VfGH G49/2016

VfGHG49/201610.10.2016

Zurückweisung des Individualantrags einer Drogeriemarktkette auf Aufhebung von Bestimmungen über den Apothekenvorbehalt für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel wegen eines zu eng gefassten bzw fehlenden Aufhebungsantrags im Hinblick auf die vorgetragenen Bedenken

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
ArzneimittelG §57, §59, §59a
ApothekenG §5
VfGG §62 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
ArzneimittelG §57, §59, §59a
ApothekenG §5
VfGG §62 Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antragsvorbringen

1. In ihrem auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG gestützten Antrag bringt die antragstellende Partei vor, dass sie als etablierte Drogeriemarktkette auf Grund ihrer Gewerbeberechtigungen schon derzeit Arzneimittel, die vom Apothekenvorbehalt entweder durch Verordnung gemäß §59 Abs3 Arzneimittelgesetz, BGBl 185/1983 idF BGBl I 162/2013 (im Folgenden: AMG) oder Bescheid gemäß §59 Abs6 AMG ausgenommen sind, vertreibe. Hinzu kämen die verschiedensten Medizinprodukte, sodass sie derzeit 333 Produkte aus dem medizinischen Bereich anbieten würde. Zusätzlich zu diesen Produkten beabsichtige sie, in Zukunft ihr Sortiment auf alle nicht der Rezeptpflicht unterliegenden Arzneimittel auszudehnen.

1.1. Dem stünden die im Antrag genannten Bestimmungen (das sind §57 Abs1 Z2, §59 Abs1, 3 und 9, §59a Abs1 AMG bzw. §5 Apothekengesetz, RGBl. 5/1907 idF BGBl  I 75/2008 (im Folgenden: ApothekenG), insbesondere der in §59 Abs1 AMG normierte Apothekenvorbehalt entgegen. Diese Bestimmungen würden der antragstellenden Partei verbieten, nicht rezeptpflichtige Arzneimittel in ihren Drogeriefilialen abzugeben. Dieses Verbot sei strafbewehrt: Wer Arzneimittel rechtswidrig abgibt, sei gemäß §83 Abs1 Z5 AMG mit Geldstrafe bis zu € 7.500,–, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu € 14.000,– zu bestrafen, wobei bereits der Versuch strafbar ist (§83 Abs2 AMG).

1.2. Die inkriminierten Bestimmungen würden die antragstellende Partei in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) und Gleichheit vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B‑VG) verletzen; sie seien überdies unionsrechtswidrig. Dabei handle es sich nicht bloß um wirtschaftliche Reflexwirkungen, sondern um ein zielgerichtetes rechtliches Abgabeverbot: Da die antragstellende Partei keine Apotheke betreibe, dürfe sie rezeptpflichtige Arzneimittel nicht abgeben. Die in §59 Abs3 AMG enthaltene Ermächtigung an den Bundesminister für Gesundheit und Frauen, durch Verordnung jene Arzneimittel zu bestimmen, die selbst bei einer nach den Erfahrungen des täglichen Lebens vorhersehbaren, nicht bestimmungsgemäßen Verwendung keine Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens von Mensch oder Tier besorgen lassen und daher durch Drogisten oder durch Gewerbetreibende, die gemäß Gewerbeordnung 1994 zur Herstellung von Arzneimitteln berechtigt sind, abgegeben werden dürfen, reiche nicht aus, weil sie zu eng gezogen sei und die auf Grund dieser Bestimmung ergangene Verordnung BGBl II 122/2004 idF BGBl II 150/2014 nur "bestimmte – wenige – Arzneimittel vom Apothekenvorbehalt ausnimmt". Das Bescheidverfahren nach §59 Abs6 AMG sei kein zumutbarer anderer Weg, weil in diesem Verfahren nur Zulassungsinhaber von Arzneimitteln antragsberechtigt seien.

2. Der Schriftsatz der antragstellenden Partei enthält sodann eine ausführliche Begründung der Bedenken, in denen das öffentliche Interesse an den und die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Regelungen in Zweifel gezogen werden und eine durch die angegriffene Vertriebsbeschränkung bewirkte verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen den von der antragstellenden Partei beschäftigten und den in Apotheken beschäftigten Pharmazeuten, eine "Ungleichbehandlung gleicher Standorte" sowie eine verfassungswidrige Gleichbehandlung zwischen rezeptpflichtigen und rezeptfreien Arzneimitteln geltend gemacht wird. Die mögliche sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung im Hinblick auf eine potenzielle Gefährdung der Gesundheit von Arzneimittelkonsumenten und der wirtschaftlichen Existenz von Apotheken wird bestritten.

3. Abschließend stellt die antragstellende Partei die im Spruch wörtlich wiedergegebenen Anträge.

II. Rechtslage

1. Der Vertrieb von Arzneimitteln ist in Abschnitt VI des Arzneimittelgesetzes (AMG) geregelt. Die vor dem Hintergrund des Antragsvorbringens in Betracht zu ziehenden §§57 - 59a AMG, BGBl 185/1983 idF BGBl I 162/2013 lauten (wobei die Normen, denen Bedenken zugeordnet werden, durch Fettdruck und jene, zu denen auch Aufhebungsanträge gestellt wurden, durch Unterstreichung hervorgehoben werden):

"Abgabe von Arzneimitteln

§57. (1) Arzneimittel dürfen vom Hersteller, Depositeur oder Arzneimittel-Großhändler nur abgegeben werden an

1. öffentliche Apotheken, Anstaltsapotheken und tierärztliche Hausapotheken,

2. Drogisten oder andere Gewerbetreibende, die gemäß §59 Abs3 zur Abgabe von Arzneimitteln befugt sind,

3. Hersteller ausschließlich zum Zweck der Herstellung von Arzneimitteln oder soweit sie gemäß der Gewerbeordnung 1994 zum Handel mit Arzneimitteln befugt sind,

4. Arzneimittel-Großhändler,

5. Gebietskörperschaften

a) im Zusammenhang mit Aufgaben der Impfprophylaxe oder zur Erfüllung der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben der Seuchenbekämpfung,

b) zur humanitären Hilfeleistung im Zusammenhang mit einer im Ausland eingetretenen Katastrophe oder einem schweren Unglücksfall,

c) zur Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung im Inland, wenn dies im Zusammenhang mit einer Katastrophe, terroristischen Bedrohung, kriegerischen Auseinandersetzung oder einer Pandemie unbedingt erforderlich ist,

5a. Unternehmen und Organisationen, die der Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Bevölkerung dienen und die auf der Grundlage eines zwischen dem Bund oder einem Land und einem Hersteller, Depositeur oder Arzneimittel-Großhändler abgeschlossenen Vertrags über die Sicherstellung der Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung im Zusammenhang mit einer Pandemie, kriegerischen Auseinandersetzung oder terroristischen Bedrohung ihrerseits Einzelverträge zum direkten Ankauf eines Arzneimittels für den Bedarf der eigenen Mitarbeiter abgeschlossen haben,

6. Einrichtungen des Österreichischen Bundesheeres, die der Arzneimittelversorgung des Bundesheeres dienen,

6a. das Bundesministerium für Inneres, die ihm nachgeordneten Behörden und Betreuungseinrichtungen zur Notfallversorgung, Vorsorge und Betreuung von Einsätzen, sofern diese die Arzneimittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen,

7. Einrichtungen, die vorläufige gerichtliche Verwahrungen beziehungsweise Anhaltungen, gerichtliche Freiheitsstrafen beziehungsweise mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende gerichtliche Maßnahmen vollziehen, sofern diese Arzneimittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen,

8. wissenschaftliche Institute und Untersuchungsanstalten der Gebietskörperschaften und der Universitäten und die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, sofern diese Arzneimittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, und

9. organisierte Notarztdienste, sofern es sich um Suchtmittel handelt, die diese für ihre notärztliche Tätigkeit benötigen.

(2) An Krankenanstalten ohne Anstaltsapotheke dürfen vom Hersteller, Depositeur oder Arzneimittel-Großhändler abgegeben werden:

1. Vollblutkonserven, Suspensionen zellulärer oder korpuskulärer Blutbestandteile, Einzelspenderzubereitungen,

2. natives menschliches oder tierisches Gewebe.

(3) Die Abs1 und 2 gelten nicht für radioaktive Arzneimittel. Diese dürfen vom Hersteller, Depositeur oder Arzneimittel-Großhändler nur an Inhaber einer Bewilligung für den Umgang mit radioaktiven Stoffen gemäß dem Strahlenschutzgesetz, BGBl Nr 227/1969, abgegeben werden.

(4) Fütterungsarzneimittel dürfen vom Hersteller, Depositeur oder Arzneimittel-Großhändler auf Verschreibung des behandelnden Tierarztes direkt an Verbraucher abgegeben werden. Die wiederholte Abgabe auf eine Verschreibung ist unzulässig.

(5) Abs1 gilt nicht für Arzneispezialitäten gemäß §7 Abs4 und §59 Abs7a.

(6) Vom Hersteller, Depositeur oder Arzneimittel-Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe im Kleinverkauf nicht den Apotheken vorbehalten ist, direkt an Bandagisten, Orthopädieschuhmacher, Orthopädietechniker, Zahntechniker, Fußpfleger, Inhaber einer Berechtigung für den Huf- und Klauenbeschlag und Masseure abgegeben werden, sofern es sich dabei um Arzneimittel handelt, die diese Gewerbetreibenden für die Ausübung ihrer Tätigkeit benötigen.

(7) Vom Hersteller, Depositeur oder Arzneimittel-Großhändler dürfen Dentalarzneimittel, die

1. nicht der Rezeptpflicht unterliegen und

2. ausschließlich dazu bestimmt sind, von Zahnärzten, Fachärzten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde oder Dentisten am Patienten angewendet zu werden,

direkt an diese sowie an Zahnambulatorien abgegeben werden.

(8) Medizinische Gase dürfen vom Hersteller, Depositeur oder Arzneimittel-Großhändler an Krankenanstalten ohne Anstaltsapotheke und an Gewerbetreibende abgegeben werden, die gemäß der Gewerbeordnung 1994 zur Abgabe komprimierter technischer Gase berechtigt sind.

(9) Arzneimittel zur klinischen Prüfung dürfen vom Hersteller, Depositeur und Arzneimittel-Großhändler auch direkt an Krankenanstalten ohne Anstaltsapotheke und an Prüfer abgegeben werden.

(10) Rettungs- und Krankenbeförderungsdienste einer Gebietskörperschaft dürfen Arzneimittel, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen der Rettung und Krankenbeförderung benötigen, aus jenen Anstaltsapotheken beziehen, die von Krankenanstalten betrieben werden, deren Träger diese Gebietskörperschaft ist.

Sicherstellung der Versorgung

§57a. (1) Der Zulassungsinhaber oder der Inhaber einer Registrierung einer Arzneispezialität und die Arzneimittel-Großhändler und Arzneimittel-Vollgroßhändler, die diese tatsächlich in Verkehr gebrachte Arzneispezialität vertreiben, haben im Rahmen ihrer jeweiligen Verantwortung eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung der Arzneispezialität für die Abgabe durch Apotheken oder für sonst zur Abgabe gemäß §59 Berechtigte sicherzustellen, damit der Bedarf der Patienten im Inland gedeckt ist.

(2) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen kann durch Verordnung nähere Bestimmungen hinsichtlich des Umfangs der in Abs1 genannten Verpflichtungen und der Maßnahmen bei deren Nichterfüllung erlassen, sofern dies erforderlich ist, um die Sicherstellung der Versorgung der Patienten im Inland zu gewährleisten.

§57b. Dieser Abschnitt gilt nicht für die Abgabe von menschlichen Zellen und Gewebe zur Verwendung beim Menschen, soweit sie unter das Gewebesicherheitsgesetz, BGBl I Nr 49/2008, fallen.

Abgabe von Ärztemustern

§58. (1) Zulassungsinhaber dürfen Muster von zugelassenen Arzneispezialitäten an Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Dentisten nur über deren schriftliche Anforderung, ausschließlich unentgeltlich und nach Aufbringung des deutlich lesbaren und nicht entfernbaren Hinweises 'Unverkäufliches Ärztemuster' in einer nicht größeren als der kleinsten im Handel befindlichen Packung nach Maßgabe des Abs2 abgeben. Diese Muster dürfen auch von den Empfängern nur unentgeltlich weitergegeben werden. Die Abgabe von Ärztemustern von Arzneispezialitäten, die psychotrope Substanzen oder Suchtstoffe enthalten, ist verboten.

(2) Die Abgabe von unverkäuflichen Ärztemustern darf an Empfänger gemäß Abs1

1. innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr nach erstmaliger Abgabe der Arzneispezialität im Sinne des §57 in einer Anzahl, die zur Beurteilung des Behandlungserfolges bei höchstens zehn Patienten ausreicht, insgesamt jedoch höchstens im Ausmaß von 30 Ärztemustern einer Arzneispezialität je Empfänger, und

2. nach Ablauf des in Z1 genannten Zeitraumes pro Anforderung höchstens im Ausmaß von 2 Ärztemustern, an einen Empfänger jedoch höchstens im Ausmaß von fünf Ärztemustern einer Arzneispezialität im Jahr erfolgen.

(3) Über die Empfänger von unverkäuflichen Ärztemustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe derselben sind Nachweise zu führen und auf Verlangen dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen vorzulegen. Der Bundesminister hat durch Verordnung nähere Bestimmungen über Art und Form der Nachweise zu erlassen.

Abgabe im Kleinen

§59. (1) Arzneimittel dürfen nur durch Apotheken abgegeben werden, sofern in den §§57 und 58 oder im folgenden nichts anderes bestimmt ist.

(2) Apothekeneigene Arzneispezialitäten dürfen nur durch die Apotheke abgegeben werden, in der sie ganz oder überwiegend hergestellt werden und deren Betreiber Registrierungsinhaber dieser apothekeneigenen Arzneispezialität ist.

(3) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung jene Arzneimittel zu bestimmen, die selbst bei einer nach den Erfahrungen des täglichen Lebens vorhersehbaren nicht bestimmungsgemäßen Verwendung keine Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens von Mensch oder Tier besorgen lassen und daher durch Drogisten oder durch Gewerbetreibende, die gemäß Gewerbeordnung 1994 zur Herstellung von Arzneimitteln berechtigt sind, abgegeben werden dürfen.

(4) Soweit es sich bei Arzneimitteln gemäß Abs3 um Kontaktlinsenflüssigkeiten handelt, dürfen diese auch durch Gewerbetreibende abgegeben werden, die gemäß der Gewerbeordnung 1994 zum Kleinhandel mit Kontaktlinsen und der Anpassung von Kontaktlinsen berechtigt sind.

(5) Arzneispezialitäten, die ausschließlich wirksame Bestandteile enthalten, die in einer Verordnung gemäß Abs3 angeführt sind, dürfen gemäß Abs3 und 4 abgegeben werden, es sei denn, das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen bestimmt durch Bescheid, daß diese wegen einer Gefährdungsmöglichkeit, die sich aufgrund der besonderen Zusammensetzung oder einer bestimmten Indikation ergibt, im Kleinverkauf den Apotheken vorbehalten ist.

(6) Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen kann über Antrag des Zulassungsinhabers durch Bescheid Arzneispezialitäten, die dem Abs5 nicht entsprechen, vom Apothekenvorbehalt ausnehmen, wenn eine Gefährdung auf Grund der besonderen Zusammensetzung oder der vorgesehenen Indikation nicht zu besorgen ist. Ein solcher Bescheid ist zu widerrufen, wenn nachträglich bekannt wird, daß die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind.

(7) Die Abs1 bis 6 gelten nicht für Arzneimittel im Sinne des §7 Abs4.

(7a) Wenn es sich um Arzneispezialitäten für Tiere, die zur äußeren Anwendung an der Haut bestimmt sind, oder um Arzneispezialitäten für Bienen handelt, kann auf Grund der besonderen Zusammensetzung oder der vorgesehenen Indikationen dieser Arzneispezialitäten über Antrag des Zulassungsinhabers das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen durch Bescheid eine Abgabe außerhalb von Apotheken und Drogerien vorsehen. Ein solcher Bescheid ist zu widerrufen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind.

(8) Medizinische Gase dürfen auch durch Gewerbetreibende abgegeben werden, die gemäß der Gewerbeordnung 1994 zur Abgabe von komprimierten technischen Gasen im Kleinverkauf berechtigt sind.

(9) Die Abgabe von Arzneimitteln in Selbstbedienung oder durch Fernabsatz ist verboten.

(10) Das Fernabsatzverbot gemäß Abs9 gilt nicht für in Österreich zugelassene oder registrierte nicht rezeptpflichtige Humanarzneispezialitäten, die im Wege des Fernabsatzes

1. innerhalb Österreichs durch öffentliche Apotheken, oder

2. nach Österreich durch Apotheken einer anderen EWR-Vertragspartei, die nach den dort geltenden Rechtsvorschriften dazu befugt sind,

abgegeben werden.

(11) Das Fernabsatzverbot gemäß Abs9 gilt nicht für Humanarzneispezialitäten, die den nationalen Rechtsvorschriften einer anderen EWR-Vertragspartei entsprechen, sofern diese dort nicht rezeptpflichtig sind, die im Wege des Fernabsatzes durch öffentliche Apotheken in das Gebiet dieser EWR-Vertragspartei abgegeben werden.

Fernabsatz

§59a. (1) Die Abgabe von Humanarzneispezialitäten im Wege des Fernabsatzes gemäß §59 Abs10 Z1 und Abs11 darf nur durch öffentliche Apotheken erfolgen, die die Anforderungen gemäß Abs2 und 3 erfüllen.

(2) Öffentliche Apotheken, die beabsichtigen, Humanarzneispezialitäten zum Verkauf an die Öffentlichkeit im Wege des Fernabsatzes anzubieten, haben dies vor Aufnahme der Tätigkeit dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen unter Angabe des Namens des Betreibers und der Anschrift, des Datums des Beginns der Tätigkeit und der Adresse der zu diesem Zweck genutzten Webseiten einschließlich aller Angaben zu deren Identifizierung anzuzeigen. Änderungen dieser Angaben sind unverzüglich anzuzeigen.

(3) Die Webseiten gemäß Abs2 müssen mindestens

1. die Adresse und sonstige Kontaktdaten des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen aufweisen,

2. auf jeder Seite der Webseite, die sich auf das Angebot des Verkaufs von Humanarzneispezialitäten durch Fernabsatz bezieht, das gemeinsame Logo nach Art85c Abs3 der Richtlinie 2001/83/EG, das eine Verbindung zur Liste gemäß Abs4 Z3 beinhalten muss, gut sichtbar anzeigen, und

3. eine Verbindung zum Internetportal des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen gemäß §27 Abs4 haben.

(4) Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen hat über das Internetportal gemäß §27 Abs4 mindestens folgende Angaben zur Verfügung zu stellen:

1. Angaben zu den auf das Angebot an die Öffentlichkeit zum Verkauf von Humanarzneispezialitäten durch Fernabsatz anzuwendenden Rechtsvorschriften,

2. Angaben über den Zweck des gemeinsamen Logos nach Art85c Abs3 der Richtlinie 2001/83/EG,

3. eine Liste der öffentlichen Apotheken gemäß Abs1 sowie die Adressen ihrer Webseiten,

4. Informationen über die Gefahren für die Gesundheit und das Leben von Menschen durch Humanarzneispezialitäten, die illegal im Wege des Fernabsatzes an die Öffentlichkeit abgegeben werden, und

5. eine in regelmäßigen Abständen aktualisierte Übersicht über die EWR-Vertragsparteien, in denen für die Abgabe von Arzneimitteln durch Fernabsatz den österreichischen Vorschriften vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen.

(5) Humanarzneispezialitäten, die durch Fernabsatz abgegeben werden, dürfen nur in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge versendet werden, und sind

1. so zu verpacken, transportieren und auszuliefern, dass ihre Qualität und Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wird, und

2. nachweislich der Person auszufolgen, die vom Auftraggeber der Bestellung der jeweiligen öffentlichen Apotheke mitgeteilt wurde.

(6) Im Rahmen des Bestellvorgangs hat eine Beratung auch über allfällige Wechselwirkungen zu erfolgen, wobei nach Maßgabe der technischen Verfügbarkeit auch die e-Medikation gemäß §16a Gesundheitstelematikgesetz 2012, BGBl I Nr 48/2012, zu nutzen ist. Der Bundesminister für Gesundheit hat durch Verordnung nähere Regelungen zu treffen, um ab der technischen Verfügbarkeit auch den Bezug von Arzneimitteln im Wege des Fernabsatzes in die e-Medikation gemäß §16a Gesundheitstelematikgesetz 2012 einzubeziehen.

(7) Der Bundesminister für Gesundheit hat unter Bedachtnahme auf die Arzneimittelsicherheit durch Verordnung nähere Bestimmungen hinsichtlich der Anforderungen an die Abgabe von Humanarzneispezialitäten durch Fernabsatz und an deren Versendung, insbesondere über den Bestellvorgang, die Verpackung, den Transport, die Lagerung, die Lieferung, die Abholung, die Sicherstellung der pharmazeutischen Beratung und das Erfordernis eines Qualitätssicherungssystems zu erlassen."

"Übergangsregelungen zur Novelle BGBl I Nr 48/2013

§94i. (1) - (2) […]

(3) Die §§59 Abs10 Z1 und 59a Abs1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 48/2012 treten ein Jahr nach der Veröffentlichung der Durchführungsrechtsakte der Europäischen Kommission gemäß Art85c Abs3 der Richtlinie 2001/83/EG im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Der Bundesminister für Gesundheit hat durch Verordnung das Datum der Veröffentlichung der Durchführungsrechtsakte sowie den Zeitpunkt des Inkrafttretens der §§59 Abs10 Z1 und 59a Abs1 bis 4 im Bundesgesetzblatt Teil II kundzumachen.

(4) - (5) […]"

2. Die mitangefochtene Bestimmung des §5 Apothekengesetz, RGBl. 5/1907 idF BGBl 75/2008 (im Folgenden: ApothekenG), lautet:

Ausbildung, Prüfung und Tätigkeitsbereiche der Apotheker

§5. Der Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend hat die Ausbildung, die Verwendung während der Ausbildung und die Prüfung für den Apothekerberuf (§3a Abs1), die den Apothekern vorbehaltenen Tätigkeiten in Apotheken sowie nähere Bestimmungen über die für den Erhalt der Berechtigung zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke oder die für deren Wiedererlangung erforderliche Dienstzeit (§3 Abs6) nach Anhören der Österreichischen Apothekerkammer durch Verordnung zu regeln. Den Apothekern als pharmazeutischen Fachkräften vorbehaltene Tätigkeiten in Apotheken sind insbesondere die Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln, die Abgabe von den Apotheken vorbehaltenen Arzneimitteln, die Beratungs- und Informationstätigkeit über Arzneimittel sowie die Überprüfung von Arzneimittelvorräten in Krankenanstalten."

III. Erwägungen

1. Der Antrag ist nicht zulässig:

1.1. Der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, muss begehren, dass entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen (§62 Abs1 VfGG). (Individual-)Anträge nach Art140 B‑VG, die nicht begehren, das – nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige – Gesetz seinem "ganzen Inhalt" nach oder in "bestimmte[n]" Stellen aufzuheben (§62 Abs1 Satz 1 VfGG), oder die keine Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der aufzuhebenden Norm sprechenden Bedenken "im einzelnen" enthalten (§62 Abs1 Satz 2 VfGG), sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht verbesserungsfähig und als unzulässig zurückzuweisen (VfSlg 14.860/1997 mit zahlreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur). Ein Gesetzesprüfungsantrag ist ferner nur dann zulässig, wenn für den Fall einer gänzlichen oder teilweisen Aufhebung der angefochtenen Norm im beantragten Umfang die behauptete Verfassungswidrigkeit beseitigt würde (vgl. etwa VfSlg 19.178/2010 uva.). Das Fehlen eines entsprechenden Aufhebungsbegehrens ist kein bloßes Formgebrechen iSd §18 VfGG, sondern ein inhaltlicher, keiner Verbesserung zugänglicher Mangel (zuletzt VfGH 2.7.2015, G227/2015 mwH).

1.2. Das Regelungssystem des Arzneimittelrechts, von dem die antragstellende Partei nach ihrem Vorbringen meint, dass es sie in verfassungswidriger Weise in ihrer Erwerbstätigkeit beschränkt, greift auf zweifache Weise in den Arzneimittelhandel ein, nämlich einerseits durch Verbote bei der Belieferung des Kleinhandels durch den Großhandel und andererseits durch korrespondierende Verbote bei der Abgabe an Konsumenten durch den Kleinhandel:

1.2.1. Es wird Herstellern und Vertreibern von Arzneimitteln verboten, Arzneimittel an andere "Verteiler" abzugeben als die in §57 AMG genannten. §57 Abs1 Z2 AMG erlaubt insbesondere eine solche Abgabe an Drogisten, wie die antragstellende Partei, nur unter der Voraussetzung, dass sie gemäß §59 Abs3 AMG zur Abgabe von Heilmitteln befugt wären, dh. dass sie nur mit jenen Arzneimitteln beliefert werden dürfen, die gemäß §59 Abs3 AMG durch Verordnung zur Abgabe an Drogisten und andere Gewerbetreibende zugelassen sind. Alle anderen Arzneimittel dürfen an Drogisten und andere Gewerbetreibende nicht abgegeben werden.

1.2.2. Es wird in §59 Abs1 AMG darüber hinaus angeordnet, dass andere Arzneimittel als jene, von denen dies in den §§57 und 58 bzw. in der Verordnung gemäß §59 Abs3 AMG zugelassen wird, im Kleinverkauf nur durch Apotheken abgegeben werden dürfen.

1.2.3. Beide Verbote gemeinsam stellen sicher, dass Arzneimittel nur auf den vom Gesetz zugelassenen Vertriebswegen (und daher auch nicht durch die antragstellende Partei in dem von ihr angestrebten Umfang im Kleinverkauf) gehandelt werden dürfen. Das erste verhindert die Belieferung der beschwerdeführenden Partei durch den Großhandel und das zweite sichert das erste Verbot auch für den Fall ab, dass Arzneimittel verbotenerweise oder auf andere Weise als durch den inländischen Großhandel in die Verfügungsmacht des Kleinhandels gelangen würden.

1.2.4. Im Antrag wird von der antragstellenden Partei nur die Aufhebung des §59 AMG und des §5 ApothekenG zur Gänze bzw. in mehreren Eventualanträgen §59 AMG in jeweils unterschiedlichem Umfang beantragt, hingegen nicht auch die Aufhebung des §57 AMG (zumindest) im Umfang von dessen Abs1 Z2, obwohl diese Bestimmung – wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt – ausschließt, dass die antragstellende Partei gegebenenfalls in dem erforderlichen (und im Antrag allein als verfassungsmäßig erachteten) Umfang mit Arzneimitteln beliefert werden könnte, sodass diese Bestimmung vor dem Hintergrund der geltend gemachten Bedenken (zumindest) mit §59 Abs1 und 3 AMG in einem untrennbaren Zusammenhang steht; wie im Übrigen auch im Antragsschriftsatz selbst noch zutreffend erkannt wird, ohne dass daraus aber die erforderlichen Konsequenzen auch für den Aufhebungsantrag gezogen worden wären.

1.3. Die Anfechtung der Verordnungsermächtigung des §59 Abs3 AMG ist überdies unzulässig, da nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch eine derartige Verordnungsermächtigung die Rechtsstellung eines Normunterworfenen unmittelbar nicht beeinträchtigt werden kann, weil sie erst über die Erlassung der – im vorliegenden Antrag aber nicht angefochtenen – Verordnung für die Normunterworfenen wirksam wird (vgl. VfSlg 11.730/1988, 13.318/1992, 15.316/1998 sowie zuletzt VfGH 19.11.2015, G586/2015).

1.4. Hinsichtlich des weiteren Bedenkens leidet der Antrag am gleichen Inhaltsmangel: Das Bedenken, dass die antragstellende Partei durch den Apothekenvorbehalt des §59a Abs1 AMG in verfassungswidriger Weise am Fernabsatz mit rezeptfreien Medikamenten gehindert werde, findet keine Entsprechung in den Aufhebungsanträgen, da die Aufhebung dieser Bestimmung nicht beantragt wird.

1.5. Der Umstand, dass im Antragsschriftsatz selbst noch dargetan wird, auf welche Weise durch §57 Abs1 Z2 AMG und §59a Abs1 AMG in Rechte der antragstellenden Partei eingegriffen und aus welchem Grund die jeweilige Bestimmung "daher angefochten wird", vermag ein ausdrückliches, die angefochtenen Bestimmungen genau bezeichnendes (zuletzt VfGH 2.7.2015, G227/2015) Aufhebungsbegehren nach §62 Abs1 erster Satz VfGG nicht zu ersetzen (vgl. VfSlg 13.968/1994).

1.6. Weitere Bedenken, denen für den Fall ihres Zutreffens durch die Beseitigung der vom Aufhebungsantrag erfassten Bestimmungen Rechnung getragen werden könnte, enthält der Antrag nicht.

2. Der zu eng gefasste bzw. fehlende Aufhebungsantrag lässt es daher vor dem Hintergrund der vorgetragenen Bedenken nicht zu, für den Fall des Zutreffens eines der beiden Bedenken die jeweilige Verfassungswidrigkeit durch Aufhebung der von den Bedenken erfassten Bestimmungen zu beseitigen. Der Antrag ist daher schon aus diesen Gründen unzulässig. Es kann daher offen bleiben, ob der Antrag im Übrigen alle Prozessvoraussetzungen eines Individualantrages erfüllen würde, insbesondere, ob die Fassung der angefochtenen Bestimmungen im Hinblick auf §94i Abs3 AMG im Schriftsatz ausreichend deutlich bezeichnet wurde.

3. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

4. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte