BVwG W144 2000031-1

BVwGW144 2000031-128.1.2014

AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W144.2000031.1.00

 

Spruch:

W144 2000031-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. von Simbabwe, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.12.2013, Zl. 12 08.643 EAST-Ost, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben, der Asylantrag zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerde führende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger von Simbabwe, stellte am 10.07.2012 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit E-Mail vom 13.07.2012 ersuchte Österreich Spanien um Übernahme der Beschwerde führenden Partei. Spanien hat sich mit Schreiben vom 17.07.2012 bereit erklärt, die Beschwerde führende Partei gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-VO) wieder aufzunehmen.

Mit Schreiben vom 09.01.2013 teilte das Bundesasylamt der spanischen Behörde mit, dass der Beschwerdeführer untergetaucht ("absconded") sei. Unter einem wurde auf die Verlängerung der sechsmonatigen Überstellungsfrist gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO Bezug genommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerde führenden Partei auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I. Nr. 4/2008 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Spanien gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-VO) zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Beschwerde führende Partei gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG idF BGBl. I. Nr. 4/2008 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Spanien ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerde führenden Partei nach Spanien gemäß § 10 Abs. 4 leg.cit. zulässig ist.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerde führende Partei fristgerecht Beschwerde erhoben und hierbei im Wesentlichen geltend gemacht, dass gemäß Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO die Überstellung des Antragstellers in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Annahme des Antrags auf Aufnahme zu erfolgen habe. Im vorliegenden Fall komme jedoch Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO zu Anwendung, wonach sich diese Frist auf höchstens 18 Monate verlängere, wenn der Asylwerber flüchtig sei. Spanien habe mit Schreiben vom 17.07.2012 dem Aufnahmeersuchen Österreichs zugestimmt. Seitdem seien ein Jahr und vier Monate vergangen. Da der Beschwerdeführer derzeit eine Haftstrafe verbüße, sei davon auszugehen, dass er sich noch längere Zeit im Bundesgebiet aufhalten werde. Die Frist zur Überstellung sei somit abgelaufen, weshalb Österreich kraft Gesetzes für die Prüfung seines Asylantrages zuständig sei.

Laut telefonischer Auskunft durch die Justizanstalt XXXX vom 14.01.2014 (vgl. ho. Aktenvermerk vom 16.01.2014) befindet sich die Beschwerde führende Partei aktuell noch in Strafhaft, wobei das Strafende mit 28.09.2014 datiert ist. Als mögliche vorzeitige Haftentlassungstermine wurden der 28.01.2014 oder der 18.04.2014 genannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Mit 01.01.2014 sind das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) sowie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - Verfahrensgesetz (BFA-VG) in Kraft getreten.

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2013 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-VO) lauten:

"Art. 20 (1) lit. d [...] ein Mitgliedstaat, der die Wiederaufnahme akzeptiert, muss den Asylwerber in seinem Hoheitsgebiet wieder aufnehmen. Die Überstellung erfolgt gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaates nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat [...].

Art. 20 (2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, so geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung oder die Prüfung des Antrags aufgrund der Inhaftierung des Asylwerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn der Asylwerber flüchtig ist."

Ausgehend davon, dass Spanien mit Schreiben vom 17.07.2012 der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers zugestimmt hat und die Frist zu dessen Überstellung gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO auf 18 Monate verlängert wurde, endete diese Frist somit mit Ablauf des 17.01.2014. Demzufolge ist mit Ablauf des 17.01.2014 die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auf Österreich, dh. auf den Mitgliedstaat, in welchem die Beschwerde führende Partei einen Asylantrag eingebracht hat und in welchem sie sich aktuell aufhält (vgl. hierzu Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung3, 2009, K12 zu Art. 20, Seite 173f.), ex lege übergegangen, sodass der erstinstanzliche Bescheid zu beheben und das Verfahren zuzulassen war.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird ergänzt, dass aufgrund der frühestmöglichen Haftentlassung des Beschwerdeführers am 28.1.2014 die 18-monatige und am 17.1.2014 endende Überstellungsfrist (auch im Falle einer früheren Entscheidung - der zuständigen Gerichtsabteilung wurde der Akt am 13.1.2014 erstmals vorgelegt) keinesfalls mehr gewahrt werden konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, zumal sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Rechtsfrage des Ablaufs der Überstellungsfrist auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen konnte (vgl. zudem etwa auch VwGH vom 19.6.2008, Zl. 2007/21/0509:

"Die Art. 19 Abs. 3 und 4 sowie 20 Abs. 2 Dublin II-Verordnung ordnen für den Fall der Überschreitung der Überstellungsfrist einen Zuständigkeits(rück)übergang auf den Staat der Asylantragstellung (gemeint: den Aufenthaltsstaat) an. Die Regelung stützt sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die gemeinsamen Zielvorgaben zur Kontrolle der illegalen Zuwanderung nicht umsetzt, also die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nicht "zeitgemäß" durchführt, gegenüber den Partnerländern die (negativen) Folgen tragen muss. Außerdem soll durch diese Bestimmung vermieden werden, dass eine Kategorie sogenannter "refugees in orbit" entsteht, deren Antrag monate- oder gar jahrelang in keinem Mitgliedstaat geprüft wird. Der Übergang der Zuständigkeit nach Fristablauf stellt eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die letztlich lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist. Mit Ablauf der Frist tritt der Zuständigkeitsübergang "de jure" ein.").

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT

Gerichtsabteilung W144, am 28.01.2014

Mag. Huber

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