VfGH E1818/2018

VfGHE1818/20184.10.2018

Ablehnung der Behandlung der Beschwerde betreffend die Bewilligung einer dritten Piste für den Flughafen Wien-Schwechat; unterschiedliche Regelungen für Lärmschutzvorschriften betreffend den Luft- sowie Schienen- und Straßenverkehr im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten privater Freiflächen sowie die damit einhergehende Wertminderung im öffentlichen Interesse und verhältnismäßig – zumutbare Planungsmöglichkeit bei Bauwerbern

Normen

B-VG Art144 Abs2
LuftFG §145b
Luftverkehr-Lärmimmissionsschutzverordnung §2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:E1818.2018

 

Spruch:

I. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

II. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B‑VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Fragen, ob das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden der Einschreiter gegen den die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens "Parallelpiste 11R/29L" sowie des Vorhabensbestandteiles "Verlegung der Landesstraße B 10" erteilenden Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung unter Abänderung von mehreren (u.a. dem Lärmschutz dienenden) Auflagen zu Recht als unbegründet abgewiesen hat und die erkennenden Richter des Bundesverwaltungsgerichtes vor dem Hintergrund der Diskussion im Anschluss an deren Entscheidung im ersten Rechtsgang eine unbefangene Entscheidung auf Grund eines fairen Verfahrens treffen konnten, nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften (§145b LFG und Luftverkehr-Lärmimmissionsschutzverordnung [LuLärmIV]) behauptet wird, lässt ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg 18.322/2007 zur Schienenverkehrslärm-Immissionsschutzverordnung (SchIV) dargetan, dass die darin enthaltenen Grenzwerte im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit eines Projektes jedenfalls einzuhaltende Mindeststandards sind; ob und inwieweit lärmschutztechnische Maßnahmen geboten sind, ist im Genehmigungsverfahren zu entscheiden (vgl auch VfSlg 20.162/2015 zur Bundesstraßen-Lärmimmissionsschutzverordnung [BStLärmIV]). Auch hinsichtlich Überschreitungen von Immissionsschwellenwerten der LuLärmIV in Bezug auf Räumlichkeiten, in denen sich regelmäßig Personen nicht bloß kurzfristig aufhalten, durch Vorhaben nach dem LFG, die einer Genehmigung nach dem UVP-G 2000 bedürfen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob besondere Schutzvorkehrungen erforderlich sind (vgl auch VwSlg 19.508 A/2016 zur SchIV).

Angesichts des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers und der maßgeblichen Unterschiede im Tatsächlichen zwischen Luftverkehr einerseits sowie Schienen- und Straßenverkehr andererseits bestehen auch keine Bedenken gegen die in §145b LFG und in der LuLärmIV – im Unterschied zur SchIV und zur BStLärmIV – vorgesehene Beschränkung auf objektseitige Maßnahmen (vgl VfGH 2.10.2013, B327/2012 ua).

Die Bezugnahme der Immissionsschwellenwerte des §2 LuLärmIV auf eine durch das Vorhaben bedingte unzumutbare Belästigung umfasst auch Gesundheitsgefährdungen, weil bereits eine bei niedrigeren Dezibelwerten auftretende Belästigung verboten ist, während eine Gesundheitsgefährdung erst bei höheren Dezibelwerten eintritt.

Die durch die Fluglärmbelastung herbeigeführte etwaige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten privater Freiflächen und die damit einhergehende Wertminderung sowie die Obliegenheit zur Wartung und Erhaltung der in rechtskräftig baubewilligten Räumlichkeiten eingebauten Schallschutzmaßnahmen auf Kosten des Eigentümers oder sonst Berechtigten sind im gewichtigen öffentlichen Interesse an der Luftfahrt gelegen und auch verhältnismäßig; Bauwerbern ist es zumutbar, die dem Zivilflugplatzhalter bewilligten Schallemissionen in ihre Planung miteinzubeziehen.

Schließlich bestehen auch keine kompetenzrechtlichen Bedenken gegen §145b LFG: Bei "Lärmschutz" handelt es sich um eine Querschnittsmaterie, sodass sich die Kompetenz zur Erlassung von gesetzlichen Lärmschutzmaßnahmen im vorliegenden Fall aus der Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung aus dem Tatbestand "Verkehrswesen bezüglich […] der Luftfahrt" in Art10 Abs1 Z9 B‑VG ergibt.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG), ohne dass Kosten zuzusprechen sind (VfSlg 9466/1982).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte