VfGH G217/2016

VfGHG217/201614.10.2016

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Vorschrift des UrheberrechtsG betr den Bildnisschutz; Unzulässigkeit des aus Anlass eines Verfahrens betreffend eine einstweilige Verfügungen gemäß den Bestimmungen der EO gestellten Antrags

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1 Z9
UrheberrechtsG §78, §81, §87c
EO §381
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1 Z9
UrheberrechtsG §78, §81, §87c
EO §381

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt und Antragsvorbringen

1. Im März 2016 erschien unter dem Titel "Ab Mai Schockbilder auf Zigarettenpackerln" ein Bericht der ****** ******* ****, der Fotos von einer bewusstlos im Krankenbett liegenden Person mit einer Tubusfixierung enthielt. Die Antragsteller behaupten, dass es sich bei dieser Person entweder um ihren zwischenzeitig verstorbenen Vater oder einer ihm zum Verwechseln ähnlichen Person handeln würde.

2. Gestützt auf §78 iVm §81 Urheberrechtsgesetz (im Folgenden: UrhG) und §16 ABGB begehrten die Antragsteller mit beim Handelsgericht Wien eingebrachter Klage vom 25. April 2016, die ****** ******* **** möge es unterlassen, Fotos ihres verstorbenen Vaters zu veröffentlichen, zu verbreiten oder der Öffentlichkeit sonst in einer Weise zugänglich zu machen. Zur Sicherung dieses Anspruchs beantragten sie unter einem eine einstweilige Verfügung mit gleichlautendem Begehren.

3. Mit Beschluss vom 3. Juni 2016, 30 Cg 23/16 h, wies das Handelsgericht Wien den Antrag der klagenden Parteien auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Das Handelsgericht Wien begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Bescheinigungsverfahren nicht mit ausreichender Sicherheit ergeben habe, dass es sich bei der auf den inkriminierten Fotos wahrnehmbaren Person tatsächlich um den Vater der klagenden Parteien handle.

4. Aus Anlass des Rekurses vom 17. Juni 2016 gegen diesen Beschluss des Handelsgerichts Wien machen die klagenden Parteien in ihrem auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag die Verfassungswidrigkeit des §78 UrhG in der Stammfassung BGBl 111/1936 geltend.

II. Rechtslage

1. §78 UrhG idF BGBl 111/1936 lautet:

"Bildnisschutz.

§78. (1) Bildnisse von Personen dürfen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten oder, falls er gestorben ist, ohne die Veröffentlichung gestattet oder angeordnet zu haben, eines nahen Angehörigen verletzt würden.

(2) Die Vorschriften der §§41 und 77, Absatz 2 und 4, gelten entsprechend."

2. §81 UrhG idF BGBl I 32/2003 (vor der Urheberrechtsnovelle 2006) lautete:

"Unterlassungsanspruch.

§81. (1) Wer in einem auf dieses Gesetz gegründeten Ausschließungsrecht verletzt worden ist oder eine solche Verletzung zu besorgen hat, kann auf Unterlassung klagen. Der Inhaber eines Unternehmens kann hierauf auch dann geklagt werden, wenn eine solche Verletzung im Betrieb seines Unternehmens von einem Bediensteten oder Beauftragten begangen worden ist oder droht; §81 Abs1a gilt sinngemäß.

(1a) Bedient sich derjenige, der eine solche Verletzung begangen hat oder von dem eine solche Verletzung droht, hiezu der Dienste eines Vermittlers, so kann auch dieser auf Unterlassung nach Abs1 geklagt werden. Wenn, bei diesem die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Verantwortlichkeit nach den §§13 bis 17 ECG vorliegen, kann er jedoch erst nach Abmahnung geklagt werden.

(2) Einstweilige Verfügungen können erlassen werden, auch wenn die im §381 der Exekutionsordnung bezeichneten Voraussetzungen nicht zutreffen."

3. Der mit der Urheberrechtsnovelle 2006, BGBl I 81, an Stelle von §81 Abs2 in das UrhG eingefügte §87c lautet:

"Einstweilige Verfügungen

§87c. (1) Mit Beziehung auf Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, angemessenes Entgelt, Schadenersatz und Herausgabe des Gewinns nach diesem Gesetz können einstweilige Verfügungen sowohl zur Sicherung des Anspruchs selbst als auch zur Sicherung von Beweismitteln erlassen werden.

(2) Zur Sicherung von Ansprüchen auf angemessenes Entgelt, Schadenersatz und Herausgabe des Gewinns können im Fall von gewerbsmäßig begangenen Rechtsverletzungen einstweilige Verfügungen erlassen werden, wenn wahrscheinlich ist, dass die Erfüllung dieser Forderungen gefährdet ist.

(3) Zur Sicherung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen können einstweilige Verfügungen erlassen werden, auch wenn die im §381 der Exekutionsordnung bezeichneten Voraussetzungen nicht zutreffen.

(4) Einstweilige Verfügungen nach Abs1 sind auf Antrag der gefährdeten Partei ohne Anhörung des Gegners zu erlassen, wenn der gefährdeten Partei durch eine Verzögerung wahrscheinlich ein nicht wieder zu gut machender Schaden entstünde oder wenn die Gefahr besteht, dass Beweise vernichtet werden."

III. Zur Zulässigkeit

Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß Art140 Abs1a B‑VG iVm §62a Abs1 Z9 VfGG ist die Stellung eines (Partei-)Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG "im Verfahren betreffend einstweilige Verfügungen gemäß den Bestimmungen der EO" nicht zulässig.

2. Wie der Verfassungsgerichtshof mit näherer Begründung im Beschluss vom 13. Oktober 2016, G665/2015, dargelegt hat, bestehen gegen diesen Ausnahmetatbestand in §62a Abs1 Z9 VfGG keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

3. Die einschreitenden Parteien bringen vor, dass sich ihr Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf §87c UrhG gestützt habe und daher über diesen nicht in einem "Verfahren betreffend einstweilige Verfügungen gemäß den Bestimmungen der EO" entschieden worden wäre. Diese Annahme trifft aber nicht zu, weil auch Anträge auf einstweilige Verfügungen zum Schutze des Urheberrechtes in einem Verfahren gemäß den Bestimmungen der EO zu entscheiden sind, wie nachfolgende – teilweise historische – Darstellung erhellt:

3.1. Für das Gesetz vom 26. Dezember 1895, betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur, Kunst und Photographie, RGBl. 197/1895, galt Folgendes: "Im Urheberrecht ist aber nichts darüber bestimmt, daß und in welcher Weise und unter welchen Voraussetzungen der Zivilrichter einstweilige Verfügungen zum Schutze des Urheberrechtes [...] erlassen kann. Es kommen daher ausschließlich die Bestimmungen der Exekutionsordnung zur Anwendung" (Neumann/Lichtblau, Kommentar zur Exekutionsordnung³, 1929, §§382 bis 385, 1216).

3.2. Vom Inkrafttreten des UrhG am 1. Juli 1936 bis zur Urheberrechtsnovelle 2006 legte der Abs2 des mit "Unterlassungsanspruch" betitelten §81 UrhG fest, dass einstweilige Verfügungen erlassen werden können, auch wenn die im §381 EO bezeichneten Voraussetzungen nicht zutreffen. Es besteht kein Zweifel, dass mit dem Begriff "einstweilige Verfügung" das entsprechende Rechtsinstitut der EO gemeint war und dass daher auch in diesem Zeitraum – bei Entfall der Voraussetzungen des §381 EO – über einstweilige Verfügungen im Bereich des Urheberrechts in einem "Verfahren betreffend einstweilige Verfügungen gemäß den Bestimmungen der EO" zu entscheiden war.

3.3. Mit der Urheberrechtsnovelle 2006 wurde – in Umsetzung der Rechtsdurchsetzungs-Richtlinie (RL 2004/48/EG) – §81 Abs2 UrhG aufgehoben und statt dessen ein eigener §87c in das Urheberrechtsgesetz eingefügt, der mit "Einstweilige Verfügungen" überschrieben ist. Diese Rechtsvorschrift enthält zwar für den Bereich des Urheberrechts spezielle materiellrechtliche und formellrechtliche Bestimmungen für die Erlassung einstweiliger Verfügungen, nichts deutet aber darauf hin, dass damit ein neues Rechtsinstitut – etwa unter dem Titel "Einstweilige Verfügung des Urheberrechts" – geschaffen worden wäre, sodass über einstweilige Verfügungen im Bereich des Urheberrechts auch weiterhin "im Verfahren betreffend einstweilige Verfügungen gemäß den Bestimmungen der EO" zu entscheiden ist.

4. Damit erweist sich der Antrag der einschreitenden Partei auf Aufhebung des §78 UrhG wegen Verfassungswidrigkeit als unzulässig, weil er aus Anlass eines Verfahrens betreffend einstweilige Verfügungen gemäß den Bestimmungen der EO gestellt wird (§62a Abs1 Z9 VfGG).

5. Bei diesem Ergebnis hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob weitere Prozesshindernisse bestehen.

6. Der Antrag ist somit gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

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