UFS RV/3017-W/10

UFSRV/3017-W/103.2.2012

Pauschbetrag gem. § 5 Abs. 1 VO 1996/303 für ein behindertes, einen eigenen Haushalt führendes erwachsenes Kind

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/13/0039 eingebracht. Mit Erk. v. 23.4.2014 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit E zur Zl. RV/7102411/2014 erledigt.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende und die weiteren Mitglieder im Beisein der Schriftführerin über die Berufungen des Bw, vertreten durch Steuerberater, gegen die Bescheide des Finanzamtes, vertreten durch Finanzamtsvertreter, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2008 und 2009 nach der am 31. Jänner 2012 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

1. Die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

2. Der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 wird teilweise Folge gegeben.

Dieser Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw) hat eine volljährige Tochter, die auf Grund einer 50 %-igen Behinderung erhöhte Familienbeihilfe bezieht. Wie bereits in den Vorjahren machte der Bw auch in den Berufungsjahren neben Kosten der psychotherapeutischen Behandlung den Pauschbetrag gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung, BGBl 1996/303, als ohne Abzug eines Selbstbehalts zu berücksichtigende außergewöhnliche Belastung geltend.

In dem die Vorjahre betreffenden Berufungsverfahren wurde vorgebracht, dass die Tochter manisch depressiv und in einem Wohnheim für betreutes Wohnen in Wien untergebracht sei. In der in diesem Verfahren ergangenen Berufungsentscheidung vom 11. Juni 2010, RV/1249, 1250-W/09, RV/6-W/10, wurde der Pauschbetrag mit der Begründung nicht zuerkannt, dass sich dieser gemäß § 5 Abs. 2 der Verordnung bei Unterbringung in einem Vollinternat um je ein Dreißigstel pro Tag des Internatsaufenthalts verringere und für den Fall der Unterbringung in einem Wohnheim für betreutes Wohnen nichts anderes gelten könne.

In den gegenständlichen Berufungen, die sich erneut gegen die Verweigerung des Pauschalbetrages wenden, bringt der Bw vor, es habe sich nunmehr herausgestellt, dass die Tochter, wie der beigelegte Mietvertrag belege, seit 1. August 2004 in einer Wohnung der Gemeinde Wien eingemietet sei. Die den Vorjahren zu Grunde liegende Annahme, dass die Tochter in einem Heim für betreutes Wohnen lebe, habe sich als falsch erwiesen. Die Tochter versuche, so gut es mit ihrer Erkrankung möglich sei, selbständig zu leben. Sie sei daher auch bemüht, ihre persönlichen Umstände nicht anderen Personen mitzuteilen. Auf Grund nicht rechtzeitig verfügbarer Informationen sei es zu dem in der Vergangenheit unterstellten Irrtum gekommen. Damit sei der Beweis erbracht, dass § 5 Abs. 2 der Verordnung nicht zur Anwendung komme und der Pauschbetrag gemäß § 5 Abs. 1 zustehe. Die Kosten für die Wohnung habe der Bw sehr wohl getragen, indem er der Tochter regelmäßig Geld habe zukommen lassen, was ihr ohne eigenes Einkommen das Überleben ermöglicht habe. Über die detaillierte Verwendung der Unterhaltsleistungen habe die Tochter dem Vater keinen Nachweis erbracht. Seiner Unterhaltsverpflichtung habe sich der Bw nicht entziehen können.

Im Einkommensteuerbescheid 2009 wurde von den geltend gemachten Kosten der psychotherapeutischen Behandlung in Höhe von 321,20 €, wie das Finanzamt mitgeteilt hat, versehentlich ein Selbstbehalt abgezogen.

In der am 31. Jänner 2012 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung führte der Bw aus, dass er das in der Bescheidbegründung 2006 vom Finanzamt genannte Einkommen von 1.039,43 € nicht exakt nachvollziehen könne; der - angesichts der Behinderung auch eher unerhebliche - Betrag müsste sich grob aus Sozialhilfe, Mietzinsbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe zusammensetzen. Die erhöhte Familienbeihilfe habe früher die Gattin des Bw bezogen, seit 2004 werde die Familienbeihilfe direkt an die Tochter ausbezahlt. § 5 der Verordnung knüpfe nur an die Bezahlung erhöhter Familienbeihilfe, wer sie beziehe, sei, wie auch der unabhängige Finanzsenat in RV/1355-W/2004 vom 20.1.2005 entschieden habe, unerheblich. Transferleistungen seien nicht geeignet, das Pauschale auszuschließen. Auch seien pflegebedingte Transferleistungen nie beantragt oder bezogen worden. Für den Bw bestehe eine familiäre und moralische Verpflichtung, seine Tochter finanziell zu unterstützen. Da sich die Unterbringung der Tochter in einem Wohnheim für betreutes Wohnen als irrige Annahme erwiesen habe, könne auch nicht ein anderer Grund für die Ablehnung des Pauschales herangezogen werden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996, sind Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262,00 €, vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Gemäß § 5 Abs. 2 der Verordnung vermindert sich der Pauschbetrag bei Unterbringung in einem Vollinternat pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.

Aus der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verminderung des Pauschbetrages ist zu erschließen, dass jene spezifischen, durch eine Behinderung verursachten Mehraufwendungen, die durch den Pauschbetrag des § 5 Abs. 1 abgegolten werden sollen, an jenen Tagen nicht vorliegen, welche die unterhaltsberechtigte Person nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern in einem Internat zubringt. Während auswärtiger Unterbringung werden bestimmte - sonst im Elternhaus anfallende - behinderungsbedingte Mehraufwendungen, etwa im Zusammenhang mit Haushaltsführung und Betreuung, erspart (vgl. UFS 6.2.2007, RV/0252-F/06). Die in § 5 Abs. 1 der Verordnung enthaltene Vermutung behinderungsbedingter Mehraufwendungen soll damit sichtlich dann nicht greifen, wenn der behinderte Unterhaltsberechtigte nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen lebt und damit ein durch den Pauschbetrag zu berücksichtigender Mehraufwand von vornherein nicht gegeben sein kann.

Die Tochter des Bw lebt unstrittig nicht in dessen Haushalt, sondern führt selbständig einen eigenen Haushalt in einer von ihr angemieteten Wohnung. Ob es sich dabei um eine Einrichtung im Rahmen des betreuten Wohnens handelt oder nicht, ist nicht entscheidend. Es besteht in Bezug auf das Anfallen behinderungsbedingter Mehraufwendungen kein Unterschied zwischen einem Steuerpflichtigen, dessen Kind einen eigenen Haushalt führt, und einem Steuerpflichtigen, dessen Kind in einem Vollinternat oder in einem Wohnheim für betreutes Wohnen untergebracht ist. Da der Bw zudem, wie in der Berufung vorgebracht wird, früher irrtümlich davon ausgegangen ist, dass die Tochter in einem Wohnheim für betreutes Wohnen untergebracht sei, weiß er über die näheren Lebensumstände seiner Tochter offensichtlich auch nicht genau Bescheid. Welcher durch den Pauschbetrag nach § 5 Abs. 1 der Verordnung zu berücksichtigende behinderungsbedingte Mehraufwand dem Bw im Gegensatz zu Steuerpflichtigen, deren behinderte Kinder ganzjährig in einem Vollinternat untergebracht sind, bei dieser Sachlage erwachsen sein soll, ist nicht ersichtlich.

Ebenso wie einem Steuerpflichtigen, dessen behindertes Kind ganzjährig in einem Vollinternat untergebracht ist, steht daher auch dem Bw, dessen Tochter durchgehend einen eigenen Haushalt führte, der Pauschbetrag gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung nicht zu.

Obwohl der in § 5 der Verordnung vorgesehene Pauschbetrag nur Aufwendungen, die aus der Behinderung erwachsen, und nicht Aufwendungen schlechthin (Unterhaltskosten) abdeckt (vgl. VwGH 31.1.2002, 96/15/0261), das - im Übrigen unbelegte - Vorbringen des Bw, er habe sich der Verpflichtung, Unterhaltsleistungen für die Tochter zu erbringen, nicht entziehen können und der Tochter Geldzuwendungen zukommen lassen, schon aus diesem Grund nicht zielführend ist, sei nur nebenbei angemerkt, dass diese Behauptung so nicht zutreffen kann, weil der bei der Tochter des Bw bestehende Eigenanspruch auf Bezug der Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 voraussetzt, dass die Eltern dem Kind gerade nicht überwiegend Unterhalt leisten, das Kind sich daher weitgehend selbst erhalten muss.

Zum Hinweis auf die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenats vom 20.1.2005, RV/1355-W/04, ist zu bemerken, dass Gegenstand dieser Entscheidung nicht die Gewährung des Pauschbetrages gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung, sondern der Abzug tatsächlicher Ausgaben gewesen ist. Die vom Bw geltend gemachten tatsächlichen Ausgaben für psychotherapeutische Behandlung, deren Abzug im Jahr 2009 versehentlich unterblieben ist, werden aber im Rahmen der gegenständlichen Entscheidung ohnehin antragsgemäß als außergewöhnliche Belastung ohne Abzug eines Selbstbehalts berücksichtigt. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2009 wird insoweit abgeändert.

Über die bereits berücksichtigten hinausgehende, weitere tatsächliche aus der Behinderung der Tochter erwachsene Ausgaben hat der Bw nicht vorgetragen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am 3. Februar 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 8 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 5 Abs. 1 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996
§ 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996

Verweise:

UFS 06.02.2007, RV/0252-F/06
VwGH 31.01.2002, 96/15/0261
UFS 20.01.2005, RV/1355-W/04

Stichworte