Normen
EMRK 1. ZP Art1
StGG Art5
Lohn- und Sozialdumping-BekämpfungsG §26, §27, §28
VfGG §7 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:E4329.2019
Spruch:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Das Erkenntnis wird im Umfang des Straf- und Kostenausspruches aufgehoben.
2. Hinsichtlich des Schuldausspruches wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
II. Der Bund (Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer eines Unternehmens mit Sitz in Ungarn. Bei einer Kontrolle durch die Finanzpolizei auf der Autobahn wurde ein LKW, dessen Fahrer ein Arbeitnehmer des ungarischen Unternehmens ist, kontrolliert: Für den Fahrer wurden diverse Unterlagen nicht bereitgehalten bzw elektronisch zugänglich gemacht und auch nicht nachgereicht.
2. Mit Straferkenntnis vom 26. November 2018 der Bezirkshauptmannschaft Schwaz wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als Arbeitgeber/Entsender zu verantworten, dass zum einen entgegen §22 iVm §28 Abs1 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD‑BG) der Dienstvertrag in deutscher oder englischer Sprache und entgegen §21 Abs1 Z1 iVm §26 Abs1 Z3 LSD‑BG die Sozialversicherungsunterlagen nicht bereitgehalten und zum anderen entgegen §12 Abs1 Z3 iVm §27 Abs1 LSD‑BG die nachgeforderten Unterlagen nicht innerhalb der Frist nachgereicht wurden. Zudem wurde entgegen §21 Abs1 Z2 iVm §26 Abs1 Z3 LSD‑BG die ZKO‑Meldung nicht bereitgehalten bzw elektronisch zugänglich gemacht. Der Beschwerdeführer wurde wegen dieser Übertretungen zu drei Geldstrafen von jeweils € 1.000,– bzw jeweils einer Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden und zu einer Geldstrafe von € 500,– bzw einer Ersatzfreiheitsstrafe von 25 Stunden verurteilt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von € 350,– verhängt.
3. Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10. September 2019 mit Erkenntnis vom 14. Oktober 2019 als unbegründet ab, wobei es die Spruchpunkte geringfügig anpasste. Zudem wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von € 700,– gemäß §52 VwGVG verhängt und der Beschwerdeführer zum Ersatz der Gebühren der nichtamtlichen Dolmetscherin (zur ungeteilten Hand) verpflichtet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass das ungarische Unternehmen den bei ihm beschäftigten Fahrer als mobilen Arbeitnehmer im Transportbereich nach Österreich entsandt habe und dieser die verfahrensgegenständlichen Unterlagen bei der Kontrolle nicht in Papierform bereitgehalten bzw in elektronischer Form zugänglich gemacht habe. Der Fahrer habe mit seiner Unterschrift die Aushändigung des Aufforderungsschreibens bestätigt, eine Nachreichung der Unterlagen sei nicht erfolgt, da das Unternehmen keine Kenntnis von dem Schreiben erlangt habe. Ansprechperson sei gemäß §23 LSD‑BG im mobilen Transportbereich der jeweilige Lenker des Kraftfahrzeuges. Die Strafen der einzelnen Verwaltungsübertretungen seien nicht überhöht, da nur die Mindeststrafen verhängt worden seien.
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungs-gesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art1 des 1. ZPEMRK) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B‑VG) sowie in Rechten wegen Anwendung von verfassungs- bzw unionsrechtswidrigen generellen Normen (§§26 bis 28 LSD‑BG sowie §52 Abs1 und 2 VwGVG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
5. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
II. Rechtslage
Die §§21 bis 23 und 28 LSD‑BG, BGBl I 44/2016 idF BGBl I 64/2017, sowie §§12, 26, 27 LSD‑BG, BGBl I 44/2016, lauten auszugsweise wie folgt:
"Erhebungen der Abgabenbehörden
§12. (1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach den §§21 und 22 zu überwachen sowie in Bezug auf Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort außerhalb Österreichs, die nicht dem ASVG unterliegen, die zur Kontrolle des unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts (Lohnkontrolle) im Sinne des §29 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und
1. die Betriebsstätten, Betriebsräume und auswärtigen Arbeitsstätten oder Arbeitsstellen sowie die Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer ungehindert zu betreten und Wege zu befahren, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist,
2. von den dort angetroffenen Personen Auskünfte über alle für die Erhebung nach Abs1 maßgebenden Tatsachen zu verlangen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass es sich bei diesen Personen um Arbeitgeber oder um Arbeitnehmer handelt, sowie
3. in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§21 und 22) Einsicht zu nehmen, Ablichtungen dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung dieser Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.
Bereithaltung von Meldeunterlagen, Sozialversicherungsunterlagen und behördlicher Genehmigung
§21. (1) Arbeitgeber mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben folgende Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort im Inland während des Entsendezeitraums bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen:
1. Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers zur Sozialver-sicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 nach der Verordnung (EWG) Nr 1408/71, oder Sozialversicherungsdokument A 1 nach der Verordnung (EG) Nr 883/04 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit), sofern für den entsandten Arbeitnehmer in Österreich keine Sozialversicherungspflicht besteht; kann der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Erhebung durch Nachweise in deutscher Sprache belegen, dass ihm die Erwirkung der Ausstellung dieser Dokumente durch den zuständigen Sozialversicherungsträger vor der Entsendung nicht möglich war, sind gleichwertige Unterlagen in deutscher Sprache (Antrag auf Ausstellung des Sozialversicherungsdokuments E 101 oder A 1, und Bestätigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers, dass der Arbeitnehmer für die Dauer der Entsendung der ausländischen Sozialversicherung unterliegt) bereitzuhalten;
2. die Meldung gemäß §19;
3. die behördliche Genehmigung der Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer im Sitzstaat des Arbeitgebers gemäß §19 Abs3 Z11 oder Abs7 Z8, sofern eine solche erforderlich ist.
Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die erforderlichen Unterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Bei mobilen Arbeitnehmern im Transportbereich sind die vorgenannten Unterlagen bereits ab Einreise in das Bundesgebiet im Fahrzeug bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Verpflichtung nach dieser Bestimmung als Arbeitgeber.
Bereithaltung von Lohnunterlagen
§22. (1) Arbeitgeber im Sinne der §§3 Abs2, 8 Abs1 oder 19 Abs1 haben während der Dauer der Beschäftigung (im Inland) oder des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§19 Abs3 Z6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel im Sinne der Richtlinie 91/533 des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache, ausgenommen den Arbeitsvertrag, am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen, auch wenn die Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers in Österreich früher geendet hat. Der Arbeitsvertrag ist entweder in deutscher oder in englischer Sprache bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Verpflichtung nach dieser Bestimmung als Arbeitgeber. §21 Abs2 findet sinngemäß Anwendung.
(1a) Bei der Entsendung von mobilen Arbeitnehmern im Transportbereich sind abweichend von Abs1 der Arbeitsvertrag oder Dienstzettel und Arbeitszeitaufzeichnungen (Aufzeichnungen im Sinne von Art36 der Verordnung (EU) Nr 165/2014 über den Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, ABl. Nr L 60 vom 28.2.2014 S. 1) bereits ab der Einreise in das Bundesgebiet im Fahrzeug bereitzuhalten oder diese den Abgabenbehörden unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen. Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung sowie Arbeitszeitaufzeichnungen für den mobilen Arbeitnehmer im Transportbereich sind auf Verlangen der Abgabenbehörden für das Kalendermonat, in dem die Kontrolle stattgefunden hat, und für das diesem Kalendermonat vorangehende Kalendermonat, wenn der Arbeitnehmer im vorangehenden Kalendermonat in Österreich tätig war, innerhalb einer Frist von 14 Kalendertagen nach dem Ende des Kalendermonats, in dem die Kontrolle erfolgt ist, zu übermitteln. Langen die Lohnunterlagen nach dem zweiten Satz innerhalb dieser Frist bei der Abgabebehörde nicht oder nicht vollständig ein, gilt dies als Nichtbereithalten der Lohnunterlagen.
Ansprechperson
§23. Die in der Meldung nach §19 Abs3 Z3 genannte Ansprechperson hat nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Unterlagen bereitzuhalten, Dokumente entgegenzunehmen und Auskünfte zu erteilen. Die Ansprechperson hat dem Kreis der nach Österreich entsandten Arbeitnehmer anzugehören oder eine in Österreich niedergelassene und zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person (§21 Abs2 Z4) zu sein. Bei der Entsendung von mobilen Arbeitnehmern im Transportbereich ist der jeweilige Lenker des Kraftfahrzeuges Ansprechperson, es sei denn, der Arbeitgeber meldet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person (§21 Abs2 Z4) als Ansprechperson.
Verstöße im Zusammenhang mit den Melde- und Bereithaltungspflichten bei Entsendung oder Überlassung
§26. (1) Wer als Arbeitgeber oder Überlasser im Sinne des §19 Abs1
1. die Meldung oder die Meldung über nachträgliche Änderungen bei den Angaben (Änderungsmeldung) entgegen §19 nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet oder
2. in der Meldung oder Änderungsmeldung vorsätzlich unrichtige Angaben erstattet oder
3. die erforderlichen Unterlagen entgegen §21 Abs1 oder Abs2 nicht bereithält oder den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vor Ort nicht unmittelbar in elektronischer Form zugänglich macht,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro zu bestrafen.
Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle
§27. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen den §§12 Abs1 Z3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen den §§14 Abs2 oder 15 Abs2 die Unterlagen nicht übermittelt.
Nichtbereithalten der Lohnunterlagen
§28. Wer als
1. Arbeitgeber entgegen §22 Abs1 oder Abs1a die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder
2. Überlasser im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen §22 Abs2 die Lohnunterlagen dem Beschäftiger nicht nachweislich bereitstellt, oder
3. Beschäftiger im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen §22 Abs2 die Lohnunterlagen nicht bereithält
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen."
III. Erwägungen
1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wird der Beschwerdeführer zur Leistung einer Geldstrafe und eines Verfahrenskostenbeitrags verpflichtet; die Entscheidung greift daher in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers ein.
Ein solcher Eingriff ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht, oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat, ein Fall, der nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist.
3. Ein solcher Fehler ist dem Landesverwaltungsgericht Tirol unterlaufen:
3.1. In seinem Urteil vom 12. September 2019, Rs. C64/18 ua, Maksimovic, hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass Art56 AEUV, der die Dienstleistungsfreiheit gewährleistet, einer nationalen Regelung, wie sie in den §§7d und 7i Abs4 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl 459/1993 idF BGBl I 94/2014, und in §28 Abs1 Z1 lita iVm §3 Abs1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl 218/1975 idF BGBl I 66/2017, festgelegt ist, entgegensteht. In den diesem Urteil zugrunde liegenden Verfahren wurden über den Geschäftsführer eines kroatischen Unternehmens sowie über vier Vorstände einer österreichischen AG Geldstrafen in Millionenhöhe verhängt; ihnen wurde zur Last gelegt, es unterlassen zu haben, Lohnunterlagen für 217 Arbeitnehmer bereitzustellen bzw bereitzuhalten (§7d AVRAG) sowie für 200 ausländische Arbeitnehmer Beschäftigungsbewilligungen einzuholen (§28 Abs1 Z1 lita AuslBG). Dem Gerichtshof der Europäischen Union zufolge sind derartige Vorschriften, die nicht unmittelbar Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen betreffen, sondern der Wirksamkeit von Kontrollen dienen, die zur Wahrung und Einhaltung dieser Bedingungen durchgeführt werden können, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, weil für den Fall der Nichtbeachtung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen und auf die Bereithaltung von Lohnunterlagen die Verhängung von Geldstrafen vorgesehen ist, die einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürfen, für jeden betreffenden Arbeitnehmer kumulativ und ohne Beschränkung zu verhängen sind, im Fall der Abweisung einer gegen den Strafbescheid erhobenen Beschwerde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Strafe hinzutritt und die im Fall der Uneinbringlichkeit in Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt werden (EuGH 12.9.2019, Rs. C‑64/18 ua, Maksimovic, Rz 50; so zu den Sanktionsbestimmungen iZm Melde- und Bereithaltungspflichten nach §§26 bis 28 LSD‑BG, die Nachfolgebestimmungen der zuvor im AVRAG geregelten Pflichten sind, EuGH 19.12.2019, Rs. C‑645/18, NE und vom selben Tag, Rs. C‑140/19 ua, EX; vgl auch VfGH 27.11.2019, E2047/2019 ua, vom selben Tag, E2893/2019 ua und E3530/2019 ua; VwGH 18.2.2020, Ra 2019/11/0195; 26.2.2020, Ra 2020/11/0004).
3.2. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer auf Grund von Verwaltungsübertretungen zu den jeweils in §26 Abs1, §27 Abs1 und §28 LSD‑BG gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafen verurteilt (drei Geldstrafen von € 1.000,– und eine Geldstrafe von € 500,–) sowie über ihn ein Verfahrenskostenbeitrag von 20 % der Geldstrafe verhängt. Bei diesen Bestimmungen des LSD‑BG handelt es sich um Nachfolgebestimmungen der zuvor im AVRAG geregelten Verpflichtungen.
3.3. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat dem angefochtenen Erkenntnis damit innerstaatliche gesetzliche Vorschriften zugrunde gelegt, die offenkundig dem Unionsrecht widersprechen, deren Anwendung also der Anwendungsvorrang unmittelbar anwendbaren Unionsrechts entgegensteht (siehe VwGH 18.2.2020, Ra 2019/11/0195; 26.2.2020, Ra 2020/11/0004 mwN). Eine derartige Gesetzesanwendung ist einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten, weshalb der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nach Art1 des 1. ZPEMRK verletzt ist (vgl hiezu VfSlg 15.448/1999, 19.661/2012; VfGH 27.11.2019, E2047/2019 ua, vom selben Tag, E2893/2019 ua und E3530/2019 ua).
3.4. Unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben ist das Erkenntnis daher im Umfang des Strafausspruches und damit auch im Hinblick auf den Verfahrenskostenbeitrag sowie die Barauslagen (vgl VwGH 5.3.2015, Ra 2015/02/0012) aufzuheben.
4. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:
4.1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B‑VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
4.2. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art1 des 1. ZPEMRK verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher im Umfang des Straf- und Kostenausspruches aufzuheben (siehe VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033; 26.2.2020, Ra 2020/11/0004).
Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese insoweit gemäß Art144 Abs3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 und §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)