Normen
B-VG Art18 Abs2
StVO 1960 §43
GeschwindigkeitsbeschränkungsV des Gemeinderates der Stadt Traun vom 26.05.2008 betr die Verlängerung einer 30 km/h-Zone in der Neubauerstraße
B-VG Art18 Abs2
StVO 1960 §43
GeschwindigkeitsbeschränkungsV des Gemeinderates der Stadt Traun vom 26.05.2008 betr die Verlängerung einer 30 km/h-Zone in der Neubauerstraße
Spruch:
I. Die Verordnung des Gemeinderats der Stadt Traun vom 26. Mai 2008, ZPA 1114/482/08, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit 30. Juni 2016 in Kraft.
III. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Oberösterreichischen Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anträge
Mit den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Anträgen begehrt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: LVwG Oberösterreich), die Verordnung des Gemeinderats der Stadt Traun vom 26. Mai 2008, ZPA 1114/482/08, als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. §43 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl 159/1960, in der zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltenden Fassung, BGBl I 52/2005, lautete auszugsweise:
"§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
c) – d) […]
(1a) […]
(2) Zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, hat die Behörde, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung
a) für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen,
b) – c) […]
(2a) – (11) […]"
2. Die Verordnung des Gemeinderats der Stadt Traun vom 26. Mai 2008, ZPA 1114/482/08, lautet:
"Straßenpolizeiliche Verkehrsanordnung
Verordnung
Gegenstand: Neubauerstraße - Verlängerung einer 30 km/h-Zone und somit ein Zusammenschluss bereits bestehender 30 km/h-Zonen
Gemäß §40 Abs2 Z4, O.Ö. Gemeindeordnung 1990, in Verbindung mit §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 i.d.g.F., wurde vom Gemeinderat der Stadt Traun in seiner Sitzung vom 15.5.2008, folgende Verkehrsanordnung getroffen:
'Für den Bereich innerhalb nachfolgender Straßen wird eine 'Zonenbeschränkung auf 30 km/h' (§52 Z10a und b StVO i. V. m. §52 Z11a und b StVO) festgesetzt.'
1. Neubauerstraße, beginnend ab der Grundstücksgrenze der Häuser Neubauerstraße Nr 31 und Nr 33 in Fahrtrichtung stadteinwärts.
2. Johann Roithner-Straße, beginnend ab der östlichen Grundstücksgrenze der Parzellen Nr 1633/5 und 1633/8 (Gasthof Roithnerhof), in Fahrtrichtung stadteinwärts.
3. Kremstalstraße, 10 m vor der Kreuzung mit der Fabrikstraße (aus Richtung Süden kommend)
4. Obere Dorfstraße, 14 m nach der Kreuzung mit der Neubauer Straße
5. Schlossstraße, 15 m nach dem Haus Schlossstraße Nr 50
6. Bahnhofstraße, 17 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
7. Unbenannte Verbindungsstraße zwischen Johann-Roithner-Straße und Bahnhofstraße, 14 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
8. Leerwies, 5 m vor der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße (nur 'Ende')
9. Dr.-Knechtl-Straße, 5 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
10. Tischlerstraße, 2 m vor der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße (nur 'Ende')
11. Hanfpointstraße, 18,5 m nach der Kreuzung mit der Neubauer Straße
12. Fasangasse, 4 m nach der Kreuzung mit der Mitterfeldstraße
13. Hanfpointstraße, 12 m nach der Kreuzung mit der Mitterfeldstraße
14. Falkenweg, 6 m nach der Kreuzung mit der Georg-Grinninger-Straße
15. Meisenweg, 33,5 m nach der Kreuzung mit der Georg-Grinninger-Straße
16. Sperlinggasse, 5 m nach der Kreuzung mit der Georg-Grinninger-Straße
17. Georg-Grinninger-Straße, 5 m vor der Kreuzung mit der Neubauer Straße
18. Kremstalstraße, 20 m vor der Kreuzung mit der unbenannten Verbindungsstraße zwischen Kremstalstraße und Linzer Straße (bei der Post)
19. Linzer Straße, 5 m vor der Kreuzung mit der Schulstraße
20. Tischlerstraße, 5 m nach der Kreuzung mit der Linzer Straße
21. Johann-MayrIeb-Straße, 5 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
22. Traunfeldstraße, 3 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
23. unbenannte Verbindungsstraße (Parz.Nr 1594/4 KG Traun), 4 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
24. Josef-Ressel-Straße, 3,5 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
25. Hammerweg, 8 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
26. Sportplatzweg, 5 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
27. unbenannte Verbindungsstraße zur Guido-Holzknecht-Straße, 5 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
28. Billrothstraße, 7 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
29. Gferetfeldstraße, 7 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
30. Stefan-Taschner-Straße, 4 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
31. Riesterstraße, 4 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
32. Rumaerstraße, 5 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
33. Wilhelm-Anger-Straße, 10 m nach der Kreuzung mit der Weidfeldstraße
34. Wilhelm-Anger-Straße, 6 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
35. Rumaerstraße, 8 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
36. Siemensstraße, 9 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
37. Fürstenstraße, 9 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
38. Glück-auf-Straße, 7 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
39. Schusterfeldstraße, 5 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
40. Gutenbergstraße, 6 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
41. Kopernikusstraße, 5 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
42. Dr.-Knechtl-Straße, 5 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
43. Tischlerstraße, 4 m nach der Kreuzung mit der Johann-Roithner-Straße
Die Verordnungen GZ: PA-1114-1175/05-Pol und GZ: PA-1114-717/07 werden somit aufgehoben.
Der beiliegende Lageplan bildet einen wesentlichen Bestandteil dieser Verordnung."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Den Anträgen liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
Beim LVwG Oberösterreich sind sieben Verfahren über Beschwerden gegen Straferkenntnisse der Landespolizeidirektion Oberösterreich, der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land bzw. der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land anhängig, mit denen die Beschuldigten wegen Übertretungen nach §20 Abs1 iVm §52 lita Z11 StVO bestraft wurden, weil sie zu näher bezeichneten Tatzeiten durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges in der Stadt Traun, Kremstalerstraße, Höhe Schloss Traun Fahrtrichtung stadteinwärts bzw. stadtauswärts, die durch die Zonenbeschränkung in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 11 km/h, um 41 km/h, um 17 km/h, um 14 km/h bzw. um 13 km/h überschritten hätten.
2. Die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, legt das LVwG Oberösterreich in dem zu V54/2015 protokollierten Antrag – dem die sechs übrigen Anträge in den wesentlichen Punkten entsprechen – wie folgt dar:
"II. Zur Zulässigkeit des Antrages:
Aus Anlass dieser beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich unter der obigen Geschäftszahl anhängigen Beschwerde hat der nach der geltenden Geschäftsverteilung zur Entscheidung berufene Einzelrichter gem Art89 Abs2 iVm 135 Abs4 B‑VG den Beschluss gefasst, an den Verfassungsgerichtshof den in der Folge näher ausgeführten Antrag auf Prüfung der ggst Verordnung gem Art139 Abs1 Z1 B‑VG zu stellen.
In dem diesem Antrag zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren gelangt aufgrund der Tatzeit die Verordnung des Gemeinderats der Stadt Traun vom 26.5.2008, GZ: PA 1114/482/08, zur Anwendung. Der Strafausspruch im Sinne des §99 Abs3 lita StVO des ggst. Straferkenntnisses der LPD Oberösterreich findet sich darauf gestützt. Da auch für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Geltung der ggst Verordnung für die Beurteilung der Strafbarkeit des Verhaltens des Bf heranzuziehen ist, ist die Verordnung in der oben genannten Fassung in diesem Verfahren präjudiziell.
Der Antrag auf Verordnungsprüfung ist daher zulässig.
III. Begründung:
1. Im Sinne des Art89 Abs2 B‑VG hegt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aus nachfolgenden Überlegungen Bedenken an der Gesetzmäßigkeit der oben bezeichneten Verordnung des Gemeinderates der Stadt Traun.
Nach §43 Abs1 StVO 1960 hat die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
…
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen ...
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung hat die Behörde vor Erlassung einer Verkehrsbeschränkung die im Einzelnen umschriebenen Interessen daran mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die (tatsächliche) Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen (vgl etwa VfSlg 13.482/1993; VfGH 11.6.2012, V121/11). Die sohin gebotene Interessenabwägung erfordert sowohl die nähere sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, als auch eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse durch ein entsprechendes Anhörungs- und Ermittlungsverfahren (vgl etwa VfSlg 17.572/2005). Das entsprechende Ermittlungsverfahren sowie die dem Gesetz entsprechende Interessenabwägung sind jedenfalls vor Erlassung einer Verordnung durchzuführen, weil in die Grundlage der Entscheidung des Verordnungsgebers ein vollständiges Bild über die Tatsachenlage und die Artikulation bestimmter Interessen einfließen können soll. Eine nachträglich vorgenommene Rechtfertigung vermag die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung nicht zu beseitigen (vgl VfSlg 18.401/2008).
3. Mit der angefochtenen Verordnung wird für einen in Folge näher abgegrenzten Bereich eine – in der Vergangenheit bereits mehrfach flächenmäßig erweiterte – 'Zonenbeschränkung 30 km/h' festgesetzt.
Begrenzt wurde die Zone auf der tatörtlichen Kremstalstraße bis zur Verordnung vom 23.6.2004, GZ: PA 114/485/04, unmittelbar bei der Zufahrt zur (damaligen) Gendarmerie. In Folge war beabsichtigt, die Zone auf der Kremstalstraße bis 20 Meter südlich der Kreuzung Kremstalstraße – Heinrich-Gruber-Straße zu verlängern, was vom beigezogenen Sachverständigen auch positiv beurteilt wurde (siehe Aktenvermerk vom 15.4.2004). Mit der angesprochenen Verordnung vom 23.6.2004, GZ: PA 114/485/04, wurde die Zone jedoch bis '10 m vor der Kreuzung mit der Fabrikstraße (aus Richtung Süden kommend)' verlängert. Diesbezüglich wurde vom beigezogenen Sachverständigen am 7.6.2004 folgender Aktenvermerk erstellt (Hervorhebungen vom antragstellenden Gericht):
'Von der Stadtgemeinde Traun wurde eine Verlängerung der bestehenden 30 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung aus Gründen der Verkehrsberuhigung auf der Kremstalstraße in Richtung Süden bis nach der Kreuzung Fabrikstraße (Erhaltungsgrenze Traun – Straßenmeisterei Ansfelden) beantragt.
Innerhalb des Stadtgebietes Traun ist zur Erzielung des gewünschten sanften und defensiven Verkehrsverhaltens eine 30 km/h-Zonenbeschränkung aus Gründen der Verkehrsberuhigung verordnet. Nach Fertigstellung der Umfahrung Traun wurden die betreffenden Straßen auch entsprechend rückgebaut bzw. begleitende Maßnahmen (teilweise Einführung der Rechtsregel) gesetzt. Im April 2004 wurde eine Verlängerung der 30 km/h-Beschränkung auf der Kremstalstraße im südlichen Bereich begutachtet, wobei nach Fertigstellung entsprechender Umbaumaßnahmen eine Verlängerung ab nördlich der Zufahrt zum GP Traun bis nach der Kreuzung mit der Heinrich-Gruber-Straße als sinnvoll und notwendig erachtet wurde.
Der nunmehr beantragte Erweiterungsabschnitt der Kremstalstraße zwischen der Heinrich-Gruber-Straße und der Fabrikstraße weist jedoch eine gänzlich andere Charakteristik als der Zentralbereich des Stadtgebietes Traun auf, wobei der nunmehr in Frage kommende Abschnitt kaum Konfliktstellen aufweist.
So ist in Fahrtrichtung Hauptplatz Traun links nur die Kreuzung Schlossstraße und rechts die Zu- und Ausfahrt einer Tankstelle samt Imbißstand (Aufschließung über Tankstelle) situiert. Rechts ist sodann bis zur Kreuzung Heinrich-Gruber-Straße ein Brückengeländer samt Sträucherbepflanzung vorhanden. Links befindet sich ein durchgehender Gehsteig.
Da keine Notwendigkeiten für die Erzielung eines sanften defensiven Verkehrsverhaltens bzw. für die Herabsetzung der erlaubten Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h zwischen den Kreuzungen Fabrikstraße und Heinrich-Gruber-Straße gesehen werden, und aufgrund einer Fahrbahnbreite von etwa 7 m die Geschwindigkeitsbeschränkung 30 km/h von den Verkehrsteilnehmern mangels Notwendigkeit nicht eingesehen würde, ist aus straßenverkehrstechnischer Sicht die Erweiterung der 30 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung wie im Antrag angeführt, nicht gerechtfertigt.'
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht im ggst Fall aufgrund des im vorigen Punkt wiedergegebenen schlüssigen und nachvollziehbaren Aktenvermerks des beigezogenen Sachverständigen davon aus, dass die Ausdehnung der 30 km/h-Zonenbeschränkung bis '10 m vor der Kreuzung mit der Fabrikstraße (aus Richtung Süden kommend)' im Sinne des §43 Abs1 litb StVO 1960 nicht erforderlich war bzw, da dieser Punkt auch in der hier angefochtenen Verordnung unverändert enthalten ist, nach wie vor nicht erforderlich ist.
Dass trotz negativem Sachverständigenbefund die Zonenerweiterung vorzunehmen war, kann den von der Stadtgemeinde Traun vorgelegten Unterlagen nicht entnommen werden bzw ist nicht einmal ersichtlich, dass sich die Behörde in irgendeiner Form mit der (negativen) Beurteilung des Sachverständigen auseinandergesetzt hätte.
5. Die ggst anzuwendende Verordnung stellt sich daher für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich als gesetzwidrig dar."
3. Der Gemeinderat der Stadt Traun hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt:
"Gemäß §94 d Z4 StVO sind Verordnungen mit denen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Gemeindestraßen erlassen werden, von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Traun hat daher zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf der Kremstalstraße in Richtung Süden bis nach der Kreuzung mit der Fabrikstraße, gemäß §43 Abs1 litb Z1 StVO eine 30 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung beschlossen.
Seitens der Gemeinderäte, welche tagtäglich mit den Verkehrsverhältnissen im Trauner Stadtgebiet konfrontiert sind, wurde die Verordnung auf Grund folgender Gesichtspunkte erlassen:
Westlich der Kremstalstraße auf Höhe der Kreuzung mit der Schlossstraße befindet sich das Kulturschloss Traun, in dem zahlreiche Veranstaltungen sowie Seminare stattfinden. Die Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe sind sehr eingeschränkt und es befindet sich der nächste größere Parkplatz an der Fabrikstraße, auf der östlichen Seite der Kremstalstraße. Die Besucher müssen daher in diesem Abschnitt die Kremstalstraße queren.
Im hinteren Bereich der Schlossstraße ist das Bezirksaltenheim Traun situiert und von einem Großteil der älteren Personen wird auf dem Weg ins Zentrum die Kremstalstraße im Bereich der Kreuzung mit der Schlossstraße gequert, da es dort im Anschluss einen Fußweg ins Zentrum gibt. Mittlerweile wurde an dieser Stelle ein Schutzweg errichtet.
Aber nicht nur die zahlreichen Fußgängerquerungen haben den Gemeinderat zu dieser Entscheidung bewogen, sondern auch eine in dieser Form nur in Traun bei der Kreuzung der Kremstalstraße mit der Fabrikstraße bestehende Ampelregelung. Das Unikum dieser besteht darin, dass es bei der Ausfahrt von der Fabrikstraße in die Kremstalstraße kein Grünlicht, sondern ein gelb blinkendes Licht (mit einem Vorranggeben-Zeichen darin) gibt. Das bedeutet für Linksabbieger, dass Querverkehr von rechts kommen kann. Auf Grund der Einzigartigkeit dieser Ampelregelung ist es für die Stadt Traun unbedingt erforderlich, dass die 30 km/h Beschränkung aufrecht bleibt, um eine sichere Benutzung durch die Verringerung der Geschwindigkeit zu gewährleisten.
Diese Umstände hat der Gemeinderat erwogen und haben ihn dazu bewogen, die 30 km/h-Zone trotz negativem Sachverständigengutachten über das ursprünglich geplante Ende hinaus zu erweitern.
Es wird festgestellt, dass die umschriebenen Interessen (wie Schutz der Fußgänger, gesicherte Verkehrssituation im Kreuzungsbereich) gegenüber den Interessen an der Nutzung der Straße mit 50 km/h klar überwiegen.
Ausdrücklich hingewiesen wird auf die positive Verordnungsprüfung seitens der Oö. Landesregierung, mit der die gesetzmäßig erlassene Verordnung gemäß §101 Oö. GemO zur Kenntnis genommen wurde (siehe Anlage Blatt 22-23). Eine Gesetzwidrigkeit wurde nicht festgestellt.
Aus Sicht der Stadt Traun liegen keine Gründe für eine Aufhebung der gegenständlichen Verordnung vor."
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Prüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Verordnungsprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 15.964/2000). Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (vgl. zB VfSlg 19.624/2012).
1.3. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist begründet.
2.2.1. §43 Abs1 litb Z1 StVO sieht die Erlassung dauernder oder vorübergehender Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung vor, "wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert".
Wie der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen VfSlg 8984/1980 und 9721/1983 ausführte und in zahlreichen nachfolgenden Erkenntnissen wiederholte (vgl. VfSlg 13.371/1993, 14.051/1995, 15.643/1999, 16.016/2000, 16.805/2003, 17.573/2005), sind bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach §43 StVO 1960 die bei der bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für die die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht unbedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen. Der Verfassungsgerichtshof geht sohin in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Behörde bei Anwendung der vom Gesetzgeber mit unbestimmten Begriffen umschriebenen Voraussetzungen für die Erlassung von Verkehrsbeschränkungen oder -verboten durch Verordnung einen Vergleich der Verkehrs- und Umweltverhältnisse anzustellen hat: Die betreffenden Verhältnisse an den Straßenstrecken, für welche ein Fahrverbot in Betracht gezogen wird, müssen derart beschaffen sein, dass sie gegenüber anderen Straßen die Verhängung eines Fahrverbotes gebieten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde vor Erlassung einer Verordnung gemäß §43 StVO die im einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die (tatsächliche) Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 13.449/1993, 17.573/2005, 18.579/2008, 18.766/2009). Die sohin gebotene Interessenab- wägung erfordert sowohl die nähere sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, als auch eine Untersuchung "der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse" durch ein entsprechendes Anhörungs- und Ermittlungsverfahren (vgl. zB VfSlg 12.485/1990, 16.805/2003, 17.572/2005).
2.2.2. Aus dem Verordnungsakt ist nicht ersichtlich, dass die Erforderlichkeit der angefochtenen Verordnung in einem Ermittlungsverfahren festgestellt wurde. So sprach sich der straßenverkehrstechnische Sachverständige in einem Gutachten vom 7. Juni 2004 ausdrücklich gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Kremstalstraße im Bereich zwischen der Kreuzung mit der Heinrich-Gruber-Straße im Norden und der Fabrikstraße im Süden aus.
2.2.3. Das Ermittlungsverfahren dient dem Zweck, eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrsverhältnisse sowie eine sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, zu ermöglichen, damit die Behörde auf dieser Grundlage die gemäß §43 StVO 1960 vor Verordnungserlassung gebotene Interessenabwägung zwischen den Interessen an der Verkehrsbeschränkung und dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße vornehmen kann.
Daher kann das versäumte Ermittlungsverfahren nicht nach Verordnungserlassung nachgeholt werden (VfSlg 15.643/1999, 16.805/2003, 17.573/2005). Auch wenn der Gemeinderat der Stadt Traun in der Äußerung Gründe nennt, die eine Interessenabwägung zugunsten der Geschwindigkeitsbeschränkung trotz negativen Sachverständigengutachtens nachvollziehbar machen könnten, so finden sich die Aufzeichnungen zu diesen Überlegungen nicht im Verordnungsakt (vgl. zB VfSlg 17.572/2005). Die nachträglich von der Stadt Traun vorgenommene Rechtfertigung vermag die Gesetzwidrigkeit der Verordnung nicht zu beseitigen, zumal die für die Beschränkung sprechenden Gründe auch nicht evident waren (vgl. bereits VfSlg 15.643/1999, 16.805/2003, 17.573/2005 und 18.401/2008).
V. Ergebnis
1. Die Verordnung des Gemeinderats der Stadt Traun vom 26. Mai 2008, ZPA 1114/482/08, ist zur Gänze wegen untrennbaren Zusammenhanges als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnung gründet sich auf Art139 Abs5 letzter Satz B‑VG.
3. Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierungzur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z2 litb Oberösterreichisches Verlautbarungsgesetz, LGBl 91/2014.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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