Vermietung eines Einfamilienhauses durch eine Privatstiftung an einen Mitstifter und Letztbegünstigten
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/13/0132 eingebracht (Amtsbeschwerde). Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 25.3.2015 abgelehnt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Adresse, vertreten durch Goldsteiner & Partner Steuerberatungs GmbH, 2700 Wiener Neustadt, Babenbergerring 7, vom 30. April 2007 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom 1. März 2007 über die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2004 gem § 299 BAO und betreffend Umsatzsteuer für den Zeitraum 2004 bis 2005 sowie Körperschaftsteuer 2005 und die Berufung vom 16.Juni 2008 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom 20. Mai 2008 betreffen Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der Bescheide betreffend Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides gemäß § 299 BAO sowie der Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 1. März 2007 werden aufgehoben.
Die Bescheide betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2005 bis 2006 werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Mit Umsatzsteuererklärung für 2004 beantragte die Bw. (Berufungswerberin, Bw.) die Berücksichtigung von Vorsteuern in Höhe von € 16.977,46 aus der im Jahr 2004 begonnenen Errichtung eines Einfamilienhauses Hausadresse (EFH). Der Umsatzsteuerbescheid 2004 erging erklärungsgemäß am 12. Juli 2006. Ebenso wurden der Umsatzsteuererklärung 2005 Vorsteuern in Höhe von € 47.265,98 geltend gemacht, Mieterlöse aus dem EFH wurden 2005 nicht erklärt. In der Umsatzsteuererklärung 2006 wurden Vorsteuern in Höhe von € 1.309,38 geltend gemacht. Umsatzerlöse wurden in den Streitjahren nicht erklärt.
Mit Bescheid vom 1. März 2007 wurde der Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 12. Juli 2006 gem. § 299 BAO aufgehoben und erging gleichzeitig mit dem Umsatzsteuerbescheid für 2005 einer neuer Umsatzsteuerbescheid 2004. Der Umsatzsteuerbescheid für 2006 erging am 20.Mai 2008. In allen Streitjahren wurden die geltend gemachte Vorsteuer vom Finanzamt (FA) nicht anerkannt und wie folgt begründet:
Die Bw. hat den Zweck als Familienstiftung mit dem Stiftungsvermögen sowie den Erträgen aus dem Stiftungsvermögen die Begünstigten zu unterstützen und deren Unterhalt zu sichern. Im Jahr 2004 erfolgt der Baubeginn für das Einfamilienhaus Hausadresse. Im Jahr 2006 wurde die Errichtung des Gebäudes abgeschlossen.
Mit Stichtag 1.2.2007 wurde der Mietvertrag abgeschlossen. Das Einfamilienhaus wird an den Stifter der Privatstiftung und Letzbegünstigten Hr. NN vermietet. Die Tätigkeit der Privatstiftung besteht in umsatzsteuerrechtlicher Sicht darin dem Stifter das zu errichtende Einfamilienhaus nach Fertigstellung zu dessen ausschließlicher privater Nutzung zu Wohnzwecken zur Verfügung zu stellen. Das Einfamilienhaus befindet sich somit nicht im Unternehmensbereich der Privatstiftung. Ein Vorsteuerabzug ist daher nicht möglich. vgl.dazu z.B. VwGH vom 28.10.2004,2001/15/0028 vom 30.3.2006,2002/15/0141.
Mit 1. März 2007 bzw. 20. Mai 2008 ergingen jeweils von der Steuererklärung abweichende Körperschaftsteuerbescheide für 2005 und 2006 mit welchen negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von €- 416,14 bzw. von € -7.174,41 laut Körperschaftsteuererklärung nicht anerkannt wurden. Begründend wurde hierzu ausgeführt, dass die beantragten Ausgaben für das Einfamilienhaus der Privatsphäre des Stifters und Letztbegünstigten zuzuordnen seien.
In den rechtzeitig eingebrachten Berufungen wird eingewendet, dass die im Jahr 2001 gegründete Bw. laut Stiftungsurkunde den Zweck verfolge durch die Nutzung, Verwaltung und Verwertung des gewidmeten Vermögens Mitglieder der Familie Ing. Stiftername, nämlich die Genannten, deren Kinder und Kindeskinder zu begünstigen, wobei Adoptivkinder und deren Nachfahren leiblichen Kindern und deren Nachfahren gleichgestellt würden.
Die Stiftung verfolge weiters den Zweck, Streitigkeiten im Erbfall zu vermeiden und die Zerschlagung des Familienvermögens hintanzuhalten. Die Stiftung beabsichtige sohin, die Familie und den Vermögensstamm der Familie zusammenzuhalten.
Um diesen Zweck langfristig zu erreichen, sei es auch Zweck der Stiftung das Vermögen der Stiftung bestmöglich anzulegen und zu verwalten sowie unter Berücksichtigung der Ansprüche der Begünstigten den Fortbestand der Stiftung zu sichern und das Stiftungsvermögen zu erhalten.
Um die Ziele der Stiftung zu erreichen, dürfe auch die Substanz des Stiftungsvermögens herangezogen werden. Im Rahmen dieses Zweckes und zur Erfüllung desselben, sei die Stiftung berechtigt, jede Art von Rechtsgeschäften im In- und Ausland zu schließen und Maßnahmen zu setzen, die zur Erreichung des Stiftungszweckes notwendig und nützlich seien, soweit diese nicht durch das Privatstiftungsgesetz untersagt seien.
Die Bw. halte als wesentlichsten Vermögensgegenstand eine Industriebeteiligung. Aus den Gewinnausschüttungen seien einerseits Wertpapierveranlagungen und andererseits Liegenschaftskäufe durchgeführt worden. Durch diese Risikostreuung auf 3 Standbeine Unternehmensbeteiligungen, Wertpapiere und Liegenschaften - sei eine ausgewogene Veranlagung der zur Verfügung stehenden Mittel für eine weitere optimale Vermögensentwicklung der Stiftung gewährleistet.
Die Bw. habe im Jahr 2002 ein Grundstück Hausadresse erworben. In den Jahren 2003 und 2006 seien zwei weitere Grundstücke angekauft worden, welche von der Bw. ebenfalls zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung verwendet werden sollten.
In den Jahren 2004 bis 2006 sei auf der Liegenschaft Hausadresse ein Einfamilienhaus errichtet und ab 1.7.2006 an Herrn NN mittels fremdüblichen, schriftlichen Mietvertrages vermietet worden. Der Mieter sei Spitalsarzt mit einem eigenen - entsprechend der Ausbildung - sehr guten Einkommen. Die Miete werde von ihm aus diesem Einkommen bezahlt. Herr NN sei auch Stifter der Bw. mit einem Minianteil von € 726,73. NN sei laut Stiftungszusatzurkunde keine aktuell begünstigte Person, sondern lediglich ein potentiell Begünstigter. Erst nach dem Tod von Stiftername sei. NN neben seinen beiden Brüdern eine aktuell begünstigte Person bzw. auch Letztbegünstigter. Zu Lebzeiten von Stiftername erhalte er im Falle der Auflösung der Privatstiftung lediglich € 726,73. Erst nach dem Tod eines seiner Elternteile erhalte er im Falle der Auflösung gemeinsam mit seinen Brüdern 1/3 des Stiftungsvermögens.
Ein wesentliches Argument für die Stiftung sei die Absicherung des Familienvermögens. Da in der heutigen Zeit 50 % der Ehen wieder geschieden würden sei es für den unverheirateten NN wesentlich nicht Eigentümer der Liegenschaft zu sein, um nicht im Falle einer Verehelichung und möglichen Trennung in Aufteilungsstreitigkeiten im Zuge einer Scheidung verwickelt zu werden. Daneben komme es immer wieder zu Haftungsprozessen gegenüber Spitalsärzten im Zusammenhang mit Kunstfehlern. Es sei daher vorliegende Variante einer Errichtung des Gebäudes durch die Privatstiftung mit anschließender Vermietung gewählt worden.
Das Mietverhältnis sei fremdüblich und wegen der Verwendung von Eigenmitteln liege auch keine Liebhaberei vor. Da diese Kriterien eingehalten worden seien, sei die Privatstiftung unternehmerisch tätig und stehe ihr der Vorsteuerabzug uneingeschränkt zu.
Weshalb in der ablehnenden Bescheidbegründung die beiden VwGH-Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Unterhalt angeführt würden, sei nicht verständlich handle es sich im vorliegenden Fall weder um einen Unterhalt noch um ein sonstiges unentgeltliches Rechtsgeschäft.
Die Privatstiftung habe eigene Rechtspersönlichkeit und könne Tätigkeiten entfalten, welche mit der Vermögensverwaltung im Zusammenhang stehen. Bei der Vermietung des Einfamilienhauses handelt es sich um eine zulässige Verwaltung des Vermögens, sie entspriche dem Zweck der Stiftung und stelle keine Begünstigung für den Mieter, Mitstifter und Letzbegünstigten dar, da die Vermietung sowohl der Höhe nach, als auch hinsichtlich der Formerfordernisse fremdüblich sei. Weshalb bei einer Privatstiftung anders vorzugehen sei, als bei einer Rechtsbeziehung zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem alleinigen Gesellschafter sei nicht verständlich.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der oben aus dem Akteninhalt wiedergegeben Sachverhalt ist sowohl hinsichtlich der Zeitpunkte als auch der Beträge und der beteiligten Personen unstrittig und bildet die Ausgangslage für die weiteren Feststellungen und rechtlichen Schlussfolgerungen.
Strittig ist, ob das genannte Mietverhältnis zwischen der Bw. und dem Letztbegünstigten und Mitstifter NN fremdüblich ist und eine unternehmerische Tätigkeit der Bw. begründet bzw. ob die Ergebnisse dieser Rechtsbeziehung in der Einkommensermittlung zu berücksichtigen sind.
Im Zuge des Verfahrens wurden von der Bw. die Baupläne des streitgegenständlichen EFH, der unterschriebene schriftliche Mietvertrag vom 1. Februar 2007, ein Protokoll über die Vorstands- und Beiratssitzung der Bw. vom 11.12.2006 sowie die Zahlungsnachweise über die vertraglich vereinbarte Miete bzw. über die vom Mieter bezahlten Betriebs- und Energiekosten vorgelegt.
Aus den vorgelegten Unterlagen und dem Akteninhalt ist ersichtlich, dass die Bw. in den Jahren 2004 bis 2006 auf dem von ihr im Jahr 2003 um € 70.986,87 erworbenen Grundstück Hausadresse um insgesamt € 338.488,70 ein EFH mit einer Wohnfläche von 130m2 zuzüglich 96m2 Keller und samt Garage errichtete. Die Anschaffungs- und Errichtungskosten wurden unstrittig aus Eigenmitteln der Bw. gedeckt.
Das streitgegenständliche Baugrundstück umfasst eine Fläche von 921m2, das strittige Gebäude ist weder besonders groß noch als luxuriös zu bezeichnen und umfasst neben einem Vorraum und einer Wohnküche ein Schlafzimmer und ein als Schlafzimmer nutzbares Arbeitszimmer, ein Bad sowie ein gesondertes WC im Bereich des Vorraums und umschließt an drei Seiten eine 30m2 große Terrasse. Ein Schwimmbad befindet sich nicht auf dem Grundstück. Laut Einheitswertbescheid vom 20. April 2007 des Finanzamts Wr. Neustadt/Neunkirchen beträgt die bebaute Fläche (inkl. Terrasse) 158m2. Der 137m2 große Dachboden ist laut Einreichplan und laut Einheitswertbescheid nicht ausgebaut und zählt daher nicht zur Wohnfläche. Im Kellergeschoß des Gebäudes befindet sich ein Vorraum mit Treppenaufgang ins Erdgeschoß, ein Heizraum, ein Lagerraum, mit 20,25m2 und eine 56,25m2 große Garage. Die Einrichtung des EFH samt Küche und Nassräumen wurde vom Mieter finanziert.
Aus dem Akt und den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass das Gebäude für eine große Anzahl an potentiellen Mietern nutzbar ist, da es in keiner erkennbaren Weise auf besondere Bedürfnisse des Mieters abgestellt ist. Auch aus den Ausführungen des FA ist nicht ersichtlich, dass das EFH in besonderer Weise auf die Ansprüche des Mieters zugeschnitten wäre.
Dem Protokoll der Vorstands- und Beiratssitzung vom 11.12.2006 ist zu entnehmen, dass NN das im Jahr 2006 fertiggestellte Gebäude ab 1. Juli 2006 benutzte und dass seitens der Bw. ein Mietverhältnis gewünscht war, dessen Miethöhe sich an einer Jahresrendite von 3,5% der Investitionskosten zuzüglich Betriebskosten orientierte. Zum Zeitpunkt der Sitzung war offenbar weder eine schriftlicher Mietvertrag vorgelegen noch waren bis dahin Zahlungen des Mieters an die Bw. erfolgt. Das ist daraus erkennbar, dass der Auftrag an einen Stiftungsvorgang erging einen entsprechenden Mietvertrag zu verfassen.
Bei dem am 1.2.2007 unterzeichneten schriftlichen Mietvertrag handelt es sich um eine unter Einhaltung einer sechsmonatign Kündigungsfrist auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Standardvereinbarung, wobei der Mieter für die ersten fünf Jahre auf sein Kündigungsrecht verzichtet.
Der indexgesicherte monatliche Mietzins (kalt) beträgt € 1.195,00 zuzüglich Betriebskosten und Umsatzsteuer und ist jeweils bis zum 5. eines Monats im Voraus fällig. Daraus ergibt sich ein Mietpreis von € 9,19 netto bzw. € 10,11 inkl. USt je m2. Laut Punkt IV 1./ des Mietvertrages waren die offenen Mieten bis spätestens Ende März zu begleichen. Am 28.2.2007 bezahlte NN lt. den vorgelegten Zahlungsbelegen und Kontosauszügen unter dem Titel "Nachzahlung Miete" € 10.516,00 an die Bw., ab März 2007 wurden von ihm lückenlos monatlich mittels Dauerauftrag € 1.314,50 inkl. USt als Miete an die Bw. überwiesen. Die Zahlungen erfolgten dabei immer etwa am 10. eines jeden Monats im Voraus.
Die Energiekosten wurden vom Mieter selbst getragen und direkt an den Energielieferanten bezahlt. Die Betriebskosten für die Jahre 2006 bis 2008 in Höhe von € 290,52 (2006); € 469,86 (2007) und € 657,88 (2008) sohin insgesamt netto € 1.418,26 zuzüglich 10% USt daher brutto € 1.560,09 wurden dem Mieter mit Schreiben vom 11.8.2009 vorgeschrieben und vom Mieter zeitnah zur Vorschreibung entrichtet.
Recherchen im Internet ergaben für vergleichbare Liegenschaften monatliche Mietzinse zwischen € 649,00 inkl. USt (125m2 Wohnfläche, Garage und Werkstätte; sehr guter Erhaltungszustand in Z. nahe Wr.Neustadt - brutto Miete je m2 daher € 5,19) und € 1.031,80 inkl. USt (neues Gebäude, Wohnfläche 150m2, 600m2 Grund, Garage, Keller und Wintergarten, Schwimmteich in W. nahe Wr.Neustadt - Bruttomiete je m2 daher € 6,87).
Insgesamt kann aus diesen Feststellungen erkannt werden, dass zwischen der Bw. und ihrem Mieter ein Standardmietverhältnis bestand bei welchem ein marktgängiges Mietobjekt zu fremdüblichen Konditionen vermietet wurde. Der Mietvertrag erfüllt weiters die Kriterien der ausreichenden Außenwirkung und inhaltlichen Determination.
Dem Umstand, dass der vereinbarte Mietzins vereinbarungswidrig und seitens der Bw. konsequenzlos regelmäßig fünf Tage nach dem vertraglich vereinbarten Fälligkeitstermin bezahlt worden war, kommt dabei keine weitere Bedeutung zu. Im Geschäftsleben ist es auch zwischen Fremden nicht unüblich einen regelmäßig zahlenden Mieter wegen eines zwar regelmäßigen aber geringfügigen Zahlungsverzuges zu klagen oder zu kündigen. Auch ergibt sich daraus weder für den Mieter ein nachhaltiger Vorteil oder für die Bw. ein erkennbarer Nachteil.
Zu bemängeln ist allerdings, dass die Bw. die vereinbarten Betriebskosten für die vergangenen drei Jahre im Nachhinein - nämlich erst nach Einbringung der gegenständlichen Berufung - vorschrieb. Diese Vorgehensweise erscheint in einer Rechtsbeziehung zu einem fremden Dritten unüblich, da die Bw. für die verrechneten Betriebskosten in Vorlage getreten war. Im Hinblick auf die in Relation zu den Mieteinnahmen jedoch geringfügigen jährlichen Betriebskosten wird durch dieses Vorgehen der Bw. das Gesamtbild der Rechtsbeziehung als fremdüblich in diesem Fall nicht verändert.
Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
Nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Sechsten MwSt-Richtlinie 77/388/EWG (6. RL) gilt als Steuerpflichtiger, wer die wirtschaftliche Tätigkeit eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Durch die Bezugnahme auf wirtschaftliche Tätigkeiten wird im Resultat auf nachhaltige, einnahmenorientierte Aktivitäten abgestellt (vgl. Ruppe, UStG3, § 2 Tz. 8).
Die Vermietung einer Immobilie zu Wohnzwecken kommt als fortlaufende Duldungsleistung auch bei einer Privatstiftung als unternehmerische Tätigkeit iSd § 2 Abs. 1 UStG 1994 bzw. als wirtschaftliche Tätigkeit iSd Art. 4 Abs. 1 und 2 6. RL in Betracht.
Die bloße Gebrauchsüberlassung einer Liegenschaft durch eine Privatstiftung an den Stifter oder an andere Begünstigte im Rahmen der Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Zwecke ist jedoch nicht als nachhaltige Tätigkeit einzustufen (Aigner/Tumpel, Immobilienvermietung durch eine Privatstiftung an ihren Stifter oder an Begünstigte, SWK 8/2011, S 396) und ist daher auch nicht als unternehmerische Tätigkeit anzusehen. Erfolgt nämlich die Überlassung der Nutzung eines Wohnhauses an den Stifter/Begünstigten nicht deshalb, um Einnahmen zu erzielen, sondern um ihm einen Vorteil zuzuwenden (Zuwendung aus der Stiftung), fehlt es an einer wirtschaftlichen Tätigkeit (VwGH 16.5. 2007, 2005/14/0083; 7.7.2011, 2007/15/0255).
Anhaltspunkte für die erforderliche Abgrenzung zwischen Tätigkeiten, die letztlich nur der Erfüllung des Stiftungszweckes dienen, und solchen, die über die bloße Erfüllung des Stiftungszweckes hinaus als wirtschaftliche Tätigkeiten einzustufen sind, finden sich im Urteil des EuGH vom 26. September 1996, C-230/94 , Enkler, in den Rn 24ff:
Wer einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, muss nachweisen, dass er die Voraussetzungen hierfür und insbesondere die Kriterien für die Einstufung als Steuerpflichtiger erfüllt. Artikel 4 der Sechsten Richtlinie hindert die Finanzverwaltung daher nicht daran, objektive Belege für die geäußerte Absicht zu verlangen.
Es ist daher unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten, die für einen Einzelfall charakteristisch sind, zu ermitteln, ob die fragliche Tätigkeit - hier die Nutzung eines Gegenstands in Form der Vermietung - zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dient. Im Urteil vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C- 97/90 (Lennartz, Slg. 1991, I-3795) hat der EuGH entschieden, dass zu den Gegebenheiten, auf deren Grundlage die Finanzbehörden zu prüfen haben, ob ein Steuerpflichtiger Gegenstände für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten erwirbt, die Art des betreffenden Gegenstands gehört.
Dieses Kriterium ermöglicht auch die Feststellung, ob ein Einzelner einen Gegenstand so verwendet hat, dass seine Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie anzusehen ist. Wird ein Gegenstand üblicherweise ausschließlich wirtschaftlich genutzt, so ist dies im Allgemeinen ein ausreichendes Indiz dafür, dass sein Eigentümer ihn für Zwecke wirtschaftlicher Tätigkeiten und folglich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen nutzt. Kann ein Gegenstand dagegen seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden, so sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird.
Im letztgenannten Fall kann nach der Judikatur (VwGH 7.7.2011, 2007/15/0255) der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende den Gegenstand tatsächlich nutzt, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird, eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werden kann, ob die betreffende Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird.
Auch wenn allein anhand von Kriterien, die sich auf das Ergebnis der betreffenden Tätigkeit beziehen, nicht ermittelt werden kann, ob die Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird, sind ferner die tatsächliche Dauer der Vermietung des Gegenstands, die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen Gesichtspunkte, die zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehören und daher neben anderen Gesichtspunkten bei dieser Prüfung berücksichtigt werden können.
Die Überlassung einer Liegenschaft durch eine Privatstiftung an den Stifter oder an Begünstigte im Rahmen der Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Zwecke ist daher dann nicht als nachhaltige Tätigkeit einzustufen, wenn sie lediglich unentgeltliche oder gegen Kostenersatz erfolgt und daher als Gebrauchsüberlassung einzustufen ist. (SWK 2011, S 397).
Anhaltspunkte für die erforderliche Abgrenzung zwischen Tätigkeiten, die letztlich nur der Erfüllung des Stiftungszwecks dienen, und solchen, die über die bloße Erfüllung des Stiftungszwecks hinaus als wirtschaftliche Tätigkeiten einzustufen sind, können aus dem oben zitierten Urteil des EuGH in der Rs. Enkler gewonnen werden. Erfolgt die Nutzungsüberlassung aufgrund eines Mietvertrags zwischen Privatstiftung und Stifter, der gewöhnlich auch mit unabhängigen Dritten abgeschlossen werden könnte, und bildet dieser Mietvertrag die Rechtsgrundlage für die Nutzungsüberlassung (den Leistungstausch), kann von einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit ausgegangen werden.
Zwischen einer Privatstiftung und dem Stifter/Begünstigten besteht eine besondere Nahebeziehung weshalb Verträge zwischen der Stiftung und Stifter/Begünstigtem den Erfordernissen der vom VwGH zur Familienverträgen entwickelten Judikatur zu entsprechen haben (UFS 18.01.2008, RV/0743-W/ ). Die Leistungsbeziehungen müssen daher nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen und klaren Inhalt haben und zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen werden.
Die Nutzungsüberlassung ist an Hand eines Vergleichs zwischen den Umständen, unter denen das Wohngebäude im Einzelfall - also hier von der Bw. an NN - überlassen wurde, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird zu beurteilen (VwGH 7.7.2011, 2007/15/0255).
Wie sich aus den getroffenen Feststellungen erkennen lässt, handelt es sich um einen Bestandvertrag der sowohl hinsichtlich des Mietobjektes als auch der Preisgestaltung sowie der sonstigen Vertragsgestaltung als marktüblich angesehen werden kann. Die ungewöhnliche Betriebskostenverrechnung - drei Jahre im Nachhinein - kann aufgrund der geringen Jahresbeträge als vernachlässigbare Abweichung vom Standardvorgang angesehen werden und hindert nicht, dass im Gesamtbild der Verhältnisse in diesem Streitfall von einem fremdüblichen Mietverhältnis - und damit verbunden Unternehmereigenschaft der Bw. iSd § 2 UStG- auszugehen ist.
Gemäß § 299 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Wie oben dargestellt liegt im Streitfall ein fremdübliches Mietverhältnis zwischen der Bw. und NN, weshalb die Bw. bezüglich des streitgegenständlichen Gebäudes als Unternehmerin, welche diese Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens ausübt zu behandeln ist. Der ursprüngliche Umsatzsteuerbescheid vom 12. Juli 2006 erweist sich daher als nicht unrichtig. Die Bescheidaufhebung setzt jedoch die Gewissheit der materiellrechtlichen Unrichtigkeit des Bescheidspruches voraus, weshalb der Berufung stattzugeben war. Aus diesem Grund ist auch der Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 1. März 2007 aufzuheben.
Hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006 ist von Unternehmereigenschaft der Bw. auszugehen und die geltend gemachten Vorsteuern anzuerkennen. Ausgehend von einer unternehmerischen Tätigkeit und dem mangels Fremdfinanzierung unstrittigen Nichtvorliegen einer ertragsteuerlichen Liebhabereibetätigung sind die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Jahren 2005 und 2006 in erklärungsgemäßer Höhe im Gesamtbetrag der Einkünften der Bw. zu berücksichtigen.
Beilage: 4 Berechnungsblätter
Wien, am 31. Oktober 2011
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Einfamilienhaus, fremdüblich, Mietvertrag, Angehörigenjudikatur, Mietzins, Betriebskosten, Privatstiftung, Stiftung, Mieter, Unternehmer, Liebhaberei, Fremdfinanzierung, Gesamtbild der Rechtsbeziehung, Gebrauchsüberlassung |
Verweise: | VwGH, 2005/14/0083 |