UFS RV/0090-G/08

UFSRV/0090-G/081.8.2012

Zeitliche Zuordnung eines Spekulationsgewinnes

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Fidas Holding Graz Stb GmbH Nfg&Co KG, 8042 Graz-St. Peter, Petersbergenstraße 7, vom 20. April 2004 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 15. Oktober 2004 betreffend Einkommensteuer 2004 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Im gegenständlichen Verfahren steht in Streit, in welchem Jahr (2003 lt. Bw. oder 2004 lt. Finanzamt) ein aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung resultierender Veräußerungsgewinn in Höhe von € 47.229,11 (Verkaufserlös von € 53.000 abzüglich Anschaffungskosten von € 5.770,89) unter den Sonstigen Einkünften ("Spekulationseinkünfte") steuerlich zu erfassen ist.

Diesem Veräußerungsgeschäft lag ein vom Käufer am 9. Dezember 2003 unterfertigtes unwiderrufliches Kaufanbot (bis einschließlich 16. Juli 2004) zugrunde, welches von der Verkäuferin (= Bw.) unwiderruflich durch Unterfertigung am 12. Dezember 2003 angenommen worden ist.

Der Kaufvertrag selbst wurde schließlich am 16. Juli 2004 abgeschlossen. Unter Punkt "4. Kaufpreis" wird die Höhe des Kaufpreises mit € 53.000 vereinbart; bezüglich der Begleichung des Kaufpreises wurde vereinbart, dass der Käufer sich verpflichte, diesen längstens innerhalb von 2 Wochen nach allseitiger grundbuchsgültiger Unterfertigung dieses Kaufvertrages zu bezahlen und zwar durch Überweisung desselben auf das Treuhandkonto des Vertragsverfassers. Mit Erlag auf diesem Treuhandkonto "ist der Kaufpreis beglichen".

Im Rahmen einer ua. diese beiden Jahre umfassenden, gemäß § 150 BAO durchgeführten Außenprüfung wurde seitens des Betriebsprüfers die Feststellung getroffen, dass "für die Berechnung der Spekulationsfrist" der Zeitpunkt des Zustandekommens der schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte - insbesondere Kaufverträge - maßgeblich sei. Allerdings käme es ausnahmsweise nicht auf den Zeitpunkt eines solchen Rechtsgeschäftes an, wenn die Vertragsparteien bereits vorher eine Vereinbarung geschlossen hätten, aufgrund derer das wirtschaftliche Eigentum übergegangen sei (vgl. Doralt/Kempf, EStG7, § 30 Tz 22 ff). Hierzu bedürfe es einer beide Vertragsparteien bindenden, einen späteren Kaufvertrag wirtschaftlich vorweggenommenen Vereinbarung. Ein (auch unwiderrufliches) Kaufanbot oder eine bloße Kaufoption seien hierfür nicht ausreichend (VwGH 20.11.1997, 96/15/0256).

Daraus folge - so der Betriebsprüfer - dass die Spekulationseinkünfte erst im Jahr 2004 steuerlich zu erfassen und im Jahr 2003 mit "Null" anzusetzen seien.

Diesen Feststellungen hat das Finanzamt in den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2003 und 2004 Rechnung getragen.

Demgegenüber vertritt der steuerliche Vertreter der Bw. in der Berufung die Auffassung, dass die "Ausfertigung des notariellen Kaufvertrages" im Juli 2004 nur mehr "deklarativen Charakter" gehabt habe und für die "Realisierung des Spekulationsgewinnes unmaßgeblich" sei. Der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages sei nämlich dann nicht maßgebend, wenn schon vorher - mit dem unwiderruflichen Kaufanbot und dessen Annahme - ein Tatbestand verwirklicht worden wäre, der den wirtschaftlichen Vorteil eines Verkaufsgeschäftes für beide Vertragsteile vorwegnehme (Doralt/Kempf, EStG7, § 30 Tz 22 mit Hinweis auf VwGH 8.2.1989, 88/13/0049, uam.).

Daraufhin wurde die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 29 Z 2 EStG 1988 erfasst als Sonstige Einkünfte die Einkünfte ua. die Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 30 EStG 1988 ("Spekulationsgeschäfte").

Gemäß § 30 Abs. 4 EStG 1988 sind als Einkünfte aus Spekulationsgeschäften der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös einerseits und den Anschaffungskosten und den Werbungskosten andererseits anzusetzen.

Ein Spekulationsgewinn ist erst dann verwirklicht und zu versteuern, wenn vom Veräußerungserlös mehr zugeflossen ist, als an Anschaffungskosten, Herstellungskosten oder Werbungskosten erwachsen sind (Doralt/Kempf, EStG7, § 30 Tz 13/1 mit Hinweis auf VwGH 27.1.1981, 2379/77).

Gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

Zugeflossen ist eine Einnahme dann, wenn der Empfänger über sie rechtlich und wirtschaftlich verfügen kann, sobald er also die volle Verfügungsmacht über sie erhält (VwGH 17.10.1984, 82/13/0266 und VwGH 22.2.1993, 92/15/0048).

Wird nun der Veräußerungserlös bei einem Rechtsanwalt oder Notar auf einem Treuhandkonto hinterlegt, so fließt der Spekulationsgewinn erst dann zu, wenn der Treuhänder die Auszahlung vornehmen könnte; das ist regelmäßig erst nach erfolgter grundbücherlicher Durchführung der Fall; d. h., der Kaufpreis fließt dem Verkäufer erst mit Auszahlungsreife zu (Doralt/Kempf, EStG7, § 19 Tz 30).

Dem Akteninhalt ist nun bezüglich des Zuflusses des Kaufpreises aus dem Vertrag vom 27. Juli 2004 zu entnehmen, dass der Kaufpreis innerhalb von 2 Wochen nach allseitiger grundbuchsgültiger Unterfertigung des Kaufvertrages auf ein Treuhandkonto des Vertragsverfassers zu überweisen ist.

Nachdem davon auszugehen ist, dass der vertragserrichtende Notar zur Vermeidung von Haftungsfolgen die Freigabe des Kaufpreise an die Bw. nicht vor der grundbücherlichen Durchführung des Verkaufes veranlasst hat, ist auszuschließen, dass die Bw. bereits im Jahr 2003 über den Verkaufserlös verfügen konnte und folglich 2003 auch kein Spekulationsgewinn verwirklicht bzw. zu versteuern gewesen wäre.

Auf Basis dieser Sach- und Rechtslage erfolgte daher die Zuordnung des Spekulationsgewinnes aus dem Verkauf der Eigentumswohnung an die Bw. im Jahr 2004 zweifelsohne zu Recht. Folglich hat es sich auch erübrigt, auf die von den Streitparteien im Berufungsverfahren ventilierte, (nur) für die Berechnung der Spekulationsfrist relevanten Frage des Zeitpunktes des Zustandekommens des schuldrechtlichen Rechtsgeschäftes (ob also mit der verbindlichen Anbotannahme die einem Kaufvertrag vergleichbare "schuldrechtliche Wirkung" bereits im Jahr 2003 eingetreten ist oder nicht), näher einzugehen.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Graz, am 1. August 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 19 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 29 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 30 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

VwGH 20.11.1997, 96/15/0256
VwGH 08.02.1989, 88/13/0049
VwGH 22.02.1993, 92/15/0048
VwGH 27.01.1981, 2379/77
VwGH 17.10.1984, 82/13/0266

Stichworte