, aber NGOs helfen oft aus. Bei Antragstellung in einer Questura muss, im Gegensatz zur Antragstellung an der Grenze, eine Wohnadresse angegeben werden. In Rom genügt eine Bestätigung einer NGO, in anderen Städten ist eine Meldebestätigung erforderlich. [zu Unterbringung siehe das gleichnamige Kap. 6.1., Anm.] In der Questura erfolgt die formale Registrierung des Antrags (Verbalizzazione) und erkennungsdienstliche Behandlung (Fotografieren, Fingerabdrücke nehmen; sogenanntes Fotosegnalamento). Normalerweise erfolgen Fotosegnalamento und Verbalizzazione gleichzeitig. In großen Städten können jedoch einige Wochen zwischen diesen beiden Formalakten vergehen. Das kann zu Schwierigkeiten für die betroffenen AW führen, die in dieser Zeit keinen Zugang zum Unterbringungs- und Gesundheitssystem haben (außer in Fällen der medizinischen Notversorgung). Es gab zuletzt aber Bemühungen, etwas gegen diese Verzögerung zu unternehmen (AIDA 4.2014).
In der Questura wird auch abgeklärt, ob Italien gemäß Dublin-VO für das Asylverfahren zuständig ist. Für das inhaltliche Verfahren zuständig sind die 10 über das ganze Land verteilten Territorialkommissionen (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale), welche dem Innenministerium unterstehen. Vor der zuständigen Territorialkommission hat binnen 30 Tagen ein inhaltliches Interview zu erfolgen und binnen weiterer 3 Tage sollte eine Entscheidung fallen. In der Praxis dauert das Verfahren aber normalerweise einige Monate. Es gibt kein beschleunigtes und auch kein Grenzverfahren. Unter bestimmten Bedingungen können Anträge im prioritären Verfahren behandelt werden, das dann kürzer ist. Dies betrifft offensichtlich begründete Anträge; vulnerable Antragsteller; Anträge aus Abschiebezentren (CIE) heraus; Anträge aus CARA (außer die Unterbringung dient der Identitätsfeststellung); usw. Dann muss die Befragung innerhalb von 7 Tagen durchgeführt werden. Die Entscheidung hat dann nach max. 2 Tagen zu erfolgen. Meistens wird das prioritäre Verfahren bei Personen in CIE angewendet (AIDA 4.2014).
Beschwerdemöglichkeiten
Eine Beschwerde muss innerhalb von 30 Tagen ab Erhalt der negativen Entscheidung (binnen 15 Tagen, wenn der AW in einem CARA oder CIE untergebracht wurde) von einem Anwalt beim zuständigen Gericht eingebracht werden.
Das Gericht soll binnen 3 Monaten entscheiden, in der Praxis dauert es aber ca. 6 Monate. Die Beschwerde hat automatisch aufschiebende Wirkung. Keine automatische aufschiebende Wirkung ist gegeben bei Beschwerden gegen offensichtlich unbegründete oder unzulässige Anträge; wenn der AW in einem CARA untergebracht wurde, weil er beim illegalen Grenzübertritt oder beim illegalen Aufenthalt betreten worden ist; wenn das CARA ohne rechtfertigenden Grund verlassen wurde. In diesen Fällen kann die aufschiebende Wirkung bei Gericht beantragt werden.
Wird die Beschwerde abgewiesen, ist binnen 10 Tagen Beschwerde vor dem Appellationsgericht möglich (Entscheidungsdauer lt. Gesetz: 3 Monate; in der Praxis: ca. 5 Monate). Diese Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, es ist aber möglich, eine solche aufgrund wohlbegründeten ad hoc-Antrags des AW zu gewähren. Wird auch diese Beschwerde abgewiesen, ist binnen 30 Tagen eine kassatorische Beschwerde an das höchste Appellationsgericht möglich (AIDA 4.2014).
AW haben das Recht auf rechtliche Beratung und Vertretung, müssen diese aber selbst finanzieren. In der Regel erhalten AW Beratung/Rechtsbeistand über NGOs, was aber von deren Finanzierungslage abhängig ist. Lediglich in der Beschwerdephase ist ein Recht auf kostenfreie staatliche Rechtsbeihilfe (gratuito patrocinio) vorgesehen, wenn finanzielle Bedürftigkeit vorliegt. Diese kann durch eine Selbstdeklaration nachgewiesen werden. Berichten zufolge soll es in der Stadt Rom diesbezüglich Schwierigkeiten mit der Anwaltskammer geben (AIDA 4.2014).
Folgeanträge
Folgeanträge sind zulässig, wenn sie neue Elemente enthalten. Um festzustellen, ob das der Fall ist, nimmt die zuständige Territorialkommission eine entsprechende Bewertung vor, ohne die neuen Elemente inhaltlich zu prüfen. Wird der Folgeantrag nicht zugelassen, ist eine Beschwerde möglich. Diese hat keine aufschiebende Wirkung, es ist aber möglich, sie zu beantragen (Entscheidung soll binnen 5 Tagen fallen). Ansonsten gelten für Folgeanträge dieselben Bestimmungen wie im ordentlichen Verfahren. Folgeantragsteller haben dieselben rechtlichen Garantien, können in CARA untergebracht werden und haben im Beschwerdeverfahren die Möglichkeit auf kostenfreie Rechtshilfe (AIDA 4.2014).
Quellen
AIDA - Asylum Information Database (4.2014): National Country Report Italy ...;
Eurostat (24.3.2014): Pressemitteilung 46/2014 ...;
Eurostat (22.3.2013): Pressemitteilung 48/2013 ...
Dublin-Rückkehrer
Die meisten Dublin-Rückkehrer landen am Flughafen Fiumicino in Rom, einige auch am Flughafen Malpensa in Mailand. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Questura für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab.
1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in IT gestellt hat, kann er dies tun wie jeder andere auch.
2. Ist das Verfahren des AW noch anhängig, wird es fortgesetzt und er hat dieselben Rechte wie jeder andere AW.
3. Hat er beim ersten Aufenthalt in Italien eine negative Entscheidung erhalten und dagegen keine Beschwerde eingelegt, kann er zur Außerlandesbringung in ein CIE gebracht werden.
4. Wurde das Verfahren des Rückkehrers negativ entschieden, dieser aber nicht informiert (weil er etwa schon weg war), kann er Beschwerde einlegen.
5. Hat der AW Italien vor seinem persönlichen Interview verlassen und erging folglich eine negative Entscheidung, kann der Rückkehrer ein neues Interview beantragen (AIDA 4.2014).
Die Oberverwaltungsgerichte Rheinland-Pfalz bzw. Nordrhein-Westfalen haben judiziert (OVG RP, 21.02.2014, 10 A 10656/13.OVG <5563063>; OVG NW, 07.03.2014 - 1 A 21/12.A <5462775>), dass nach der EuGH-Rechtsprechung von der Rückführung in den nach der Dublin-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat grundsätzlich nur dann abgesehen werden muss, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen dort an systemischen Mängeln leiden und der Asylbewerber deshalb ernsthaft Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Zwar ist das italienische Asylsystem insbesondere mit den hohen Antragszahlen der Jahre 2008 und 2011 überfordert gewesen und hat noch immer Mängel. Dabei handelt es sich aber nicht um solche systemischer Art. Zum einen hilft Italien den mangelhaften Zuständen ab, sodass sich die Situation in bestimmten Bereichen verbessert hat. Zum anderen sind die Defizite nicht flächendeckend, sondern nur punktuell unzureichend. Das Asyl- und Aufnahmesystem ist mithin nicht faktisch außer Kraft gesetzt. Systemische Mängel ergeben sich auch nicht für Personen, denen bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Nach Ausstellung der Aufenthaltsberechtigung sind sie italienischen Staatsangehörigen beim Zugang zu Arbeitsmarkt und Gesundheitssystem gleichgestellt. Im Vergleich zu Deutschland bedeutend schlechtere Fürsorgeleistungen begründen keinen Anspruch auf Aufenthalt in der Bundesrepublik. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe vorliegen. (BAMF 12.5.2014)
Landesweit stehen ausreichende öffentliche und karitative Unterkunftsmöglichkeiten - bei teilweise lokaler Überbelegung - sowie staatliche bzw. nichtstaatliche Unterstützung einschließlich medizinischer Versorgung bereit. Zudem haben Asylsuchende und Flüchtlinge eine reale Chance, ihre Rechte zeitnah bei Gericht durchzusetzen. Zunehmendes Betteln, insbesondere in Großstädten, lässt sich auf die Hoffnung zusätzlicher Einkünfte zurückführen. Dass keine systemischen Mängel der Aufnahmebedingungen vorliegen, wird durch den EGMR bestätigt (OVG ST, 18.11.2013 - 4 L 44/13 <5521465>). Die prekäre Situation Asylsuchender in besetzten Häusern in Rom, Mailand, Florenz und Turin muss nicht auf landesweit fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten beruhen. Sie kann, wie die Schweizer Flüchtlingshilfe anführt, auch daran liegen, dass die staatlichen Unterbringungszentren auf Sizilien und in Unteritalien verlassen wurden, weil der Aufenthalt in Rom oder in großen Städten Norditaliens attraktiver erschien. Etwaige kurzfristige Überforderungen lokaler Unterbringungskapazitäten begründen keinen Mangel des gesamten Systems. Systemische Mängel sind auch nicht festzustellen bei der Unterbringung der Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt haben und deren Verfahren seit über sechs Monaten läuft. Zudem geht mittlerweile auch der UNHCR davon aus, dass Italien die Entwicklung des Flüchtlingsaufkommens - im Gegensatz zu Griechenland - nicht tatenlos hingenommen hat, sondern die Anzahl der Unterbringungsplätze temporär deutlich erhöht und das Aufnahmesystem insgesamt verbessert hat. Die italienische Regierung realisierte in den letzten Jahren Strukturveränderungen im Asylverfahren auch für Dublin-Rückkehrer. So wurden speziell für sie temporäre Aufnahmezentren geschaffen, in denen vor allem besonders schutzbedürftige Personen untergebracht werden können, bis eine andere Unterbringungsmöglichkeit gefunden ist (VG Hannover, U.v. 13.09.2013) (BAMF 16.1.2014).
Quellen
AIDA - Asylum Information Database (4.2014): National Country Report Italy ...;
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.5.2014):
Entscheiderbrief 5/2014;
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (16.1.2014):
Entscheiderbrief 1/2014
Non-Refoulement
Grundsätzlich bietet Italien Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre. Einige NGOs äußern hier aber Kritik im Zusammenhang mit italienischen Terrorismusgesetzen (USDOS 27.2.2014).
Bereits 2012 und 2013 gab es Berichte, dass in den Adriahäfen Ancona, Bari, Brindisi oder Venedig (sogen. "offizielle Grenzpunkte") direkte und informelle Rückschiebungen von Italien nach Griechenland stattfinden. Es gab Kritik bezüglich eines mangelhaften Screenings der illegal Ankommenden nach Schutzbedürftigen und unbegleiteten Minderjährigen. (vgl. Pro Asyl 7.2012 / HRW 1.2013 / UN 30.4.2013) Italien entgegnete, dass an allen Grenzübergängen volle Information und Hilfe für alle garantiert sei, die Anrecht auf Schutz haben, auch wenn sie zur Einreise nach Italien nicht berechtigt seien. Entlang der Adriaküste arbeiten die Büros der Grenzpolizei eng mit NGOs zusammen. Das beinhalte auch sprachliche und kulturelle Mediation. Das Recht, einen Asylantrag zu stellen, existiere an allen Grenzübergängen in ganz Italien. Unbegleitete Minderjährige würden sofort auf dem ital. Territorium zugelassen und spezialisierten Fürsorgeeinrichtungen anvertraut. (UN 21.5.2013)
Die ital. NGO Medici per I Diritti Umani (MEDU) erneuerte in ihrem Bericht von November 2013 die og. Kritik. Zufolge Daten des ital. Innenministeriums seien 2012 1.809 Migranten in den genannten Adriahäfen bei der illegalen Einreise betreten worden, von denen 90% im Rahmen des bilateralen Rückübernahmeabkommens zwischen Italien und Griechenland von 1999 zurückgeschickt worden seien. Aus den Aussagen betroffener Migranten destillierte MEDU, dass 66 Betroffene, zumeist Syrer und Afghanen, insgesamt 102 Mal zurückgeschickt wurden, davon hätten 49 Fälle im Jahre 2013 stattgefunden und 26 Fälle unbegleitete Minderjährige betroffen. Kritisiert wird unter anderem, dass die Betroffen kaum Zugang zu Dolmetschern bzw. den in den Häfen präsenten NGOs hätten; die Rückschiebungen summarischen Charakter hätten, die Migranten ohne Formalitäten (und damit ohne Beschwerdemöglichkeit) auf derselben Fähre wieder zurückgebracht würden, auf der sie ankamen, und dass die Migranten oft keine Chance hätten, einen Asylantrag zu stellen bzw. ihren Status als Minderjährige vorzubringen (MEDU 11.2013).
Ende März 2014 hat die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren u. a. gegen Italien wegen des möglichen Refoulements syrischer Flüchtlinge eröffnet. Als erster Schritt im Vertragsverletzungsverfahren wurde eine Letter of formal notice an das Land geschickt, in der dieses aufgefordert wird, seine Sicht der Dinge zu präsentieren. (ECRE 4.4.2014)
Quellen
AIDA - Asylum Information Database (4.2014): National Country Report Italy ...;
ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Weekly Bulletin 4 April 2014, per E-Mail;
MEDU - Medici per I Diritti Umani (11.2013): Unsafe Harbours. The Readmissions to Greece from Italian Ports and the Violations of the Migrants' basic Human Rights ...;
USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Italy ...
Versorgung
Unterbringung
AW mit mangelnden finanziellen Mitteln haben das Recht auf Unterbringung. Diese Bedürftigkeit bestätigen sie mittels Selbstdeklaration, die nicht nachgeprüft wird. AW müssen die Unterkunft bei Asylantragstellung auf der Questura gleich mitbeantragen (ad hoc-Obdachlosigkeitserklärung). Die Questura leitet diesen Antrag an die Präfektur weiter, welche für die Verwaltung der lokalen Unterbringungsplätze verantwortlich ist. Obwohl die Berechtigung zur Unterbringung bereits mit dem Fotosegnalamento entsteht, kann es in der Praxis vorkommen, dass der tatsächliche Zugang erst mit der Verbalizzazione entsteht, also vor allem in den großen Städten mitunter Wochen oder Monate später. Aber hier kommt es stark auf die Region und die Antragszahlen an. In dieser Zeit sind die AW Berichten zufolge auf private Möglichkeiten angewiesen, also Freunde, Notunterkünfte oder Obdachlosigkeit.
Die für die Unterbringung zuständige Präfektur hat zwei Hauptmöglichkeiten, AW unterzubringen: im CARA oder im SPRAR-System (AIDA 4.2014).
Die landesweit unterschiedlichen Standards in den Unterbringungszentren werden kritisiert (USDOS 27.2.2014, vgl. auch AIDA 4.2014).
SPRAR
Das Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati (SPRAR) ist das staatlich finanzierte, lokal in kleinen Strukturen organisierte System der Zweitunterbringung von Asylwerbern und Schutzberechtigten in Italien. Neben Unterkunft werden auch Unterstützungs- und Integrationsmaßnahmen bereitgestellt. Die Dauer der Unterbringung liegt in der Regel bei 6 bis 12 Monaten. Das SPRAR-System verfügt über insgesamt 13.020 Plätze in ca. 456 Aufnahmeprojekten, wovon 57 UMA vorbehalten und weitere 32 für geistig beeinträchtigte oder behinderte Personen reserviert sind. 75% der SPRAR-Unterbringungen sind Wohnungen. Es wurde 2013 gesetzlich beschlossen, die Kapazität des SPRAR im Zeitraum 2014-2016 auf bis zu 20.000 Plätze aufzustocken (AIDA 04.2014). SPRAR-Zentren bieten laut Gesetz Übersetzung und sprachlich-kulturelle Vermittlung, Rechtsberatung, Krankenversorgung, sozial-psychologische Unterstützung insbesondere schutzbedürftiger Personen, Integrationsberatung, Beratung zur freiwilligen Rückkehr und Informationen über Freizeitaktivitäten. Untergebrachte im SPRAR-System erhalten ein Taschengeld, das regional unterschiedlich ausfällt (EUR 1,50/Tag im Süden, bis zu EUR 2,- im Norden) (AIDA 4.2014).
CARA
Centri d'Accoglienza Richiedenti Asilo (CARA) sind Aufnahmezentren für Asylwerber. Die Unterbringung in CARA ist vorgesehen, wenn die Identität eines AW überprüft werden muss (max. 20 Tage Aufenthalt) bzw. bei Antragstellung z. B. nach Aufgriff nach illegaler Einreise (max. 35 Tage Aufenthalt). Ist in den SPRAR kein Platz verfügbar, können aber alle AW in den CARA untergebracht werden. Der tatsächliche Unterbringungszeitraum liegt jedoch in der Regel bei 6 Monaten und mehr, da die Asylverfahren so lange dauern und auch in der Beschwerdephase ein Recht auf Unterbringung besteht. Eine Überstellung in SPRAR-Unterkünfte erfolgt nach vorhandener Kapazität und der Dringlichkeit bzw. Vulnerabilität der Fälle (AIDA 4.2014). Es gibt ca. 7.866 Plätze in den 10 CARA Italiens, die zurzeit regional unterschiedlich verteilt ca. 9.600 AW beherbergen sollen. Folglich kämpfen einige CARA mit Überbelegung. CARA bieten grundlegende Versorgung mit Unterkunft, Nahrung, Kleidung, Basisinformationen inkl. rechtlicher Beratung und medizinische Notfallbehandlung. Jeder AW erhält EUR 2,50 Taschengeld pro Tag. Das Leistungsspektrum in CARA ist regional unterschiedlich. Es sollen darunter auch Zentren sein, die ungenügende rechtliche bzw. psychosoziale Beratung bieten (AIDA 4.2014).
Wenn ein Asylverfahren nach sechs Monaten nicht abgeschlossen ist, haben AW das Recht zu arbeiten. Wenn sie tatsächlich arbeiten, müssen sie zu den Kosten ihrer Unterbringung etwas beitragen. In einem etwaigen Beschwerdeverfahren haben AW mit Arbeitserlaubnis kein Recht mehr auf Unterbringung (AIDA 4.2014). Italien geht ab diesem Zeitpunkt davon aus, dass sie für sich selbst sorgen können. Angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise sei es laut SFH aber fast unmöglich, Arbeit zu finden, um eine Wohnung zu mieten und die Existenz zu sichern (SFH 10.2013).
Ist kein Platz für einen AW in einer der beiden Strukturen vorhanden, wäre eigentlich ein Taggeld vorgesehen. In der Praxis wird dieses aber nicht ausbezahlt, sondern der AW trotzdem untergebracht und eine gewisse Überbelegung in Kauf genommen (AIDA 4.2014).
Es gibt Berichte über Fälle, vor allem in den großen Städten, in denen AW in selbstorganisierten Behausungen leben sollen. Als Beispiel wird der sogenannte "Salam-Palace" in Rom genannt, ein leerstehendes Gebäude, in dem angeblich ca. 800 Ostafrikaner leben (AIDA 4.2014). NGOs sprechen von insgesamt 7 solcher Gebäude in Rom mit hunderten Bewohnern (USDOS 27.2.2014) Angeblich ziehen manche Betroffene dies wegen der strengen Regeln der staatlichen oder kirchlichen Unterkünfte, die sich oft auch in entlegenen Gegenden befinden, bewusst der offiziellen Unterbringung vor. Für die meisten sollen mangelnde Aussichten auf einen offiziellen Unterbringungspatz ausschlaggebend sein. In Mailand werden Hausbesetzungen angeblich weniger toleriert, doch soll es ein Areal von besetzten Bahnhofsgebäuden und ein besetztes Spitalgebäude geben (SFH 10.2013).
AW können in CARA auf dem gesamten italienischen Territorium untergebracht werden. Oft aber weigern sich Betroffene, abseits großer Städte untergebracht zu werden, und bleiben lieber außerhalb des CARA-Systems (AIDA 4.2014).
Gemeindeunterkünfte
Sowohl die Gemeinde Rom als auch die Gemeinde Mailand betreiben Informationsschalter, wo sie Unterkunftsplätze auf Gemeindeebene vermitteln. In Rom gibt es 1.300 Plätze (darunter auch die örtlichen SPRAR-Plätze), die Wartezeit soll mind. drei Monate betragen. Häufig sind es nur nachts geöffnete Notschlafplätze. Die Aufenthaltsdauer beträgt sechs bis zwölf Monate. Die Gemeinde Mailand betreibt 400 Plätze des Morcone-Systems (sogen. Centri polifunzionali). Da es in Mailand keine CARA gibt, bilden sie dort die Erstaufnahme. AW können dort zehn Monate lang unterkommen. Die Zentren für Männer sind nur nachts geöffnet. Keinen Zugang hat, wer schon in einem SPRAR-Projekt war (SFH 10.2013).
NGOs
Kirchliche und andere NGOs bieten zusätzlich Notschlafstellen an. Zudem gibt es städtische Notschlafstellen für Obdachlose. Diese Angebote sind nicht spezifisch für Asylwerber und Schutzberechtigte vorgesehen, stehen ihnen aber offen. Aufgrund der starken Fragmentierung des Systems und fehlender Koordination zwischen den einzelnen Akteuren ist es unmöglich, einen Überblick über die gesamte Anzahl an Angeboten und Plätzen zu erhalten. Jedenfalls sind die Kapazitäten beschränkt. Es gibt am Hauptbahnhof Mailand eine Notschlafstelle, die in Zusammenarbeit der Gemeinde Mailand und einer NGO geführt wird. Während der Wintermonate führt die Gemeinde Mailand zusätzliche Notschlafstellen für sämtliche Obdachlose (Italiener und Ausländer). Im Winter 2011/2012 wurden dort 2.506 Personen aufgenommen, davon waren 31% AW oder Schutzberechtigte. Generell sind die staatlichen Notschlafstellen in Mailand für Männer vorgesehen, Frauen können eher in den kirchlichen Strukturen unterkommen. Für Mütter mit Kindern gibt es in Mailand drei Einrichtungen mit insgesamt circa 65 Plätzen. Da die Gemeindeunterkünfte für Männer in Mailand nur nachts geöffnet sind, bieten die NGOs Naga und Asnada tagsüber verschiedene Freizeitaktivitäten, Sprachkurse und Beratung an (SFH 10.2013).
Abgesehen von den staatlichen Unterbringungsmöglichkeiten existiert noch ein Netzwerk privater oder kirchlicher Unterbringungen. Zahlen oder Gesamtkapazitäten sind schwierig festzumachen. Sie erfüllen aber eine wichtige Funktion bei der Unterbringung von Notfällen oder Familien (AIDA 4.2014).
Außer diesen Unterbringungsmöglichkeiten sind noch die Schubhaftkapazitäten Italiens zu erwähnen:
CIE
In den Identifikations- und Abschiebezentren (Centri d'Identificazione ed Espulsione, CIE) werden in der Regel Fremde untergebracht, die außer Landes gebracht werden sollen. Die maximale Aufenthaltsdauer liegt bei 18 Monaten, durchschnittlich liegt sie laut italienischem Innenministerium bei 38 Tagen.
2013 waren gesamt 6.016 Migranten in CIE inhaftiert. AW dürfen in Italien nicht wegen Asylantragstellung inhaftiert werden. Ebenso dürfen Kinder nicht inhaftiert werden, es sei denn zusammen mit Familienangehörigen, was aber selten vorkommen soll (AIDA 4.2014).
Stellt ein Fremder in einem CIE einen ersten Asylantrag, hat das auf die Außerlandesbringung grundsätzlich aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über den Antrag (UN 30.4.2013).
In Italien sind momentan 5 CIE mit einer Maximalkapazität von 1.828 Plätzen operativ (7 weitere sind temporär geschlossen). Mit 19.3.2014 waren in diesen 5 Zentren genau 367 Personen inhaftiert (AIDA 4.2014).
Die Bedingungen in den CIE sind regional unterschiedlich, sollen Berichten zufolge aus Finanzierungsmangel aber eher schlecht sein (AIDA 4.2014).
Quellen
AIDA - Asylum Information Database (4.2014): National Country Report Italy ...;
SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (10.2013): Italien:
Aufnahmebedingungen. Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden ...;
UN Human Rights Council (30.4.2013): Report by the Special Rapporteur on the human rights of migrants, François Crépeau. Addendum. Mission to Italy (29.9-8.10.2012) ...;
USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Italy ...
Dublin-Rückkehrer
Als größtes Problem für Rückkehrer wird die Unterbringungssituation betrachtet. Dublin-Rückkehrer, die zuvor in Italien nicht untergebracht waren, haben bei Rückkehr Zugang zu Unterbringung. Eine Aussage darüber, wie lange es dauert, bis auch tatsächlich ein Platz gefunden ist, ist nicht möglich.
Rückkehrer, die bereits untergebracht waren, haben zum Teil bereits abgeschlossene Verfahren in Italien und gelten somit bei Rückkehr nicht als AW und sind zur Unterbringung in CARA nicht mehr berechtigt (AIDA 4.2014). Außerdem verliert ein AW, der dem Unterbringungszentrum ohne Genehmigung fernbleibt, seinen Platz und bekommt diesen während der ersten sechs Monate nicht wieder zurück (SFH 5.2011).
Rückkehrer, die bereits einen Schutzstatus in Italien haben, und zuvor bereits in CARA untergebracht waren, haben bei Rückkehr kein Recht mehr auf Unterbringung dort. Wenn allerdings Plätze in CARA frei sind, können sie dennoch untergebracht werden, während sie versuchen, ihre Aufenthaltserlaubnis zu erneuern (AIDA 4.2014).
Laut SFH machen Dublin-Rücküberstellte nur einen kleinen Teil der im SPRAR Untergebrachten aus (SFH 10.2013). Laut AIDA kommen Rückkehrer, die schon einmal im SPRAR untergebracht waren, für eine weitere Unterbringung dort gar nicht mehr infrage (AIDA 4.2014).
Es werden Versuche unternommen, die Unterbringungssituation zu verbessern. In den letzten Jahren wurden mit Hilfe des Europäischen Flüchtlingsfonds (ital.: Fondo europeo per i rifugiati, FER) vermehrt temporäre Unterkünfte für Dublin-Rückkehrer im Bereich jener Flughäfen finanziert, an denen diese hauptsächlich ankommen. Zurzeit sind 13 dieser Unterkünfte operativ (Gesamtkapazität: 572 Plätze), davon 7 speziell für Vulnerable. 4 solche Unterkünfte befinden sich in Rom, 3 in Mailand, je 2 in Venedig, Bologna und Bari.
In Rom gibt es das A. M. I. C. I. (Accogliere, Mediare, Informare, Curare, Integrare)-Projekt, das sich um die medizinisch-soziale Versorgung vulnerabler Dublin-Rückkehrer kümmert, das von der Università Cattolica del Sacro Cuore und dem Roten Kreuz betrieben wird. In Rom gibt es noch andere Unterbringungsmöglichkeiten speziell für Dublin-Rückkehrer, wie etwa das Projekt Centro Dublino, das öffentlich finanziert und von Domus Caritatis betrieben wird. Sie richten sich speziell an Dublin-Rückkehrer oder vulnerable Gruppen unter diesen. Sobald die Rückkehrer am Flughafen ankommen, erhalten sie Unterstützung durch eine NGO und werden auf Basis der individuellen Situation (Vulnerabilität) einem Unterbringungszentrum zugewiesen. Bedenken bezüglich mangelnder Unterbringungskapazitäten werden aber weiterhin geäußert (AIDA 4.2014).
In den vom Europäischen Flüchtlingsfonds finanzierten Unterkünften, welche speziell für die von den Flughafen-NGOs zu vermittelnden Rückkehrer da sind, gibt es einige Plätze für Familien. Weiters bieten gewisse kirchliche Einrichtungen Plätze für alleinerziehende Frauen mit Kindern an. Familien und Alleinerziehende können häufig länger in einer Unterkunft bleiben als Einzelpersonen. Laut SPRAR ist es für Familien besonders schwierig, nach Ablauf der Zeit im SPRAR unabhängig zu werden. Es sei aber noch nie vorgekommen, dass eine Familie SPRAR verlassen musste und dann keine Unterkunft hatte. (SFH 10.2013)
Im Rahmen eines vom Europäischen Flüchtlingsfonds geförderten Projektes am Flughafen Rom Fiumicino arbeiten die NGOs Casa della Solidarietà, Arciconfraternita, Università Cattolica del Sacro Cuore und Rotes Kreuz für die Aufnahme und Unterbringung von Dublin-Rückkehrern.
Casa della Solidarietà ist in Zusammenarbeit mit Arciconfraternita für nicht-vulnerable Dublin-Rückkehrer zuständig, Rotes Kreuz in Zusammenarbeit mit Università Cattolica del Sacro Cuore hingegen für vulnerable Gruppen.
Die Dublin-Rückkehrer werden nach Ankunft in das Zentrum für Vulnerable in der Viale Morandi 153, in einer relativ zentralen Gegend Roms, gebracht. Dieses Zentrum wurde am 12.12.2012 eröffnet und bietet 90 Personen Platz. Eine der Prioritäten des Zentrums ist, Unterstützung beim Einleben in Italien und die Erhaltung der Selbständigkeit.
Das Zentrum bietet 3 Arten von Dienstleistungen an:
1. medizinische und psychologische Versorgung für alle Anwesenden in Zusammenarbeit mit dem Policlinio Gemelli (eines der größten Krankenhäuser Roms). Hierzu kommen mehrere Ärzte regelmäßig ins Zentrum, um die notwendigen Untersuchungen und Behandlungen durchzuführen. Für kompliziertere Untersuchungen mit Spezialgeräten können die Einwohner des Heimes ins Policlinico gehen und bekommen innerhalb von wenigen Tagen einen Termin dafür (Italiener müssen oft monatelang auf einen solchen Termin warten).
2. Rechtliche Beratung für alle bezüglich Asylantrag und sonstigen rechtlichen Belange.
3. Soziale Vermittlung: dieser Bereich soll den Fremden helfen, sich in Italien einzuleben. Die darin enthaltenen Dienstleistungen umfassen u. a. die Einschreibung ins Gesundheitssystem, Berufsorientierungskurse, Arbeitsmöglichkeiten in Italien, Integration, Sprachkurse, Veranstaltungen zur Begegnung und Förderung der sozialen Eingliederung.
Das Zentrum bietet auch Kinderbetreuung mit Theater- und Musikkursen, Erzählstunden, Spielstunden, etc. Für Erwachsene bietet es Hilfe beim Zugang zum Arbeitsmarkt nach der erfolgten Anerkennung des Flüchtlingsstatus.
Es gibt auch eine Art Taschengeld, das aber als "Belohnung" für die Beteiligung an Sprachkursen oder Ausbildungskursen zugesprochen wird: wenn die Einwohner des Zentrums in einer Woche mindestens 50% der vorgesehenen Stunden besucht haben, erhalten sie einen Tagessatz von ca. 5€ als Taschengeld ausgezahlt. Zusätzlich dazu gibt es Telefonwertkarten für internationale Telefongespräche und kostenlosen Internetzugang im Zentrum.
Bei Bedarf wird den Fremden auch Kleidung zur Verfügung gestellt (neue oder hochwertige gebrauchte Kleidungsstücke).
Diese Dienstleistungen sind bis 30. Juni 2014 genehmigt und vom ital. Innenministerium im Rahmen des FER-Programmes finanziert worden. (VB 8.3.2013)
Quellen
AIDA - Asylum Information Database (4.2014): National Country Report Italy ...;
SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (05.2011): Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien ...;
SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (10.2013): Italien:
Aufnahmebedingungen. Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden ...;
VB des BM.I Italien (8.3.2013): Auskunft des VB, per E-Mail ..."
Medzinische Versorgung
CARA-Insassen sind zu Leistungen des Nationalen Gesundheitsdienstes berechtigt.
In den Zentren der Regierung ist psychische und physische Gesundheit ein unveräußerliches Recht des Einzelnen. Bei Einzug in ein Zentrum wird bei der medizinischen Eingangsuntersuchung auch ihre psychosoziale Situation bewertet.
Der soziale Schutz von werdenden Müttern und Müttern und der Schutz der psychischen und physischen Gesundheit von Minderjährigen sind ohne Ansicht einer Aufenthaltserlaubnis in den ital. Gesetzen garantiert.
In Italien sind alle Fremden, auch jene, die sich nicht an die Regeln des Aufenthalts halten, zu Nothilfe und Behandlung durch den Nationalen Gesundheitsdienst berechtigt. Letztere werden auch nicht der Polizei gemeldet. (CoE 18.9.2012)
Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Wenn AW in einem Zentrum leben, wird diese Anmeldung von der Leitung für sie erledigt. Für die Anmeldung sind folgende Dokumente wichtig: Aufenthaltsgenehmigung, Registrierung im Personenstandsregister und Steuernummer (codice fiscale). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt.
Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern.
In den ersten 6 Monaten ihres Aufenthalts in Italien (in denen AW nicht arbeiten dürfen) sind AW arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. Dazu ist auch eine Selbstdeklaration als bedürftig notwendig, die der AW beim zuständigen ASL abgibt (in den Zentren wird den AW üblicherweise dabei geholfen). Nach Ablauf der ersten 6 Monate müssen sich AW offiziell arbeitslos melden, um die Ticketbefreiung behalten zu können (AIDA 4.2014).
Wer keine Meldeadresse vorweisen kann, bekommt keine Gesundheitskarte und hat lediglich Zugang zu medizinischer Notversorgung. In Rom und einigen anderen Gemeinden dürfen die ASL auch fiktive Adressen akzeptieren (NGOs stellen Asylwerbern ohne festen Wohnsitz ihre Büroadressen als Meldeadresse zur Verfügung), damit die Asylwerber Zugang zu den Gesundheitsleistungen erhalten können. (NOAS 4.2011)
AW mit psychischen Problemen, darunter Folteropfer usw., haben das Recht auf dieselbe Behandlung wie italienische Staatsbürger. In der Praxis können sie von spezialisierten Dienstleistungen im Rahmen des Nationalen Gesundheitsdienstes profitieren. Außerdem gibt es spezialisierte NGOs und Private. 2007 wurde von UNHCR u. a. das Italian Network for Asylum Seekers who Survived Torture (NIRAST) gegründet, das zu einem Netzwerk medizinischer Zentren in ganz Italien anwuchs, das sich mit der Verbesserung der Standards bei der Identifikation von Folteropfern und deren psychosozialer und rechtlicher Betreuung beschäftigt. Trainings für Mediziner in den CARA und lokalen Gesundheitseinrichtungen in der Nähe von Territorialkommissionen wurden durchgeführt, mit dem Effekt, dass diese nun über Mitarbeiter verfügen, die in der Lage, sind Folteropfer zu erkennen und zu behandeln. Das Programm musste aber im März 2012 beendet werden und sucht nach weiterer Finanzierung (AIDA 4.2014).
Sowohl in Rom als auch in Mailand gibt es Projekte, die psychologische oder psychiatrische Behandlung anbieten:
Das Projekt Ferite Invisibili der Caritas Rom richtet sich an Folteropfer. Zwei Psychiater und vier Psychologen behandeln ungefähr 20 Personen pro Woche. Seit Gründung des Projekts vor acht Jahren wurden insgesamt 215 Patienten behandelt. Die Wartezeit auf einen Termin beträgt ein paar Monate. Die behandelten Personen haben entweder einen Schlafplatz, oder Ferite Invisibili versucht, einen zu finden. Eine Behandlung dauert ungefähr drei bis vier Monate (15 bis 20 Sitzungen). Das Projekt verfügt auch über Dolmetscher und interkulturelle Mediatoren.
SaMiFo (Salute Migranti Forzati) ist ein gemeinsames Projekt von nationalem Gesundheitsdienst und Centro Astalli. Es bietet in einem Ambulatorium psychiatrische Behandlung vor allem für Asylwerber. Voraussetzung ist, dass diese bereits im öffentlichen Gesundheitssystem angemeldet sind.
In Mailand bieten Freiwillige der NGO Naga Gespräche und Aktivitäten für traumatisierte Personen an. Wenn jemand schwerere psychische Probleme hat, wird er an einen Psychologen des öffentlichen Gesundheitssystems verwiesen.
Die ambulanten Angebote haben beschränkte Kapazitäten. (SFH 10.2013)
In den CIE sind psychologische und rechtliche Unterstützung unsystematisch. Die Standards für die Unterbringung Vulnerabler sollen ungenügend sein, das sei aber wiederum regional unterschiedlich (AIDA 4.2014).
Irreguläre Migranten haben das Recht auf medizinische Notversorgung und präventive Versorgung zum Schutz der individuellen und kollektiven Gesundheit. Damit haben sie dieselben Rechte wie italienische Staatsbürger (AIDA 4.2014).
Im Mailänder Morcone System sollten kranke Personen, insbesondere solche mit psychiatrischen Problemen, eigentlich keinen Zugang haben, da es für sie aber keine Alternative gibt, werden sie faktisch trotzdem aufgenommen. Für Personen mit erkennbaren psychischen Problemen gibt es zehn spezielle Aufnahmeplätze (je fünf für Männer und Frauen) sowie ein von einer Privatorganisation geführtes Tageszentrum mit Aktivitäten, wo sie unterstützt werden. Werden nach Aufnahme im Morcone-System psychische Probleme festgestellt, bleibt die Person dort untergebracht und eine Behandlung wird in Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen organisiert, die auf Ethno-Psychiatrie spezialisiert sind. (SFH 10.2013)
Quellen
AIDA - Asylum Information Database (4.2014): National Country Report Italy ...;
CoE - Council of Europe (18.9.2012): Commissioner for Human Rights:
Comments by the Italian Authorities on the Commissioner for Human Rights- Report on Italy ...;
NOAS - The Norwegian Organization for Asylum Seekers (4.2011): The Italian Approach to Asylum: System and core Problems ...;
SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (10.2013): Italien:
Aufnahmebedingungen. Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden ..."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass das italienische Asylwesen systemische Mängel aufweise, weshalb im Fall einer Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK drohe. Die Unterbringung und die medizinische Versorgung der beschwerdeführenden Partei wäre in Italien nicht gewährleistet. Zur Untermauerung dieses Vorbringens zitierte die beschwerdeführende Partei einige Berichte zur Lage von Asylwerbern und anderen Gruppen von Drittstaatsangehörigen in Italien sowie mehrere deutsche erstinstanzliche Verwaltungsgerichtsenscheidungen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die beschwerdeführende Partei reiste im Februar 2004 über Italien illegal in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein und stellte dort zwei Asylanträge, welche abgewiesen wurden. Die beschwerdeführende Partei erhielt in Italien zeitweise ein Aufenthaltsrecht. Im Juni 2013 begab sich die beschwerdeführende Partei illegal in die Schweiz und brachte einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein. Nach der Rücküberstellung aus der Schweiz nach Italien im Rahmen eines Dublin-Verfahrens am 06.09.2013 reiste die beschwerdeführende Partei schließlich illegal in das österreichische Bundesgebiet und brachte am 28.11.2013 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein. Das Bundesasylamt richtete am 02.12.2013 ein auf Art. 16. Abs. 1 lit. c Dublin II-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Mit einem am 03.12.2013 eingelangten Schreiben stimmte Italien dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 2 Dublin II-Verordnung ausdrücklich zu. Ab dem März 2014 war die beschwerdeführende Partei unbekannten Aufenthaltes, was dem Mitgliedstaat Italien schriftlich mitgeteilt wurde.
Besondere, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.
Die beschwerdeführende Partei steht wegen einer paranoiden Schizophrenie in ambulanter Behandlung und erhält eine medikamentöse Therapie.
Die beschwerdeführende Partei hat in Österreich keine besonderen privaten oder familiären Bindungen.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften, und wurden von der beschwerdeführenden Partei lediglich hinsichtlich der Lage im Mitgliedstaat bestritten.
Die beschwerdeführende Partei wies auf einzelne Missstände im zuständigen Mitgliedstaat hin. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2013 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
...
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
...
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt."
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin II-Verordnung (§ 2 Abs. 1 Z 8 AsylG 2005) lauten:
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin II-Verordnung prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
Nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung kann abweichend von Abs. 1 jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
In den Art. 5ff Dublin II-Verordnung werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.
Art. 10 Abs. 1 Dublin II-Verordnung lautet: "(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."
Nach Art. 16 Abs. 1 Dublin II-Verordnung ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten:
a) einen Asylbewerber, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 17 bis 19 aufzunehmen;
b) die Prüfung des Asylantrags abzuschließen;
c) einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen;
d) einen Asylbewerber, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen;
e) einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen.
Art. 16 Abs. 2 Dublin II-Verordnung lautet: "Erteilt ein Mitgliedstaat dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel, so fallen diesem Mitgliedstaat die Verpflichtungen nach Abs. 1 zu."
In Art. 49 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) ist zu deren Inkrafttreten und Anwendbarkeit Folgendes geregelt:
"Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden, und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 ."
Im vorliegenden Fall ist die Dublin II-Verordnung anzuwenden, weil die beschwerdeführende Partei den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz bereits am 28.11.2013 einbrachte.
Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Italiens ergibt. Dies folgt aus den Bestimmungen der Art. 10 Abs. 1 sowie Art. 16 Abs. 1 und 2 Dublin II-Verordnung.
In einem Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 16 Dublin II-Verordnung findet eine neuerliche Überprüfung der Richtigkeit der seinerzeit erfolgten Zuständigkeitsbestimmung nicht mehr statt, es ist vielmehr primär zu prüfen, ob die Zuständigkeit inzwischen wieder erloschen ist (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 6 zu Art. 18). Es ist allerdings eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung diese Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12). Im vorliegenden Fall gibt es für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Italien keine Anhaltspunkte.
Im Übrigen sprach der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich, aus, Art. 19 Abs. 2 Dublin II-Verordnung ist dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.
Nach dieser Rechtsprechung regeln also die Zuständigkeitskriterien der Dublin II-Verordnung die subjektiven Rechte der Mitgliedstaaten untereinander, begründen aber kein subjektives Recht eines Asylwerbers auf Durchführung seines Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat der Union. Im Übrigen sieht in ähnlicher Weise auch die österreichische Rechtsordnung kein subjektives Recht eines Asylwerbers auf Durchführung seines Asylverfahrens in einem bestimmten Bundesland vor, sondern es obliegt vielmehr die Auswahl der jeweils zuständigen Regionaldirektion des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl entsprechend den sachlichen Notwendigkeiten allein dieser Behörde.
Zu einer Verpflichtung Österreichs, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung Gebrauch zu machen, wird bemerkt:
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Fremdenrechtspaket 2005 führen zu der damals geschaffenen Bestimmung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes aus (952 BlgNR, 22. GP):
"Es ist davon auszugehen, dass diese Staaten Asylwerbern ein faires, den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Vorschriften entsprechendes Asylverfahren einräumen. Im zweiten Erwägungsgrund der Präambel zur Dublin-Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die Mitgliedstaaten als "sichere Staaten" - insbesondere die Grundsätze des Non-Refoulements beachtend - für Drittstaatsangehörige ansehen. Daher normiert Abs. 3 eine Beweisregel, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Im Erkenntnis des VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, führt dieser - noch zum AsylG 1997 - aus, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des Dublin-Übereinkommens nicht darauf ankommt, dass dieser Mitgliedstaat dem Asylwerber alle Verfahrensrechte nach Art. 13 EMRK einräumt. Verlangt sei statt einer detaillierten Bewertung der diesbezüglichen Rechtslage des anderen Mitgliedstaats lediglich eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Österreich durch die Überstellung. Dabei ist auf die "real risk"-Judikatur des EGMR abzustellen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Dies wird durch die neue Beweisregel des Abs. 3 für Verfahren nach § 5 hervorgehoben, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Behörde entweder notorisch von solchen Umständen - die nur nach einer entscheidenden Änderung zum jetzigen Zustand im jeweiligen Staat vorliegen können - weiß oder diese vom Asylwerber glaubhaft gemacht werden müssen."
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z. B. VfGH 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären, etwa durch eine Kettenabschiebung.
Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S./Vereinigtes Königreich, befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat (Rn. 82 bis 85), sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86):
"75. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Die Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention und des Protokolls von 1967 ist in Art. 18 der Charta und in Art. 78 AEUV geregelt (vgl. Urteile vom 2. März 2010, Salahadin Abdulla u. a., C-175/08 , C-176/08 , C-178/08 und C-179/08 , Slg. 2010, I-1493, Randnr. 53, und vom 17. Juni 2010, Bolbol, C-31/09 , Slg. 2010, I-0000, Randnr. 38).
76. Wie oben in Randnr. 15 ausgeführt, heißt es in den einzelnen Verordnungen und Richtlinien, die für die Ausgangsverfahren einschlägig sind, dass sie die Grundrechte und die mit der Charta anerkannten Grundsätze achten.
77. Nach gefestigter Rechtsprechung haben überdies die Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht unionsrechtskonform auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts stützen, die mit den durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts kollidiert (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Lindqvist, C-101/01 , Slg. 2003, I-12971, Randnr. 87, und vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C-305/05 , Slg. 2007, I-5305, Randnr. 28).
78. Die Prüfung der Rechtstexte, die das Gemeinsame Europäische Asylsystem bilden, ergibt, dass dieses in einem Kontext entworfen wurde, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen.
79. Gerade aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Verordnung Nr. 343/2003 erlassen und die oben in den Randnrn. 24 bis 26 genannten Übereinkommen und Abkommen geschlossen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem "forum shopping" zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen.
80. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht.
81. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist.
82. Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 343/2003 berühren würde.
83. Auf dem Spiel stehen nämlich der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet.
84. Es wäre auch nicht mit den Zielen und dem System der Verordnung Nr. 343/2003 vereinbar, wenn der geringste Verstoß gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen würde, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Mit der Verordnung Nr. 343/2003 soll nämlich, ausgehend von der Vermutung, dass die Grundrechte des Asylbewerbers in dem normalerweise für die Entscheidung über seinen Antrag zuständigen Mitgliedstaat beachtet werden, wie in den Nrn. 124 und 125 der Schlussanträge in der Rechtssache C-411/10 ausgeführt worden ist, eine klare und praktikable Methode eingerichtet werden, mit der rasch bestimmt werden kann, welcher Mitgliedstaat für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist. Zu diesem Zweck sieht die Verordnung Nr. 343/2003 vor, dass für die Entscheidung über in einem Land der Union gestellte Asylanträge nur ein Mitgliedstaat zuständig ist, der auf der Grundlage objektiver Kriterien bestimmt wird.
85. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen der Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Verordnung Nr. 343/2003 genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist.
86. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.
...
88. Bei einem Sachverhalt, der denen der Ausgangsverfahren gleicht, nämlich einer Überstellung eines Asylbewerbers an Griechenland, den im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zuständigen Mitgliedstaat, im Juni 2009, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte u. a. entschieden, dass das Königreich Belgien gegen Art. 3 EMRK verstoßen habe, indem es den Beschwerdeführer zum einen den sich aus den Mängeln des Asylverfahrens in Griechenland ergebenden Risiken ausgesetzt habe, da die belgischen Behörden gewusst hätten oder hätten wissen müssen, dass eine gewissenhafte Prüfung seines Asylantrags durch die griechischen Behörden in keiner Weise gewährleistet gewesen sei, und indem es ihn zum anderen wissentlich Haft- und Existenzbedingungen ausgesetzt habe, die eine erniedrigende Behandlung darstellten (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Januar 2011, M.S.S./Belgien und Griechenland, noch nicht im Recueil des arrêts et décisions veröffentlicht, §§ 358, 360 und 367).
89. Das in jenem Urteil beschriebene Ausmaß der Beeinträchtigung der Grundrechte zeugt von einer systemischen Unzulänglichkeit des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland zur Zeit der Überstellung des Beschwerdeführers M.S.S.
...
105. In Anbetracht dessen ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass das Unionsrecht der Geltung einer unwiderlegbaren Vermutung entgegensteht, dass der im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 als zuständig bestimmte Mitgliedstaat die Unionsgrundrechte beachtet.
106. Art. 4 der Charta ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden.
107. Ist die Überstellung eines Antragstellers an einen anderen Mitgliedstaat der Union, wenn dieser Staat nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung Nr. 343/2003 als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt worden ist, nicht möglich, so hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag im Sinne des Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung selbst zu prüfen, die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob anhand eines der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
108. Der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, hat jedoch darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 selbst prüfen."
Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:
Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).
Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).
Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Im Fall D./Vereinigtes Königreich, EGMR 02.05.1997, 30240/96, lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass der Beschwerdeführer schwerkrank war und dem Tod nahe schien, für ihn in seinem Herkunftsstaat eine Pflege oder medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden konnte und er dort keine Familie hatte, die ihn pflegen oder auch nur mit einem Mindestmaß an Lebensmitteln, Unterkunft oder sozialer Unterstützung versorgen hätte können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 42).
Der EGMR schloss nicht aus, dass es andere ganz außergewöhnliche Fälle geben kann, in denen die humanitären Erwägungen ähnlich zwingend sind. Er hielt es jedoch für geboten, die im Fall D./Vereinigtes Königreich festgelegte und in der späteren Rechtsprechung angewendete hohe Schwelle beizubehalten. Er erachtete diese Schwelle für richtig, weil der behauptete drohende Schaden nicht aus den absichtlichen Handlungen oder Unterlassungen staatlicher Behörden oder nichtstaatlicher Akteure resultiert, sondern aus einer natürlich auftretenden Krankheit und dem Fehlen ausreichender Ressourcen für ihre Behandlung im Zielstaat. Wenn die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver als im Aufenthaltsstaat ist, dann ist dies unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 43; 22.06.2004, 17868/03, Ndangoya; 06.02.2001, 44599/98, Bensaid, Rn. 38; vgl. auch VfGH 06.03.2008, B 2400/07).
Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR hindert auch die Selbstmorddrohung einer Person den Vertragsstaat nicht an der Durchsetzung einer beabsichtigten Ausweisung, sofern konkrete Maßnahmen zwecks Verhütung der Ausführung der Drohung ergriffen werden. Dies gilt auch im Fall bereits früher begangener Selbstmordversuche (z. B. EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev; 04.07.2006, 24171/05, Karim).
Im vorliegenden Fall steht die beschwerdeführende Partei wegen einer paranoiden Schizophrenie in ambulanter Behndlung und erhält eine medikamentöse Therapie.
Die gesundheitlichen Probleme der beschwerdeführenden Partei weisen somit keinesfalls jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich etwa die beschwerdeführende Partei in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Laut den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides wird Asylwerbern im zuständigen Mitgliedstaat die notwendige medizinische Versorgung gewährt und können daher die erforderlichen Therapien auch in diesem Mitgliedstaat der Union erfolgen. In diesem Staat sind alle Krankheiten uneingeschränkt behandelbar. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich auch unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.
Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.
Insgesamt gesehen handelt es sich daher im vorliegenden Fall nach dem Maßstab der Rechtsprechung des EGMR um keinen ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die humanitären Gründe gegen die Rückführung zwingend sind, fehlt es doch an sämtlichen dafür maßgeblichen Kriterien: Denn im Fall D./Vereinigtes Königreich lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass sich der Beschwerdeführer erstens in der Endphase einer tödlichen Erkrankung befand, nämlich wegen AIDS im letzten Stadium bereits stationär in einem Krankenhaus aufgenommen wurde, dass zweitens für ihn im Herkunftsstaat keine Krankenbehandlung und -pflege verfügbar war und dass drittens mangels Angehöriger im Herkunftsstaat seine Grundbedürfnisse nicht gesichert waren.
Die Beschwerdeausführungen zu verschiedenen Problemen des Asylwesens in Italien sind letztlich nicht geeignet, die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zu entkräften. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für nach Italien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.
Wie im angefochtenen Bescheid ausführlich und unter Heranziehung zahlreicher aktueller Berichte dargelegt wurde, ist in Italien insbesondere auch die Versorgung der Asylwerber grundsätzlich gewährleistet. Nach den Länderberichten zu Italien kann letztlich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Fall einer Überstellung nach Italien konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Insgesamt gesehen herrschen somit im Mitgliedstaat Italien nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären.
Es liegen auch keine Verurteilungen Italiens durch den EGMR oder EuGH vor, die eine Praxis systemischer Mängel des italienischen Asylwesens, insbesondere im Fall von Dublin-Rücküberstellten aus anderen EU-Staaten, erkennen ließen. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich außerdem, dass die Verletzung einzelner Bestimmungen von Richtlinien nicht schon per se mit einem systemischen Mangel gleichzusetzen ist (EuGH 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S./Vereinigtes Königreich, Rn. 82 bis 85).
Aus der vereinzelten Zuerkennung des einstweiligen Rechtsschutzes durch den EGMR können keine über den jeweiligen Einzelfall hinausgehenden Schlüsse gezogen werden. Die auf der Internetseite des EGMR abrufbare Statistik über einstweilige Maßnahmen des vorläufigen Rechtschutzes zeigt etwa, dass in Bezug auf geplante Ausweisungen nach Italien zwar in mehreren Einzelfällen die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Diesen Entscheidungen steht jedoch eine Mehrzahl von Fällen gegenüber, in denen die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes abgelehnt wurde. Zuletzt kam der EGMR mehrfach zu der Beurteilung, dass in Italien eine Situation systemischer Mängel wie in Griechenland nicht vorliegt (z. B. EGMR 02.04.2013, 27725/10, Mohammed Hussein u. a.).
Auch verschiedene Einzelfallentscheidungen deutscher Gerichte belegen nicht solche systemischen, regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen führenden Mängel in Italien, handelt es sich doch zumeist um solche betreffend die Zuerkennung der aufschiebender Wirkung. Die Schweizer Rechtsprechung vertritt durchgängig eine mit der österreichischen vergleichbare Linie (Schweizer Bundesverwaltungsgericht 06.02.2013, E-360/2013; 13.02.2013, verstärkter Senat, E-370/2012; 14.02.2013, E-627/2013 und E-607/2013).
Zu der in einzelnen Berichten zum Ausdruck kommenden Kritik an der wirtschaftliche Lage einzelner Gruppen von Einwanderern in Italien ist zu bemerken, dass die in der Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG festgelegten Aufnahmebedingungen keineswegs für alle Drittstaatsangehörigen gelten, sondern laut deren Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 lit. c nur für Asylwerber, über deren Asylantrag noch nicht endgültig entschieden wurde. Hingegen müssen die Mitgliedstaaten gegen alle illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen nach Art. 6 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung erlassen. Letztlich ist also die Situation von Asylwerbern, die aufgrund der der Dublin III-Verordnung nach Rom oder Mailand rücküberstellt werden, in keiner Weise mit der Lage von illegalen Einwanderern auf italienischen Mittelmeerinseln oder von anderen Drittstaatsangehörigen vergleichbar.
Die beschwerdeführende Partei gab selbst an, dass seine illegale Einreise in die Europäische Union aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte. Daher stellen sich seine Asylanträge als offensichtlicher Missbrauch der für Flüchtlinge geschaffenen Rechtsinstitute dar. Die itailienischen Behörden stimmten jedenfalls der Wiederaufnahme der beschwerdeführenden Partei, welche sich neun Jahre in diesem Mitgliedstaat aufhielt und dort zeitweise ein Aufenthaltsrecht besaß, ausdrücklich zu. Es ist daher davon auszugehen, dass die italienischen Behörden die beschwerdeführende Partei entsprechend den unionrechtlichen und italienischen Rechtsvorschriften wieder aufnehmen und diesem entweder ein Aufenthaltsrecht erteilen oder für die Rückführung in den Herkunftsstaat sorgen werden.
Auch sonst konnte die beschwerdeführende Partei keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprächen, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.
Jedenfalls hat die beschwerdeführende Partei die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Italien und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.
Zu einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC wurde erwogen:
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Im vorliegenden Fall hat die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens zur Folge. Ein solcher Eingriff verstößt nur dann gegen die EMRK, wenn er nicht die Erfordernisse des Art. 8 Abs. 2 erfüllt. Es ist demnach zu überprüfen, ob er gesetzlich vorgesehen ist, im Sinn dieses Absatzes ein oder mehrere legitime Ziele verfolgt und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.
Die gegenständliche aufenthaltsbeendende Maßnahme stützt sich unbestrittenermaßen auf eine gesetzliche Bestimmung und sie verfolgt Ziele, die mit der EMRK in Einklang stehen, nämlich insbesondere die Verteidigung der Ordnung im Bereich des Fremden- und Asylwesens sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes.
Es bleibt noch zu überprüfen, ob diese Maßnahme in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, das heißt durch ein vorrangiges soziales Bedürfnis gerechtfertigt und insbesondere in Bezug auf das verfolgte legitime Ziel verhältnismäßig ist (EGMR 02.08.2001, 54273/00, Boultif, RN 46; 18.10.2006, Große Kammer, 46410/99, Üner, RN 57f; 16.04.2013, 12020/09, Udeh, RN 45; VfGH 29.09.2007, B 1150/07).
In diesem Sinn ordnet auch § 9 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 an:
"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist."
Nach diesem Regelungssystem ist somit anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles eine Interessenabwägung am Maßstab des Art. 8 EMRK durchzuführen. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme darf nur erlassen werden, wenn die dafür sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wiegen als die persönlichen Interessen des Drittstaatsangehörigen und seiner Familie an dessen weiterem Verbleib in Österreich. Bei dieser Interessenabwägung sind folgende Kriterien nach der Methode des beweglichen Systems in einer Gesamtbetrachtung zu bewerten, indem das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Kriterien zueinander in eine Beziehung zu setzen und eine wechselseitige Kompensation der einzelnen Gewichte vorzunehmen ist:
die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten;
die seit der Begehung der Straftaten vergangene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers in dieser Zeit;
die Aufenthaltsdauer im ausweisenden Staat;
die Staatsangehörigkeit der einzelnen Betroffenen;
die familiäre Situation des Beschwerdeführers und insbesondere gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe und andere Faktoren, welche die Effektivität eines Familienlebens bei einem Paar belegen;
die Frage, ob der Ehegatte von der Straftat wusste, als die familiäre Beziehung eingegangen wurde;
die Frage, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und welches Alter sie haben;
die Schwierigkeiten, denen der Ehegatte im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers begegnen könnte;
das Wohl der Kinder, insbesondere die Schwierigkeiten, denen die Kinder des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat begegnen könnten;
die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufenthaltsstaat und zum Herkunftsstaat.
Der Grad der Integration manifestiert sich nach der Rechtsprechung insbesondere in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben und der Beschäftigung (VfGH 29.09.2007, B 1150/07).
Diese sowie einige weitere von der Rechtsprechung einzelfallbezogen herausgearbeiteten Kriterien für die Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK werden auch in § 9 Abs. 2 BFA-VG aufgezählt:
"(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
Im vorliegenden Fall ergab die durchgeführte Interessenabwägung, dass die für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wiegen als die persönlichen Interessen des Drittstaatsangehörigen.
Denn die beschwerdeführende Partei verbrachte den Großteil des Lebens im Herkunftsstaat und reiste erst im November 2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Er verfügte zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich, sondern stützte den Aufenthalt vielmehr von Anfang an nur auf einen unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz.
Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u. a.) stellen die Regeln des Einwanderungsrechtes eine ausreichende gesetzliche Grundlage in Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine aufenthaltsbeendende Maßnahme, welche dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchführung der Einwanderungskontrolle dient, nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.09.2007, B 328/07; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012; 18.10.2012, 2010/22/0130).
Auch bei einem Eingriff in das Privatleben misst die Rechtsprechung im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dem Umstand wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfGH 12.06.2013, U 485/2012; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012).
Im vorliegenden Fall ergaben sich keine Hinweise auf eine bereits fortgeschrittene Integration der beschwerdeführenden Partei in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer. Ein Beschäftigungsverhältnis oder Deutschkenntnisse wurden nicht nachgewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG lagen nicht vor.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Den Umfang der Verhandlungspflicht umschrieb der Verfassungsgerichtshof in seinem zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 ergangenen Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, U 1836/11, folgendermaßen:
"7.2. Im Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK hat Art. 47 Abs. 2 GRC die gleiche Tragweite und Bedeutung wie jener. Jenseits dessen gelten die Garantien des Art. 6 EMRK für den Anwendungsbereich des Art. 47 Abs. 2 GRC entsprechend (so die Erläuterungen zur Grundrechte-Charta, ABl. 2007 C 303, S 30). Dabei ist zu beachten, dass die Garantien in Abhängigkeit von der Materie, vom Verfahrensgegenstand und von der Instanz in unterschiedlichem Maße gelten, das wiederum vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmt ist. Bei Strafverfahren gelten die strengsten Anforderungen, im Rahmen von Zivilverfahren akzeptieren der Verfassungsgerichtshof und der EGMR Beschränkungen insbesondere bei der mündlichen Verhandlung und bei der Kontrolldichte, wenn es sich um Verwaltungsverfahren handelt, die bloße Auswirkungen auf Zivilrechtspositionen haben (VfSlg. 11.500/1987).
7.3. Überträgt man diese Überlegungen auf jenen Teil des Anwendungsbereichs der Chartagarantie, der nicht civil rights und Strafverfahren betrifft, so gelangt man auch für diesen zum Ergebnis, dass weitergehende Beschränkungen (als etwa im Strafverfahren) zulässig sind. Weil insoweit aber nicht mehr unmittelbar die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK herangezogen werden kann, ist das Ausmaß der Gewährleistung der Einzelgarantien letztlich durch Art. 52 Abs. 1 GRC, mithin vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmt. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist daher maßgeblich, ob Beschränkungen der Durchführung mündlicher Verhandlungen durch § 41 Abs. 7 AsylG 2005 erforderlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
7.3.1. Nach Art. 6 Abs. 1 EMRK hat jedermann in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich gehört wird. Daraus ist abzuleiten, dass jedenfalls dann, wenn eine Verhandlung beantragt wird, grundsätzlich ein Anspruch auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung besteht (vgl. EGMR 28.5.1997, Fall Pauger, Appl. 16.717/90, Z60).
7.3.2. Art. 6 EMRK steht hinsichtlich des Zugangs zu Gericht nach der Rechtsprechung des EGMR unter dem (ungeschriebenen) Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkung (beginnend mit EGMR 21.2.1975, Fall Golder, Appl. 4451/70, Z 38). Der Ausschluss der Öffentlichkeit von Verhandlungen steht unter einem ausdrücklichen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen. Auch bei anderen Garantien liegen den impliziten Beschränkungen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte zugrunde (so zur Kognitionsbefugnis EGMR 21.9.1993, Fall Zumtobel, Appl. 12.235/86, Z 29; zu Zeugenbefragungsrechten und dem Grundsatz des fairen Verfahrens EGMR 13.10.2005, Fall Bracci, Appl. 36.822/02, Z 49 ff.; bei der Verfahrensdauer kommt es auf die Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer an, EGMR 16.9.1996 [GK], Fall Süßmann, Appl. 20.024/92, Z 61). In der jüngeren Rechtsprechung des EGMR werden auch Fragen des Anwendungsbereichs mit solchen der Anforderungen des Grundrechts in Verbindung gebracht (EGMR 19.4.2007 [GK], Fall Eskelinen u. a., Appl. 63.235/00, Z 62).
7.3.3. Verfahren, in denen über Asyl und den Aufenthalt von Fremden auf dem Gebiet eines Staates entschieden wird, fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (z. B. EGMR 5.10.2000, Fall Maaouia, Appl. 39.652/98). Aus Art. 47 Abs. 2 GRC ist jedoch ein Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch in Fällen abzuleiten, in denen ein solches Gebot mangels Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK nicht unmittelbar aus diesem folgt. Angesichts dessen, dass Art. 47 Abs. 2 GRC ein Grundrecht anerkennt, das sich nicht nur aus der EMRK, sondern auch aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, ist er ebenso bei der Auslegung auch des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (als Ausfluss des Gebots unionsrechtskonformer Auslegung und zur Verhinderung von Situationen der Inländerdiskriminierung) zu berücksichtigen. Umgekehrt hat die Auslegung des Art. 47 Abs. 2 GRC die Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und damit die mitgliedstaatlichen Ausprägungen des Rechtsstaatsgebots zu berücksichtigen. Damit ist sichergestellt, dass bei der Auslegung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte keine von der Auslegung der korrespondierenden Charta-Rechte abweichenden Ergebnisse erzielt werden.
7.4. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen. Solche Umstände liegen etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche vor, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller, Appl. 55.853/00, Z 29).
Es ist vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK ferner maßgeblich, welcher Natur die Fragen sind, die für die Beurteilung der gegen den angefochtenen Bescheid relevierten Bedenken zu beantworten sind. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK kann dabei im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren regelmäßig unterbleiben, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor dem Bundesasylamt releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde an den Asylgerichtshof aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist.
In diesem Zusammenhang ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des EGMR zum Gebot der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Rechtsmittelverfahren auch maßgeblich, welche Bedeutung und Notwendigkeit eine Verhandlung für die Beweiserhebung und Beweiswürdigung sowie für die Lösung von Rechtsfragen hat (EGMR 29.10.1991, Fall Helmers, Appl. 11.826/85, Z 37).
7.5. Der EGMR hat im Übrigen für bestimmte Verfahrensarten explizit anerkannt, dass nicht alle Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK in gleicher Weise erfüllt werden müssen. So kommen die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur insoweit zur Anwendung, als dies mit der Natur des einstweiligen Rechtsschutzes vereinbar ist (EGMR 15.10.2009 [GK], Fall Micallef, Appl. 17.056/06, Z 86). Für verfassungsgerichtliche Verfahren anerkennt die Rechtsprechung, dass die Garantien des Art. 6 EMRK in modifizierter Form zur Anwendung gebracht werden (so etwa zur überlangen Verfahrensdauer EGMR 16.9.1996 [GK], Fall Süßmann, Appl. 20.024/92).
8. Der Verfassungsgerichtshof hegt vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch kann er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hat. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde."
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018-9, diesen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen und dabei die Kriterien für die Annahme eines geklärten Sachverhaltes folgendermaßen zusammengefasst:
"Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."
Im vorliegenden Fall wurde der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren ausführlich Parteiengehör eingeräumt. Auch die Beschwerde zeigt nicht auf, inwieweit eine neuerliche Einvernahme der beschwerdeführenden Partei zu einer weiteren Klärung der Sache führen könnte.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
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