VfGH V157/2015 ua, V33/2016 ua

VfGHV157/2015 ua, V33/2016 ua2.7.2016

Gesetzwidrigkeit einer Einreihungsverordnung der Gemeinde Seiersberg-Pirka betreffend die Shopping City Seiersberg mangels Erfüllung der Voraussetzungen für die Einreihung der in Rede stehenden Straßen als öffentliche Interessentenwege; Aufhebung auch einer damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmung einer Verordnung der (ehemaligen) Gemeinde Seiersberg über die Zusammenfassung von Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft einschließlich der Regelung über die Weitergeltung in der Gemeinde Seiersberg-Pirka

Normen

B-VG Art18 Abs2
Stmk LStVG 1964 §2 Abs1, §7 Abs1 Z5, §8 Abs3, §45 Abs3
V der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17.05.2016 betr Einreihung bestimmter Flächen als öffentliche Interessentenwege Punkt 1.0
V der Gemeinde Seiersberg vom 13.06.2002 betr Zusammenfassung von Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft
V des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 02.01.2015 betr Weitergeltung von Verordnungen der Gemeinde Seiersberg Z83

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2016:V33.2016

 

Spruch:

I. Das zu den Zahlen V157-160/2015 protokollierte Verfahren wird eingestellt.

II. Der Punkt 1.0) der Verordnung der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17. Mai 2016, Z 612-5/Interessentenwege/4, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 20. Mai bis 6. Juni 2016, (samt zugehöriger planlicher Darstellung) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

III. Die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 18. Juni bis 3. Juli 2002, (samt zugehöriger planlicher Darstellung und sonstiger Beilagen) wird einschließlich der Ziffer 83. der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 2. bis 20. Jänner 2015, der zufolge die Verordnung Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St in der Gemeinde Seiersberg-Pirka weitergilt, als gesetzwidrig aufgehoben.

IV. Die Aufhebungen treten mit Ablauf des 15. Jänner 2017 in Kraft.

V. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für die Steiermark verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

1. Mit dem zu hg. Zahlen V157-160/2015 protokollierten und auf Art139 Abs1 Z6 iVm Art148i Abs1 B‑VG und Art45 Stmk. L‑VG 2010 gestützten Antrag begehrt die Volksanwaltschaft, die Verordnungen der Gemeinde Seiersberg 1. vom 13. Juni 2002, Z 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 24. Juni bis 10. Juli 2002, 2. vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 20. Juni bis 8. Juli 2002, 3. vom 4. Juli 2007, Z 612-5/ErschließungFFKZ/30, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 23. Juli bis 7. August 2007 und 4. vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 18. Juni bis 3. Juli 2002, als gesetzwidrig aufzuheben (jeweils samt Eventualanträgen).

2. Mit dem zu hg. Zahlen V33-35/2016 protokollierten und auf Art139 Abs1 Z6 iVm Art148i Abs1 B‑VG und Art45 Stmk. L‑VG 2010 gestützten Antrag begehrt die Volksanwaltschaft:

"I.

 

Der Verfassungsgerichtshof möge Punkt 1.0) der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17. Mai 2016 zu GZ: 612-5/Interessentenwege/4, kundgemacht vom 20. Mai bis 6. Juni 2016, mit der die im beigeschlossenen Plan der k. ARCHITEKTUR zt-gmbh, Plan Nr 1848 vom 9. Mai 2016 dargestellten gelben Bereiche gemäß §8 Abs3 Stmk Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 zu öffentlichen Interessentenwegen iSd §7 Abs1 Z5 leg. cit. erklärt und hinsichtlich der Erhaltung und Herstellung der Wegegenossenschaft 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' zugeordnet werden, als gesetzwidrig aufheben.

II.

 

Der Verfassungsgerichtshof möge Ziffer 83. der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015 zu GZ: 003-3/VOWiederverlautbarung/1, kundgemacht vom 2. bis 20. Jänner 2015, mit der gemäß §11 Abs2 Stmk Gemeindeordnung 1967 idgF die Weitergeltung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St (Zusammenfassung der Beitragspflichtigen für die 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft) in der neu gebildeten Gemeinde Seiersberg-Pirka angeordnet wird, als gesetzwidrig aufheben.

 

III.

 

[…] der Verfassungsgerichtshof möge auch die zufolge Ziffer 83. der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015 zu GZ: 003-3/VOWiederverlautbarung/1 seit dem 1. Jänner 2015 in der neu gebildeten Gemeinde Seiersberg-Pirka weiter geltende Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, kundgemacht vom 18. Juni bis 3. Juli 2002, mit der gemäß §45 Abs3 Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 die Zusammenfassung der Beitragspflichtigen für die 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft verfügt wird, zur Gänze als gesetzwidrig aufheben."

 

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 24. Juni bis 10. Juli 2002, lautete wie folgt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"1.0) Gemäß §8 Abs3 des Stmk. Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl Nr 154 idgF., werden aufgrund des Lageplanes des Büro Baumeister [L.] […] Planung, […] vom 27.05.2002, Plan-Nr 530/99/01/B/02, Projekt 'Verkehrserschließung Fachmarkt- Freizeit- und Kommunikationszentrum Seiersberg', folgende Verkehrsflächen zu öffentlichen Verkehrsflächen erklärt bzw. verordnet und zwar dermaßen, dass diese öffentliche[n] Verkehrsflächen im Sinne des §7 Abs1 Ziff. 5 des zitierten Gesetzes öffentliche Interessentenwege sind und daher hinsichtlich Herstellung und Instandhaltung der Weggenossenschaft 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' zuzuordnen sind.

Es handelt [sich] grundsätzlich um den Bereich nördlich der Feldkirchnerstraße und östlich der bestehenden Maria Pfeifferstraße, also um die ehemalige 'DOGRO-Grube':

Straße Nr 1: Beginnend bei der Einbindung Maria Pfeifferstraße in Richtung Osten, Weiterführung in Richtung Süden bis zur Auffahrt auf Höhe Feldkirchnerstraße und deren Einbindung in die Feldkirchnerstraße; (auf dem Plan in Gelb dargestellt);

Straße Nr 2: Nord- Südverbindung zwischen den beiden Kreisverkehrsanlagen; (auf dem Plan in Hellgrün dargestellt);

Straße Nr 3: Ost- Westverbindung auf dem Bauplatz 7; (auf dem Plan in Rosarot dargestellt);

Straße Nr 4: Ost- Westverbindung nördlich der Bauplätze 1, 2, 3 und 4; (auf dem Plan in Blau dargestellt);

Straße Nr 5: Nord- Südverbindung zwischen den Bauplätze[n] 4 und 1, einschließlich des Platzes; (auf dem Plan in Ocker dargestellt);

Straße Nr 6: Nord- Südverbindung zwischen den Bauplätze[n] 1 und 2, einschließlich des Platzes; (auf dem Plan in Oliv dargestellt);

Straße Nr 7: Nord- Südverbindung zwischen den Bauplätze[n] 2 und 3, einschließlich des Platzes; (auf dem Plan in Violett dargestellt);

Straße Nr 8: Beginnend bei der L 323 in Richtung Osten, südlich der Bauplätze 1, 2, 3 und 4 und endend in der Straße Nr 4; (auf dem Plan in Grüner Farbe dargestellt);

2.0) In den diesbezüglichen Verfahrensakt der Gemeinde Seiersberg kann in der Zeit vom 25.06.2002 bis einschließlich 09.07.2002 während der Amtsstunden Einsicht genommen werden.

3.0) Diese Verordnung wird mit dem auf den letzten Tag der Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam."

2. Die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 20. Juni bis 8. Juli 2002, lautete wie folgt:

"1.0) Gemäß §8 Abs3 des Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl Nr 154, in der Fassung der Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle 1969, LGBl Nr 195, werden die Brücken- und Straßenbauwerke, wie aus dem beiliegenden Lageplan von Arch. DI [E. S.] […], vom Mai 2002, Gz.: 540/02, ersichtlich, zwischen den Grundstücken Nr 325, mit dem Grundstück Nr 317/1, dem Grundstück Nr 317/4 und dem Grundstück Nr 317/3, alle KG Seiersberg, im Sinne des Katastrophenschutzplanes der Gemeinde Seiersberg vom 07.05.2002, Gz.: 2/170-0/SCS/10849/2002/18, miteinander verbinden, zu öffentlichen Interessentenwegen erklärt bzw. wird diese Eigenschaft verordnet.

2.0) In den diesbezüglichen Verfahrensakt der Gemeinde Seiersberg kann in der Zeit vom 21.06.2002 bis einschließlich 05.07.2002 während der Amtsstunden Einsicht genommen werden.

3.0) Diese Verordnung wird mit dem auf den letzten Tag der Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam."

3. Die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 4. Juli 2007, Z 612-5/ErschließungFFKZ/30, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 23. Juli bis 7. August 2007, mit welcher die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St, hinsichtlich der Bestimmung des Punktes 1.0) wie folgt ergänzt wird, lautete:

"1.0) Gemäß §8 Abs3 des Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl Nr 154, idgF, werden die Brücken- und Straßenbauwerke, wie aus dem beiliegenden Lageplan von [K.] […] Architektur ZT-GmbH., Plan-Nr 1028 vom 19.06.07, ersichtlich, im Sinne des Katastrophenschutzplanes der Gemeinde Seiersberg in der Fassung mit Beschluss vom 04.07.2007 zu öffentlichen Interessentenwegen erklärt bzw. wird diese Eigenschaft verordnet und zwar dermaßen, dass diese öffentlichen Verkehrsflächen im Sinne des §7 Abs1 Ziff. 5 des zitierten Gesetzes öffentliche Interessentenwege sind und daher hinsichtlich Herstellung und Instandhaltung der Wegegenossenschaft 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' zuzuordnen sind.

Es handelt sich grundsätzlich um den Bereich nördlich der Feldkirchnerstraße und östlich der bestehenden Maria Pfeifferstraße,

Straße Nr 11: Verbindung der Straße 4 mit der Straße 1 in den Ebenen 0 und 1 und die Verbindung von der Straße 1 mit der öffentlichen Straße 'Ganghoferstraße' in der Ebene 1 (im Plan in Blau dargestellt)

Straße Nr 12: Brückenbauwerk über der Straße 4 in der Ebene 2 mit Stiegenverbindung zu Straße 11 (im Plan in Blau dargestellt)

Straße Nr 13: Erweiterung der Straße 1 (im Plan in Braun dargestellt)

2.0) In den diesbezüglichen Verfahrensakt der Gemeinde Seiersberg kann in der Zeit vom 23.07.2007 bis einschließlich 06.08.2007 während der Amtsstunden Einsicht genommen werden.

3.0) Diese Verordnung wird mit dem auf den letzten Tag der Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam."

4. Die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 18. Juni bis 3. Juli 2002, lautet wie folgt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Verordnung der Gemeinde Seiersberg mit welcher die Zusammenfassung der Beitragspflichtigen für die, laut Katastrophenschutzplan der Gemeinde Seiersberg, vom 07.05.2002, Gz.: 2/170-0/SCS/10849/2002/18, erforderlichen, 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' in eine öffentliche Weggenossenschaft mit der Wirkung verfügt wird, dass diese Mitgliedschaft für folgende

Grundstückseigentümer

Fläche der Liegenschaften

Prozente der Gesamtfläche

Anteile

Einkaufszentrum Seiersberg Projektentwicklungs GesmbH (FN 160123a)

17.218 m2

11,57

1157

PROMETHEUS Grunstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH (FN 165285 t)

17.911 m2

12,04

1204

Diana Grundstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH (FN 165283 p)

16.212 m2

10,90

1090

Herkules Grundstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH (FN 162580 i)

14.559 m2

9,79

979

Parkplatzvermietungsunternehmen des Einkaufzentrum Seiersberg GmbH (FN 165272 y)

29.645 m2

19,92

1992

Vesuv Grundstückvermietungs- und Verwertungs GmbH (FN 165284 s)

19.465 m2

13,08

1308

STEG Liegenschaftsverwaltungsgesellschaft m.b.H. (FN 206095 g)

3.936 m2

2,65

265

Eibinger Bauträger GmbH (FN 39262 p)

10.314 m2

6,93

693

Lienhart Heinrich und Maria

18.033 m2

12,12

1212

Gesamt

147.293 m2

99,00

9900

Gemeinde Seiersberg gemäß §45 Abs1 des Stmk. LStVG 1964

0

1,00

100

Gesamt

147.293 m2

100,00

10000

    

Geltung hat.

Gemäß §45 Abs3 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, in der Fassung der Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle 1969, LGBl Nr 195, geht die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Liegenschaftseigentümer, betreffend die Grundstücke Nr 317/1, 317/4, 317/3, 325, 338, 337/1, 343/1, 343/4, 347/2, 343/8, 343/7, 343/6, 352/1, 346/1, 346/3 und 347/1, alle KG Seiersberg, über, welcher die Rechtsnachfolge im Eigentum des Bescheidadressaten antritt.

§1

Im Sinne des §7 Abs1 Ziffer 5. des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, in der Fassung der Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle 1969, LGBl Nr 195, werden die aufgrund des Katastrophenschutzplanes der Gemeinde Seiersberg erforderlich gewordenen 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg', welche mit Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 13.06.2002, Gz.: 2/616-0/SCS/13778/2002/3 und Gz.: 2/612-5/ErschließungFFKZ/13779/2002/14, durch Verordnung zu öffentlichen Interessentenwegen, gemäß §8 Abs3 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, in der Fassung der Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle 1969, LGBl Nr 195, erklärt wurden, aufgrund der Tatsache, dass diese dem öffentlichen Fußgängerverkehr von örtlicher Bedeutung für den Bereich der Shopping City Seiersberg und damit einer beschränkten Anzahl verschiedener Liegenschaftseigentümer dienen, zu öffentlichen Interessentenwegen eingeteilt.

§2

Die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Weggenossenschaft wird durch die, die Beilage A) zu dieser Verordnung vorgelegten Satzungen, welche einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung bilden, geregelt.

§3

Nach Beilage B) zu dieser Verordnung stellt sich die planliche Gestaltung der 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' nach diesen Plänen dar. Das Einverständnis der in der Präambel dieser Verordnung genannten Liegenschaftseigentümer liegt laut Beilage C) zu dieser Verordnung vor.

§4

(1) Über das Ausmaß und die Art der Beitragsleistung zu den Kosten der Herstellung und Erhaltung der 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' entscheidet auf Antrag oder von Amts wegen die Gemeinde Seiersberg – der Gemeinderat.

(2) Ungeachtet dieser Verordnung ist für die 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' ein Verfahren nach §47 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, in der Fassung der Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle über Antrag der Genossenschafter eine Bewilligung nach erfolgter Verhandlung gesondert zu erwirken.

(3) Rückständige Genossenschaftsbeiträge sind auf Ansuchen der Weggenossenschaft nach den Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes, BGBl Nr 172/1950, in der geltenden Fassung, einzutreiben.

§5

Diese Verordnung wird mit dem auf den letzten Tag der Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam."

5. Die Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 2. Jänner bis 20. Jänner 2015, lautet(e) auszugsweise wie folgt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Aufgrund des §11 Abs2 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967, LGBl Nr 115, in der geltenden Fassung, wird angeordnet, dass die folgenden Verordnungen für die bis zum Ablauf des 31.12.2014 bestehenden örtlichen Geltungsbereiche weiter gelten:

 

Ehem. Gemeinde Seiersberg

 

[…]

 

83. Zusammenfassung der Beitragspflichtigen für die Brücken- und Straßenbau- werke Seiersberg in eine öffentliche Wegegenossenschaft,

GZ: 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St (GRB vom 13.06.2002)

84. Erklärung von Straßen im Fachmarkt-, Freizeit- und Kommunikationszentrum Seiersberg zu öffentlichen Verkehrsflächen,

GZ: 1/612-5/ErschließungFFKZ/11239/2002/9/Bgmstr/St

(GRB vom 07.05.2002)

85. Änderung der Verordnung vom 07.05.2002 bzgl. Erklärung von Straßen im

Fachmarkt-, Freizeit- und Kommunikationszentrum Seiersberg zu öffentli- chen Verkehrsflächen durch Erklärung zu öffentlichen Interessentenwegen, GZ: 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St

(GRB vom 13.06.2002)

86. Erklärung der Brücken- und Straßenbauwerke in der Shoppingcity Seiersberg zu öffentlichen Interessentenwegen,

GZ: 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St (GRB vom 13.06.2002)

87. Ergänzung der Verordnung vom 13.06.2002 bzgl. Erklärung von Straßen im Fachmarkt-, Freizeit- und Kommunikationszentrum Seiersberg zu öffentli- chen Verkehrsflächen durch Erklärung zu öffentlichen Interessentenwegen,

GZ: 1/612-5/ErschließungFFKZ/25573/2005/24/Bgmstr/St

(GRB vom 30.11.2005)

88. Ergänzung der Verordnung vom 13.06.2002 bzgl. Erklärung von Straßen im Fachmarkt-, Freizeit- und Kommunikationszentrum Seiersberg zu öffentli- chen Verkehrsflächen durch Erklärung zu öffentlichen Interessentenwegen, Brücken- und Straßenbauwerke, GZ: 612-5/ErschließungFFKZ/30

(GRB vom 04.07.2007)

 

[…]"

 

6. Die Verordnung der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17. Mai 2016, Z 612-5/Interessentenwege/4, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 20. Mai bis 6. Juni 2016, lautet wie folgt:

"1.0) Gemäß §8 Abs3 des Stmk. Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl Nr 154, i.d.g.F., werden die in dem dieser Verordnung beigeschlossenen Plan der [k.] […] ARCHITEKTUR zt-gmbh, Plan-Nr 1848 vom 09.05.2016, dargestellten gelben Bereiche zu öffentlichen Interessenten- wegen erklärt und sie werden hinsichtlich der Erhaltung und Herstellung der Wegegenossenschaft 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' zugeordnet. Der Plan der [k.] […] ARCHITEKTUR zt-gmbh, Plan-Nr 1848 vom 09.05.2016, bildet einen integrierenden Bestandteil dieser Verord- nung.

 

2.0) Diese Verordnung wird mit dem auf den letzten Tag der Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam.

 

3.0) Mit Inkrafttreten dieser Verordnung treten folgende Verordnungen (a. bis e.) außer Kraft:

 

a.) Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 13.06.2002, GZ.: 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St, kundgemacht vom 24.06. bis 10.07.2002;

 

b.) Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 13.06.2002, GZ.: 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St, kundgemacht vom 20.06. bis 08.07.2002;

 

c.) Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 05.12.2005, GZ.: 1/612-5/ErschließungFFKZ/25573/2005/24/Bgmstr/St, kundgemacht vom 07.12. bis 22.12.2005;

 

d.) Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 04.07.2007, GZ.: 612-5/ErschließungFFKZ/30, kundgemacht vom 23.07. bis 07.08.2007;

 

e.) Z 85., 86., 87., und 88. unter der Überschrift 'Ehem. Gemeinde Seiers- berg' der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiers- berg-Pirka vom 02.01.2015, GZ.: 003-3/VOWiederverlautbarung/1."

 

7. Die im vorliegenden Verordnungsprüfungsverfahren wesentlichen Bestimmungen des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 – LStVG. 1964, LGBl 154 idF LGBl 60/2008, lauten auszugsweise:

 

"§2

Begriffsbestimmungen

 

(1) Öffentliche Straßen sind im Sinne dieses Gesetzes alle Straßen, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden.

(2) Als Bestandteile der öffentlichen Straßen im Sinne dieses Gesetzes gelten neben den unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Gehwege, Radwege, Radfahrstreifen, Geh- und Radwege, Parkflächen, Abstellflächen, Haltestellenbuchten, Bankette, der Grenzabfertigung dienende Flächen und Anlagen zum Schutze vor Beeinträchtigung durch den Verkehr, insbesondere gegen Lärmeinwirkung, sowie bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie Tunnels, Brücken, Straßengräben, Böschungen und Anlagen zur Ableitung anfallender Wässer.

(3) Für die Auslegung der in diesem Gesetz enthaltenen spezifisch baurechtlichen Begriffe ist das Steiermärkische Baugesetz heranzuziehen.

 

[…]

 

§7

Gattungen von öffentlichen Straßen

 

(1) Die unter dieses Gesetz fallenden Straßen sind in folgende Gattungen eingereiht:

1. – 4. […]

5. Öffentliche Interessentenwege, das sind Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen und als solche erklärt wurden (§8).

(2) […]

 

§8

Erklärung, Änderung und Endigung

 

(1) Die Einreihung (Erklärung) und Neuanlage, sowie die Auflassung einer Straße als Landesstraße (§7 Abs1 Z1) beschließt der Landtag über Antrag der Landesregierung. Die Einreihung (Erklärung) und Neuanlage sowie die Auflassung einer Eisenbahn-Zufahrt- oder Konkurrenzstraße (§7 Abs1 Z2 u. 3) beschließt die Landesregierung.

(2) Die Verlegung, den Umbau, die Verbreiterung oder wesentliche Verbesserung einer Landesstraße, Eisenbahn-Zufahrt- oder einer Konkurrenzstraße beschließt nach Maßgabe der vom Landtag hiefür bewilligten Mittel sowie der für die Konkurrenzstraße getroffenen Vereinbarung die Landesregierung.

(3) Die Einreihung, Neuanlage, Verlegung, den Umbau, die Verbreiterung und wesentliche Verbesserung sowie die Auf[l]assung einer Gemeindestraße (§7 Abs1 Z4) sowie eines öffentlichen Interessentenweges (§7 Abs1 Z5) erfolgt durch Verordnung der Gemeinde.

(4) Landes-, Eisenbahn-Zufahrt- und Konkurrenzstraßen oder Teile dieser Straßen sind, wenn sie als solche entbehrlich geworden sind, aufzulassen. Sie können aber im Verhandlungsweg auch anderen Zwecken zugeführt oder jenen Gemeinden entschädigungslos als Gemeindestraßen überlassen werden, auf deren Gebiet sie liegen.

(5) Durch die Auflassung von Gemeindestraßen darf das Recht der Anlieger auf Wahrung des Zuganges nicht beeinträchtigt werden.

 

[…]

 

§10

Straßenbauwerke

 

Brücken und andere Straßenbauwerke sind als Teile jener öffentlichen Straßen anzusehen, in derem Zuge sie liegen, wenn nicht ein anderes Eigentumsverhältnis nachgewiesen ist. Wegen der besonderen Kostspieligkeit ihrer Herstellung und Erhaltung oder ihrer Bedeutung für den Verkehr weiterer Gebiete können sie jedoch gemäß §8 als selbständige Straßenbauwerke erklärt und in eine höhere Gattung der Verkehrsanlagen (§7) eingereiht werden. Es können bedarfsweise solche Bauwerke auch als Konkurrenzobjekte erklärt und sodann sinngemäß die Bestimmungen des §38 angewendet werden.

 

[…]

 

e) Öffentliche lnteressentenwege (§7 Abs1 Z5)

§45

Herstellung und Erhaltung, Weggenossenschaften

 

(1) Die Kosten der Herstellung und Erhaltung öffentlicher Interessentenwege fallen den Liegenschaftsbesitzern oder sonstigen Verkehrsinteressenten zur Last. Die Gemeinde ist jedoch verpflichtet, nach Maßgabe ihres Interesses an dem Bestand einer solche[n] Straße Beiträge zu leisten.

(2) Über das Ausmaß und die Art der Beitragsleistung zu den Kosten der Herstellung und Erhaltung eines öffentlichen Interessentenweges entscheidet auf Antrag oder von Amts wegen die Gemeinde.

(3) Wenn es zur Sicherstellung der Erhaltung von öffentlichen Interessentenwegen erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Zusammenfassung von Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft mit der Wirkung verfügen, daß die Mitgliedschaft und damit die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Besitzer der beteiligten Liegenschaft übergeht.

(4) Die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaften ist durch Satzungen zu regeln. Die Satzungen haben Bestimmungen zu enthalten über

a) den Namen, Sitz, Zweck und Umfang der Genossenschaft,

b) die Mitgliedschaft und die Rechte und Pflichten der Mitglieder,

c) die Ermittlung der auf die einzelnen Mitglieder entfallenden Stimmen und die Art der Ausübung des Stimmrechtes,

d) die Ermittlung des Maßstabes für die Aufteilung der Kosten, über die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge und ihre Einhebung,

e) die Zusammensetzung, die Wahl, die Beschlußfassung, die Funktionsdauer und den Wirkungskreis der Genossenschaftsorgane,

f) die Vertretung der Genossenschaft nach außen und die Fertigung von Urkunden, durch die rechtliche Verpflichtungen der Genossenschaft begründet werden,

g) jene Angelegenheiten, hinsichtlich derer eine Beschlußfassung nur mit besonderer Mehrheit erfolgen kann,

h) den Jahresvoranschlag und die Rechnungsprüfung,

i) die Schlichtung der zwischen den Mitgliedern oder zwischen ihnen und der Genossenschaft aus dem Genossenschaftsverhältnis entstandenen Streitigkeiten,

k) die Auflösung der Genossenschaft, die Regelung ihrer Verbindlichkeiten und die Liquidierung ihres Vermögens.

(5) Rückständige Genossenschaftsbeiträge sind auf Ansuchen der Wegegenossenschaft nach den Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes, BGBl Nr 172/1950, einzutreiben.

 

[…]

 

§47

Ermittlungsverfahren und Bescheid

 

(1) Vor Neuanlage, Verlegung oder Umbau der im §7 unter Z1, 2, 3 und 4 genannten Straßen hat die im Abs3 genannte Behörde den beabsichtigten Straßenbau in den in Betracht kommenden Gemeinden kundzumachen. Überdies sind hievon die bekannten Anrainer und sonstigen Beteiligten durch besondere Mitteilung zu verständigen. In diesen Verständigungen ist auch zugleich eine mündliche Verhandlung auf einen Zeitpunkt binnen zwei bis vier Wochen anzuberaumen. Von der Anberaumung der Verhandlung ist auch die Militärbehörde zu verständigen. Kommen auch Grundstücke in Betracht, die Zwecken des öffentlichen Eisenbahn- oder Luftverkehrs dienen, so ist auch die Eisenbahn- oder Luftfahrtbehörde zu benachrichtigen. Die Beteiligten sind aufzufordern, die zum Nachweis ihrer Vertretungsbefugnis nötigen Vollmachten und sonst zur Begründung ihrer Ansprüche nötigen Urkunden, Pläne u. dgl. bei der mündlichen Verhandlung vorzuweisen."

 

8. §3 Z1 des Gesetzes vom 4. April 1995, mit dem Bauvorschriften für das Land Steiermark erlassen werden (Steiermärkisches Baugesetz – Stmk. BauG), LGBl 59 idF LGBl 75/2015 lautet samt Überschrift:

 

"§3

Ausnahmen vom Anwendungsbereich

 

Dieses Gesetz gilt insbesondere nicht für:

1. bauliche Anlagen, die nach straßenrechtlichen Vorschriften als Straßen oder Bestandteile einer Straße gelten, sowie die dazugehörigen Lärmschutzanlagen;

[…]"

 

9. §11 Abs2 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1976, LGBl 115 idF LGBl 87/2013, lautet:

"§11

Gemeinsame Bestimmungen

 

(1) […]

(2) Zu den unaufschiebbaren Geschäften des nach Abs1 eingesetzten Regierungskommissärs zählt auch die Erlassung von Verordnungen, um einen Schaden von der Gemeinde abzuwenden; demnach ist der Regierungskommissär ermächtigt, durch Verordnung anzuordnen, dass die im eigenen Wirkungsbereich erlassenen Verordnungen von Gemeinden, die auf Grund von Gebietsänderungen gemäß §§8 oder 10 Abs2 nicht mehr bestehen, auch in der neu geschaffenen Gemeinde – allenfalls für ihren bisherigen örtlichen Geltungsbereich – gelten; dabei sind die nach den jeweiligen Verwaltungsvorschriften maßgebenden Verfahrensbestimmungen nicht anzuwenden. Solche Verordnungen können rückwirkend, frühestens mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Gebietsänderung, in Kraft gesetzt werden."

 

III. Hintergrund, Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. In der südwestlich an die Landeshauptstadt Graz angrenzenden ehemaligen Gemeinde Seiersberg (seit 1. Jänner 2015 nunmehr: Gemeinde Seiersberg-Pirka) wurde in den Jahren 2002 und 2003 ein Einkaufszentrum ("Shopping City Seiersberg", im Folgenden auch: SCS) errichtet, das sich ursprünglich aus vier Geschäftshäusern mit jeweils zwei Verkaufsebenen zusammensetzte. Die ursprünglichen vier Bauplätze waren im Flächenwidmungsplan als Baugebiete für Einkaufszentren I und II ausgewiesen. Bauwerber der vier Häuser waren vier verschiedene Gesellschaften (allesamt Tochtergesellschaften einer Immobiliengesellschaft).

Am 7. Mai 2002 wurden mit Verordnung der ehemaligen Gemeinde Seiersberg zur Zahl 2/612-5/ErschließungFFKZ/11002/2002/8 im Rahmen des Projektes "Verkehrserschließung Fachmarkt-, Freizeit- und Kommunikationszentrum Seiersberg" acht näher bezeichnete Straßen zu öffentlichen Verkehrsflächen erklärt.

Ebenfalls am 7. Mai 2002 beschloss der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde Seiersberg (im Folgenden: der Gemeinderat) nach dem Gesetz vom 16. März 1999 über die Abwehr und Bekämpfung von Katastrophen (Steiermärkisches Katastrophenschutzgesetz), LGBl 62, und der dazu ergangenen Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 4. Dezember 2000 über Vorbereitungsmaßnahmen zur Abwehr und Bekämpfung von Katastrophen, LGBl 80, einen Katastrophenschutzplan für die SCS, insbesondere für die Geschäftshäuser 1, 3, 5 und 7. Nach der Präambel bilden die darin dargestellten und frei zu haltenden Zufahrtswege, Aufstellungszonen für Einsatzfahrzeuge aller Art, systemartig dargestellten Verbindungs-(Brücken-)bauwerke zwischen den Gebäuden und dem südlich angrenzenden Grundstück sowie die während der Betriebszeit besetzten Einsatzpunkte für Feuerwehr, Rettung, Gendarmerie und Security-Dienste die Grundlage für den Katastrophenschutzplan.

Am 13. Juni 2002 beschloss der Gemeinderat zur Zahl 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St eine Verordnung, mit der die Verordnung vom 7. Mai 2002 (Z 2/612-5/ErschließungFFKZ/11002/2002/8) dahingehend geändert wurde, dass die öffentlichen Verkehrsflächen der "Verkehrserschließung Fachmarkt-, Freizeit- und Kommunikationszentrum Seiersberg" (insgesamt acht Straßen) zu öffentlichen Interessentenwegen iSd §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 erklärt werden und hinsichtlich der Herstellung und Instandhaltung der Wegegenossenschaft "Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg" zuzuordnen sind.

Ebenfalls am 13. Juni 2002 beschloss der Gemeinderat zur Zahl 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St eine Verordnung, mit der die "Brücken- und Straßenbauwerke", welche die Grundstücke 325, 317/1, 317/4 und 317/3, alle KG Seiersberg, im Sinne des Katastrophenschutzplanes der Gemeinde Seiersberg vom 7. Mai 2002 miteinander verbinden, gemäß §8 Abs3 LStVG. 1964 zu öffentlichen Interessentenwegen erklärt werden.

Am selben Tag beschloss der Gemeinderat zur Zahl 1/616-0/SCS/13784/ 2002/5/Bgmstr/St des Weiteren eine Verordnung, mit der die Beitragspflichtigen der "Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg" gemäß §45 Abs3 LStVG. 1964 im Sinne des Katastrophenschutzplanes der Gemeinde Seiersberg vom 7. Mai 2002 in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft zusammengefasst wurden.

Am 30. November 2005 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg die – hier nicht angefochtene – Verordnung zur Zahl 1/612-5/Erschließung FFKZ/25573/2005/24/Bgmstr/St, mit der ergänzend zu den bisherigen Verordnungen vom 13. Juni 2002 Straßen im Fachmarkt-, Freizeit und Kommunikationszentrum Seiersberg zu öffentlichen Verkehrsflächen und öffentlichen Interessentenwegen erklärt wurden.

Im Jahr 2006 wurde eine Baubewilligung zur Errichtung eines Fachmarktes (Geschäftshaus 9) auf einem weiteren Grundstück (337/1) der KG Seiersberg erteilt.

Am 4. Juli 2007 beschloss der Gemeinderat einen überarbeiteten Katastrophenschutzplan, der auch das zwischenzeitig neu errichtete Geschäftshaus 9 umfasst, sowie zur Zahl 612-5/ErschließungFFKZ/30 eine Verordnung, mit der die Verordnung vom 13. Juni 2002, Z 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St hinsichtlich Punkt 1.0) dahingehend ergänzt wird, dass gemäß §8 Abs3 LStVG. 1964 weitere "Brücken- und Straßenbauwerke" im Sinne des Katastrophenschutzplanes der Gemeinde Seiersberg in der Fassung vom 4. Juli 2007 zu öffentlichen Interessentenwegen iSd §7 Abs1 Z5 leg.cit. erklärt werden und daher hinsichtlich Herstellung und Instandhaltung der Wegegenossenschaft "Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg" zuzuordnen sind.

Nach Zusammenlegung der bisherigen Gemeinden Seiersberg und Pirka zur Gemeinde Seiersberg-Pirka wurde vom Regierungskommissär gemäß §11 Abs2 des Gesetzes vom 14. Juni 1967, mit dem für die Gemeinden des Landes Steiermark mit Ausnahme der Städte mit eigenem Statut eine Gemeindeordnung erlassen wird (Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 – GemO), LGBl 115 idF LGBl 131/2014, mit Verordnung vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, angeordnet, dass die hier angefochtenen Verordnungen der Gemeinde Seiersberg auch in der Gemeinde Seiersberg-Pirka weiter gelten.

Am 19. April 2016 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg-Pirka einen Katastrophenschutzplan der Gemeinde Seiersberg-Pirka für das "Gewerbegebiet Mitte", welcher am 1. Mai 2016 in Kraft trat und sich unter anderem auch auf die Geschäftshäuser 1, 3, 5, 7 und 9 der SCS bezieht.

Am 17. Mai 2016 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg-Pirka die Verordnung zur Zahl 612-5/Interessentenwege/4, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 20. Mai bis 6. Juni 2016. Unter Punkt 1.0) dieser Verordnung, welche mit dem auf den letzten Tag der Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam wurde, werden die in dem dieser Verordnung beigeschlossenen Plan dargestellten (gelben) Bereiche zu öffentlichen Interessentenwegen (§8 Abs3 LStVG. 1964) erklärt und hinsichtlich der Erhaltung und Herstellung der Wegegenossenschaft "Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg" zugeordnet. Punkt 3.0) der Verordnung besagt, dass die unter a.) bis e.) angeführten Verordnungen mit Inkrafttreten der neuen Verordnung außer Kraft treten. Hintergrund der Erlassung dieser Verordnung war laut Punkt 4.) des öffentlichen Gemeinderatssitzungsprotokolles vom 17. Mai 2016, "dass auch hinsichtlich der Interessentenwege im Bereich der Shoppingcity Seiersberg Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig seien und nun mit Erlassung einer neuen Verordnung auch für diesen Bereich eine Rechtssicherheit geschaffen werden soll".

2. Die Volksanwaltschaft beschloss mit "Umlaufbeschluss des Kollegiums der Volksanwaltschaft gemäß §1 Abs2 Z3 VolksanwaltschaftsG iVm §9 Abs1 Z4 und §8 Abs1 letzter Satz GeO der VA 2012" am 2. Dezember 2015, den zu hg. Zahlen V157-160/2015 protokollierten Antrag zu stellen.

2.1. Die Volksanwaltschaft bringt darin folgende Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungen vor:

"3. Darlegung der Bedenken:

3.1. Fehlen der Voraussetzungen für die Einreihung als öffentliche Interessentenwege:

3.1.1. Öffentliche Interessentenwege sind Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen, und mit Verordnung der Gemeinde als solche erklärt wurden (§7 Abs1 Z5 iVm §8 Abs3 Stmk LStVG 1964).

Öffentliche Interessentenwege sind öffentliche Straßen mit der geringsten öffentlichen Verkehrsbedeutung (VfSlg 16.187/2001). Sie dienen überwiegend den Besitzern oder Bewohnern einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften, nämlich den Anliegern und (gemäß §45 Abs1 Stmk LStVG) sonstigen Verkehrsinteressenten (vgl. Dworak/Eisenberger, Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz [2010] §7 Rz 19). Voraussetzung dafür, dass eine Straße zum öffentlichen Interessentenweg erklärt werden darf, ist daher, dass sie den Besitzern oder Bewohnern einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dient (VwGH 11.10.1990, 89/06/0096). Diese Personen müssen ein individuelles Verkehrsinteresse haben, das etwa auch darin liegen kann, dass der Interessentenweg eine Liegenschaft besser als bisher aufschließt, insbesondere dadurch, dass einem landwirtschaftlichen Anwesen eine jederzeit befahrbare Verbindung zum öffentlichen Straßennetz ermöglicht wird.

Nach Ansicht der Volksanwaltschaft liegen die Voraussetzungen für eine Einreihung der in den Verordnungen vom 13. Juni 2002 und vom 4. Juli 2007 genannten Straßen als öffentliche Interessentenwege aus folgenden Gründen nicht vor: Die Straßen dienen der Anbindung der Shopping City Seiersberg an das öffentliche Verkehrsnetz und ihrer inneren Erschließung, die 'Straßen- und Brückenbauwerke' auch der direkten Verbindung der einzelnen Geschäftshäuser untereinan-der. Da die öffentlichen Interessentenwege in der Shopping City Seiersberg keineswegs primär von ortsansässigen, sondern weit überwiegend von auswärtigen Besuchern aus der angrenzenden Landeshauptstadt Graz und anderen Gemeinden der näheren und ferneren Umgebung sowie von Besuchern aus dem Ausland frequentiert werden, sind sie keineswegs nur von örtlicher Bedeutung. Selbst wenn lediglich Fußgänger die Verbindungsbauten zwischen den einzelnen Geschäftshäusern nutzen sollten, kann nicht von einer bloß örtlichen Bedeutung gesprochen werden, weil die Shopping City Seiersberg einen weit größeren Einzugsbereich als das Gemeindegebiet von Seiersberg bzw. Seiersberg-Pirka hat. Die Quellen des Verkehrs auf den öffentlichen Interessentenwegen liegen primär außerhalb der Gemeinde bzw. der Shopping City.

Auch trifft es nicht zu, dass die Straßen einschließlich der 'Brücken- und Straßenbauwerke' überwiegend nur den Besitzern oder Bewohnern einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften, namentlich jenen der Herkules Grundstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH & Co KEG, der Einkaufszentrum Seiersberg Projektentwicklungs GmbH, der Prometheus Grundstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH, der Diana Grundstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH & Co KEG sowie der Vesuv Grundstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH & Co KEG dienen. Vielmehr dienen die Straßen einschließlich der 'Brücken- und Straßenbauwerke' überwiegend den Kunden, Besuchern und Lieferanten der Shopping City Seiersberg. Diese sind nicht Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften innerhalb der Shopping City Seiersberg.

Da die angefochtenen Verordnungen vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St und GZ: 1/616-0/SCS/14168/2002/ 26/Bgmstr/St sowie vom 20. Juli 2007 zu GZ: 612-5/ErschließungFFKZ/30 wegen Fehlens der Voraussetzungen für die Einreihung als öffentliche Interessentenwege nach Ansicht der Volksanwaltschaft zur Gänze gesetzwidrig sind, wird unter den Punkten I., II. und III. deren Aufhebung beantragt.

3.1.2. Gesetzwidrig ist nach Ansicht der Volksanwaltschaft auch die Verordnung vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, mit der die Beitragspflichtigen gemäß §45 Abs3 Stmk LStVG 1964 in eine öffentliche Wegegenossenschaft zusammengefasst werden. Denn eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft setzt voraus, dass es sich bei den Straßen um öffentliche Interessentenwege handelt, deren Herstellungs- und Erhaltungskosten den Lie-genschaftseigentümern oder sonstigen Verkehrsinteressenten zur Last fallen (§45 Abs1 leg. cit.). Handelt es sich nicht um öffentliche Interessentenwege, fehlt es an der Rechtsgrundlage für die Bildung einer öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft. Daher wird unter Punkt IV. beantragt, die genannte Verordnung zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

§1 der Verordnung über die Zusammenfassung der Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft verweist nicht bloß auf die beiden Einreihungsverordnungen vom selben Tag, sondern teilt die 'Brücken- und Straßenbauwerke' 'aufgrund der Tatsache, dass diese dem öffentlichen Fußgängerverkehr von örtlicher Bedeutung für den Bereich der Shopping City Seiersberg und damit einer beschränkten Anzahl verschiedener Liegenschaftseigentümer dienen, zu öffentlichen Interessentenwegen ein...' Erkennt man §1 selbstständige normative Bedeutung zu, müsste diese Bestimmung aus dem Rechtsbestand eliminiert werden, weil die Straßen sowie 'Brücken- und Straßenbauwerke' keineswegs nur örtliche Bedeutung haben und auch nicht überwiegend den Besitzern von Liegenschaften in der Shopping City Seiersberg, sondern haupt-sächlich Kunden, Besuchern und Lieferanten dienen. Aus diesem Grund beantragt die Volksanwaltschaft unter Punkt IV., in eventu §1 der Verordnung vom 13. Juni 2002 über die Zusammenfassung der Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft aufzuheben.

3.2. Unzureichende Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen:

Die Gemeinde Seiersberg-Pirka hat der Volksanwaltschaft keine Unterlagen übersendet, welche die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers für die Einreihungsverordnungen vom 13. Juni 2002 und 4. Juli 2007 erkennen lassen. Der Bürgermeister führte in seiner Stellungnahme an die Volksanwaltschaft vom 11. August 2015 aus, dass der Katastrophenschutzplan der Gemeinde Seiersberg vom 7. Mai 2002 samt Überarbeitung vom 4. Juli 2007 die Grundlagenforschung für diese Verordnungen bilde. Richtig ist, dass die 'Brücken- und Straßenbauwerke' jeweils in Punkt 1.0) der Verordnungen vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St und vom 20. Juli 2007 zu GZ: 612-5/ErschließungFFKZ/30 im Sinne des Katastrophenschutzplanes vom 7. Mai 2002 bzw. 4. Juli 2007 zu öffentlichen Interessentenwegen erklärt werden. Da die Verordnung vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/ 2002/16/Bgmstr/St keinen Verweis auf den Katastrophenschutzplan enthält, kann die Einreihung der anderen Straßen als öffentliche Interessentenwege allerdings nicht mit dem Katastrophenschutzplan begründet werden.

Davon abgesehen sind Katastrophenschutzpläne nicht auf Grundlage des Stmk LStVG 1964, sondern auf Grundlage des Stmk Katastrophenschutzgesetzes (LGBl 1999/62) und der Verordnung der Stmk Landesregierung vom 4. Dezember 2000 über Vorbereitungsmaßnahmen zur Abwehr und Bekämpfung von Katastrophen (LGBl 2000/80) zu erstellen. Gemäß §8 Abs2 Stmk KatastrophenschutzG sind die Betreiber von Betrieben und Anlagen, von denen besondere Brand-, Explosions- oder sonstige schwerwiegende Gefahren ausgehen können und die infolgedessen eine Vielzahl von Menschen oder bedeutende Sachwerte zu gefährden geeignet sind, mit Bescheid der Landesregierung zu verpflichten, Alarm- und Einsatzpläne für Maßnahmen innerhalb des Betriebes oder der Anlage zu erstellen. Sie haben außerdem bei der Erstellung und Fortschreibung behördlicher Alarm- und Einsatzpläne und bei Katastrophenschutzübungen mitzuwirken. Die Landesregierung hat einen Alarm- und Einsatzplan für Maßnahmen außerhalb solcher Betriebe und Anlagen zu erstellen.

Alarm- und Einsatzpläne sind gemäß §8 Abs3 leg. cit. zu erstellen, um

– Schadensfälle einzudämmen und unter Kontrolle zu bringen, so daß die Folgen möglichst gering gehalten und Schäden für Mensch, Umwelt und Sachen begrenzt werden können;

– Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt vor den Folgen schwerer Unfälle einzuleiten;

– notwendige Informationen an die Öffentlichkeit sowie betroffene Behörden oder Dienststellen in dem betreffenden Gebiet weiterzugeben;

– Aufräumarbeiten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Umwelt nach einem schweren Unfall einzuleiten.

Erstellung und Inhalt des Katastrophenschutzplanes sind in §1 der Verordnung über Vorbereitungsmaßnahmen zur Abwehr und Bekämpfung von Katastrophen geregelt. Der Katastrophenschutzplan der Gemeinde ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen (§1 Abs1 Z1), was im vorliegenden Fall auch geschehen ist. Er ist jährlich auf den neuesten Stand zu bringen. Die Gemeinden haben zu diesem Zweck bis spätestens Ende Juni ihre Pläne auf Vollständigkeit hin zu überprüfen (vgl. §1 Abs2). Anordnungen über die Verkehrserschließung zählen nicht zum Inhalt des Katastrophenschutzplanes (vgl. §1 Abs1).

Der Katastrophenschutzplan vom 7. Mai 2002 bezieht sich – auch in seiner überarbeiteten Fassung vom 25. Juni 2007 — unter anderem auf öffentliche Straßen, insbesondere auf die freizuhaltenden Zufahrtswege, Aufstellungszonen für Einsatzfahrzeuge aller Art, die Verbindungs- bzw. Brückenbauwerke und die während der Betriebszeit besetzten Einsatzpunkte für Feuerwehr, Rettung, 'Gendarmerie' und Security-Dienste. Wenn die 'Brücken- und Straßenbauwerke' zwischen den einzelnen Geschäftshäusern als Flucht- und Rettungswege für Kunden und Arbeitnehmer sowie als zusätzliche Angriffswege für Einsatzkräfte dienen, so ist damit aber noch nicht gesagt, dass sie deshalb als öffentliche Interessentenwege eingereiht werden müssen. Die naheliegende Frage, ob die Gefahr eines Übergreifens von Bränden zwischen den einzelnen Ge-schäftshäusern geringer wäre, wenn sie nicht durch 'Brücken- und Straßenbauwerke' miteinander verbunden, sondern durch unbebaute Verkehrsflächen voneinander getrennt wären, beantwortet der (überarbeitete) Katastrophenschutzplan nicht. Er enthält keine Begründung, weshalb die Straßen, 'Brücken- und Straßenbauwerke' in der Shopping City Seiersberg als öffentliche Interessentenwege nach dem Stmk LStVG 1964 eingereiht werden.

Davon abgesehen kann der nach den katastrophenschutzrechtlichen Bestimmungen zu erstellende[…] Katastrophenschutzplan die Erhebung der Entscheidungsgrundlagen für die Einreihung von Straßen als öffentliche Interessentenwege nach dem Stmk LStVG 1964 nicht ersetzen. Jüngst hat der VfGH eine Einreihungsverordnung mangels ausreichender Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen als gesetzwidrig aufgehoben (21.9.2015, V66/2015-9). Im vorliegenden Fall ist vor der Einreihung der Straßen, 'Brücken- und Straßenbauwerke' als öffentliche Interessentenwege iSd §7 Abs1 Z5 Stmk LStVG 1964 weder erhoben worden, warum es sich dabei um Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung handelt, noch warum diese Straßen überwiegend nur für die Besitzer einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen. Da die angefochtenen Verordnungen vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/612-5/ErschließungFFKZ/ 14181/2002/16/Bgmstr/St und GZ: 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St sowie vom 20. Juli 2007 zu GZ: 612-5/ErschließungFFKZ/30 nach Ansicht der Volksanwaltschaft mangels ausreichender Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen zur Gänze gesetzwidrig sind, wird unter den Punkten I., II. und III. deren Aufhebung beantragt.

3.3. Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot wegen Umgehung von Bauvorschriften:

3.3.1. Die Einreihung der 'Brücken- und Straßenbauwerke' als öffentliche Straßen hatte offenbar den Zweck, sie dem Anwendungsbereich des Stmk BauG 1995 zu entziehen und zu verhindern, dass Bauansuchen für Geschäftshäuser wegen Überschreitung der höchstzulässigen Verkaufs- oder Gesamtbetriebs- bzw. Bruttogeschoßfläche abgewiesen werden. Das Stmk BauG 1995 galt und gilt nicht für bauliche Anlagen, die nach straßenrechtlichen Vorschriften als Straßen oder Bestandteile einer Straße gelten (§3 Z1). Zu den straßenrechtlichen Vorschriften gehören auch jene des Stmk LStVG 1964 (Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht5 §3 Stmk BauG Anm. 4). Als Bestandteile der öffentlichen Straßen gelten nach §2 Abs2 Stmk LStVG 1964 neben den unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen, wie unter anderem Fahrbahnen, Gehsteige, Geh- und Radwege, Park- und Abstellflächen auch bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie z.B. Brücken. Brücken und andere Straßenbauwerke sind gemäß §10 erster Satz Stmk LStVG 1964 als Teile jener öffentlichen Straßen anzusehen, in deren Zuge sie liegen, wenn nicht ein anderes Eigentumsverhältnis nachgewiesen ist. Wegen der besonderen Kostspieligkeit ihrer Herstellung und Erhaltung oder ihrer Bedeutung für den Verkehr weiterer Gebiete können sie gemäß §8 als selbständige Straßenbauwerke erklärt und in eine höhere Gattung der Verkehrsanlagen (§7) eingereiht werden. Werden 'Brücken- und Straßenbauwerke' zu öffentlichen Straßen erklärt, bedarf es daher prima vista keiner Bewilligung nach dem Stmk BauG 1995 (§3 Z1).

Für öffentliche Interessentenwege iSd §7 Abs1 Z5 Stmk LStVG 1964 ist kein straßenrechtliches Bewilligungsverfahren durchzuführen, weil in §47 Abs1 und 3 leg. cit. jene Gattungen öffentlicher Straßen taxativ aufgezählt werden, für deren Neuanlage, Verlegung oder Umbau ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und mit Bescheid die Bedingungen festzusetzen sind, die bei der Ausführung der beabsichtigten Straßenbauten erfüllt werden müssen. Da §47 Abs1 und 3 die in §7 unter der Z5 genannten öffentlichen Interessentenwege nicht anführt, dürfen diese ohne straßenrechtliche Baubewilligung errichtet werden. Die als Bestandteile der öffentlichen Interessentenwege anzusehenden 'Brücken- und Straßenbauwerke' bedurften daher keiner straßenrechtlichen Baubewilligung nach §47 Abs1 und 3 (vgl. Dworak/Eisenberger, Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz [2010] §47 Rz 2). Die straßenrechtlichen Bewilligungen für die drei Verbindungsbauten zwischen den Geschäftshäusern 1 und 3, 3 und 5 sowie 5 und 7 vom 1. Juli 2002 haben somit in §47 Stmk LStVG 1964 keine Grundlage. Hingegen ist das Ansuchen für die Verbindungsbauten zwischen den Geschäftshäusern 7 und 9 mit Bescheid vom 28. Jänner 2009 mangels Bewilligungspflicht und fehlender Zuständigkeit der Behörde zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden.

Da die 'Brücken- und Straßenbauwerke' als öffentliche Interessentenwege eingereiht sind, ist für diese Bauwerke allem Anschein nach weder eine baurechtliche noch eine straßenrechtliche Bewilligung erforderlich. Müssen die Verbindungsbauten zwischen den einzelnen Geschäftshäusern den Vorschriften des Stmk BauG 1995 über die mechanische Festigkeit und Standsicherheit (§48), den Brandschutz (§§49 bis 54) sowie die Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit (§§69 bis 76) nicht entsprechen, so gefährdet dies die Sicherheit der Benützer dieser Bauten, die unter anderem als Stützpunkte für Einsatzkräfte und de facto auch für Geschäftszwecke verwendet werden. Die Frage, ob die Ausnahme vom Anwendungsbereich des Stmk BauG 1995 (§3 Z1) derart restriktiv auszulegen ist, dass die 'Brücken- und Straßenbauwerke' den Bauvorschriften unterliegen (vgl. VwGH 22.2.2012, 2010/06/0280), muss im konkreten Fall nicht abschließend beantwortet werden, weil die Umgehungsabsicht auf der Hand liegt.

Der VfGH hat in seinem Erkenntnis VfSlg 19.002/2010 die Verordnung einer steirischen Gemeinde, mit der ein neu vermessenes Grundstück zum öffentlichen Interessentenweg erklärt wurde, deshalb als gesetzwidrig aufgehoben, weil sich diese Verordnung nicht an den 'Verkehrsbedürfnissen' iSd Stmk LStVG 1964 orientiert, sondern die Möglichkeit geschaffen hat, einen vorschriftswidrigen Bau nachträglich zu genehmigen. Im vorliegenden Fall ging es freilich nicht darum, die 'Brücken- und Straßenbauwerke' nachträglich baurechtlich zu genehmigen, sondern durch die Einreihung als öffentliche Interessentenwege die Anwendbarkeit des Stmk BauG 1995 zu verhindern. Das ist deshalb von Bedeutung, weil für die Verbindungsbauten, wären sie nicht als öffentliche Straßen bzw. öffentliche Interessentenwege eingereiht worden, keine Bewilligungen nach dem Stmk BauG 1995 hätten erteilt werden dürfen. Sind die einzelnen Geschäftsbauten nämlich nicht durch öffentliche Verkehrsflächen getrennt, sondern baulich miteinander verbunden, überschreiten die zusammenzurechnenden Flächen die nach den Raumordnungsvorschriften maximal zulässige Verkaufs- oder Gesamtbetriebs- bzw. Bruttogeschoßfläche bei weitem.

Bei der Einreihung der Verbindungsbauten bzw. Brückenbauwerke als öffentliche Interessentenwege stand offenkundig nicht das öffentliche Verkehrsinteresse, sondern die Absicht im Vordergrund, die Raumordnungs- und Bauvorschriften zu umgehen. Ähnlich wie im zitierten Erkenntnis VfSlg 19.002/2010 orientieren sich die Einreihungsverordnungen nicht an den Verkehrsbedürfnissen, sondern schaffen die Möglichkeit, nach den raumordnungs- und baurechtlichen Bestimmungen nicht bewilligungsfähige Bauten rechtlich zu sanieren. Die Volksanwaltschaft ist der Ansicht, dass sich der Verordnungsgeber im vorliegenden Fall von unsachlichen Erwägungen hat leiten lassen, was gegen den Gleichheitssatz verstößt.

[…]

3.4. Unbestimmtheit eines Teils der Verordnungen:

Nach der Rechtsprechung des VfGH, vor allem zum Raumordnungsrecht, muss der Rechtsunterworfene die Rechtslage aus Verordnungstext und Plandarstellung eindeutig und unmittelbar feststellen können. Ist etwa das nicht bebaubare Grünland vom bebaubaren Bauland in einem Flächenwidmungsplan mangelhaft abgegrenzt, wird den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Erkennbarkeit planerisch-normativer Anordnungen nicht entsprochen (vgl. VfSlg 14.759/1997; VfSlg 14.968/1997; VfSlg 16.291/2001; VfSlg 19.231/2010; VfGH 23.6.2014, V70/2013 ua). Die Verordnungen vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St und vom 4. Juli 2007 zu GZ: 6112-5/ErschließungFFKZ/30 entsprechen dem Bestimmtheitsgebot insoweit nicht, als unklar bleibt, welche 'Brücken- und Straßenbauwerke' als öffentliche Interessentenwege eingereiht werden.

3.4.1. Mit der Verordnung vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St werden die 'Brücken- und Straßenbauwerke' zwischen den Grundstücken 325, 317/1, 317/4 und 317/3 (von West nach Ost), alle KG Seiersberg, zu öffentlichen Interessentenwegen erklärt. Auf dem die Grundlage dieser Verordnung bildenden Lageplan vom Mai 2002 zu GZ: 540/02 sind die Grundstücksnummern samt Einlagezahlen des Grundbuchs, die Grundstücksgrenzen, die jeweiligen Eigentümer, die Nummern der Geschäftshäuser (1, 3, 5 und 7 von West nach Ost) und schematisch auch die 'Brücken- und Straßenbauwerke' eingezeichnet, welche die einzelnen Häuser miteinander verbinden.

Allerdings sind nur die 'Brücken- und Straßenbauwerke' (Verbindungsbauten) zwischen den Geschäftshäusern 3 und 5 mit roter Farbe hervorgehoben und auf diese Weise gegenüber den baubewilligten Geschäftshäusern abgegrenzt. Der Verordnungstext nimmt auf die Hervorhebung nicht Bezug. Im südlichen Teil der 'Brücken- und Straßenbauwerke' sind ein breiterer Verbindungsgang und vier schmälere Verbindungsgänge eingezeichnet. Auf welcher Ebene diese Verbindungsgänge liegen und welche Bauteile die 'Brücken- und Straßenbauwerke' genau umfassen, ist dem Lageplan nicht zu entnehmen. Bei den anderen 'Brücken- und Straßenbauwerken' (Verbindungsbauten) zwischen den Geschäftshäusern 1 und 3 sowie 5 und 7 ist mangels Hervorhebung im Lageplan unklar, wo exakt sie sich befinden und welche Ebenen zu öffentlichen Interessentenwegen erklärt werden. Erst die Einreichpläne (Grundrisse und Schnitte) vom Mai 2002, die den drei straßenrechtlichen Bewilligungen für 'Verkehrsbauten mit Infrastruktur' vom 1. Juli 2002 zu Grunde liegen, zeigen Lage und wahre Dimensionen der 'Brücken- und Straßenbauwerke' zwischen den Geschäftshäusern 1 und 3, 3 und 5 sowie 5 und 7 auf jeweils drei Ebenen (Beilagen 6 bis 8, 9 bis 11 sowie 12 bis 14). Nur diese Einreichpläne ermöglichen es, die als öffentliche Interessentenwege eingereihten 'Brücken- und Straßenbauwerke' von den baubewilligten Geschäftshäusern abzugrenzen. Diese Pläne sind jedoch nicht Teil der Einrei-hungsverordnung. Aus diesen Gründen beantragt die Volksanwaltschaft unter Punkt II., die Verordnung vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/616-0/SCS/14168/ 2002/26/Bgmstr/St mangels ausreichender Bestimmtheit zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

[…]

3.4.2. Mit der Verordnung vom 4. Juli 2007 zu GZ: [612]-5/ErschließungFFKZ/30 werden die 'Brücken- und Straßenbauwerke' bzw. die Straßen Nr 11 (Verbindung der Straße 4 mit der Straße 1 in den Ebenen 0 und 1 sowie Verbindung von der Straße 1 mit der öffentlichen Straße 'Ganghoferstraße' in der Ebene 1, im Plan Blau dargestellt), Nr 12 (Brückenbauwerk über der Straße 4 in der Ebene 2 mit Stiegenverbindung zu Straße 11, im Plan in Blau dargestellt) und Nr 13 (Erweiterung der Straße 1, im Plan in Braun dargestellt) zu öffentlichen Interessentenwegen erklärt.

Der die Grundlage dieser Verordnung bildende 'Ergänzungsplan öffentliche Verkehrsflächen' Nr A-1028 vom 19. Juni 2007 lässt jedoch nicht erkennen, wo die Verbindung der Straße 4 mit der Straße 1 in den Ebenen 0 und 1 sowie das Brückenbauwerk über der Straße 4 in der Ebene 2 mit Stiegenverbindung zu Straße 11 liegen, weil die Straßen Nr 11 und 12 als zusammenhängende blaue Flächen dargestellt sind und eine Unterteilung in verschiedene Ebenen fehlt. Um welche 'Straßen- und Brückenbauwerke' es sich konkret handelt, lassen erst die technischen Ausführungspläne erkennen, die dem zurückweisenden Bescheid vom 28. Jänner 2009 beigeschlossen, aber nicht Teil der Verordnung sind (Beilagen 16 bis 19). Auf dem einen Teil der Verordnung bildenden 'Ergänzungsplan öffentliche Verkehrsflächen' eindeutig identifizierbar sind nur die Verbindung der Straße 1 mit der öffentlichen 'Ganghoferstraße' und die braun gekennzeichnete Straße Nr 13.

[…]".

3. Der Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg-Pirka legte die bezughabenden Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er den Bedenken der Volksanwaltschaft im Wesentlichen wie folgt entgegentritt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"[…]

Vorangestellt sei, dass die nachstehende Gliederung dem Vorbringen im Antragsschriftsatz folgt.

2.1 Zu den Voraussetzungen für die Einreihung

2.1.1 Auszugehen ist zunächst davon, dass gemäß der Legaldefinition in §7 Abs1 Z5 Stmk LStVG 1964 als öffentliche Interessentenwege 'Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen', eingereiht werden können.

Mit der Wendung, dass eine Straße, die zum öffentlichen Interessentenweg erklärt werden darf, bloß den Besitzern oder Bewohnern einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen darf, ist freilich nicht ausgesagt, dass der entsprechende Verkehr nur aus bestimmten, den eingereihten Flächen nahe liegenden Quellen kommen dürfte. Grundsätzlich kann der öffentliche Interessentenweg ferner dem Verkehrsbedürfnis jeglichen Liegenschaftseigentümers bzw -besitzers dienen. Es ist auch nicht festgelegt und besteht keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass sich das Verkehrsbedürfnis des Liegenschaftseigentümers nur auf seine eigenen Fahrten von und zur Liegenschaft beziehen dürfte.

Richtig verstanden bestreitet die Antragstellerin im Ergebnis damit an keiner Stelle, dass die betreffenden Grundflächen grundsätzlich dem Verkehrsbedürfnis der betreffenden Liegenschaftseigentümer und -besitzer (auch Mieter von Betriebsflächen sind Rechtsbesitzer) dienen. Mögen auf den verbundenen Grundflächen auch Gebäude in erheblichem Ausmaß ausgeführt sein und sich dadurch die Verkehrsquellen (sowohl der Kunden und Angestellten, für die die Verkehrsflächen als Fluchtwege bereitgestellt werden, als auch der Einsatzorganisationen) über unser Gemeindegebiet hinaus erstrecken, so macht dies die Ausweisung der entsprechenden verbindenden Grundflächen bzw Anlagen als öffentliche Interessentenwege nicht unzulässig. Denn im Ergebnis dienen die eingereihten Grundflächen sehr wohl dem Verkehrsbedürfnis der Eigentümer und (Rechts)Besitzer der Liegenschaften, welches zwar durch die bestehenden Gebäude erhöht sein mag, aber dennoch ihrVerkehrsbedürfnis als Betreiber der bestehenden Einrichtungen bleibt. Dieses Verkehrsbedürfnis kann sich eben auch durch andere Verkehrsteilnehmer – nämlich Einsatzorganisationen sowie Arbeitnehmer und Kunden – materialisieren. Es ist daher letztlich ein Verkehrsbedürfnis der Liegenschaftseigentümer, dass die jederzeitige Fluchtmöglichkeit und Zugänglichkeit der Betriebsgebäude für Einsatzorganisationen garantiert wird. Richtig verstanden ist dieses Verkehrsbedürfnis auch ein bloß örtliches, da im Katastrophenfall grundsätzlich die Fluchtmöglichkeit sicherzustellen ist; im Allgemeinen aber die Flucht beendet ist, sobald die Gebäude verlassen werden konnten.

Selbst wenn man bei der Frage nach dem Verkehrsbedürfnis und dessen bloße Örtlichkeit darauf abstellen wollte, dass etwa Kunden der auf den verbundenen Grundflächen ansässigen Betriebe nicht nur aus unserem Gemeindegebiet, sondern auch aus anderen territorialen Einheiten kommen mögen, so ist doch anzumerken, dass etwa auch bei Landwirtschaftsbetrieben (die die Antragstellerin als Beispiel erwähnt) oder Gastgewerbebetrieben mit Übernachtungsmöglichkeit bei der straßenrechtlichen Einreihung von Erschließungen nicht zu fragen ist, wie weit die Verkehrsquelle etwa von An- und Ablieferverkehr oder den Gästen von der betreffenden Liegenschaft entfernt liegt. Wollte man die Rechtsansicht der Antragstellerin zugrunde legen, so wäre es im Ergebnis beispielsweise nicht zulässig, wenn etwa Bergbauernbetriebe über einen öffentlichen Interessentenweg ihre Produkte in einen anderen Bezirk, ein anderes Bundesland oder einen anderen Staat liefern bzw einzelne ihrer Grundstoffe hieraus beziehen; dementgegen kann aber gerade in Urlaubsregionen bei 'Ab-Hof-Verkauf' sowie etwa Landwirtschaftsbetrieben mit Fremdenzimmern durchaus mit erheblichen Kundenströmen auch von weit entfernt gerechnet werden. Ein Rechtsverständnis dahingehend, dass in solchen Fällen die Einreihung als öffentlicher Interessentenweg per se unzulässig sei – ein Landwirt, dessen Grundflächen per öffentlichen Interessentenweg erschlossen sind, dürfte dann in weiterer Konsequenz über diesen Weg bloß zu einem nahe gelegenen Ziel, nicht aber zB ins Ausland fahren – ist wenig lebensnah; es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass dies in irgendeiner Weise geboten wäre.

Ferner ergibt sich die bloße Örtlichkeit des Verkehrsbedürfnisses aus dem Ziel – und nicht der Quelle – des Kundenverkehrs, welcher die verbundenen Grundflächen frequentiert; und ist damit per definitionem ein örtliches Verkehrsbedürfnis gegeben.

Da somit die Voraussetzungen des §7 Abs1 Z5 Stm[k] LStVG für die Einreihung der betreffenden Anlagen als öffentliche Interessentenwege vorliegen, sind unsere entsprechenden Verordnungen gesetzmäßig.

2.1.2 Ferner genügt für eine straßenrechtliche Einreihung eine Verordnung der Gemeinde, die bloß die Einreihung gem §8 Abs3 Stmk LStVG 1964 ausspricht, nicht. Erst wenn die Entscheidungen gem §45 leg cit getroffen wurden, ist tatsächlich eine straßenrechtliche Einreihung im vollen Sinn des Stmk LStVG 1964 als entstanden anzusehen (VwGH 11.03.1975, 1990/73). In diesem Lichte war im vorliegenden Fall im Sinne des Abs3 leg cit die Zusammenfassung von Beitragspflichtigen zu verfügen, wodurch sich in concreto die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Stmk LStVG ergibt.

In diesem Zusammenhang erkennt die Antragstellerin selbst bzw bestreitet zumindest nicht, dass es erforderlich war, auch die öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft per Verordnung zu verfügen. Es ist daher auch §1 der entsprechenden, viertangefochtenen Verordnung rechtens, da die bloße örtliche Bedeutung der entsprechenden Anlagen tatsächlich gegeben ist.

2.1.3 Zu bemerken ist weiters, dass §7 Abs1 Z4 litc Stmk LStVG 1964 einen Auffangtatbestand für öffentliche Straßen kennt. Demnach sind alle öffentlichen Verkehrsanlagen, die nicht zu einer anderen Gattung der Straßen gehören, Gemeindestraßen.

Wollte man – entgegen unserer Ansicht – im vorliegenden Fall vermeinen, dass eine Einreihung als öffentlicher Interessentenweg nicht zulässig wäre, so ist den angefochtenen Verordnungen, welche im Ergebnis stets auch auf die Öffentlichkeit der entsprechenden Verkehrsflächen verweisen, bei Zugrundelegung des Gebots gesetzeskonformer Interpretation doch ein unschädliches Vergreifen im Ausdruck (vgl VfSI[g] 13836/1994) dahingehend zu entnehmen, dass es sich im vorliegenden Fall um Gemeindestraßen im Sinne des §7 Abs1 Z4 litc Stmk LStVG handelt. Denn wir wollten – was von der Antragstellerin auch nicht bestritten wird – sicherstellen, dass die allgemeine Zugänglichkeit und Fluchtmöglichkeit über die entsprechenden Anlagen jederzeit gegeben ist, um jedenfalls dem Katastrophenschutzplan und den dem Stmk Katastrophenschutzgesetz entsprechenden Aufgaben der Gemeinde ausreichend Genüge zu tun.

Angemerkt sei in diesem Zusammenhang auch, dass mit dem als Beilage ./2 vorgelegten Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Seiersberg vom 20.02.2003, die Baubewilligung für einen Notfallhubschrauberplatz erteilt wurde. Auch dies belegt, dass die Gemeindeverwaltung in allen Ebenen dem Katastrophenschutzplan vom 07.05.2002 folgt, die hier angefochtenen Verordnungen sind ebenso wie der erwähnte Bescheid Ausfluss dieses Katastrophenschutzplans.

2.2 Zur Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen

2.2.1 Zunächst kritisiert die Antragstellerin unseren Katastrophenschutzplan gar nicht; auch sie stellt damit aus unserer Sicht nicht in Abrede, dass die Gemeinde Vorbereitungsmaßnahmen zur Abwehr und Bekämpfung von Katastrophen zu treffen hat (§3 Abs1 Stmk Katastrophenschutzgesetz) und der gegenständliche Katastrophenschutzplan hiefür in Ansehung der beträchtlichen Dimension der bestehenden Betriebsgebäude ein adäquates Mittel darstellt.

Werden Katastrophenschutzpläne auch auf Grundlage des Stmk Katastrophenschutzgesetzes erlassen, so existiert doch keine Erfahrungstatsache und kein Rechtssatz des Inhalts, dass ein Katastrophenschutzplan nicht als Ermittlungsgrundlage zur straßenrechtlichen Einreihung einer Verkehrsfläche als öffentlicher Interessentenweg herangezogen werden könnte oder dürfte.

2.2.2 In formaler Hinsicht gilt hiebei zunächst, dass unsere erstangefochtene Verordnung vom 13.06.2002 sich zwar textlich womöglich nicht auf den Katastrophenschutzplan vom 07.05.2002 bezieht, wir aber in unserer Sitzung vom 13.06.2002 diesen sehr wohl als Grundlage herangezogen haben. Dies ergibt sich aus dem hiezu angenommenen Antrag des damaligen Vizebürgermeister, der auf den Katastrophenschutzplan Bezug nahm.

In allen vier angefochtenen Verordnungen ist damit der Katastrophenschutzplan vom 07.05.2002 erhebliche Entscheidungsgrundlage. Es ist keinesfalls geboten, dass im Verordnungstext der Katastrophenschutzplan selbst enthalten sein muss, um als erhebliche Entscheidungsgrundlage qualifiziert werden zu können.

2.2.3 Abgesehen davon sei auch an dieser Stelle darauf verwiesen, dass die Zugänglichkeit der Betriebseinreichungen für den Katastrophenfall bzw die Eigenschaft als Flucht- und Rettungsweg für Kunden und Arbeitnehmer gewährleistet sein muss. Auch in diesem Zusammenhang bedarf es keiner näheren Erörterung, dass auch diese Aspekte letztlich den Eigentümern und (Rechts)Besitzern der in Rede stehenden Liegenschaften dienen und damit ausreichend belegen, dass die Voraussetzung für die Einreihung als öffentlicher Interessentenweg gegeben ist. Wäre diese nicht öffentlich, so könnte im Ernstfall die Zugänglichkeit für Einsatzorganisationen womöglich nicht gegeben sein, wofür die Gemeinde aber vorsorgen musste, als sie gemäß §3 Abs1 Stmk Katastrophenschutzgesetz Vorbereitungsmaßnahmen in Ansehung der Betriebsgebäude zur Abwehr und Bekämpfung von Katastrophen zu treffen hatte. Dieser Katastrophenschutz wäre nicht vollständig, wenn die Zugänglichkeit jeglicher Verkehrsflächen nicht durch verordnete Maßnahmen (die Einsatzorganisationen forderten begründet die Zugänglichkeit einzelner Stockwerke) gesichert wäre, worin die gegebene Einreihung ebenso begründet liegt.

Zur Sachlichkeit der angefochtenen Verordnungen

In diesem Zusammenhang bleibt das im Lichte der Behauptung einer Unsachlichkeit der angefochtenen Verordnungen erstattete Antragsvorbringen reichlich abstrakt und legt nicht ausreichend konkretisiert dar, welche 'Bauvorschriften' umgangen worden sein sollen.

Lediglich wird im Ergebnis – ohne Bezugnahme auf einschlägige Rechtsgrundlagen – vage angedeutet, dass dann, wenn 'die einzelnen Geschäftsbauten nämlich nicht durch öffentliche Verkehrsflächen getrennt, sondern baulich miteinander verbunden (sind), [...] die zusammenzurechnenden Flächen die nach den Raumordnungsvorschriften maximal zulässige Verkaufs- oder Gesamtbetriebs- bzw. Bruttogeschoßfläche bei weitem (überschreiten)';und auf den vom VfGH zu VfSlg 19002/2010 entschiedenen Fall verwiesen.

Abgesehen davon, dass die Frage der Zusammenrechnung ein Thema der Nutzung entsprechender Anlagen und nicht von straßenrechtlichen Einreihungsverordnungen – die allein aber geprüft werden können – selbst ist, besteht keine Analogie zur Konstellation, die Grundlage des Erkenntnisses VfSlg 19002/2010 war:

Denn die von den angefochtenen Verordnungen erfassten Grundflächen – sowie selbstredend der ihnen entsprechende dreidimensionale Raum (vgl Hauer, Planungsrechtliche Grundbegriffe und verfassungsrechtliche Vorgaben, im Hauer/Nussbaumer[Hrsg], österreichisches Raum- und Fachplanungsrecht [2006] 3) – waren im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Seiersberg schon lange vor Erlassung der angefochtenen Verordnungen als Verkehrsflächen ausgewiesen.

Eingedenk des Umstands, dass zum Katastrophenschutz entsprechende Anlagen vorzusehen waren, deren jederzeitige Zugänglichkeit gesichert werden musste, war es daher geboten, diese Anlagen straßenrechtlich einzureihen.

Von einer Umgehungsabsicht (die die Antragstellerin letztlich ohne nähere Anhaltspunkte vermutet, wenn sie vermeint, sie liege 'auf der Hand') kann sohin keine Rede sein.

Es wurde ferner bereits in den Punkten 2.1 und 2.2 dargestellt, dass sich die angefochtene Verordnung an den Verkehrsbedürfnissen iSd Stmk LStVG orientiert, welche auch ausreichend ermittelt wurden.

2.3 Zur ausreichenden Bestimmtheit der angefochtenen Verordnungen

2.3.1 Zur zweitangefochtenen Verordnung sei hervorgehoben, dass – wie die Antragstellerin auch richtig erkennt – deren Textierung nicht auf die rote Hervorhebung im beigeschlossenen Plan Bezug nimmt.

Ferner ergibt sich die Lage der entsprechenden Anlagen aus dem im Verordnungstext verwiesenen Plan. Dieser weist bestehende Gebäude mit den 'Hausnummern' 1, 3, 5 und 7 aus und lässt im Grundriss – dreidimensionale Darstellungen sind im Verordnungsplan naturgemäß nicht möglich – erkennen, dass sich die von der Verordnung erfassten Anlagen dazwischen befinden, mithin die Bauwerke bzw erwähnten Grundstücke faktisch verbinden und insbesondere mit den Gebäudegrundrissen exakt abgegrenzt sind.

2.3.2 Es werden bezüglich der drittangefochtenen Verordnung vom 04.07.2007 aus Gründen der Übersichtlichkeit die Ausführungen in Punkt 1.4 wiederholt.

Die Straße 11 beginnt in der Ebene 1 in der Ganghoferstraße und verläuft in Nord-Süd-Richtung bis in den Bereich des Hauses 7 und dann in einem Winkel von 90 Grad in Richtung Osten (in das Brückenbauwerk hinein) und endet am Ende des Brückenbauwerkes. Die Straße 11 verläuft ebenso auf der Ebene 0 von der Straße Nr 1 bis zur Straße 4. Straße 12 ist das Brückenbauwerk über die Straße 4 in der Ebene 2, sie verläuft von Haus 7 zu Haus 9. Ebene 0 ist die unterste Verkaufsebene in den Häusern 7 und 9, Ebene 1 ist die erste Verkaufsebene des Hauses 9, Ebene 2 die zweite Verkaufsebene von Haus 9 und zugleich Dachfläche von Haus 7.

Naturgemäß war eine dreidimensionale planliche Darstellung nicht möglich, es ergeben sich aus der Verordnung aber eindeutig die straßenrechtlich eingereihten Anlagen, sodass eine Unbestimmtheit der Verordnung keinesfalls vorliegt.

[…]"

4. Die Steiermärkische Landesregierung legte die bezughabenden Akten vor und verwies inhaltlich auf eine im vorgelegten Aktenkonvolut befindliche Stellungnahme vom 1. Oktober 2014, welche damals im Zuge eines Prüfverfahrens an die Volksanwaltschaft übermittelt worden sei.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2016, beim Verfassungsgerichtshof eingelangt am 27. Mai 2016, teilte der Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg-Pirka mit, dass mit Verordnung der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17. Mai 2016, Z 612-5/Interessentenwege/4, unter anderem die von der Volksanwaltschaft angefochtenen Verordnungen aufgehoben würden. Besagte Verordnung sei am 20. Mai 2016 durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht worden und werde sohin "voraussichtlich am 06.06.2016 in Kraft treten". Ergänzend zur Äußerung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 8. Februar 2016 werde nunmehr darauf hingewiesen, dass die Weitergeltung der von der Antragstellerin angefochtenen Verordnungen im Gefolge der Fusionierung der Gemeinden Seiersberg und Pirka mit Ziffern 85., 86. und 88. unter der Überschrift "Ehem. Gemeinde Seiersberg" der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, verfügt worden sei, andernfalls diese Verordnungen gemäß §11 Abs2 Stmk GemO 1967 nicht mehr bestehen würden. Es sei daher ungeachtet der Aufhebung auch der letztzitierten Verordnungsstellen mit der Verordnung vom 17. Mai 2016 bezüglich aller angefochtenen Verordnungen von der Unvollständigkeit und somit der Unzulässigkeit der vorliegenden – zu eng gefassten – Aufhebungsanträge auszugehen.

Demgemäß beantrage der Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg-Pirka, den (zu Zahlen V157-160/2015 protokollierten) Antrag der Volksanwaltschaft als unzulässig zurückzuweisen sowie der Gemeinde "den gesetzmäßigen Kostenersatz" zuzuerkennen.

Ein Vergleich der einen integrierenden Bestandteil der Verordnung 612-5/Interessentenwege/4 bildenden Planbeilage mit jenen Plänen, die den bisherigen Verordnungen zugrunde liegen, zeigt, dass in der neuen Verordnung einerseits bereits in den bisherigen Verordnungen als öffentliche Interessentenwege eingereihte Verkehrsflächen neuerlich zu solchen erklärt werden, andererseits aber auch zusätzliche Verkehrsflächen als öffentliche Interessentenwege eingereiht bzw. bisher als öffentliche Interessentenwege eingereihte Flächen aufgelassen werden.

5. Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2016 zog die Volksanwaltschaft ihren zu hg. Zahlen V157-160/2015 protokollierten Antrag zurück.

6. Mit "Umlaufbeschluss des Kollegiums der Volksanwaltschaft gemäß §1 Abs2 Z3 VolksanwaltschaftsG iVm §9 Abs1 Z4 und §8 Abs1 letzter Satz GeO der VA 2012" beschloss die Volksanwaltschaft am 9. Juni 2016, den zu hg. Zahlen V33-35/2016 protokollierten Antrag zu stellen.

6.1. Die Volksanwaltschaft bringt darin folgende Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungen vor (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"3. Darlegung der Bedenken:

 

3.1. Fehlen der Voraussetzungen für die Einreihung als öffentliche Interessentenwege:

 

Öffentliche Interessentenwege sind Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen, und mit Verordnung der Gemeinde als solche erklärt wurden (§7 Abs1 Z5 iVm §8 Abs3 Stmk LStVG 1964).

 

Öffentliche Interessentenwege sind öffentliche Straßen mit der geringsten öffentlichen Verkehrsbedeutung (VfSlg 16.187/2001). Sie dienen überwiegend den Besitzern oder Bewohnern einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften, nämlich den Anliegern und (gemäß §45 Abs1 Stmk LStVG) sonstigen Verkehrsinteressenten (vgl. Dworak/Eisenberger,Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz [2010] §7 Rz 19). Voraussetzung dafür, dass eine Straße zum öffentlichen Interessentenweg erklärt werden darf, ist daher, dass sie den Besitzern oder Bewohnern einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dient (VwGH 11.10.1990, 89/06/0096). Diese Personen müssen ein individuelles Verkehrsinteresse haben, das etwa auch darin liegen kann, dass der Interessentenweg eine Liegenschaft besser als bisher aufschließt, insbesondere dadurch, dass einem landwirtschaftlichen Anwesen eine jederzeit befahrbare Verbindung zum öffentlichen Straßennetz ermöglicht wird.

 

Nach Ansicht der Volksanwaltschaft liegen die Voraussetzungen für eine Einreihung der in Punkt 1.0) der Verordnung vom 17. Mai 2016 genannten, gegenüber den bisherigen Verordnungen sogar noch erweiterten Straßen als öffentliche Interessentenwege aus folgenden Gründen nicht vor: Die Straßen dienen der Anbindung der Shopping City Seiersberg an das öffentliche Verkehrsnetz und ihrer inneren Erschließung, die einen Bestandteil der öffentlichen Interessentenwege bildenden 'Brücken- und Straßenbauwerke' auch der direkten Verbindung der einzelnen Geschäftshäuser untereinander. Da die öffentlichen Interessentenwege in der Shopping City Seiersberg keineswegs primär von ortsansässigen, sondern weit überwiegend von auswärtigen Besuchern aus der angrenzenden Landeshauptstadt Graz und anderen Gemeinden der näheren und ferneren Umgebung sowie von Besuchern aus dem Ausland frequentiert werden, sind sie keineswegs nur von örtlicher Bedeutung. Selbst wenn lediglich Fußgänger die Verbindungsbauten zwischen den einzelnen Geschäftshäusern nutzen sollten, kann nicht von einer bloß örtlichen Bedeutung gesprochen werden, weil die Shopping City Seiersberg einen weit größeren Einzugsbereich als das Gemeindegebiet von Seiersberg-Pirka hat. Die Quellen des Verkehrs auf den öffentlichen Interessentenwegen liegen primär außerhalb der Gemeinde bzw. der Shopping City.

 

Auch trifft es nicht zu, dass die Straßen einschließlich der 'Brücken- und Straßenbauwerke' überwiegend nur den Besitzern oder Bewohnern einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften, namentlich jenen der Herkules Grundstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH & Co KEG, der Einkaufszentrum Seiersberg Projektentwicklungs GmbH, der Prometheus Grundstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH, der Diana Grundstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH & Co KEG sowie der Vesuv Grundstücksvermietungs- und Verwertungs GmbH & Co KEG dienen. Vielmehr dienen die Straßen einschließlich der 'Brücken- und Straßenbauwerke' überwiegend den einzelnen Handelsbetrieben, Kunden, Besuchern und Lieferanten der Shopping City Seiersberg. Diese sind nicht Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften innerhalb der Shopping City Seiersberg.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass ein Antrag auf Aufhebung einer Verordnung zur Gänze dann unzulässig ist, wenn sich die diesem Antrag zugeordneten Bedenken nur auf einzelne Bestimmungen der bekämpften Rechtsvorschrift beziehen (VfSlg 17.417/2004). Da sich die Bedenken der Volksanwaltschaft ausschließlich gegen Punkt 1.0) der Verordnung vom 17. Mai 2016 zu GZ: 612-5/Interessentenwege/4 (fehlende Voraussetzungen für die Einreihung als öffentliche Interessentenwege), nicht aber gegen Punkt 3.0) richten, wird unter I. nur die Aufhebung von Punkt 1.0) beantragt. Punkt 3.0) der Verordnung wird deshalb nicht angefochten, weil er das Außerkrafttreten jener straßenrechtlichen Verordnungen der Gemeinde Seiersberg und jener Stellen der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka anordnet, gegen die sich die Bedenken der Volksanwaltschaft im Antrag vom 2. Dezember 2015 richten. Im Fall einer Aufhebung auch der aufhebenden Verordnungsstelle 3.0) durch den Verfassungsgerichtshof würden die ersatzlos aufgehobenen Verordnungen bzw. Verordnungsstellen neuerlich wirksam werden (vgl. VfSlg 11.024/1986, 19.710/2012, 19.707/2012).

 

Hätte der Gemeinderat die früheren Verordnungen bzw. Verordnungsbestimmungen nicht aufgehoben, würden diese teilweise weiter gelten, soweit sie über die neue Verordnung hinausgehen (z.B. die Straße 10). Andererseits werden in Punkt 1.0) der Verordnung vom 17. Mai 2016 zusätzliche Verkehrsflächen zu öffentlichen Interessentenwegen erklärt (z.B. die Stichstraße im Nordwesten des Areals). Nach der ständigen Rechtsprechung leben nach Aufhebung einer Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof frühere Verordnungen bzw. Verordnungsbestimmungen nicht wieder auf; das gilt aber dann nicht, wenn der Verordnung gegenüber den früheren, an sich weiter bestehenden Verordnungen bzw. Verordnungsbestimmungen, eine bloß ergänzende Bedeutung zukommt (VwGH 8.3.1994, 93/05/0276; 19.9.1995, 95/05/0233; VfGH 18.6.2015, E666/2015-12 mwN). Da Punkt 1.0) der Verordnung vom 17. Mai 2016 einerseits den Inhalt der früheren Verordnungen ergänzt, andererseits aber hinter ihm zurückbleibt, würden die früheren Verordnungen wieder aufleben, wenn die aufhebende Verordnungsstelle 3.0) wegfiele.

 

3.2. Unzureichende Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen:

 

Der Volksanwaltschaft liegen keine Unterlagen vor, welche die Entscheidungsgrundlagen für die neue Verordnung vom 17. Mai 2016 erkennen lassen. In seiner Stellungnahme an die Volksanwaltschaft vom 11. August 2015 führte der Bürgermeister aus, dass der Katastrophenschutzplan der Gemeinde Seiersberg vom 7. Mai 2002 samt Überarbeitung vom 4. Juli 2007 die Grundlagenforschung für die mittlerweile außer Kraft getretenen Einreihungsverordnungen vom 13. Juni 2002 und 4. Juli 2007 bilde. In Punkt 1.0) der Verordnungen vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St und vom [4.] Juli 2007 zu GZ: 612-5/ErschließungFFKZ/30 wurden die 'Brücken- und Straßenbauwerke' jeweils unter Verweis auf den Katastrophenschutzplan vom 7. Mai 2002 bzw. 4. Juli 2007 zu öffentlichen Interessentenwegen erklärt. Die ebenfalls bereits außer Kraft getretene Verordnung vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St und die heute geltende Verordnung vom 17. Mai 2016 zu GZ: 612-5/Interessentenwege/4 enthalten allerdings keinen Verweis auf den Katastrophenschutzplan.

 

Katastrophenschutzpläne sind nicht auf Grundlage des Stmk LStVG 1964, sondern auf Grundlage des Stmk Katastrophenschutzgesetzes (LGBl 1999/62) und der Verordnung der Stmk Landesregierung vom 4. Dezember 2000 über Vorbereitungsmaßnahmen zur Abwehr und Bekämpfung von Katastrophen (LGBl 2000/80) zu erstellen. Welchen Inhalt ein Katastrophenschutzplan haben muss, wird in §1 der zuletzt genannten Verordnung bestimmt. Anordnungen über die Verkehrserschließung zählen nicht zum Inhalt des Katastrophenschutzplanes (vgl. §1 Abs1).

 

Der Katastrophenschutzplan vom 7. Mai 2002 bezieht sich – auch in seiner überarbeiteten Fassung vom 25. Juni 2007 – unter anderem auf öffentliche Straßen, insbesondere auf die freizuhaltenden Zufahrtswege, Aufstellungszonen für Einsatzfahrzeuge aller Art, die Verbindungs- bzw. Brückenbauwerke und die während der Betriebszeit besetzten Einsatzpunkte für Feuerwehr, Rettung, 'Gendarmerie' und Security-Dienste. Wenn die 'Brücken- und Straßenbauwerke' zwischen den einzelnen Geschäftshäusern als Flucht- und Rettungswege für Kunden und Arbeitnehmer sowie als zusätzliche Angriffswege für Einsatzkräfte dienen, so ist damit aber noch nicht gesagt, dass sie deshalb als öffentliche Interessentenwege eingereiht werden müssen. Die naheliegende Frage, ob die Gefahr eines Übergreifens von Bränden zwischen den einzelnen Geschäftshäusern geringer wäre, wenn sie nicht durch 'Brücken- und Straßenbauwerke' miteinander verbunden, sondern durch unbebaute Verkehrsflächen voneinander getrennt wären, beantwortet der (überarbeitete) Katastrophenschutzplan nicht. Er enthält keine Begründung, weshalb die Straßen, und damit auch die 'Brücken- und Straßenbauwerke' in der Shopping City Seiersberg als öffentliche Interessentenwege nach dem Stmk LStVG 1964 eingereiht werden.

 

Davon abgesehen kann der Katastrophenschutzplan die Erhebung der Entscheidungsgrundlagen für die Einreihung von Straßen als öffentliche Interessentenwege nach dem Stmk LStVG 1964 nicht ersetzen. Jüngst hat der VfGH eine Einreihungsverordnung mangels ausreichender Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen als gesetzwidrig aufgehoben (21.9.2015, V66/2015-9). Im Prüfverfahren der Volksanwaltschaft zu VA-St-BT/0014-B/1/2014 ist nicht hervorgekommen, dass der Verordnungsgeber vor der Einreihung der Straßen als öffentliche Interessentenwege iSd §7 Abs1 Z5 Stmk LStVG 1964 erhoben hätte, warum es sich dabei um Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung handelt, und warum diese überwiegend nur für die Besitzer einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen.

 

Da Hinweise darauf fehlen, dass der Verordnungsgeber die notwendigen Ermittlungen im Verfahren zur Erlassung der neuen Verordnung vom 17. Mai 2016 nachgeholt hat, und durch diese Verordnung zusätzliche Verkehrsflächen als öffentliche Interessentenwege eingereiht werden, ohne dass die dafür maßgebenden Entscheidungsgrundlagen erkennbar dokumentiert wären, wird unter I. die Aufhebung von Punkt 1.0) der Verordnung vom 17. Mai 2016 zu GZ: 612-5/Interessentenwege/4 beantragt.

 

3.3. Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot wegen Umgehung von Bauvorschriften:

 

Die Einreihung der 'Brücken- und Straßenbauwerke' als öffentliche Straßen hatte offenbar den Zweck, sie dem Anwendungsbereich des Stmk BauG 1995 zu entziehen und zu verhindern, dass Bauansuchen für Geschäftshäuser wegen Überschreitung der höchstzulässigen Verkaufs- oder Gesamtbetriebs- bzw. Bruttogeschoßfläche abgewiesen werden. Das Stmk BauG 1995 galt und gilt nicht für bauliche Anlagen, die nach straßenrechtlichen Vorschriften als Straßen oder Bestandteile einer Straße gelten (§3 Z1). Zu den straßenrechtlichen Vorschriften gehören auch jene des Stmk LStVG 1964 (Trippl/Schwarzbeck/Freiberger,Steiermärkisches Baurecht 5 §3 Stmk BauG Anm. 4).

 

Als Bestandteile der öffentlichen Straßen gelten nach §2 Abs2 Stmk LStVG 1964 neben den unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen, wie unter anderem Fahrbahnen, Gehsteige, Geh- und Radwege, Park- und Abstellflächen auch bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie z.B. Brücken. Brücken und andere Straßenbauwerke sind gemäß §10 erster Satz Stmk LStVG 1964 als Teile jener öffentlichen Straßen anzusehen, in deren Zuge sie liegen, wenn nicht ein anderes Eigentumsverhältnis nachgewiesen ist. Wegen der besonderen Kostspieligkeit ihrer Herstellung und Erhaltung oder ihrer Bedeutung für den Verkehr weiterer Gebiete können sie gemäß §8 als selbständige Straßenbauwerke erklärt und in eine höhere Gattung der Verkehrsanlagen (§7) eingereiht werden. Werden 'Brücken- und Straßenbauwerke' zu öffentlichen Straßen erklärt, bedarf es daher prima vista keiner Bewilligung nach dem Stmk BauG 1995 (§3 Z1).

 

Für öffentliche Interessentenwege iSd §7 Abs1 Z5 Stmk LStVG 1964 ist kein straßenrechtliches Bewilligungsverfahren durchzuführen, weil in §47 Abs1 und 3 leg. cit. jene Gattungen öffentlicher Straßen taxativ aufgezählt werden, für deren Neuanlage, Verlegung oder Umbau ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und mit Bescheid die Bedingungen festzusetzen sind, die bei der Ausführung der beabsichtigten Straßenbauten erfüllt werden müssen. Da §47 Abs1 und 3 die in §7 unter der Z5 genannten öffentlichen Interessentenwege nicht anführt, dürfen diese ohne straßenrechtliche Baubewilligung errichtet werden. Die als Bestandteile der öffentlichen Interessentenwege anzusehenden 'Brücken- und Straßenbauwerke' bedurften daher keiner straßenrechtlichen Baubewilligung nach §47 Abs1 und 3 (vgl. Dworak/Eisenberger,Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz [2010] §47 Rz 2). Die straßenrechtlichen Bewilligungen für die drei Verbindungsbauten zwischen den Geschäftshäusern 1 und 3, 3 und 5 sowie 5 und 7 vom 1. Juli 2002 haben somit in §47 Stmk LStVG 1964 keine Grundlage. Das Ansuchen für die Verbindungsbauten zwischen den Geschäftshäusern 7 und 9 ist mit Bescheid vom 28. Jänner 2009 mangels Bewilligungspflicht und fehlender Zuständigkeit der Behörde daher zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden.

 

Da die 'Brücken- und Straßenbauwerke' als öffentliche Interessentenwege eingereiht sind, ist für diese Bauwerke allem Anschein nach weder eine baurechtliche noch eine straßenrechtliche Bewilligung erforderlich. Müssen die Verbindungsbauten zwischen den einzelnen Geschäftshäusern den Vorschriften des Stmk BauG 1995 über die mechanische Festigkeit und Standsicherheit (§48), den Brandschutz (§§49 bis 54) sowie die Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit (§§69 bis 76) nicht entsprechen, so gefährdet dies die Sicherheit der Benützer dieser Bauten, die unter anderem als Stützpunkte für Einsatzkräfte und de facto auch für Geschäftszwecke verwendet werden. Die Frage, ob die Ausnahme vom Anwendungsbereich des Stmk BauG 1995 (§3 Z1) derart restriktiv auszulegen ist, dass die 'Brücken- und Straßenbauwerke' den Bauvorschriften unterliegen (vgl. VwGH 22.2.2012, 2010/06/0280), muss im konkreten Fall nicht abschließend beantwortet werden, weil die Umgehungsabsicht auf der Hand liegt.

 

Der VfGH hat in seinem Erkenntnis VfSlg 19.002/2010 die Verordnung einer steirischen Gemeinde, mit der ein neu vermessenes Grundstück zum öffentlichen Interessentenweg erklärt wurde, deshalb als gesetzwidrig aufgehoben, weil sich diese Verordnung nicht an den 'Verkehrsbedürfnissen' iSd Stmk LStVG 1964 orientiert, sondern die Möglichkeit geschaffen hat, einen vorschriftswidrigen Bau nachträglich zu genehmigen. Im vorliegenden Fall ging es freilich nicht darum, die 'Brücken- und Straßenbauwerke' nachträglich baurechtlich zu genehmigen, sondern durch die Einreihung als öffentliche Interessentenwege die Anwendbarkeit des Stmk BauG 1995 zu verhindern. Das ist deshalb von Bedeutung, weil die Verbindungsbauten, wären sie nicht als öffentliche Straßen bzw. öffentliche Interessentenwege eingereiht worden, nach dem Stmk BauG 1995 baubewilligungspflichtig (§19 Z1), aber nicht bewilligungsfähig gewesen wären. Sind die einzelnen Geschäftsbauten nämlich nicht durch öffentliche Verkehrsflächen getrennt, sondern baulich miteinander verbunden, überschreiten die zusammenzurechnenden Flächen die nach den Raumordnungsvorschriften maximal zulässige Verkaufs- oder Gesamtbetriebs- bzw. Bruttogeschoßfläche bei weitem.

 

Bei der Einreihung der Straßen mit ihren Verbindungsbauten bzw. Brückenbauwerken als öffentliche Interessentenwege stand offenkundig nicht das öffentliche Verkehrsinteresse, sondern die Absicht im Vordergrund, die Raumordnungs- und Bauvorschriften zu umgehen. Ähnlich wie im zitierten Erkenntnis VfSlg 19.002/2010 orientieren sich die Einreihungsverordnungen nicht an den Verkehrsbedürfnissen, sondern schaffen die Möglichkeit, nach den raumordnungs- und baurechtlichen Bestimmungen nicht bewilligungsfähige Bauten rechtlich zu sanieren. Die Volksanwaltschaft ist der Ansicht, dass sich der Verordnungsgeber im vorliegenden Fall von unsachlichen Erwägungen hat leiten lassen, was gegen den Gleichheitssatz verstößt.

 

Mit der neuen Verordnung vom 17. Mai 2016 sind nicht bloß zusätzliche Verkehrsflächen als öffentliche Interessentenwege eingereiht worden, sondern auch die bisher geltenden straßenrechtlichen Verordnungen – ausgenommen die Zusammenfassung der Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft – außer Kraft gesetzt worden. Wie die 'Mitteilung und Urkundenvorlage' des Gemeinderates an den Verfassungsgerichtshof vom 23. Mai 2016 zeigt, will die Gemeinde Seiersberg-Pirka erreichen, dass der Verfassungsgerichtshof die Anträge der Volksanwaltschaft vom 2. Dezember 2015 zurückweist, das Verordnungsprüfungsverfahren einstellt und der Gemeinde Kostenersatz zuspricht. Indem die Gemeinde die bisher geltenden Verordnungen, deren Aufhebung die Volksanwaltschaft beantragt hat, außer Kraft gesetzt und eine neue Verordnung erlassen hat, bezweckt sie offenkundig, die 'abstrakte Normenkontrolle' ins Leere laufen zu lassen.

 

3.4. Fehlende Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft:

 

Mit der Verordnung vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St werden die Beitragspflichtigen für die 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' gemäß §45 Abs3 LStVG 1964 in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft zusammengefasst. In Z83. der Verordnung des Regierungskommissärs vom 2. Jänner 2015 zu GZ: 003-3/VOWiederverlautbarung/1 wird die Weitergeltung dieser Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002 verfügt.

 

§1 der Verordnung über die Zusammenfassung der Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft teilt die 'Brücken- und Straßenbauwerke' 'aufgrund der Tatsache, dass diese dem öffentlichen Fußgängerverkehr von örtlicher Bedeutung für den Bereich der Shopping City Seiersberg und damit einer beschränkten Anzahl verschiedener Liegenschaftseigentümer dienen, zu öffentlichen Interessentenwegen ein [...]'. Eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft setzt voraus, dass es sich bei den ihr zugeordneten Straßen um öffentliche Interessentenwege handelt, deren Herstellungs- und Erhaltungskosten den Liegenschaftseigentümern oder sonstigen Verkehrsinteressenten zur Last fallen (§45 Abs1 leg. cit.). Die Straßen sowie 'Brücken- und Straßenbauwerke' haben aber keineswegs nur örtliche Bedeutung und dienen auch nicht überwiegend den Besitzern von Liegenschaften in der Shopping City Seiersberg, sondern hauptsächlich Handelsbetrieben sowie deren Kunden, Besuchern und Lieferanten. Handelt es sich, wie unter Punkt 3.1. ausgeführt, nicht um öffentliche Interessentenwege, fehlt es an der Rechtsgrundlage für die Bildung einer öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft.

 

§4 Abs2 der Verordnung bestimmt, dass die zur öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft zusammengefassten Beitragspflichtigen eine gesonderte Bewilligung für die als öffentliche Interessentenwege eingereihten 'Brücken- und Straßenbauwerke' nach §47 Stmk LStVG erwirken müssen. Öffentliche Interessentenwege unterliegen aber keiner straßenbaurechtlichen Bewilligungspflicht iSd §47 leg. cit. Es können daher keine bescheidförmigen Bedingungen festgesetzt werden, welche bei der Ausführung der Straßenbauten vom Standpunkt des öffentlichen Interesses und der mit diesem nicht in Widerspruch stehenden Interessen der Beteiligten zu erfüllen sind (§47 Abs3).

 

Punkt 1.0) der Verordnung vom 17. Mai 2016, mit der die Straßen der Shopping City Seiersberg als öffentliche Interessentenwege eingereiht werden, und die laut Z83. der Verordnung des Regierungskommissärs vom 2. Jänner 2015 weiter geltende Verordnung vom 13. Juni 2002, mit der die beitragspflichtigen Interessenten in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft zusammengefasst werden, sind untrennbar miteinander verknüpft. In Punkt 1.0) der Verordnung vom 17. Mai 2016 werden die öffentlichen Interessentenwege hinsichtlich ihrer Erhaltung und Herstellung der Wegegenossenschaft 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' zugeordnet. Aus diesem Grund beantragt die Volksanwaltschaft, die Z83. der Verordnung des Regierungskommissärs vom 2. Jänner 2015 sowie die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002 als gesetzwidrig aufzuheben."

 

6.2. Die Gemeinde Seiersberg-Pirka legte die bezughabenden Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, welche vom Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg-Pirka in der Folge ausdrücklich zum integrierenden Bestandteil der von ihm erstatteten Äußerung erhoben wurde. In erstgenannter Äußerung wird den Bedenken der Volksanwaltschaft im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"[…]

 

2. Zum richtigen Verständnis des §7 Abs1 Z5 Stmk LStVG

 

2.1 Hingewiesen sei darauf, dass mit Beschluss des Gemeinderats vom 19. April 2016 der Katastrophenschutzplan für das Gewerbegebiet Mitte verabschiedet wurde (Beilage ./4). Es werden daher von der Antragstellerin veraltete Grundlagen erwähnt.

 

Dieser aktuelle Katastrophenschutzplan enthält auf Grundlage des Stmk Katastrophenschutzgesetzes eine umfassende Analyse verschiedener Bedrohungsszenarien sowie die umfassende Darstellung der Bereitstellung von Einsatzorganisationen und Sachmittelstandorten und schließlich Maßnahmenplänen. Insbesondere ist darin auf Seite 8 festgehalten, dass 'Grundlage für die Erstellung dieses Katastrophenschutzplanes ... daher die im Planwerk dargestellten und freizuhaltenden Zufahrtswege, Aufstellungszonen für Einsatzfahrzeuge aller Art, systemartig dargestellten Verbindung-(Brücken-)Bauwerke zwischen den Gebäuden, sowie die während der Betriebszeit besetzten Einsatzpunkte für Feuerwehr, Rettung, Polizei und Security-Dienste' sind. Auch muss danach bezüglich des planlich ua dargestellten Areals der Shopping City Seiersberg 'sichergestellt sein, dass alle diese Verkehrsflächen ständig gewartet und freigehalten werden' (Seite 9). Zusammengefasst wurden im erwähnten Katastrophenschutzplan für verschiedene Bedrohungsszenarien die Verkehrsführungskonzepte ua im Bereich der Shopping City Seiersberg erstellt, damit die Einsatzkräfte (Feuerwehr, Rettung, Polizei) ihren Aufgaben im Katastrophenfall nachkommen können.

 

2.2 Dieser aktualisierte Katastrophenschutzplan bildet die Sachverhalts- und Rechtsgrundlage der erstangefochtenen Verordnung; dessen planerische Intentionen konnten lediglich im Weg über die Verordnung eines öffentlichen Interessentenweges nach §7 Abs1 Z5 Stmk LStVG umgesetzt werden. Der Katastrophenschutzplan indiziert somit das öffentliche Interesse an der Erlassung der angefochtenen straßenrechtlichen Verordnung.

 

Aufbauend darauf wurde die (bereits mit unserem Schreiben vom 9. Juni 2016, GZ 612-5/ErschließungFFKZ/97, in Kopie vorgelegte) verkehrstechnische Beurteilung von Ing. [R. H.] […], allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger ua für Straßenbau und Verkehrssicherheit vom 13. Mai 2016 eingeholt, das aus technischer Sicht zum Ergebnis kam, dass die (schlussendlich als Interessentenwege verordneten) Verkehrswege der inneren und äußeren Erschließung der Shopping City Seiersberg als Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung anzusehen sind, welche überwiegend nur für die Besitzer der Liegenschaften des SHOPPING CITY SEIERSBERG-Areals dienen.

 

In der erwähnten verkehrstechnischen Beurteilung wird zwischen Verkehrswegen der 'äußeren Erschließung' und Verkehrswegen der 'inneren Erschließung' unterschieden. Erstere dienen der Kundenzu- und -abfahrt sowie der Ver- und Entsorgung der vorhandenen Betriebseinheiten, die Nutzung erfolgt nahezu ausschließlich durch den motorisierten Verkehr. Die Verkehrswege der inneren Erschließung werden einerseits durch die Verbindungen zwischen den jeweiligen (Häusern) und andererseits durch die entlang der Außenfronten der Objekte verlaufenden Verkehrswege gebildet, sie wird grundsätzlich durch Fußgänger- und Radfahrverkehr genutzt.

 

Das Verkehrswegenetz erfüllt die Erschließungsfunktion für Kfz-Verkehr, Fußgängerverkehr und Radverkehr, die Verkehrswege sind auch auf die katastrophenschutzplanmäßige Verwendung durch Einsatzorganisationen ausgelegt. Das Verkehrswegenetz dient aus technischer Sicht lediglich für den Quell- und Zielverkehr für die betreffenden Liegenschaften.

Ferner ist eine ausreichende Fluchtwegekapazität sichergestellt.

 

Mit der 'äußeren Erschließung' erfolgt die Versorgung der angeschlossenen Betriebe mit den hierfür notwendigen Einrichtungen sowie die Entsorgung nicht mehr benötigter Waren, Verpackungen, etc. Gleichzeitig werden die Zu- und Abfahrten der Parkflächen sichergestellt. Die Straßen der 'äußeren Erschließung' stellen auch die Erreichbarkeit der einzelnen am Areal bestehenden Bauteile im Falle eines Einsatzes durch Rettungskräfte sicher.

 

Mit der 'inneren Erschließung' wird den Besuchern die Möglichkeit geboten, die einzelnen Häuser gefahrlos zu erreichen und zu begehen, hier erfolgt auch die Einzelver- und -entsorgung der angeschlossenen Betriebe und Einrichtungen. Diese Verkehrsflächen stellen aber auch die unmittelbaren Fluchtwege im Falle von Notereignissen dar und bilden Angriffsflächen für die Einsatzorganisationen.

 

2.3 Rechtlich ist zu Grunde zu legen, dass gemäß der Legaldefinition in §7 Abs1 Z5 Stmk LStVG 1964 als öffentliche Interessentenwege 'Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen', eingereiht werden können.

 

Mit der Wendung, dass eine Straße, die zum öffentlichen Interessentenweg erklärt werden darf, bloß den Besitzern oder Bewohnern einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen darf, ist freilich nicht ausgesagt, dass der entsprechende Verkehr nur aus bestimmten, den eingereihten Flächen nahe liegenden Quellen kommen dürfte. Grundsätzlich kann der öffentliche Interessentenweg ferner dem Verkehrsbedürfnis jeglichen Liegenschaftseigentümers bzw -besitzers dienen. Es ist auch nicht festgelegt und besteht keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass sich das Verkehrsbedürfnis des Liegenschaftseigentümers nur auf seine eigenen Fahrten von und zur Liegenschaft beziehen dürfte.

 

Richtig verstanden bestreitet die Antragstellerin im Ergebnis damit an keiner Stelle, dass die betreffenden Grundflächen grundsätzlich dem Verkehrsbedürfnis der betreffenden Liegenschaftseigentümer und -besitzer (auch Mieter von Betriebsflächen sind Rechtsbesitzer) dienen. Mögen auf den verbundenen Grundflächen auch Gebäude in erheblichem Ausmaß ausgeführt sein und sich dadurch die Verkehrsquellen (sowohl der Kunden und Angestellten, für die die Verkehrsflächen als Fluchtwege bereitgestellt werden, als auch der Einsatzorganisationen) über unser Gemeindegebiet hinaus erstrecken, so macht dies die Ausweisung der entsprechenden verbindenden Grundflächen bzw Anlagen als öffentliche Interessentenwege nicht unzulässig. Denn im Ergebnis dienen die eingereihten Grundflächen sehr wohl dem Verkehrsbedürfnis der Eigentümer und (Rechts)Besitzer der Liegenschaften, welches zwar durch die bestehenden Gebäude erhöht sein mag, aber dennoch ihr Verkehrsbedürfnis als Betreiber der bestehenden Einrichtungen bleibt. Dieses Verkehrsbedürfnis kann sich eben auch durch andere Verkehrsteilnehmer − nämlich Einsatzorganisationen sowie Arbeitnehmer und Kunden − materialisieren. Es ist daher letztlich ein Verkehrsbedürfnis der Liegenschaftseigentümer, dass die jederzeitige Fluchtmöglichkeit und Zugänglichkeit der Betriebsgebäude für Einsatzorganisationen garantiert wird. Richtig verstanden ist dieses Verkehrsbedürfnis auch ein bloß örtliches, da im Katastrophenfall grundsätzlich die Fluchtmöglichkeit sicherzustellen ist; im Allgemeinen aber die Flucht beendet ist, sobald die Gebäude oder spätestens das Areal verlassen werden konnten.

 

Selbst wenn man bei der Frage nach dem Verkehrsbedürfnis und dessen bloße Örtlichkeit darauf abstellen wollte, dass etwa Kunden der auf den verbundenen Grundflächen ansässigen Betriebe nicht nur aus unserem Gemeindegebiet, sondern auch aus anderen territorialen Einheiten kommen mögen, so ist doch anzumerken, dass etwa auch bei Landwirtschaftsbetrieben (die die Antragstellerin als Beispiel erwähnt) oder Gastgewerbebetrieben mit Übernachtungsmöglichkeit bei der straßenrechtlichen Einreihung von Erschließungen nicht zu fragen ist, wie weit die Verkehrsquelle etwa von An- und Ablieferverkehr oder den Gästen von der betreffenden Liegenschaft entfernt liegt. Wollte man die Rechtsansicht der Antragstellerin zugrunde legen, so wäre es im Ergebnis beispielsweise nicht zulässig, wenn etwa Bergbauernbetriebe über einen öffentlichen Interessentenweg ihre Produkte in einen andere Bezirk, ein anderes Bundesland, oder einen anderen Staat liefern bzw einzelne ihrer Grundstoffe hieraus beziehen; dementgegen kann aber gerade in Urlaubsregionen bei 'Ab-Hof-Verkauf' sowie etwa Landwirtschaftsbetrieben mit Fremdenzimmern durchaus mit erheblichen Kundenströmen auch von weit entfernt gerechnet werden. Ein Rechtsverständnis dahingehend, dass in solchen Fällen die Einreihung als öffentlicher Interessentenweg per se unzulässig sei − ein Landwirt, dessen Grundflächen per öffentlichen Interessentenweg erschlossen sind, dürfte dann in weiterer Konsequenz über diesen Weg bloß zu einem nahe gelegenen Ziel, nicht aber zB ins Ausland fahren – ist wenig lebensnah; es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass dies in irgendeiner Weise geboten wäre.

 

2.4 Sowohl in rechtlicher, als auch in tatsächlicher Hinsicht ist somit erwiesen, dass die Voraussetzungen des §7 Abs1 Z5 Stmk LStVG für die Einreihung der betreffenden Anlagen als öffentliche Interessentenwege vorliegen. Schon deshalb sind unsere entsprechenden Verordnungen gesetzmäßig.

 

2.5 Offenkundig hat die Antragstellerin – wie sie auch selbst einbekennt (vgl Punkt 1.1) – diese Unterlagen gar nicht geprüft, sondern ging es ihr lediglich darum, möglichst rasch einen weiteren Verordnungsprüfungsantrag zu stellen.

 

3. Zur Behauptung der 'Umgehung von Bauvorschriften'

 

3.1 Voranzustellen ist, dass die Auffassung der Antragstellerin über die anzuwendende Rechtslage unrichtig ist. Richtig ist, dass der Flächenwidmungsplan 3.0 der ehemaligen Gemeinde Seiersberg am 30. Juli 2002 in Rechtswirksamkeit erwachsen ist und bis zur Erlassung des Flächenwidmungsplanes 4.0 der ehemaligen Gemeinde Seiersberg (siehe Punkt 3.2), somit bis zum 23. Juli 2013 in Geltung stand. Es war somit im Geltungszeitraum des Flächenwidmungsplanes 3.0 durchgehend das Raumordnungsregime vor der ROG-Novelle 2002, LGBl 2003/20 (am 25. März 2003 in Kraft getreten) anzuwenden.

 

Ähnliches gilt für die zitierte sogenannte 'Einkaufszentrenverordnung' Stmk LGBl 2004/25. Diese war in der ehemaligen Gemeinde Seiersberg nie anzuwenden, weil diese erst nach Rechtswirksamkeit des Flächenwidmungsplanes 3.0 erlassen wurde und vor Rechtswirksamkeit des Flächenwidmungsplanes 4.0 wieder außer Kraft gesetzt wurde. Für das Gemeindegebiet von Seiersberg war somit bis zum 23. Juli 2013 die Einkaufszentrenverordnung LGBl 1988/35 und ab 24. Juli 2013 die Einkaufszentrenverordnung LGBl 2011/58 anzuwendendes Recht.

 

Unrichtig ist auch die Annahme der Antragstellerin, dass auf die ehemalige Gemeinde Seiersberg die Flächenbeschränkungen in §2 Abs2 Z4 Einkaufszentrenverordnung 1988 anzuwenden gewesen wären: Gemäß §4 Abs9 dieser Verordnung war die ehemalige[…] Gemeinde Seiersberg als Teil des zentralörtlichen Standortraumes der Kernstadt Graz anzusehen, sodass die Flächenbeschränkungen des §2 Abs2 Z1 leg cit – der Kernstadt Graz – anzuwenden waren. Dies wurde in einem Schreiben der damaligen zuständigen Rechtabteilung 3 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 06. April1992, GZ: 03-10 S 5-92/173, bestätigt (auszugsweise Beilage ./5).

 

3.2 Mit Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes 4.0 der ehemaligen Gemeinde Seiersberg am 24. Juli 2013, welche auch vom Regierungskommissär mit Verordnung vom 02 Jänner 2015, GZ: 003-3/VOWiederverlautbarung/1, übergeleitet wurde, ist auf den vorliegenden Fall das Stmk ROG 2010 idF Stmk LGBl 2012/44 sowie die Verordnung der Stmk Landesregierung vom 22. Juni 2011 Stmk LGBl 2011/58, mit der das Entwicklungsprogramm zur Versorgungs-Infrastruktur (Einkaufszentrenverordnung) erlassen wurde, anzuwenden. Gemäß §2 Abs1 Z2 der erwähnten Einkaufszentrenverordnung beträgt die maximal zulässige Verkaufsfläche für Einkaufszentren 1 und 2 in teilregionalen Versorgungszentren (ehemalige Gemeinde Seiersberg, jetzt Seiersberg-Pirka) mit mehr als 5.000 Einwohnern 5.000 m2.

 

Mit Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes 4.0 der ehemaligen Gemeinde Seiersberg wurden die Einkaufszentren hinsichtlich ihrer bewilligten Verkaufsfläche 'rechtlich eingefroren', da jedes Einkaufszentrum für sich größer war bzw ist, als die maximal zulässige Verkaufsfläche von 5.000 m2 gem §2 Abs1 Z2 Einkaufszentrenverordnung LGBl 2011/58.

 

Da jedes dieser Einkaufszentren für sich schon größer ist als die maximal zulässige Verkaufsfläche für Einkaufszentren 1 und 2 in teilregionalen Versorgungszentren von 5.000 m2 ist der Vorwurf der Antragstellerin, dass die Erlassung der erstangefochtenen Verordnung den Zweck gehabt habe, die öffentlichen Interessentenwege dem Anwendungsbereich des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 und der raumordnungsrechtlichen Vorschriften zu entziehen und zu verhindern, dass die höchstzulässigen Verkaufs- oder Gesamtbetriebs- bzw Bruttogeschoßflächen überschritten werden, nicht zutreffend.

 

Auch hier zeigt sich die durch das mangelhafte volksanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren verursachte Unkenntnis der Antragstellerin über die tatsächlichen Sachverhalts- und Rechtsgrundlagen, auf deren Basis die angefochtenen Verordnungen erlassen wurden. Keineswegs liegt damit eine 'Umgehungsabsicht auf der Hand'.

 

3.3 Eine Umgehungsabsicht scheidet auch schon deshalb aus, weil die Aufsichtsbehörde mit dem beiliegenden Aktenvermerk vom 24. März 2004 (Beilage ./6) sowie dem beiliegenden Überprüfungsprotokoll vom 04. Feber 2008 und vom 06. Feber 2008 (Beilage ./7) unter Bezugnahme auf die 'alten' Verordnungen aus 2002 und 2007 festhielt, dass es nichts zu beanstanden gibt.

 

Die erstangefochtene Verordnung bewegt sich im rechtlichen Rahmen der umfassend von verschiedenen Stellen geprüften 'alten' Verordnungen, sodass sich auch vor diesem Hintergrund die Annahme einer 'Umgehungsabsicht' verbietet.

 

3.4 Außerdem geht eine Berufung auf VfGH 21. September 2015, V66/2015, fehl, da in unserem Fall die Entscheidungsgrundlagen ermittelt wurden und schon deshalb eine Umgehungsabsicht ausscheidet. Gleiches gilt in Hinblick auf VfSlg 19.002/2010.

 

3.5 In Hinblick auf die umfassende, auf Basis des aktuellen Katastrophenschutzplans erstellte verkehrstechnische Beurteilung vom 13. Mai 2016 trifft schlicht nicht zu, dass Bauvorschriften über die mechanische Festigkeit, und Standsicherheit, den Brandschutz sowie die Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit umgangen werden sollten. Die verkehrstechnische Beurteilung weist nämlich nach, dass die straßenbautechnischen Erfordernisse für die Nutzung als 'öffentlicher Interessentenweg' erfüllt ist.

 

3.6 Angesichts der eingangs dargestellten Vorgangsweise der Antragstellerin im Vorfeld der gegenständlichen Antragstellung und auch der gegenständlichen Antragstellung selbst, ist schließlich der Vorhalt, dass wir versucht hätten, eine abstrakte Normenkontrolle ins Leere laufen zu lassen, verwunderlich. Träfe dies zu, dann wäre die gegenständliche Antragstellung ja nicht möglich gewesen.

 

4. Zu den zweit- und drittangefochtenen Verordnung(sstell)en

 

4.1 Zu diesen Verordnung(sstell)en ist festzuhalten, dass sich aus der Rechtmäßigkeit der erstangefochtenen Verordnung auch deren Rechtmäßigkeit ergibt. Konkret genügt für eine straßenrechtliche Einreihung eine Verordnung der Gemeinde, die bloß die Einreihung gem §8 Abs3 Stmk LStVG 1964 ausspricht, nicht. Erst wenn die Entscheidungen gem §45 leg cit getroffen wurden, ist tatsächlich eine straßenrechtliche Einreihung im vollen Sinn des Stmk LStVG 1964 als entstanden anzusehen (VwGH 11. März 1975, 1990/73). In diesem Lichte war im vorliegenden Fall im Sinne des Abs3 leg cit die Zuweisung der Interessentenwege zur Wegegenossenschaft 'Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg' zu verfügen, wodurch sich in concreto die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Stmk LStVG ergibt.

 

4.2 In diesem Zusammenhang erkennt die Antragstellerin selbst bzw bestreitet zumindest nicht, dass es erforderlich war, auch die öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft per Verordnung zu verfügen und die Interessentenwege dieser Genossenschaft zuzuweisen. Es sind daher auch die zweit- sowie die drittangefochtene Verordnung(sstell)en rechtens.

 

[…]"

 

6.3. Die Steiermärkische Landesregierung legte den auf die Verordnung der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17. Mai 2016, Z 612-5/Interessentenwege/4, bezughabenden Verordnungsakt vor, nahm von der Erstattung einer inhaltlichen Äußerung jedoch Abstand. In einem ergänzenden Schriftsatz stellte die Steiermärkische Landesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge im Falle der Aufhebung der verfahrensgegenständlichen Verordnung für das Außerkrafttreten gemäß Art139 Abs5 B‑VG eine Frist von 6 Monaten bestimmen.

IV. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen – Anträge erwogen:

Zu dem zu den Zahlen V157-160/2015 protokollierten Antrag

1.1. Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2016 zog die Volksanwaltschaft (auf Basis des Umlaufbeschlusses des Kollegiums der Volksanwaltschaft gemäß §1 Abs2 Z3 VolksanwaltschaftsG iVm §9 Abs1 Z4 und §8 Abs1 letzter Satz GeO der VA 2012 vom 9. Juni 2016) ihren Antrag "auf Aufhebung von Verordnungen des Gemeinderates der ehemaligen Gemeinde Seiersberg" zurück.

1.2. Das Verfahren ist daher einzustellen.

Zu dem zu den Zahlen V33-35/2016 protokollierten Antrag

2. Zur Zulässigkeit

2.1. Nach Art139 Abs1 Z6 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof auf Antrag der Volksanwaltschaft über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Landesbehörde, wenn landesverfassungsgesetzlich die Volksanwaltschaft auch für den Bereich der Verwaltung des betreffenden Landes für zuständig erklärt wurde (Art148i Abs1 B‑VG). Für den Bereich des Landes Steiermark geschah dies mit Art45 Stmk. L-VG 2010.

Der zu den Zahlen V33/2016 und V35/2016 protokollierte Antrag der Volksanwaltschaft auf Aufhebung des Punktes 1.0) der Verordnung der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17. Mai 2016, Z 612-5/Interessentenwege/4, bzw. der "zufolge Ziffer 83. der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015 zu GZ: 003-3/VOWiederverlautbarung/1 seit dem 1. Jänner 2015 in der neu gebildeten Gemeinde Seiersberg-Pirka weiter geltende[n] Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002 zu GZ: 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, […]" erweist sich – da keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind – als zulässig.

2.2. Der zur Zahl V34/2016 protokollierte Antrag der Volksanwaltschaft auf Aufhebung der Ziffer 83. der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, ist ebenfalls zulässig. Die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, hat ihren Geltungsgrund in Ziffer 83. der genannten Verordnung des Regierungskommissärs. Die Anordnung der Weitergeltung hat sohin konstitutive Wirkung; folglich war die Ziffer 83. der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, mitanzufechten.

3. In der Sache

3.1. In ihrem zu hg. Zahlen V33-35/2016 protokollierten Antrag äußert die Volksanwaltschaft unter anderem das Bedenken, dass die in §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 normierten Voraussetzungen für die Einreihung der in Rede stehenden Straßen (bzw. "Brücken- und Straßenbauwerke") als öffentliche Interessentenwege nicht vorlägen:

Öffentliche Interessentenwege seien öffentliche Straßen mit der geringsten öffentlichen Verkehrsbedeutung, welche überwiegend den Besitzern oder Bewohnern einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen würden. Nach Ansicht der Volksanwaltschaft würden die Straßen bzw. "Brücken- und Straßenbauwerke" der Anbindung der SCS an das öffentliche Verkehrsnetz und ihrer inneren Erschließung bzw. der direkten Verbindung der einzelnen Geschäftshäuser der SCS untereinander dienen. Da die genannten Straßen bzw. Bauwerke keineswegs primär von ortsansässigen, sondern weit überwiegend von auswärtigen Besuchern aus der angrenzenden Landeshauptstadt Graz und anderen Gemeinden der näheren und ferneren Umgebung sowie von Besuchern aus dem Ausland frequentiert würden, seien sie "keineswegs nur von örtlicher Bedeutung". Selbst wenn lediglich Fußgänger die Verbindungsbauten zwischen den einzelnen Geschäftshäusern nutzen sollten, könne nicht von einer bloß örtlichen Bedeutung gesprochen werden, weil die SCS einen weit größeren Einzugsbereich als das Gemeindegebiet von Seiersberg-Pirka habe und die Quellen des Verkehrs auf den zu öffentlichen Interessentenwegen erklärten Straßen bzw. "Brücken- und Straßenbauwerken" primär außerhalb der Gemeinde bzw. der SCS liegen würden. Auch treffe es nicht zu, dass die in Rede stehenden Straßen bzw. "Brücken- und Straßenbauwerke" überwiegend nur den Besitzern oder Bewohnern einer begrenzten Anzahl an Liegenschaften dienen, weil diese vielmehr "überwiegend den einzelnen Handelsbetrieben, Kunden, Besuchern und Lieferanten der Shopping City Seiersberg" dienen würden.

Nach Ansicht der Volksanwaltschaft setze die Bildung einer öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft voraus, dass es sich bei den Straßen um öffentliche Interessentenwege handelt, deren Herstellungs- und Erhaltungskosten den Liegenschaftseigentümern oder sonstigen Verkehrsinteressenten zur Last fallen (§45 Abs1 LStVG. 1964). Handelt es sich nicht um öffentliche Interessentenwege, so fehle es nach Ansicht der Volksanwaltschaft an einer Rechtsgrundlage für die Bildung einer solchen Wegegenossenschaft. Die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, mit der einzelne Grundeigentümer als Beitragspflichtige gemäß §45 Abs3 LStVG. 1964 in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft zusammengefasst werden, sei sohin ebenfalls als gesetzwidrig aufzuheben.

3.2. In ihren Äußerungen halten die Gemeinde Seiersberg-Pirka und deren Gemeinderat diesen Bedenken im Wesentlichen entgegen, dass mit Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 19. April 2016 ein Katastrophenschutzplan für das "Gewerbegebiet Mitte" verabschiedet worden sei. In besagtem Katastrophenschutzplan seien für verschiedene Bedrohungsszenarien die Verkehrsführungskonzepte u.a. im Bereich der Shopping City Seiersberg erstellt worden, damit die Einsatzkräfte (Feuerwehr, Rettung, Polizei) ihren Aufgaben im Katastrophenfall nachkommen können. Der Katastrophenschutzplan bilde "die Sachverhalts- und Rechtsgrundlage der erstangefochtenen Verordnung; dessen planerische Intentionen konnten lediglich im Weg über die Verordnung eines öffentlichen Interessentenweges nach §7 Abs1 Z5 Stmk LStVG umgesetzt werden". Insofern indiziere der Katastrophenschutzplan das öffentliche Interesse an der Erlassung der angefochtenen straßenrechtlichen Verordnung.

Eine in Auftrag gegebene verkehrstechnische Untersuchung habe ergeben, dass die Verkehrswege der "äußeren Erschließung" der Kundenzu- und -abfahrt sowie der Ver- und Entsorgung der vorhandenen Betriebseinheiten dienen würden; ihre Nutzung erfolge nahezu ausschließlich durch den motorisierten Verkehr. Die Verkehrswege der "inneren Erschließung" würden durch die Verbindungen zwischen den jeweiligen Häusern und durch die entlang der Außenfronten der Objekte verlaufenden Verkehrswege gebildet; diese würden grundsätzlich durch Fußgänger und Radfahrer genutzt. Das Verkehrswegenetz erfülle die "Erschließungsfunktion für Kfz-Verkehr, Fußgängerverkehr und Radverkehr", die Verkehrswege seien auch auf die katastrophenschutzplanmäßige Verwendung durch Einsatzorganisationen ausgelegt. Das Verkehrswegenetz diene aus technischer Sicht "lediglich für den Quell- und Zielverkehr für die betreffenden Liegenschaften".

Ausgehend von der Legaldefinition in §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass sich das Verkehrsbedürfnis eines Liegenschaftseigentümers nur auf dessen eigene Fahrten von und zur Liegenschaft beziehen dürfe; ein solches Verkehrsbedürfnis könne sich auch durch andere Verkehrsteilnehmer – im konkreten Fall etwa durch "Einsatzorganisationen sowie Arbeitnehmer und Kunden – materialisieren". Letztendlich sei ein "Verkehrsbedürfnis der Liegenschaftseigentümer" dahingehend gegeben, "dass die jederzeitige Fluchtmöglichkeit und Zugänglichkeit der Betriebsgebäude für Einsatzorganisationen garantiert wird". Mögen auf den verbundenen Grundflächen auch Gebäude in erheblichem Ausmaß ausgeführt sein und sich dadurch die Verkehrsquellen (sowohl der Kunden und Angestellten als auch der Einsatzorganisationen) über das Gemeindegebiet hinaus erstrecken, so mache dies die Ausweisung der entsprechenden Flächen bzw. Anlagen als öffentliche Interessentenwege nicht unzulässig.

Zu den "zweit- und drittangefochtenen Verordnung(sstell)en" sei festzuhalten, dass sich aus der Rechtmäßigkeit der erstangefochtenen Verordnung auch deren Rechtmäßigkeit ergebe. Konkret genüge für eine straßenrechtliche Einreihung eine Verordnung der Gemeinde, die bloß die Einreihung gemäß §8 Abs3 LStVG. 1964 ausspricht, nicht. Erst wenn Entscheidungen gemäß §45 leg.cit. getroffen worden seien, sei eine straßenrechtliche Einreihung "im vollen Sinn des Stmk LStVG 1964" tatsächlich als entstanden anzusehen. In diesem Lichte sei im vorliegenden Fall im Sinne des §45 Abs3 leg.cit. die Zuweisung der Interessentenwege zur Wegegenossenschaft "Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg" zu verfügen gewesen, wodurch sich in concreto die Anwendbarkeit der Bestimmungen des LStVG. 1964 ergebe.

3.3. Ein "öffentlicher Interessentenweg" ist gemäß §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 eine Gattung von öffentlichen Straßen und setzt das Vorliegen einer "Straße für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung" voraus. Zudem dürfen nur solche Straßen zu Interessentenwegen erklärt werden, die "überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen und als solche erklärt wurden".

Nach dem System des LStVG. 1964 sind öffentliche Interessentenwege jene Straßen, welche die geringste öffentliche Verkehrsbedeutung haben (vgl. VfSlg 16.187/2001). Dies zeigt sich auch daran, dass ein öffentlicher Interessentenweg überwiegend einem durchaus beschränkten Personenkreis, nämlich all jenen, denen die Verfügungsbefugnis über eine beschränkte Anzahl von Liegenschaften zukommt, zu dienen bestimmt ist. Das überwiegend individuelle Verkehrsinteresse des hier umschriebenen Personenkreises bildet auch den Grund dafür, ihn bis zu einem gewissen Ausmaß mit den Herstellungs- und Erhaltungskosten einer Straße zu belasten, obzwar diese dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist (vgl. VfSlg 16.187/2001 mwN).

§2 Abs1 LStVG. 1964 enthält Begriffsbestimmungen und definiert "öffentliche Straßen" näher: Dies sind im Sinne dieses Gesetzes alle Straßen, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers oder dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden. Als Bestandteile der öffentlichen Straßen im Sinne des LStVG. 1964 gelten gemäß §2 Abs2 leg.cit. neben den unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Gehwege, Radwege, Radfahrstreifen, Geh- und Radwege, (auch) Parkflächen, Abstellflächen, Haltestellenbuchten, Bankette, der Grenzabfertigung dienende Flächen und Anlagen zum Schutze vor Beeinträchtigung durch den Verkehr, insbesondere gegen Lärmeinwirkung, sowie bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie Tunnels, Brücken, Straßengräben, Böschungen und Anlagen zur Ableitung anfallender Wässer.

Unter dem Begriff "öffentliche Straße" sind im System des LStVG. 1964 Flächen zu verstehen, die unabhängig von ihrer Bezeichnung dem öffentlichen Verkehr von Menschen und Fahrzeugen dienen, wobei der Begriff "Verkehr" sowohl den fließenden als auch den ruhenden Verkehr meint. So umfasst die Bezeichnung "Straße" etwa auch Wege sowie im Straßenzuge befindliche (Park-)Plätze, Brücken, Durchfahrten, Durchgänge, Stiegen, Über- und Unterfahrungen oder Tunnel (vgl. Dworak/Eisenberger [Hrsg.], Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz, 2010, §2 Rz 1 f.; VwGH 11.8.1994, 94/06/0070).

Für Interessentenwege gemäß §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 ist keine straßenrechtliche Bewilligung nach dem LStVG. 1964 erforderlich (§47 Abs1 leg.cit.). Ebenso sieht §3 Z1 Stmk. BauG vor, dass bauliche Anlagen, die nach straßenrechtlichen Vorschriften als Straßen oder Bestandteile einer Straße gelten, vom Anwendungsbereich des Steiermärkischen Baugesetzes ausgenommen sind.

Im vorliegenden Fall dienen die in Rede stehenden Flächen bzw. "Brücken- und Straßenbauwerke", die als Verbindungsbereiche bzw. -bauten zwischen den einzelnen Geschäftshäusern der SCS konzipiert sind, offenbar nicht überwiegend nur dem individuellen (örtlichen) Verkehrsinteresse bloß einer beschränkten Anzahl von Liegenschaftsbesitzern oder -bewohnern, sondern vor allem auch dem allgemeinen Verkehrsinteresse all jener Personen, die die SCS sowohl aus dem Bezirk Seiersberg-Pirka als auch aus anderen Regionen Österreichs bzw. aus dem Ausland frequentieren. Dies ergibt sich insbesondere auch aus Punkt 3.3. der – seitens der Gemeinde Seiersberg-Pirka in Auftrag gegebenen – "Verkehrstechnischen Beurteilung" vom 13. Mai 2016, nach der "an einem 14-Stundentag eine durchschnittliche Verkehrsfrequenz von rd. 18.600 KFZ" gegeben sei. Die Einreihung besagter Flächen bzw. "Brücken- und Straßenbauwerke" als öffentliche Interessentenwege entspricht sohin nicht den gesetzlichen Erfordernissen des §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964, weshalb Punkt 1.0) der angefochtenen Verordnung der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17. Mai 2016, Z 612-5/Interessentenwege/4, als gesetzwidrig aufzuheben ist.

Die Einreihung eines öffentlichen Interessentenweges (§7 Abs1 Z5 LStVG. 1964) erfolgt durch Verordnung der Gemeinde (§8 Abs3 leg.cit.). Diese Verordnung bildet ihrerseits eine der rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung der die Zusammenfassung von Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft verfügenden Verordnung gemäß §45 Abs3 LStVG. 1964, auf die sich die rechtliche Existenz einer solchen Wegegenossenschaft gründet. Eine den Rechtsbestand der öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft begründende Verordnung nach §45 Abs3 leg.cit. steht daher mit der bezughabenden "Einreihungsverordnung" in einem untrennbaren Zusammenhang (vgl. VfSlg 10.693/1985, 12.594/1990).

Die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, mit der einzelne Grundeigentümer als Beitragspflichtige gemäß §45 Abs3 LStVG. 1964 in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft zusammengefasst werden, gilt gemäß Ziffer 83. der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, in der Gemeinde Seiersberg-Pirka weiter. Da die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, mit der einzelne Grundeigentümer als Beitragspflichtige gemäß §45 Abs3 LStVG. 1964 in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft zusammengefasst werden, und Ziffer 83. der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, mit Punkt 1.0) der Verordnung der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17. Mai 2016, Z612-5/Interessentenwege/4, in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, sind sie ebenfalls als gesetzwidrig aufzuheben.

3.4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren im Antrag dargelegten Bedenken.

V. Ergebnis

1. Das zu den Zahlen V157-160/2015 protokollierte Verfahren wird eingestellt.

2. Der Punkt 1.0) der Verordnung der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17. Mai 2016, Z 612-5/Interessentenwege/4, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 20. Mai bis 6. Juni 2016, (samt zugehöriger planlicher Darstellung) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

3. Die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 18. Juni bis 3. Juli 2002, (samt zugehöriger planlicher Darstellung und sonstiger Beilagen) wird einschließlich der Ziffer 83. der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 2. bis 20. Jänner 2015, der zufolge die Verordnung Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St in der Gemeinde Seiersberg-Pirka weitergilt, als gesetzwidrig aufgehoben.

4. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnung bzw. Verordnungsstellen gründet sich auf Art139 Abs5 letzter Satz B‑VG.

5. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche erfließt aus Art139 Abs5 erster und zweiter Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Stmk. Kundmachungs- und WiederverlautbarungsG.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z3 und Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

7. Kosten sind nicht zuzusprechen, weil in Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen ein Kostenersatz nur in dem – hier nicht gegebenen – Fall des §61a VfGG in Betracht kommt.

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