Normen
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
BAO §131 Abs4, §131b
BarumsatzV 2015, BGBl II 247/2015 §2
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
BAO §131 Abs4, §131b
BarumsatzV 2015, BGBl II 247/2015 §2
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Sachverhalt und Antrag
1. Die Antragstellerin hat das Gewerbe "Marktfahrerin und Handelsgewerbe, eingeschränkt auf den Kleinhandel" inne, wobei sie ihre Ware (vornehmlich Geschirr) auf diversen Veranstaltungen an öffentlichen Orten und nicht in Verbindung mit fest umschlossenen Räumlichkeiten anbietet, und führt dazu aus, dass sie im letzten Jahr einen Jahresumsatz von über € 30.000,– erzielt habe.
2. In ihrem auf Art140 Abs1 litc B‑VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge
"in §131 Abs4 BAO, BGBl I Nr 118/2015 die Wortfolge 'bis zu einem Jahresumsatz von 30 000 Euro je Betrieb oder wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb' als verfassungswidrig aufheben."
3. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, sie könne die "in §131 Abs4 BAO vorgesehenen, vom Bundesminister für Finanzen zu verordnenden Erleichterungen (vgl. die Barumsatzverordnung 2015 – BarUV 2015, BGBl II Nr 247/2015)" nicht in Anspruch nehmen. Sowohl §131 Abs4 BAO als auch die BarUV 2015 würden mit 1. Jänner 2016 in Kraft treten (§323 Abs45 BAO und §9 Abs1 BarUV 2015). Die Verpflichtungen nach §131b und §132a BAO würden die Antragstellerin somit bereits am 1. Jänner 2016 treffen. Sie habe daher "bereits jetzt dafür Sorge [zu] tragen, ihr Unternehmen danach auszurichten und für die entsprechenden technischen Voraussetzungen zu sorgen, insb. die erforderliche Registrierkasse anzuschaffen, selbst Schulungen in Anspruch zu nehmen und allfälliges Personal zu schulen bzw. schulen zu lassen." Die Antragstellerin sei daher von der angefochtenen Regelung unmittelbar und aktuell betroffen; das angefochtene Gesetz werde für sie ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam.
Das Gesetz greife in die Rechtssphäre der Antragstellerin nachteilig ein und verletze diese auf Grund der Verfassungswidrigkeit. Der unmittelbare Eingriff in ihre Rechtssphäre sei dadurch gegeben, dass das Gesetz nicht nur hypothetisch auf einen eventuell eintretenden Sachverhalt anwendbar wäre, sondern Art und Ausmaß des Eingriffs durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt seien, nämlich sich aktuell und unmittelbar nach den neuen Anforderungen der BAO auszurichten, da sonst ab 1. Jänner 2016 rechtliche Nachteile drohten. Die rechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin würden also nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt. Die bekämpfte Bestimmung zeitige derartige Vorwirkungen, dass die Antragstellerin bereits ab der Kundmachung die dargestellten Maßnahmen vorzunehmen habe. Der Antragstellerin stehe auch kein anderer (zumutbarer) Weg zur Verfügung, um den rechtswidrigen Eingriff abzuwehren.
Der Entfall der angefochtenen Wortfolge in §131 Abs4 BAO würde dem verbleibenden Gesetzesteil nach Ansicht der Antragstellerin auch keinen völlig veränderten Inhalt geben; "durch den Entfall der Umsatzgrenze würde lediglich eine (formale) Voraussetzung für die Erlassung einer VO durch den Bundesminister für Finanzen entfallen."
4. In der Sache bringt die Antragstellerin zusammengefasst vor, die angefochtene Gesetzesbestimmung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil die Antragstellerin als Markthändlerin wegen der ab 1. Jänner 2016 geltenden Regelungen durch die für eine Registrierkasse erforderlichen Anschaffungskosten von rund € 3.500,– unverhältnismäßig belastet werde. Eine Umsatzgrenze von € 30.000,– stehe zu diesen Kosten in keiner angemessenen Relation. Das bloße Abstellen auf einen Umsatz von € 30.000,– bei Anschaffungskosten von € 3.500,– je Registrierkasse sei unsachlich und gleichheitswidrig, dies auch unter Berücksichtigung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers. Es komme außerdem zu Wettbewerbsverzerrungen, da §131 Abs4 BAO auf den Jahresumsatz je Betrieb abstelle und es nicht auf den Umsatz je Verkaufsstelle ankomme. Die aufgezeigte Sachwidrigkeit werde noch dadurch verstärkt, dass das Gesetz bei der Umsatzgrenze nicht zwischen Bar- und sonstigen Umsätzen unterscheide.
II. Rechtslage
1. §131 BAO lautet in der ab 1. Jänner 2016 geltenden Fassung BGBl I 118/2015 wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"§131. (1) Bücher, die gemäß den §§124 oder 125 zu führen sind oder die ohne gesetzliche Verpflichtung geführt werden, und Aufzeichnungen der in den §§126 bis 128 bezeichneten Art dürfen, wenn nicht anderes gesetzlich angeordnet ist, auch im Ausland geführt werden. Derartige Bücher und Aufzeichnungen sind auf Verlangen der Abgabenbehörde innerhalb angemessen festzusetzender Frist in das Inland zu bringen. Den Büchern und Aufzeichnungen zu Grunde zu legende Grundaufzeichnungen sind, wenn sie im Ausland geführt werden, innerhalb angemessener Frist in das Inland zu bringen und im Inland aufzubewahren; diese Verpflichtung entfällt hinsichtlich jener Vorgänge, die einem im Ausland gelegenen Betrieb, einer im Ausland gelegenen Betriebsstätte oder einem im Ausland gelegenen Grundbesitz zuzuordnen sind. Es muss gewährleistet sein, dass auch bei Führung der Bücher und Aufzeichnungen im Ausland die Erforschung der für die Erhebung der Abgaben wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ohne Erschwernisse möglich ist.
Die gemäß den §§124, 125 und 126 zu führenden Bücher und Aufzeichnungen sowie die ohne gesetzliche Verpflichtung geführten Bücher sind so zu führen, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle vermitteln können. Die einzelnen Geschäftsvorfälle sollen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. Dabei gelten insbesondere die folgenden Vorschriften:
1. - 6. […]
(2) Werden die Geschäftsvorfälle maschinell festgehalten, gelten die Bestimmungen des Abs1 sinngemäß mit der Maßgabe, daß durch gegenseitige Verweisungen oder Buchungszeichen der Zusammenhang zwischen den einzelnen Buchungen sowie der Zusammenhang zwischen den Buchungen und den Belegen klar nachgewiesen werden sollen; durch entsprechende Einrichtungen soll der Nachweis der vollständigen und richtigen Erfassung aller Geschäftsvorfälle leicht und sicher geführt werden können und sollen Summenbildungen nachvollziehbar sein.
(3) Zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen können Datenträger verwendet werden, wenn die inhaltsgleiche, vollständige und geordnete Wiedergabe bis zum Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist jederzeit gewährleistet ist; die vollständige und richtige Erfassung und Wiedergabe aller Geschäftsvorfälle soll durch entsprechende Einrichtungen gesichert werden. Wer Eintragungen in dieser Form vorgenommen hat, muß, soweit er zur Einsichtgewährung verpflichtet ist, auf seine Kosten innerhalb angemessener Frist diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung stellen, die notwendig sind, um die Unterlagen lesbar zu machen, und, soweit erforderlich, ohne Hilfsmittel lesbare, dauerhafte Wiedergaben beibringen. Werden dauerhafte Wiedergaben erstellt, so sind diese auf Datenträgern zur Verfügung zu stellen.
(4) Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung Erleichterungen bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, bei der Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems nach §131b und bei der Belegerteilungsverpflichtung nach §132a, wenn die Erfüllung dieser Verpflichtungen unzumutbar wäre und die ordnungsgemäße Ermittlung der Grundlagen der Abgabenerhebung dadurch nicht gefährdet wird, festlegen.
Solche Erleichterungen sind nur zulässig:
1. für Umsätze bis zu einem Jahresumsatz von 30 000 Euro je Betrieb oder
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, die von Haus zu Haus oder auf öffentlichen
Wegen, Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Orten, jedoch nicht in
oder in Verbindung mit fest umschlossenen Räumlichkeiten ausgeführt
werden,
2. für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe von abgabenrechtlich begünstigten
Körperschaften im Sinn des §45 Abs1 und 2,
3. für bestimmte Warenausgabe- und Dienstleistungsautomaten oder
4. für Betriebe, bei denen keine Gegenleistung durch Bezahlung mit Bargeld
erfolgt, dies unbeschadet einer Belegerteilungsverpflichtung nach §132a."
2. §131b Abs1 BAO lautet in der ab 1. Jänner 2016 geltenden Fassung BGBl I 118/2015 wie folgt:
"§131b. (1)
1. Betriebe haben alle Bareinnahmen zum Zweck der Losungsermittlung mit elektronischer Registrierkasse, Kassensystem oder sonstigem elektronischen Aufzeichnungssystem unter Beachtung der Grundsätze des §131 Abs1 Z6 einzeln zu erfassen.
2. Die Verpflichtung zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems (Z1) besteht ab einem Jahresumsatz von 15 000 Euro je Betrieb, sofern die Barumsätze dieses Betriebes 7 500 Euro im Jahr überschreiten.
3.[…]"
3. Die §§1 und 2 der auf Grund der §§131 Abs4 und 131b Abs5 Z2 BAO idF BGBl I 118/2015 erlassenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen über Erleichterungen bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, bei der Registrierkassenpflicht und bei der Belegerteilungspflicht (Barumsatzverordnung 2015 – BarUV 2015), BGBl II 247/2015, lauten auszugsweise wie folgt:
"Vereinfachte Losungsermittlung
§1. (1) Eine vereinfachte Losungsermittlung bzw. Erleichterungen bei der Registrierkassenpflicht nach §131b BAO und der Belegerteilungpflicht nach §132a BAO kann nur in den Fällen der §§2 bis 4 in Anspruch genommen werden, soweit über die Bareingänge keine Einzelaufzeichnungen geführt werden, die eine Losungsermittlung ermöglichen.
(2) Bei Vorliegen der Berechtigung zur vereinfachten Losungsermittlung nach den §§2 und 3 können die gesamten Bareingänge eines Tages durch Rückrechnung aus dem ausgezählten End- und Anfangsbestand ermittelt werden.
(3) Die Ermittlung des Kassenanfangs- und Kassenendbestandes sowie der Tageslosung durch Rückrechnung muss nachvollziehbar und entsprechend dokumentiert werden. Sie hat spätestens zu Beginn des nächstfolgenden Arbeitstages und für jede Kassa gesondert zu erfolgen.
(4) Wenn die vereinfachte Losungsermittlung nach den §§2 bis 4 zulässig ist, besteht weder eine Registrierkassenpflicht gemäß §131b BAO noch eine Belegerteilungspflicht nach §132a BAO.
Umsätze im Freien
§2. (1) Für Umsätze, die von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Orten, jedoch nicht in oder in Verbindung mit fest umschlossenen Räumlichkeiten ausgeführt werden, kann bei Nichtüberschreiten der Umsatzgrenze gemäß §131 Abs4 BAO von 30 000 Euro Jahresumsatz die vereinfachte Losungsermittlung in Anspruch genommen werden.
(2) - (3) […]"
III. Erwägungen
1. Der Antrag ist nicht zulässig.
2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
3. Die Antragstellerin erachtet sich auf Grund der in der angefochtenen Wortfolge des §131 Abs4 BAO enthaltenen Umsatzgrenze als unmittelbar und aktuell in ihren (rechtlich geschützten) Interessen beeinträchtigt, da sie die in §131 Abs4 BAO vorgesehenen, "vom Bundesminister für Finanzen zu verordnenden Erleichterungen" nicht in Anspruch nehmen könne.
4. Nach §131b Abs1 Z1 BAO idF BGBl I 118/2005 haben Betriebe alle Bareinnahmen zum Zweck der Losungsermittlung mit elektronischer Registrierkasse, Kassensystem oder sonstigen elektronischen Aufzeichnungssystemen unter Beachtung der Grundsätze des §131 Abs1 Z6 BAO zu ermitteln. §131b Abs1 Z2 leg.cit. bestimmt, dass die Verpflichtung zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems ab einem Jahresumsatz von € 15.000,– je Betrieb besteht, sofern die Barumsätze dieses Betriebes € 7.500,– betragen.
Nach §131 Abs4 BAO kann der Bundesminister für Finanzen durch Verordnung Erleichterungen unter anderem bei der Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems unter bestimmten Voraussetzungen festlegen. §131 Abs4 BAO sieht weiters vor, dass solche Erleichterungen nur zulässig sind für Umsätze bis zu einem Jahresumsatz von € 30.000,– je Betrieb, die von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Orten ausgeführt werden.
Der auf Grundlage des §131 Abs4 BAO erlassene §2 Abs1 der BarUV 2015 regelt, dass bei Nichtüberschreiten der Umsatzgrenze von € 30.000,– Jahresumsatz die vereinfachte Losungsermittlung in Anspruch genommen werden kann. Im Fall einer solchen vereinfachten Losungsermittlung besteht gemäß §1 Abs4 BarUV 2015 unter anderem keine Registrierkassenpflicht gemäß §131b BAO.
5. Vor diesem Hintergrund ist die Antragstellerin somit nicht Normadressatin der Bestimmung des §131 Abs4 BAO und der darin enthaltenen, angefochtenen Wortfolge. Die Bestimmung ist vielmehr so gestaltet, dass sie nicht geeignet ist, die Rechtssphäre der Antragstellerin unmittelbar zu beeinträchtigen, da sie sich – wie auch die Antragstellerin richtig erkennt – an den Bundesminister für Finanzen richtet und diesem die Ermächtigung einräumt, durch Verordnung Erleichterungen bei der Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems nach §131b BAO unter bestimmten Voraussetzungen festzulegen. Durch eine derartige Verordnungsermächtigung kann die Rechtsstellung eines Normunterworfenen unmittelbar überhaupt nicht beeinträchtigt werden, weil sie erst über die Erlassung der – nicht angefochtenen – BarUV 2015 für die Antragstellerin wirksam wird (vgl. VfSlg 11.730/1988, 13.318/1992 sowie auch 15.316/1998).
IV. Ergebnis
Da die Antragstellerin durch die angefochtene Bestimmung nicht unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen ist, ist der Antrag schon aus diesem Grund gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
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