VfGH G14/2019

VfGHG14/201928.11.2019

Zurückweisung des Individualantrags einer Verwertungsgesellschaft auf Aufhebung von Bestimmungen des UrheberrechtsG wegen Zumutbarkeit der Anrufung eines ordentlichen Gerichtes

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
UrheberrechtsG §38 Abs1, Abs1a, §69
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2019:G14.2019

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

1. Mit ihrem auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Verwertungsgesellschaft die Aufhebung einzelner Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes – UrhG, BGBl 111/1936 idF BGBl I 22/2006 und idF BGBl I 99/2015, der Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 – UrhG-Nov. 1996, BGBl 151/1996, sowie der Urheberrechtsgesetz-Novelle 2005 – UrhG-Nov. 2005, BGBl I 22/2006. Die zur Aufhebung beantragten Rechtsvorschriften haben die Entstehung und die Übertragung des Urheberrechtes an Filmwerken (§38 Abs1 zweiter Satz UrhG), das Entgelt für die "gleichzeitige, vollständige und unveränderte Weitersendung" von Filmwerken (das sog "Kabelfernsehen"; §38 Abs1a UrhG), das zeitlich gestaffelte Ansteigen des Entgeltes gemäß der Vorgängerbestimmung dieser Regelung (ArtIV UrhG-Nov. 1996), die Festlegung des zeitlichen Anwendungsbereiches beider dieser Vorschriften (ArtIII Abs2 und 3 UrhG-Nov. 2005) sowie die Zuweisung der Verwertungsrechte ausübender Künstler an ihren zur gewerbsmäßigen Herstellung eines Filmwerkes vorgenommenen Darbietungen zum Hersteller dieses Filmwerkes (§69 erster Satz UrhG) zum Gegenstand.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften des Urheberrechtsgesetzes – UrhG, BGBl 111/1936 idF BGBl I 22/2006 und BGBl I 99/2015, lauten (die angefochtenen Teile sind hervorgehoben):

"VI. Abschnitt

Sondervorschriften für gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke.

 

§38.

Rechte am Filmwerk

(1) Wer sich zur Mitwirkung bei der Herstellung eines Filmes verpflichtet, räumt damit für den Fall, dass er ein Urheberrecht am Filmwerk erwirbt, dem Filmhersteller im Zweifel das ausschließliche Recht ein, das Filmwerk sowie Übersetzungen und andere filmische Bearbeitungen oder Umgestaltungen des Filmwerkes auf alle Nutzungsarten zu nutzen. Hat der Urheber des Filmwerkes dieses Nutzungsrecht im Voraus einem Dritten eingeräumt, so behält er gleichwohl stets die Befugnis, dieses Recht beschränkt oder unbeschränkt dem Filmhersteller einzuräumen. Das Urheberrecht an den zur Herstellung des Filmwerkes benutzten Werken, wie Roman, Drehbuch und Filmmusik, bleibt unberührt. Dieser Absatz gilt für die Rechte zur filmischen Verwertung der bei der Herstellung eines Filmwerkes entstehenden Lichtbildwerke entsprechend. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche des Filmurhebers stehen dem Filmhersteller und dem Filmurheber je zur Hälfte zu, soweit sie nicht unverzichtbar sind.

(1a) Gestattet der nach Abs1 berechtigte Filmhersteller oder ein Werknutzungsberechtigter gegen Entgelt anderen die Benutzung eines Filmwerks zur gleichzeitigen, vollständigen und unveränderten Weitersendung mit Hilfe von Leitungen, so hat der Urheber Anspruch auf einen Anteil an diesem Entgelt; dieser Anteil beträgt ein Drittel, soweit der Filmhersteller mit dem Urheber nichts anderes vereinbart hat. Gestattet der Filmhersteller oder Werknutzungsberechtigte die Benutzung auch als Inhaber anderer Ausschließungsrechte und wird hiefür ein pauschales Entgelt vereinbart, so steht dem Urheber der Anspruch nach dieser Bestimmung nur an dem Teil des Entgelts zu, der auf die Abgeltung des Werknutzungsrechts am Filmwerk entfällt. Der Urheber kann den Anspruch nach dieser Bestimmung unmittelbar gegenüber demjenigen geltend machen, der zur Zahlung des Entgelts verpflichtet ist, wenn er diesem gegenüber nachweist, dass der Anspruch vom Filmhersteller beziehungsweise Werknutzungsberechtigten anerkannt oder gegen diesen gerichtlich festgestellt ist. Der Anspruch des Urhebers nach dieser Bestimmung kann nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden.

(2) Änderungen des Filmwerkes, seines Titels und der Bezeichnung des Filmherstellers dürfen, unbeschadet der Vorschrift des §39, Absatz 3, ohne Einwilligung des Filmherstellers nur vorgenommen werden, soweit sie nach der auf den Filmhersteller entsprechend anzuwendenden Vorschrift des §21, Absatz 1, zulässig sind.

(3) Bis zum Beweis des Gegenteils gilt als Filmhersteller, wer als solcher auf den Vervielfältigungsstücken eines Filmwerkes in der üblichen Weise durch Angabe seines wahren Namens, seiner Firma oder eines von ihm bekanntermaßen gebrauchten Decknamens oder Unternehmenskennzeichens bezeichnet wird. Dasselbe gilt von dem, der bei einer öffentlichen Aufführung oder bei einer Rundfunksendung des Filmwerkes auf die angegebene Art als Filmhersteller bezeichnet wird, sofern nicht die im vorigen Satz aufgestellte Vermutung dafür spricht, daß Filmhersteller ein anderer ist.

 

§69.

Rechte an Darbietungen für ein Filmwerk

Die Verwertungsrechte ausübender Künstler, die an den zum Zweck der Herstellung eines gewerbsmäßig hergestellten Filmwerkes oder anderen kinematographischen Erzeugnisses vorgenommenen Darbietungen in Kenntnis dieses Zwecks mitgewirkt haben, stehen dem Inhaber des Unternehmens (Filmhersteller oder Hersteller) zu. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche stehen den ausübenden Künstlern und dem Filmhersteller oder Hersteller je zur Hälfte zu, soweit sie nicht unverzichtbar sind."

2. Die angefochtene Bestimmung der Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996 – UrhG-Nov. 1996, BGBl 151/1996, lautet:

"Artikel VI

Filmwerke

(1) Die §§38 und 39 UrhG in der Fassung dieses Bundesgesetzes gelten für gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke, mit deren Aufnahme nach dem 31. Dezember 1995 begonnen worden ist.

(2) Für andere gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke, die nach dem 31. Dezember 1969 veröffentlicht worden sind, gelten die §§38 und 39 UrhG in der Fassung dieses Bundesgesetzes mit der Maßgabe, daß dem Urheber der folgende Anteil an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen zusteht: für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1996 beträgt der Anteil 3,3%, für das Jahr 1997 und die folgenden Jahre bis zum Jahr 2004 vergrößert sich der Anteil jährlich um 3,3% und beträgt ab dem Jahr 2005 33%.

(3) Gestattet der nach §38 Abs1 UrhG berechtigte Filmhersteller oder ein Werknutzungsberechtigter gegen Entgelt anderen die Benutzung eines der im Abs2 bezeichneten Filmwerke zur gleichzeitigen, vollständigen und unveränderten Weitersendung mit Hilfe von Leitungen, so hat der Urheber Anspruch auf einen Anteil an diesem Entgelt; die Höhe des Anteils entspricht der Höhe des Anteils an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen nach Abs2."

3. Die maßgeblichen Vorschriften der Urheberrechtsgesetz-Novelle 2005 – UrhG-Nov. 2005, BGBl I 22/2006,lauten (die angefochtenen Teile sind hervorgehoben):

"Artikel IV

Übergangsbestimmungen

(1) §16b UrhG in der Fassung dieses Bundesgesetzes gilt auch für Werke, die vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes geschaffen worden sind.

(2) §38 Abs1a in der Fassung dieses Bundesgesetzes gilt für gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke und §69 Abs1 in der Fassung dieses Bundesgesetzes für gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke und andere kinematographische Erzeugnisse, mit deren Aufnahme jeweils nach dem 31. 12. 2005 begonnen worden ist. (3) §38 Abs1a zweiter bis vierter Satz in der Fassung dieses Bundesgesetzes gilt sinngemäß auch für den Anspruch des Urhebers nach ArtVI Abs3 Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996, BGBl Nr 151/1996.

(4) §38 Abs1 erster Satz UrhG und §69 Abs1 erster Satz UrhG in der Fassung dieses Bundesgesetzes gelten auch für den Zeitraum der durch die Urheberrechtsgesetznovelle 1972, BGBl Nr 492/1972, und die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996, BGBl Nr 151/1996, bewirkte Verlängerung der Schutzfrist; dem Urheber und den in §69 Abs1 UrhG genannten Personen steht hiefür kein Vergütungsanspruch im Sinn des ArtII Abs3 UrhGNov 1972 beziehungsweise ArtVIII Abs3 UrhG-Nov 1996 zu."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellende Gesellschaft ist eine Verwertungsgesellschaft gemäß §2 Z1 Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 – VerwGesG 2016, BGBl I 27/2016, und nimmt Urheberrechte von Filmurhebern (Regie, Kamera, Filmschnitt, Kostüm- und Szenenbild) sowie Leistungsschutzrechte von Filmschauspielern wahr. Sie erachtet sich durch die angefochtenen Gesetzesstellen in

"in ihren verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten des Schutzes des (geistigen) Eigentums (Art5 StGG, Art1 des ersten ZusatzProt EMRK, Art17 Abs2 GRC), des Gleichheitssatzes (Art2 B‑VG, Art7 StGG, Art14 EMRK, Art20 und 21 GRC), der Vereinigungsfreiheit sowie der Berufs- und Erwerbsfreiheit (Art6 StGG, Art11 EMRK sowie Art12 und Art15 GRC), der unternehmerische[n] Freiheit (Art16 GRC), all dies einschließlich des Rechts auf freie Wahl des Geschäftspartners und der Vertragsfreiheit (auch iVm der Eigentumsgarantie), auf Vertragsautonomie und des Schutzes wohlerworbener Rechte (Vertrauensschutz) sowie des Legalitätsprinzips (Determinierungsgebot nach Art18 B‑VG) als verletzt."

2. Die Vorschrift des §38 Abs1 zweiter Satz UrhG laufe nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaft unter anderem darauf hinaus,

"dass der Filmurheber auch dann, wenn er bestimmte Verwertungsrechte (oder Beteiligungs- bzw Vergütungsansprüche) [–] etwa der antragstellenden Verwertungsgesellschaft – bereits zur treuhändigen Wahrnehmung eingeräumt hat, dieselben Rechte und Ansprüche, über welche er wegen 'Vorabtretung' an die Antragstellerin nicht mehr verfügen kann, gleichwohl wirksam dem Filmhersteller einräumen und damit über Rechte verfügen kann, die ihm nicht mehr zustehen. Da der Filmhersteller in den Vertragsverhandlungen typischer Weise der stärkere Vertragspartner ist, der die Bedingungen weitgehend vorgeben kann und sich dazu in der Regel ausgeklügelter Formularverträge bedient, in welchen alle nur denkbaren Nutzungsrechte, Vergütungs- und/oder Beteiligungsansprüche dem Produzenten eingeräumt bzw auf diesen übertragen werden, bedeutet diese Regelung in ihrer praktischen Auswirkung, dass der Filmurheber die antragstellende Verwertungsgesellschaft de jure und de facto nicht wirksam mit der Wahrnehmung seiner Rechte und Ansprüche betrauen kann."

Die antragstellende Gesellschaft erachtet sich durch diese Vorschrift unmittelbar betroffen im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litc, weil sie – anders als andere Verwertungsgesellschaften – nie mit Sicherheit von einem abgegrenzten Bestand an ihr übertragenen Verwertungsrechten ausgehen könne, indem sie immer fürchten müsse, diese durch eine weitere Übertragung nach §38 Abs1 zweiter Satz UrhG wieder zu verlieren. Dies vor allem auch deshalb, weil die Interessenvertretung der Filmhersteller Vertragsformblätter benutze und jene regelmäßig die wirtschaftlich stärkeren Vertragspartner seien. Filmurheber würden sich daher typischerweise in der Lage befinden, selbst bei vorausgegangener Abtretung ihrer Rechte an die Verwertungsgesellschaft jene nochmals an den Filmhersteller abtreten zu müssen. Die antragstellende Gesellschaft sehe keinen Weg, anders an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten, da es ihr nicht zugemutet werden könne, ihre eigenen Mitglieder auf dem Zivilrechtsweg zu klagen, zu deren Interessenwahrung sie schließlich gesetzlich verpflichtet sei.

3. Zum Regelungskomplex der §38 Abs1a UrhG, ArtVI UrhG-Nov. 1996 und ArtIV Abs2 und 3 UrhG-Nov. 2005 führt die antragstellende Gesellschaft aus, dass diese Bestimmungen diskriminierend und einseitig zu Lasten der Filmurheber gestaltet seien. Auf Grund der Vorschrift des §38 Abs1 zweiter Satz UrhG stünden diesen zunächst ohnehin kaum eigene Rechte zu, die sie gegen den Filmhersteller geltend machen könnten. Ihnen stünde nur ein Beteiligungsanspruch an dem den Filmherstellern geschuldeten Entgelt zu, der faktisch weit niedriger sei als die vom Gesetz vorgesehenen 33 % und Filmurheber gegenüber den Schöpfern vorbestehender Werke (Drehbuch, Filmmusik) zu Urhebern zweiter Klasse mache. Erschwert werde dies dadurch, dass für die Weiterleitung von "Altfilmen" (solche, die vor dem 31. Dezember 1969 veröffentlicht worden sind) überhaupt kein Beteiligungsanspruch vorgesehen sei, während dieser für "mittelalte Filme" (Veröffentlichung zwischen dem 1. Jänner 1970 und 1. April 1994) nur langsam von 3,3 % auf 33 % steige. Auf Grund dieser Rechtslage erleide die antragstellende Gesellschaft einen unmittelbaren Nachteil in ihrer Vermögenssphäre, da sie die den Filmurhebern zustehenden Rechte zwar auf deren Rechnung, aber im eigenen Namen verwalte. Sie könne ihre Ansprüche weder vor dem Urheberrechtssenat noch vor den ordentlichen Gerichten geltend machen, wolle sie nicht alle bestehenden Aufteilungsvereinbarungen kündigen und die Beträge kondizieren.

4. Hinsichtlich §69 erster Satz UrhG moniert die antragstellende Gesellschaft, dass diese Vorschrift Filmdarsteller im Vergleich zu anderen an der Filmherstellung mitwirkenden Künstlern gleichheitswidrig benachteilige, weil sie für den Bereich der Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler von einer "cessio legis" an den Filmhersteller ausgehe, was gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (9.2.2012, Rs. C‑277/10, Luksan/van der Let) unionsrechtswidrig und auch sonst verfassungswidrig sei, weil sie auf eine entschädigungslose Enteignung hinauslaufe. Als zur Wahrnehmung dieser Rechte berufene Verwertungsgesellschaft sei die Antragstellerin hiedurch unmittelbar berührt, als es ihr durch diese Rechtslage verwehrt sei, Einnahmen zu erzielen, die sie erzielen würde, wenn den Filmdarstellern eine Vorabtretung ihrer Rechte an die Verwertungsgesellschaft möglich wäre.

5. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Anträge begehrt. Zur Zulässigkeit führte die Bundesregierung insbesondere aus: Im Hinblick auf ihre Bedenken gegen §38 Abs1 zweiter Satz UrhG stünde es der antragstellenden Gesellschaft offen, den Zivilrechtsweg zu beschreiten. Rücksichtlich §38 Abs1a UrhG und der mit dieser Bestimmung zusammenhängenden ArtVI UrhG-Nov. 1996 und ArtIV Abs2 und 3 UrhG-Nov. 2005 verhalte es sich so, dass diese Vorschriften der antragstellenden Gesellschaft Rechte einräumen, nicht entziehen würde. Eine Antragslegitimation bestehe aber nur, wenn die Aufhebung der angefochtenen Norm die Rechtsposition der Antragstellerin so verändere, dass die belastenden Rechtswirkungen wegfielen. In Bezug auf §69 UrhG habe die antragstellende Gesellschaft nicht dargetan, inwieweit sie, und nicht etwa die in der Vorschrift angesprochenen ausübenden Künstler, unmittelbar betroffen seien.

6. Die beschwerdeführende Gesellschaft replizierte auf diese Ausführungen.

IV. Erwägungen zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).

2. Der Verfassungsgerichtshof hat seit den Beschlüssen VfSlg 8009/1977 und 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 16.332/2001).

3. In der Möglichkeit, ein gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, ist grundsätzlich ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung von Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu sehen (siehe nur VfSlg 8979/1980, 10.445/1985, 14.355/1995, 15.835/2000, 16.920/2003, 18.569/2008; VfGH 14.6.2014, G12/2014 ua uvm.). Mit der zumutbaren Anrufung der ordentlichen Gerichte stünde es der antragstellenden Gesellschaft nämlich einerseits offen, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken an das Gericht heranzutragen und die Einleitung eines Verfahrens nach Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG anzuregen (wozu jedes Gericht – sollte es die Bedenken teilen – gemäß Art89 Abs2 B‑VG verpflichtet ist), sowie andererseits aus Anlass eines Rechtsmittels gegen die gerichtliche Entscheidung erster Instanz selbst einen Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Der vorliegende Antrag bezieht sich auf Bestimmungen, die in einem solchen, allenfalls mehreren solchen zivilgerichtlichen Verfahren präjudiziell wären. Daher bildet die Einleitung eines solchen Verfahrens einen zumutbaren Weg, der der Zulässigkeit eines Gesetzesprüfungsantrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG vor dem Verfassungsgerichtshof entgegensteht.

4. Die antragstellende Gesellschaft erwähnt die Möglichkeit der zivilgerichtlichen Klage selbst, verkennt jedoch, dass weder mangelnde Erfolgsaussichten in einem solchen Verfahren noch das Prozessrisiko oder damit verbundene Kostenfolgen diesen Weg grundsätzlich unzumutbar machen (VfSlg 15.524/1999, 18.201/2007, 19.874/2014 mwN; vgl weiters VfSlg 10.445/1985, 16.664/2002, 16.708/2002, 18.777/2009). Ebenso ist es für dessen Zumutbarkeit nicht notwendig, dass der antragstellenden Gesellschaft das von ihr behauptete Recht nach der einfachgesetzlichen Rechtslage auch tatsächlich zusteht, erblickt sie die Verfassungswidrigkeit doch gerade im Fehlen eines einfachgesetzlich eingeräumten Anspruches. Besondere, außergewöhnliche Umstände, die die Zumutbarkeit der Anrufung eines ordentlichen Gerichtes im vorliegenden Fall in Frage stellen, sind demnach nicht hervorgekommen.

Der Antrag erweist sich daher schon aus diesem Grund als unzulässig, ohne dass die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu prüfen sind oder auf das weitere Antragsvorbringen einzugehen ist.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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